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Tierhalterhaftpflichtversicherung – Leistungsfreiheit bei Falschdarstellung

LG Dortmund

Az: 2 O 154/06

Urteil vom 01.02.2007


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 15.000,00 € der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer und Halter des Rottweilers ….., für den er bei der Beklagten eine Hundehalterhaftpflichtversicherung unter Geltung der AHB der Beklagten genommen hat.

Am 13.03.2005 gegen Mitternacht fiel der Hund des Klägers die damals 68jährige Geschädigte … an, die gerade ihre Mülltonne an den Fahrbahnrand der …-Straße in … schob. Der Hund verbiss sich im linken Ellenbogen der Geschädigten, worauf diese zu Boden fiel. Die Geschädigte zog sich eine herausgerissene, tiefe Riss-Bisswunde mit teilweisem Gewebsverlust sowie sturzbedingt eine Verletzung der rechten Hand zu und musste dieserhalb stationär im Krankenhaus ….. behandelt werden.

Der Kläger zeigte der Beklagten den Schadenfall nach Erhalt eines Anspruchsschreibens der Geschädigten zunächst mit Schreiben seiner seinerzeitigen Bevollmächtigten, der Rechtsanwälte …. pp., an und ließ folgenden Schadenhergang schildern:

„Richtig (…) ist, dass unser Mandant am 13.03.2005 gegen 23.45 Uhr mit dem bei Ihnen versicherten Hund spazieren ging. Die Anspruchstellerin war gerade dabei, Ihre Mülltonne an den Straßenrand zu fahren. Gerade in diesem Moment ging der Mandant mit seinem Hund vorbei. Die Anspruchstellerin erschrak, ging zurück und fiel zu Boden. Die Mülltonne lag auf ihr. Die Zeugin Frau (…) hob die Mülltonne auf und half der Frau auf. Auf Nachfrage erklärte die zuvor Gestürzte, es sei nicht so viel passiert, es ginge schon in Ordnung. Vorsorglich wurde ihr mitgeteilt, dass eine Haftpflichtversicherung bestehe. Gegebenenfalls solle man noch einmal in Kontakt treten.“

Mit Schadenanzeige vom 29.05.2005 schilderte der Kläger den Schadenhergang sodann wie folgt:

„Am 13.03.05 gegen 23.45 Uhr ging ich mit der oben genannten Zeugin mit meinem Hund spazieren. Als ich in Höhe d. M-str. … ankam, erblickte uns die geschädigte Person, erschrak und fiel auf ihr Hinterteil.“

Wegen des weiteren Inhalts der Schadenanzeige vom 29.05.2005 wird auf deren bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung (Bl. 44 f. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte erbat mit an die Rechtsanwälte … pp. gerichtetem Schreiben vom 20.06.2005 nach Erhalt einer telefonischen Aussage der Zeugin … Informationen über den aktuellen Stand des wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten … gegen den Kläger anhängigen Strafverfahrens und teilte mit, dass man beabsichtige, eine Haftung dem Grunde nach zurückzuweisen.

Mit Urteil vom 12.10.2005 verurteilte das Amtsgericht Kamen den Kläger nach durchgeführter Beweisaufnahme wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe und ordnete die Einziehung des Hundes an. Seine hiergegen gerichtete Berufung hatte teilweise Erfolg. Mit Urteil vom 12.04.2006 änderte die XV. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund das Urteil des Amtsgerichts Kamen im Strafmaß ab und hob die Einziehung auf.

Die Geschädigte … nahm den Kläger aus Anlass des Vorfalls vom 13.03.2005 ihrerseits in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Dortmund auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Bereits mit Schreiben vom 20.10.2005 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger unter Berufung auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit wegen einer unzutreffenden Schilderung des Schadenshergangs durch den Kläger Deckung versagt.

Dem trat der Kläger mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 03.11.2005 entgegen. Er verwies darauf, den Hergang des Ereignisses vom 13.03.2005 so wie subjektiv wahrgenommen geschildert zu haben.

Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 29.12.2005 an ihrer Versicherungsschutzversagung fest und erklärte sich zugleich bereit, im Falle des Obsiegens des Klägers im Deckungsprozess die Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.000,00 € an die Geschädigte … im Vergleichswege gegen sich gelten zu lassen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Beklagte aus Anlass des Vorfalls vom 13.03.2005 zur Deckung zu verpflichten. Er vertritt die Ansicht, die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit. Hierzu behauptet er, er habe der Beklagten den Sachverhalt so geschildert, wie er ihn subjektiv wahrgenommen habe. Er habe nicht mitbekommen, dass sein Hund die Geschädigte gebissen habe und zunächst gedacht, dass sich das Tier erschrocken habe, weil gerade die Geschädigte auf den Gehsteig gekommen sei. Er sei davon ausgegangen, dass sein Hund die Mülltonne angesprungen habe und dabei die Geschädigte zu Fall gekommen sei. Ferner sei er davon ausgegangen, dass es zu Bissverletzungen der Geschädigten nicht gekommen sein könne, da der Hund ein Halti getragen haben, welches Bissverletzungen verhindere. Er habe nicht gewusst und nicht vorhergesehen, dass das Tier möglicherweise durch die Kraftanstrengung des Springens das Halti gelockert habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm Versicherungsschutz hinsichtlich des Schadenfalles vom 13./14.03.2005 hinsichtlich der von seinem Hund … gegenüber der Geschädigten … verursachten Schäden zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie lehnt Deckung wie vorprozessual unter Hinweis auf Obliegenheitsverletzungen ab.

Die Kammer hat den Kläger angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.02.2007 (Bl. 60 d. A.) Bezug genommen.

Die Akten 4 Cs 246 Js 842/05 (379/05) – Staatsanwaltschaft Dortmund / Amtsgericht Kamen – waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Aus ihnen hat die Kammer mit Zustimmung der Beklagten die protokollierte Zeugenaussage der Zeugin …. in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts Kamen vom 12.10.2005 (Bl. 50 ff. BA) zu Beweiszwecken verwertet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der klageweise verfolgte Deckungsanspruch aus Anlass des Schadensereignisses vom 13.03.2005 nicht aus §§ 1, 149 ff. VVG zu. Die Beklagte ist gemäß § 6 AHB i. V. m. § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG leistungsfrei geworden ist, da der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit aus § 5 Nr. 3 S. 2 AHB verletzt hat.

1. Nach § 5 Nr. 3 S. 2 AHB ist der Versicherungsnehmer u. a. verpflichtet, dem Versicherer wahrheitsgemäße Schadensberichte zu erstatten sowie alle Tatumstände, welche auf den Schadenfall Bezug haben, mitzuteilen. Falsche Angaben des Versicherungsnehmers zu der Vorgeschichte und zum Hergang eines Unfalls stellen danach eine Obliegenheitsverletzung dar (vgl. OLG Hamm, r+s 1990, 408; OLG Köln, Urteil vom 14.02.2006 – 9 U 3/05).

Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger verstoßen, indem er in seiner Schadenanzeige vom 29.05.2005, welche inhaltlich im Wesentlichen mit den Ausführungen seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten in deren Schreiben vom 30.03.2005 übereinstimmt, einen unzutreffenden Schadenshergang geschildert hat. Der Kläger hat in seiner Schadenanzeige gegenüber der Beklagten erklärt, dass die Geschädigte … allein durch den Anblick des Rottweilers … erschrocken und – ohne weitere Veranlassung – zu Sturz gekommen sei.

Dass diese Darstellung unzutreffend ist, steht fest. Der Kläger hat in seiner Anhörung im Termin am 01.02.2007 selbst eingeräumt, dass entgegen seinen ursprünglichen Angaben gegenüber der Beklagten und im gegen ihn anhängigen Strafverfahren sein Hund die Geschädigte … angesprungen und umgeworfen habe. Allerdings will er zunächst nicht bemerkt haben, dass der Rottweiler die Geschädigte C auch gebissen hat. Selbst wenn man die Angaben des Klägers im Termin am 01.02.2007 als zutreffend unterstellt, hat der Kläger seine in den AHB statuierten Aufklärungsobliegenheiten gegenüber der Beklagten verletzt, indem er ihr einen Schadenhergang schilderte, der nichts mit dem tatsächlichen Geschehensablauf gemein hatte.

Zudem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger auch die erlittene Bissverletzung der Geschädigten … nicht entgangen ist. Zu Recht hat bereits das Amtsgericht Kamen die gegenteilige Einlassung des Klägers als Schutzbehauptung gewertet. Die Zeugin C hat im Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Kamen am 12.10.2005 bekundet, dass ihr Pullover durch den Biss des Hundes des Klägers zerrissen sei und der Kläger selbst sie noch unmittelbar nach dem Schadenfall darauf hingewiesen habe, dass dies seine Versicherung übernehmen würde. Dem Kläger war folglich bewusst, dass sein Hund zugebissen hatte, da durch einen Sturz der Geschädigten auf ihr Hinterteil – wie von ihm geschildert – nicht ihr Pullover hätte zerreißen können, was keiner vertieften Erörterung bedarf.

Einer neuerlichen Vernehmung der Zeugin C bedurfte es nicht. Die Beklagte, zu deren Beweislast die Obliegenheitsverletzung durch den Kläger steht, hat einer Verwertung der Niederschrift über ihre frühere Vernehmung im Wege des Urkundsbeweises zugestimmt. Eine solche Verwertung ist auch dann statthaft, wenn die Gegenpartei ihr widerspricht, da die Führung des Urkundsbeweises grundsätzlich nicht des Einverständnisses der Gegenpartei bedarf. Der Beweisgegner kann sich daher nicht darauf beschränken, der Verwertung von Strafakten zu widersprechen; er muss sich vielmehr, will er die erneute Vernehmung des Zeugen im Zivilprozess erreichen, zum Gegenbeweis auf diesen Zeugen berufen (vgl. BGH, VersR 1970, 322).

2. Leistungsfreiheit der Beklagten bei Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger ist zwischen den Parteien in § 6 AHB vereinbart, wobei der Kläger die gesetzliche Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 S. 1 VVG nicht zur Überzeugung der Kammer widerlegt hat. Die entschuldigende Angabe des Klägers, er habe die Schadenanzeige lediglich falsch formuliert, ist auch angesichts der zuvor durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten abgegebenen Schilderung und seines Aussageverhaltens im Strafverfahren unplausibel und überzeugt nicht.

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3. Auch die von der sog. Relevanz-Rechtsprechung entwickelten weiteren Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers sind gegeben (vgl. dazu nur Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rn. 51 ff. m. w. N.):

Unzutreffende Angaben des Versicherungsnehmers zum Schadenhergang sind im Rahmen der Haftpflichtversicherung generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Das Verschulden des Klägers ist erheblich; es handelt sich nicht bloß um ein Fehlverhalten, welches auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen müsste. Der Kläger war auch durch die auf dem Anzeigeformular unmittelbar über seiner Unterschrift abgedruckten – sachlich richtigen und durch Fettdruck hervorgehobenen – Belehrungen ausreichend auf die Folgen vorsätzlich falscher Angaben hingewiesen worden.

Nach alledem war die Klage mit der sich aus § 91 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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