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Totenasche – Beisetzung in Behältnissen aus Papier, Pappe

Verwaltungsgericht Köln

Az.: 9 L 1172/06

Beschluss vom 29.08.2006


1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18. Juli 2006 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 10. Juli 2006 wird wiederhergestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18. Juli 2006 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 10. Juli 2006 wiederherzustellen, ist zulässig und begründet.

Bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung überwiegt das Aussetzungsinteresse, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen.

Mit der auf Weisung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen ergangenen Ordnungsverfügung vom 10. Juli 2006 wird der Antragstellerin die Beisetzung von Totenasche in Urnen auf dem in der Verfügung näher bezeichnetem Friedhof an der Kürtener Straße in Bergisch-Gladbach mit sofortiger Wirkung und unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt. Wie sich aus der Begründung der Ordnungsverfügung ergibt, will der Antragsgegner damit die von der Antragstellerin praktizierte Beisetzung von Totenasche in Behältnissen aus Papier, Pappe oder dem Holzwerkstoff ARBOFORM® untersagen, wobei davon auszugehen ist, dass die verwendeten Behältnisse nicht dauerhaft fest verschlossen sind und sich bestimmungsgemäß im Erdreich in absehbarer Zeit ohne negative Auswirkungen auf die Bodenbeschaffenheit oder das Grundwasser zersetzen. Die nunmehr untersagte Art der Bestattung auf einem in Privateigentum stehendem Friedhof unter Verwendung der oben genannten Behältnisse ist der Antragstellerin aufgrund des mit dem Antragsgegner geschlossenen Beleihungs- und Übertragungsvertrages vom 31. Mai 2005 und aufgrund der Genehmigung des Landrats des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 28. September 2005 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 16. November 2005 bislang gestattet. Der Antragstellerin, die im Übrigen den Rahmen der ihr erteilten Genehmigung einhält, ist bislang lediglich nicht erlaubt, Totenasche auf dem Friedhofsgelände zu verstreuen und versiegelte Behältnisse im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz – BestG NRW) vom 17. Juni 2003 – GV. NRW. S. 313 – zu benutzen.

Die Ordnungsverfügung stützt sich auf die Annahme, der Beleihungs- und Übertragungsvertrag und die Genehmigung seien wegen eines offenkundigen Verstoßes gegen das Bestattungsgesetz nichtig, sodass es an der Berechtigung zur Beisetzung von Totenasche in Behältnissen fehle. Dieser rechtliche Ansatz begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken. Es ist nicht offenkundig im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW, dass die der Antragstellerin bislang genehmigte Form der Bestattung rechtswidrig ist und die nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 Satz 2 BestG NRW erlaubte Beisetzung von Totenasche im Wurzelbereich des Bewuchses auf einem von einem privaten Rechtsträger betriebenen Friedhof nur ohne Behältnisse zulässig sein soll. Die Vorschrift enthält die Regelung, dass von dem Friedhofsträger einem privaten Rechtsträger die Errichtung und der Betrieb eines Friedhofs übertragen werden kann, wenn ausschließlich Totenasche im Wurzelbereich des Bewuchses beigesetzt wird. Ob die Beisetzung im Wurzelbereich des Bewuchses unter Verwendung der hier fraglichen Behältnisse erfolgen kann oder ob nur die Asche in den Boden eingebracht werden darf, wie dies in der Ordnungsverfügung ausgeführt wird, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Mit der dort formulierten Beschränkung „ausschließlich Totenasche“ grenzt das Gesetz die Beisetzung von Totenasche von der Bestattung des nicht kremierten Leichnams oder der Tot- oder Fehlgeburt ab (vgl. § 1 Abs. 1 BestG NRW). Von privaten Trägern betriebene Friedhöfe dürfen damit lediglich der Beisetzung von Totenasche dienen. Wie die Asche in dem Boden beizusetzen ist, regelt die Vorschrift hingegen nicht.

Dem Bestattungsgesetz ist auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Vorschriften nicht zu entnehmen, dass die in § 1 Abs. 4 Satz 2 BestG NRW geregelte Beisetzung von Totenasche nur ohne Behältnis erfolgen darf. Dabei kann offen bleiben, wie der zwischen den Beteiligten streitig gewordene Begriff der „Urne“ auszulegen ist. § 15 BestG NRW, der die Feuerbestattung und die Beisetzung der Totenasche näher regelt, enthält keine eindeutige Regelung, die eine Verwendung der streitigen Behältnisse vorsieht oder ihr entgegensteht. Das Beisetzen von Totenasche im Wurzelbereich ist in § 15 BestG NRW nicht ausdrücklich geregelt. Dass Totenasche ohne ein Behältnis im Erdreich vergraben werden darf, wie es die Ordnungsverfügung im Ergebnis verlangt, ist nicht ausdrücklich erlaubt. Für die Feuerbestattung sieht das Gesetz im Anschluss an die Einäscherung vor, dass die Zuordnung eines Leichnams oder einer Totgeburt zu der Asche im Regelfall eindeutig sein muss. Zu diesem Zweck wird die Totenasche nach der Kremierung in ein versiegeltes Behältnis gegeben (Urne), das auf einem Friedhof beizusetzen ist (§ 15 Abs. 5 Satz 2 BestG NRW). Friedhof im Sinne des Gesetzes sind jedoch nicht allein die von den Friedhofsträgern – Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen

Rechts sind – vorgehaltenen Einrichtungen (§ 1 Abs. 2 BestG RW), sondern auch diejenigen Friedhöfe, die von beliehenen privaten Rechtsträgern im Rahmen des § 1 Abs. 4 Satz 2 BestG NRW unterhalten werden. Dem Gesetz ist dementsprechend keine klare Regelung zu entnehmen, dass auf einem privat unterhaltenen Friedhof die Totenasche ausschließlich ohne eine Urne beigesetzt werden darf, sodass die Beisetzung im Wurzelbereich von Gewächsen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BestG NRW) nur ohne Urne und ohne jegliches anderes Behältnis für die Asche zulässig wäre. Hinzu kommt, dass über die hier nicht einschlägigen Sonderfälle des § 15 Abs. 9 BestG NRW hinaus eine urnenlose Beisetzung der Asche nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, etwa auf einem vom Friedhofsträger festgesetzten Bereich des Friedhofs durch Verstreuung (§ 15 Abs. 6 Satz 1 BestG NRW) oder auf hoher See (§ 15 Abs. 7 BestG NRW), wenn dies der letztwilligen Verfügung des Verstorbenen entspricht. Gleiches gilt für das Beisetzen einer Urne und das Verstreuen der Totenasche außerhalb eines Friedhofs, wobei die strengeren Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 Satz 2 BestG NRW einzuhalten sind. Schließlich enthält das Bestattungsgesetz auch keine Bestimmung des Begriffs der Beisetzung dahingehend, dass eine Beisetzung der Totenasche, wie sie auch in § 1 Abs. 4 Satz 2 BestG NW erwähnt wird, grundsätzlich mit oder ohne Urne oder einem anderen Behältnis zu erfolgen hätte. Das Gesetz unterscheidet begrifflich zwischen der Bestattung von Toten und der Beisetzung von Totenasche, § 1 Abs. 1 BestG NRW. Der Begriff der Beisetzung wird in § 15 BestG NRW nicht einheitlich verwendet, wenn etwa durch „Verstreuung beigesetzt“ werden kann und an anderer Stelle ein wohl nur scheinbarer Unterschied zwischen dem Verstreuen und der Beisetzung gemacht wird (§ 15 Abs. 6 Satz 1 und 2 BestG NRW). Vor diesem Hintergrund ist die Beisetzung das Überführen der Totenasche in ihre letzte Ruhestätte, ohne dass über die Verwendung von Behältnissen eine Aussage getroffen würde.

Die angefochtene Verfügung begegnet damit rechtlichen Bedenken, wobei die abschließende Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.

Die demnach anzustellende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Nachdem sich die streitige Form der Beisetzung nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist und die Antragstellerin den Rahmen der ihr erteilten wirksamen Genehmigung und des Beleihungs- und Übertragungsvertrages einhält, ist kein überwiegendes öffentliches Interesse erkennbar, das weiteren Bestattungen nach dem von der Antragstellerin entwickelten Konzept entgegensteht. Sollte sich die Bestattungsform im Hauptsacheverfahren dennoch als rechtswidrig erweisen, entstünden keine irreparablen Folgen. Die verwendeten Behältnisse aus Papier, Pappe oder aus dem Holzwerkstoff ARBOFORM® sind dafür gedacht, sich in absehbarer Zeit zu zersetzen. Dies bedarf für Behältnisse aus Papier und Pappe keiner weiteren Erläuterungen. Nach den im Verwaltungsvorgang enthaltenen technischen Beschreibungen besteht ARBOFORM® aus dem organischen Stoff Lignin und einem stärkehaltigen Bindemittel, das seinerseits von den im Boden vorhandenen Organismen zersetzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG, wobei die Kammer davon ausgegangen ist, dass die in Streit stehende Bestattungsform seit Erteilung der Genehmigung vielfach in Anspruch genommen worden ist und die Untersagungsverfügung die Nutzung des privat betriebenen Friedhofs infrage stellt.

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