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Tierhalteverbot – Pferdehaltung

VG Würzburg

Az: W 5 K 09.362

Urteil vom 29.04.2010


I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1.

Der Kläger hält auf seinem Anwesen einen schwankenden Bestand von bis zu 30 Pferden. Seit Jahren kam es immer wieder zu Kontrollen und Beanstandungen der Pferdehaltung durch das Veterinäramt des Landratsamts Aschaffenburg. Dieses rügte wiederholt gravierende Mängel hinsichtlich einer ausreichenden Versorgung der Pferde mit Wasser und Futter, eines ausreichenden Auslaufs und einer artgerechten Unterbringung der Tiere, der Gewöhnung der Pferde an den Menschen, der Hufpflege sowie der Gesundheitsvorsorge und Wundversorgung bei Verletzungen.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2008 erließ das Landratsamt Aschaffenburg gegenüber dem Kläger zahlreiche Anordnungen zur Beseitigung der genannten Mängel. Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 12. März 2009 (W 5 K 08.799) abgewiesen.

Mit (rechtskräftigem) Strafbefehl vom 7. Oktober 2008 verhängte das Amtsgericht Aschaffenburg gegen den Kläger eine Geldstrafe i.H.v. 70 Tagessätzen wegen Tierquälerei gem. § 17 Nr. 2 b TierSchG.

Ferner erließ das Landratsamt Aschaffenburg unter dem 16. Oktober 2008 gegenüber dem Kläger einen (rechtskräftigen) Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 TierSchG und § 18 Abs. 1 Nr. 3 b TierSchG i.V.m. § 13 Abs. 6 Satz 1, § 15 Abs. 2 Nr. 10 a TierSchlV durch ordnungswidrige Tötung eines kranken Pferdes.

2.

Mit Bescheid vom 7. April 2009 verpflichtete das Landratsamt den Kläger, seinen Bestand an Pferden, Eseln, sonstigen Equiden (Pferdeartigen) und landwirtschaftlichen Nutztieren auf nicht mehr als 10 Tiere zu verkleinern und die überzähligen Tiere bis spätestens zum 15. Mai 2009 aus dem eigenen Besitz abzugeben (Ziffer 1). Sofern die genannten Tiere künftig vom Kläger nicht im eigenen Namen, sondern für andere gehalten und durch den Kläger oder andere Personen im Auftrag des Klägers betreut würden, dürfe deren Gesamtzahl ab dem 15. Mai 2009 ebenfalls 10 Tiere nicht übersteigen (Ziffer 2). Zudem dürften ab dem 15. Mai 2009 keine Hengste mehr, sondern nur noch Stuten und Wallache vom Kläger gehalten oder betreut werden; dies gelte gleichermaßen bei Haltung für andere (Ziffer 3). Ferner dürften ab sofort keine weiteren Tiere mehr aus anderen Beständen hinzu gekauft oder sonst in den eigenen Bestand des Klägers verbracht (Ziffer 4) und keine Equiden mehr nachgezüchtet werden (Ziffer 5).

Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die Anordnungen stützten sich auf § 16 a Satz 1 i.V.m. § 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG. Nachkontrollen durch das Veterinäramt hätten ergeben, dass der Kläger zahlreiche Anordnungen des Bescheides vom 20. Februar 2008 nicht oder nicht vollständig umgesetzt habe und nach wie vor gravierende Mängel in der Pferdehaltung des Klägers bestünden. Trotz Vollziehung des Bescheides vom 20. Februar 2008 durch Anforderung und Vollstreckung der fällig gewordenen Zwangsgelder seien bis heute keine wesentlichen Veränderungen in der Tierhaltung des Klägers festzustellen. Auch der vom Amtsgericht Aschaffenburg erlassene Strafbefehl vom 7. Oktober 2008 und das vom Landratsamt mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 gegen den Kläger verhängte Bußgeld hätten beim Kläger keine Verhaltensänderung herbeiführen können. Es sei im Gegenteil so, dass der Kläger trotz der andauernden Ermahnungen, Anordnungen und Ahndungen bis heute davon überzeugt zu sein scheine, dass seine Pferdehaltung als vorbildlich zu bezeichnen sei und es den Tieren nicht besser gehen könne als bei ihm. Es müsse daher konstatiert werden, dass der alleine arbeitende Kläger in völliger Verkennung der Realität nicht dazu in der Lage sei, die unbedingt erforderlichen Arbeiten zu erledigen, die täglich bei einer Haltung von etwa 30 Pferden anfielen, und für art- und bedürfnisgerechte Haltungsbedingungen einer derart großen Anzahl von Pferden zu sorgen. Der Erlass dieses Bescheides, zu dem der Kläger mit Schreiben vom 27. November 2008 angehört worden sei, sei erforderlich, um eine wesentliche Verbesserung der misslichen Haltungsbedingungen zu erreichen. Nur eine drastische Bestandsreduzierung, die Abgabe aller Hengste und die Verhinderung einer Umgehung könnten eine Besserung bewirken. Mildere Mittel, die den gleichen Erfolg herbeiführen könnten, seien nicht ersichtlich. Soweit der Kläger in diversen Telefonaten eine Verbesserung der Situation und eine Bestandsreduzierung angekündigt habe, seien seine Aussagen widersprüchlich gewesen und im gleichen Atemzug relativiert worden. Es könne seitens des Landratsamtes nicht zugeschaut werden, wie der Bestand des jetzt schon bei weitem überforderten Tierhalters immer größer werde.

3.

Am 8. Mai 2009 erhob der Kläger gegen den Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 7. April 2009 Klage. Eine Begründung der Klage wurde nicht vorgelegt.

Das Landratsamt beantragte mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Antrags wurde auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Ergänzend wurde vorgetragen, die jahrelangen und immer wieder unternommenen Versuche des Veterinäramts, beim Kläger Überzeugungsarbeit zu leisten und diesen zu einer deutlichen Reduzierung des Pferdebestandes zu bewegen, seien gescheitert. In Einzelfällen hätten die Bemühungen des Veterinäramtes zwar zu tatsächlichen Verbesserungen der Zustände geführt, z.B. seien nach vielfacher Aufforderung bei einzelnen Tieren Hufbehandlungen durchgeführt worden, einzelne Hengstboxen seien entmistet worden; in der Gesamtheit betrachtet seien die Verhältnisse vor Ort jedoch kaum besser geworden bzw. hätten sich zum Teil sogar noch verschlechtert, was vor allem auf den zahlenmäßig immer größer werdenden, da sich unkontrolliert vermehrenden Bestand zurück zu führen sei. Weder die Erteilung von Anordnungen noch die Ahndung der Verstöße hätten den gewünschten Erfolg gebracht, den Kläger zur Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen zu bewegen. Die Untätigkeit und mangelnde Einsicht des Klägers, der in völliger Verkennung der Realität der Ansicht sei, „den Pferden gehe es bei ihm so gut wie im Paradies“, hätten dazu geführt, dass der Bestand bis auf die heutige Größe angewachsen sei und der Kläger nicht mehr dazu in der Lage sei, sämtliche mit der Tierhaltung verbundene Tätigkeiten zu meistern. Die Motivation des Handels des Klägers sei dabei nach Einschätzung des Landratsamtes nicht Tierliebe oder übermäßige Begeisterung für den Reitsport, sondern eine möglicherweise falsch verstandene Naturverbundenheit und möglicherweise eine Sammelleidenschaft. Von einer gesunden „Wildpferdeherde“, wie der Kläger behaupte, könne gar keine Rede sein. Diejenigen Pferde, die frei laufen könnten, hätten während der Wintermonate nur einen sehr kleinen Auslauf zur Verfügung. Die Hengste wären zum Teil seit Wochen bzw. Monaten nahezu bewegungsunfähig in Boxen eingesperrt, zum Teil sei aufgrund der Einschränkung der Bewegungsfreiheit eine deutliche Zurückbildung des Muskulaturapparates festzustellen gewesen. Von einem „vitalen Zustand“ der Tiere könne ebenfalls keine Rede sein. Selbst ein Laie könne an Körperbau und Bewegungsablauf der Pferde unschwer erkennen, dass die Tiere keine Bewegung gewöhnt seien und dies in Einzelfällen bereits zu körperlichen Schädigungen bzw. Beeinträchtigungen geführt habe.

4.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 stellte der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung durch das Gericht keinen Klageantrag. Der Beklagtenvertreter wiederholte den bereits schriftsätzlich gestellten Klageabweisungsantrag. Hinsichtlich des weiteren Fortgangs des Verfahrens wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

5.

Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor. Die Verfahrensakte W 5 K 08.799 wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage ist zulässig. Trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Klageantrags ist aufgrund der Klageerhebung gegen den Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 7. April 2009 hinreichend erkennbar, dass der Kläger die Aufhebung dieses Bescheides begehrt.

2.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist ersichtlich rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Bescheids des Landratsamtes Aschaffenburg vom 7. April 2009 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 117 Abs. 5 VwGO.

Ergänzend wird ausgeführt:

Nach § 2 TierSchG muss derjenige, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (Nr. 1) und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (Nr. 2). Gemäß § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann nach Satz 2 Nr. 1 insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen. Nach Nr. 3 kann die zuständige Behörde demjenigen das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, der den Vorschriften des § 2, einer Anordnung nach Nr. 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2 a wiederholt oder grob zuwider gehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger andauernde Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.

Auf der Grundlage dieser Vorschriften stellen sich die getroffenen Anordnungen als rechtmäßig dar. Sie sind in keiner Weise zu beanstanden. Die Tierhaltung des Klägers widerspricht eklatant den Vorgaben des § 2 Nr. 1 und Nr. 2 TierSchG. Den sich aus diesen Vorschriften ergebenden Pflichten handelt der Kläger seit Jahren in schwerwiegender Weise zuwider. Dies ergibt sich unschwer aus den Aussagen des beamteten Tierarztes des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und den ausführlichen Darstellungen in den Behördenakten sowie den darin enthaltenen Lichtbildern. Ursächlich für die tierschutzrechtlichen Defizite ist keineswegs die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Erkrankung seiner Pferde durch Jacobskreuzkraut. Zurückzuführen sind die erheblichen Missstände vielmehr zum einen auf eine völlige Überforderung des Klägers mit der Größe seines sich unkontrolliert vermehrenden Bestandes an Pferden und zum anderen auf eine nicht ungefährliche persönliche Uneinsichtigkeit des Klägers gegenüber Ermahnungen durch das Veterinäramt und behördlichen Anordnungen, die dieser beharrlich missachtet. Den von ihm gehaltenen Pferden hat er dadurch in einem solchen Ausmaß erhebliche und länger anhaltende Schmerzen und Leiden zugefügt, dass die Verpflichtung zu einer deutlichen Bestandsreduzierung und der Erlass eines Haltungsverbotes für Hengste die Folge sein mussten, wollte man nicht zu einer den Kläger erheblich stärker belastenden Untersagung der Tierhaltung insgesamt kommen, um weiteres Leid von den von ihm gehaltenen Pferden abzuwenden. Mit den getroffenen Regelungen hat das Landratsamt unter großzügiger Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegenüber dem Kläger die im Rahmen des Vertretbaren größtmögliche Milde gezeigt. Bedauerlicherweise ist der Kläger offenbar weder Willens noch in der Lage, die erheblichen Defizite seiner Tierhaltung einzusehen und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Die Pferdehaltung des Klägers wird daher auch weiterhin im Fokus der behördlichen Überwachung bleiben müssen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG. Mangels näherer Anhaltspunkte geht das Gericht vom Auffangstreitwert aus.

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