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Arbeitgeber darf Gehalt für Telefongespräche (auf Firmenkosten) einbehalten?

ArbG Frankfurt

Az.: 5 Ga 17/02

Urteil vom  19.02.2002


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):

Schädigt ein Mitarbeiter sein Unternehmen durch private Telefonate während seiner Arbeitszeit vorsätzlich, darf sein komplettes Gehalt zur Aufrechnung von Schadensersatzansprüchen einbehalten werden.

Sachverhalt:

Ein Wachmann hatte während seiner nächtlichen Rundgänge in den Büroräumen eines Unternehmens privat telefoniert. Die Firma machte daraufhin Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 12.000 DM (ca. 6.140 €) gegen das Sicherheitsunternehmen geltend. Die Sicherheitsfirma entließ den Wachmann fristlos und behielt zwei Monatsgehälter ein. Der Wachmann klagte auf Zahlung des pfändungsfreien Gehaltsanteils und argumentierte vor Gericht, ohne Gehalt sei er auf Sozialhilfe angewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Richter wiesen die Klage ab. Die Sicherheitsfirma hat zu Recht das gesamte Gehalt zur Regelung möglicher Schadensersatzansprüche des Kunden einbehalten. Bei unerlaubten Handlungen des Arbeitnehmers und dessen Vorsatz entfalle gemäß § 850 f ZPO der Anspruch des Arbeitnehmers, wenigstens Gehalt in Höhe des pfändungsfreien Anteils ausgezahlt zu bekommen.

Urteil:

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main – Kammer 5 – auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2002 für Recht erkannt:

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 1.479,77 festgesetzt.

Tatbestand

Mit dem Antrag macht der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) einen Lohnzah­lungsanspruch in Höhe von insgesamt € 1.479,77 netto gegenüber der Verfügungs­beklagten (im Folgenden: Beklagten) geltend.

Der am 20.04.1971 geborene ledige Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 25.10.2001 seit 25.10.2001 bei der Beklagten als Sicherheitsmitarbeiter mit einem Bruttostundenlohn von DM 13,– beschäftigt. Auf den Vertrag vom 25.10.2001, BI. 4 – 8 d. A., wird verwiesen.

Der Kläger war während der Dauer seiner Beschäftigung mit Objektschutzaufgaben auf dem Objekt im XX, bei dem Kunden der Beklagten, der Firma Y, eingesetzt.

Das fragliche Objekt wird 24 Stunden am Tag von der Beklagten bewacht und zwar in zwei Schichten von jeweils 12 Stunden, wobei der Kläger ganz überwiegend in der Nachtschicht eingesetzt war.

Bereits außergerichtlich gegenüber der Beklagten und jetzt im Kammertermin vom 19.02.2002 hat der Kläger eingeräumt, dass er während seiner Nachtschichten bei ­der XX an dem dortigen Telefonanschluss aus privat telefoniert und insbesondere sog. 0190-Nummern angerufen hat.

Am 13.01.2002 informierte die Firma Y die Beklagte über extrem angestiegene Telefonkosten, insbesondere in den Nachtstunden.

Nachdem die Beklagte den Kläger mit dem Vorwurf konfrontiert hatte, während der Nachtstunden insbesondere 0190-Nummern angerufen zu haben und der Kläger dies zugegeben hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 14.01.2002, Bl. 70 d.A., dem Kläger zugegangen am 16.01.2002, fristlos.

Die Vergütung des Klägers für Dezember 2001 sowie für die Zeit bis 16.01.2002 zahlte die Beklagte an den Kläger nicht aus.

Mit Schreiben vom 31.01.2002 machte die Firma XX gegenüber der Beklagten ei­nen Schadenersatzanspruch in Höhe von DM 12.573,35 (€ 6.428,66) wegen der un­rechtmäßigen Nutzung der Telefonanlage im Bewachungsobjekt XX durch den Wachmann der Beklagten, Herrn V (Kläger) geltend. Auf das Schreiben der Firma Y an die Beklagte vom 31.01.2002, Bl. 17, 18 d.A., wird Bezug genommen.

Der Kläger bestreitet, dass er die Höhe der von ihm verursachten Telefonkosten mit ca. DM 10.000,– beziffert habe. Er behauptet, dass über die Höhe der Kosten nicht konkret gesprochen worden sei.

Mit dem Antrag macht der Kläger Zahlung des unpfändbaren Teils seiner Vergütung für Dezember 2001 mit € 809,68 netto sowie für Januar 2002 mit € 670,09 netto gel­tend. Der Kläger, der zwischenzeitlich Sozialhilfe in Höhe von € 322,25 monatlich erhält, trägt vor, dass er dringend auf die Auszahlung der mit dem Antrag geltend gemachten Nettolohnansprüche angewiesen sei.

Der Kläger beantragt, die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, an den Verfügungskläger € 1.479,77 nebst 5 % Zinsen über dem Diskontsatz der Europäischen Zentralbank gemäß § 1 Überleitungsgesetz aus € 809,67 seit 01.01.2002 sowie aus € 670,09 seit 17.01.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Die Beklagte behauptet, dass der Kläger vorgerichtlich gegenüber der Beklagten nicht nur zugegeben habe, die fraglichen Telefonate von dem Anschluss der Firma aus geführt zu haben, sondern dass er sogar bereits die ungefähre Höhe der kosten für die durch ihn geführten Telefonate mit DM 10.000,– beziffert habe (Beweis: Zeugnis- Einsatzleitung).

Die Beklagte behauptet weiter, dass sich der Gesamtschaden durch die vom Kläger unberechtigt geführten Telefonate auf DM 12.573,35 (€ 6.428,66) belaufe. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich die Beklagte auf das Schreiben der Firma XX an die Beklagte vom 31.01.2002, Bl. 17, 18 d. A., auf die Schadensaufstellung Bl. 19 – 22 d. A., sowie auf die Einzelgesprächsnachweise für die Zeit vom 24.10.2001 bis 05.01.2002, Bl. 23 – 69 d. A.

Die Beklagte meint nach alledem, zum Einbehalt der vollen Vergütung des Klägers für den Monat Dezember 2001 und für die Zeit vom 01. bis 16.01.2002 berechtigt gewesen zu sein.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2002, Bl. 75 m. R. d.A., Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist als unbegründet zurückzuweisen, denn auf der Grundlage des im Kammertermin vom 19.02.2002 unstreitig gewordenen Sachverhalts in Verbindung mit den von der Beklagten durch Vorlegen der entsprechenden Unterlagen glaubhaft ge­machten Tatsachen ist davon auszugehen, dass der Beklagten dem Kläger gegen­über eine Schadenersatzforderung zusteht, die die Höhe der Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 01.12.2001 bis 16.01.2002 übersteigt und auf einer vor­sätzlichen Schädigung des Klägers beruht.

Wie im Kammertermin vom 19.02.2002 unstreitig geworden, hat der Kläger während seiner Nachtdienste bei dem Kunden der Beklagten, der Firma XX, von dem Te­lefonanschluss der Firma Y aus unberechtigt private Telefonate geführt, insbesondere 0190-Nummern angewählt.

Streitig geblieben ist im Kammertermin vom 19.02.2002 nur die Höhe der von dem Kläger durch das von ihm zugestandene Verhalten verursachten Telefonkosten:

Zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung, dass diese sich auf DM 12.873,35 (= € 6.428,66) beläuft, und dass die Beklagte durch die Firma XX in dieser Höhe auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, hat die Beklagte jedoch das Schreiben der Firma  Y an die Beklagte vom 31.01.2002 sowie die Einzelverbindungsnachweise für die Zeit vom 24.10.2001 bis 05.01.2002 vorgelegt. Aus letzteren ergibt sich bereits bei nur kursorischer Durchsicht, dass erhebliche Kosten für während der Dienstzeiten des Klägers geführte 0190-Tefefonate angefallen sind, so etwa allein in der Zeit vom 03.11. bis 05.11.2001 ca. DM 725,-.

Nach alledem hat die Beklagte einen der Höhe der Lohnansprüche des Klägers übersteigenden Schadenersatzanspruch gegenüber dem Kläger glaubhaft gemacht. Da dieser Schadenersatzanspruch nach dem unstreitigen Sachverhalt auf vorsätzlichem Handeln des Klägers beruhte, war die Beklagte berechtigt, gegenüber den Ge­haltsansprüchen des Klägers für die Zeit vom 01. 12.2001 bis 16.01.2002 auch über die Pfändungsfreigrenzen hinaus aufzurechnen. Denn in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden würde eine Berufung des Arbeitnehmers auf das Aufrechnungsverbot gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. Erfurter Kommentar, Preis, RdN. 662 zu § 611 BGB).

Der Kläger kann mithin nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Zahlung der pfändungsfreien Beträge der Vergütung für die Monate Dezember 2001 und Januar 2002 verlangen, wobei überdies zu berücksichtigen ist, dass das Existenzminimum des Klägers durch die seit 21.01.2002 von ihm bezogene Sozialhilfe abgesichert ist.

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Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger als unterliegende Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO im Urteil in Höhe des eingeklagten Betrages festzusetzen.

 

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