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Fahrerlaubnisentziehung – Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad

VG München

Az: M 6a S 09.3309

Beschluss vom 11.08.2009


I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der 1967 geborene Antragsteller besaß zuletzt die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C, CE, C1, C1E, L, M, S und T.

Am … Dezember 2003 wurde der Antragsteller im öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Fahrrades einer Kontrolle unterzogen und eine Blutentnahme angeordnet. Die Untersuchung der ihm entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,70 Promille. Auf Grund dieses Vorfalls erließ das Amtsgericht A… am … März 2004 einen (seit ….3.2004 rechtskräftigen) Strafbefehl wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr und setzte gegen den Antragsteller eine Geldstrafe fest.

Im Rahmen des Antrags des Antragstellers vom … April 2006 auf Umtausch seines alten Führerscheins der Klassen 1 und 2 in einen Kartenführerschein erhielt die Antragsgegnerin Kenntnis von dem o. g. Strafbefehl.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, angesichts seiner Trunkenheitsfahrt vom … Dezember 2003 bestünden Zweifel an seiner Fahreignung sowohl hinsichtlich fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge als auch fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und forderte ihn auf, gem. § 13 Ziffer 2 lit. c FeV innerhalb von drei Monaten ein entsprechendes medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Gleichzeitig wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin berechtigt sei, im Falle der Verweigerung der Untersuchung oder der nicht fristgerechten Vorlage des angeforderten Gutachtens auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen; dem Antragsteller müsse dann die Fahrerlaubnis entzogen werden.

In der Folgezeit wurden mehrere Schriftsätze zwischen dem Bevollmächtigten des Antragstellers und der Antragsgegnerin gewechselt. Auch wurde die Frist zur Begutachtung verlängert.

Nachdem der Antragsteller auf Grund eines Auslandaufenthalts längere Zeit für seinen Bevollmächtigten nicht erreichbar war, gab die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 dem Antragsteller nochmals Gelegenheit, die Eignungszweifel durch die Vorlage eines medizinisch – psychologischen Gutachtens auszuräumen. Es wurde eine weitere Frist von zwei Monaten eingeräumt.

Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, ordnete die Antragsgegnerin angesichts des weiteren Zeitablaufs am 24. Juni 2008 erneut die Vorlage eines medizinisch – psychologischen Gutachtens an.

Nachdem wiederum kein Gutachten beigebracht wurde, entzog die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung dem Antragsteller mit Bescheid vom 8. Januar 2009 die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen. Weiterhin wurde dem Antragsteller untersagt, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld in Höhe von € 1000.- angedroht.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens werde auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sowie von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geschlossen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 6. Februar 2009 Widerspruch, den die Regierung … mit Bescheid vom 27. April 2009, zugestellt am 28. April 2009, zurückwies.

Am 27. Mai 2009 erhob der Antragsteller zum Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (…).

Am 3. Juli 2009 beantragte er die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen.

Der Antragsteller sei nur ein einziges Mal am … Dezember 2003 im Straßenverkehr auffällig geworden. Hierbei habe der Antragsteller nur ein Fahrrad geführt. Es bestehe kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung und diesem Vorfall. Der Antragsteller fahre nun seit mehr als 5 ½ Jahren beanstandungsfrei. Nach so langer Zeit sei auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids nicht rechtmäßig.

Mit der Entziehung des Führerscheins werde die berufliche Existenz des Antragstellers vernichtet.

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 10. August 2009 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Diese Anordnung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen, wobei die Begründung eindeutig erkennen lassen muss, dass sich die Behörde bei ihrer Entscheidung hinreichend mit den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles auseinandergesetzt hat. Zum anderen entfällt die aufschiebende Wirkung aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO).

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.

Nach diesen Grundsätzen war der Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 8. Januar 2009 gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend schriftlich begründet. In der Begründung der Vollziehungsanordnung geht die Fahrerlaubnisbehörde ersichtlich auf den konkreten Fall und die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung von Alkohol ein. Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit wird gegen das persönliche Interesse des Antragstellers abgewogen, weiterhin ein Kraftfahrzeug sowie ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug führen zu dürfen. Den Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist damit Genüge getan.

Im Übrigen ergibt sich im Bereich des Sicherheitsrechts das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung häufig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (BayVGH vom 14.12.1994, NZV 1995, 167).

Der Sofortvollzug ist auch materiell gerechtfertigt. Nach der im gerichtlichen Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber grundsätzlich auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen als überwiegend gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers anzusehen vorläufig weiterhin im Besitz dieser Fahrerlaubnis zu verbleiben und auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen zu dürfen. Neben einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen ist insbesondere von Bedeutung, dass der erhobene Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2009 erweist sich bei summarischer Prüfung zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 28. April 2009 (Zustelldatum des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2009) als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, als rechtmäßig.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. § 3 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bestimmt, dass die Straßenverkehrsbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen hat, wenn jemand sich als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist.

§ 3 Abs. 2 FeV verweist für den Fall des Bestehens von Eignungszweifeln auf die Bestimmungen der §§ 11 bis 14 FeV. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich bezüglich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 4 StVG und § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 1 FeV. Dies erscheint auch sachgerecht, denn es geht beim Führen fahrerlaubnisfreier wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge um eine Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht, Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit. Das Gefährdungspotential, welches hierbei, etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn, von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs (Mofa, Fahrrad etc.) ausgehen kann, rechtfertigt es, an die Fahreignung diesen Maßstab anzulegen (vgl. BayVGH vom 27.3.2006, 11 C 05.3297).

Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 1 FeV sind die notwendigen Voraussetzungen zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel im Sinne der Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt, durch den die Fahreignung ausgeschlossen wird.

In Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV wird bezüglich Alkohol ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Von Alkoholmissbrauch wird in diesem Zusammenhang immer dann gesprochen, wenn ein Bewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits abhängig zu sein. Als alkoholabhängig wird in der Regel bezeichnet, wer die Kriterien der diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 erfüllt.

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Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bergisch Gladbach im Februar 2000) können nach erfolgtem Alkoholmissbrauch die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen dann als wiederhergestellt gelten, das heißt es muss nicht mehr mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit mit einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gerechnet werden, wenn zum einen das Trinkverhalten ausreichend geändert wurde. Dies ist der Fall, wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird, so dass Trinken und Fahren zuverlässig getrennt werden können, oder wenn Alkoholabstinenz eingehalten wird. Letzteres wird dann gefordert, wenn aufgrund der Lerngeschichte anzunehmen ist, dass sich ein konsequenter kontrollierter Umgang mit alkoholischen Getränken nicht erreichen lässt (Nr. 3.11.1). Zum anderen muss die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt sein. Gleiches bestätigt im wesentlichen Anlage 4 zur FeV, die nach Beendigung des Alkoholmissbrauchs fordert, dass die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2). Zur Feststellung dieser Frage ist eine psychologische Bewertung erforderlich, der somit bei der Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Alkoholmissbrauch entscheidende Bedeutung zukommt.

Waren die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholabhängigkeit, bei der die Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen generell aufgehoben ist, nicht gegeben, so können sie nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass dauerhafte Abstinenz besteht. Hierzu ist in der Regel eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließend mindestens einjähriger Abstinenz erforderlich, die mittels regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen und Labordiagnostik nachgewiesen werden muss; weiterhin dürfen keine sonstigen eignungsrelevanten Mängel vorliegen. Diesbezüglich wird auch auf Anlage 4 Ziffer 8.4 zur FeV hingewiesen.

Angesichts dieser auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Bewertungen in Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ist jeder Hinweis auf möglichen Alkoholmissbrauch bzw. auf Alkoholabhängigkeit eines Fahrerlaubnisinhabers geeignet, Bedenken gegen seine Fahreignung zu begründen. Nach § 46 Abs. 3 FeV bzw. § 3 Abs. 2 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dann die in den §§ 11 bis 14 FeV geregelten Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Unter anderem ist geregelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde ohne jeglichen Ermessensspielraum nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen hat, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat.

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gem. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (vgl. BVerwG vom 11.12.2008, 3 C 26/07)

Diese Voraussetzungen lagen im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, d.h. dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vor.

Die der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Untersagungsverfügung im Bescheid vom 8. Januar 2009 zugrunde liegende Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ist nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV zu Recht ohne jeglichen Ermessensspielraum mit Schreiben vom 31. Januar 2007 bzw. erneut am 15. Oktober 2007 sowie am 24. Juni 2008 erfolgt, da der Antragsteller am … Dezember 2003 ein Fahrrad im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss geführt hatte.

Die Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille.

Diese Trunkenheitsfahrt liegt dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts A… vom … März 2004 zugrunde. Danach wurde der Antragsteller wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gesprochen.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Kraftfahrer in einem Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen muss, sofern sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil ergeben (vgl. BVerwG vom 3.9.1992, 11 B 22/92, mit weiteren Hinweisen, OVG Brandenburg vom 31.1.2003, 4 B 10/03).

Ohne Bedeutung ist, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nicht mit einem Kraftfahrzeug, sondern mit einem Fahrrad erfolgt ist. Auch die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad rechtfertigt bei einer Blutalkoholkonzentration des Verkehrsteilnehmers von 1,6 Promille und mehr die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Fahrzeuge im Sinn des § 13 Nr. lit. c FeV sind nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern Fahrzeuge jeder Art (auch Fahrräder), die zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen und am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen (vgl. BVerwG vom 21.5.2008 DAR 2008, 537-540; BayVGH vom 20.1.2004, 11 CS 03.3063 m.w.N.; VG München vom 20.2.2009, M 6a K 08.2422; Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl., Erläuterung Nr. 3 c zu § 13 FeV m.w.N.).

Rechtgrundlage für die Gutachtensanforderung ist damit § 13 Nr. 2 lit. c FeV. Dabei ist auch die Fragestellung für die Gutachtensanforderung nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat am … Dezember 2003 zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad und dem Konsum von Alkohol nicht trennen können und damit „unkontrolliert“ Alkohol konsumiert. Deshalb hatte die Fahrerlaubnisbehörde hinreichend Anlass, zu klären, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug oder ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Ebenso bestand Anlass zur Klärung der Frage, ob der bisherige Alkoholkonsum des Antragstellers bereits zu Beeinträchtigungen geführt hat, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs bzw. eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs in Frage stellen würden. Als notwendige Grundlage für die Entscheidungsfindung hatte die Antragsgegnerin zudem auch zu klären, ob durch Erlass von Beschränkungen bzw. Auflagen von der Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsgrund abgesehen werden könne. Die Fragestellung ist daher in keinem Punkt zu beanstanden.

Auch der Umstand, dass der zur Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr führende Vorfall inzwischen mehr als 5 1/2 Jahre zurück liegt, kann daran nichts ändern. Berücksichtigungsfähig sind nach dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck der Tilgungsvorschriften nämlich alle einschlägigen Verkehrszuwiderhandlungen, solange sie – wie vorliegend – nach den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes noch verwertbar sind (vgl. VG München v. 17.5. 2004, …).

Die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers vom … Dezember 2003 ist auch derzeit noch berücksichtigungsfähig. Aufgrund dieses Vorfalls erließ das Amtsgericht A… am … März 2004 gegen den Antragsteller einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Hierfür gilt gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG die 10-jährige Tilgungsfrist, da es sich insoweit um eine Straftat im Sinne von § 316 Abs. 2 StGB handelt und diese nicht von den übrigen Ziffern der Norm, insbesondere nicht von § 29 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 a StVG, erfasst ist.

Die Frist begann gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG mit dem Tag der Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter am … März 2004 zu laufen und ist damit noch nicht verstrichen.

An der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV bestehen somit keinerlei Zweifel.

Die Eignung des Antragstellers für das Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs ist zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Dies ist nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung dann anzunehmen, wenn er zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholgenuss nicht hinreichend sicher trennen kann. Wird beim Betroffenen ein chronisch überhöhter Alkoholkonsum und eine damit einhergehende Alkoholgewöhnung und die Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung des eigenen Alkoholpegels sowie der daraus bei einer Teilnahme am Straßenverkehr drohenden Gefahren festgestellt, setzt die Bejahung der Kraftfahreignung regelmäßig eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus. Dies ist Nr. 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu entnehmen, die auf die Beendigung des (Alkohol-) Missbrauchs und damit auf das Entfallen der sich aus dem mangelnden Trennungsvermögen ergebenden Gefahren abstellt. Sie setzt hierfür eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus.

Es deutet auf ein hohes Maß an Alkoholgewöhnung hin, wenn ein Verkehrsteilnehmer in der Lage ist, trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,7 ‰ noch Fahrrad zu fahren. Dieser Wert wird nur von Personen erreicht, die Alkohol über viele Jahre hinweg in großer Menge zu sich genommen haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1988 ( Az. 7 C 46/87) unter Hinweis auf die Ergebnisse verkehrsmedizinischer Untersuchungen ausgeführt, dass ein Geselligkeitstrinker alkoholische Getränke allenfalls bis zu einem Blutalkoholgehalt von 1 ‰ oder maximal 1,3 ‰ zu sich nehmen kann, während Personen, die Blutalkoholwerte über ca. 1,6 ‰ erreichen, regelmäßig bereits an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leiden. Schon Blutalkoholkonzentrationswerte von über 1,3 ‰ sind mit einem sozial adäquaten Trinkverhalten deshalb keinesfalls mehr zu vereinbaren. Sie setzen eine durch den häufigen Genuss großer Alkoholmengen erworbene gesteigerte Alkoholverträglichkeit voraus. Die Höhe der beim Antragsteller gemessenen Blutalkoholkonzentration lässt damit den Schluss zu, dass er über eine abnorme Trinkfestigkeit verfügt, die sich nur entweder durch häufige Alkoholexzesse oder durch regelmäßig überhöhten Alkoholkonsum heranbildet.

Das damit zu Recht angeforderte Gutachten hat der Antragsteller nicht innerhalb der ihm gesetzten ausreichend bemessenen Frist vorgelegt.

Der Antragsteller hatte hinreichend Gelegenheit zur Beibringung des zu Recht geforderten Gutachtens.

Die erste Aufforderung der Antragsgegnerin zur Begutachtung erfolgte mit Schreiben vom 31. Januar 2007. Nachdem der Antragsteller längere Zeit im Ausland und damit für seinen Bevollmächtigten nicht erreichbar war, erhielt der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 und vom 24. Juni 2008 erneut die Möglichkeit, die Zweifel an seiner Fahreignung durch Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung und Vorlage eines entsprechenden Gutachtens auszuräumen.

Die Fahrerlaubnisbehörde konnte gemäß § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und hatte ihm zwingend, d.h. ohne dass diesbezüglich ein Ermessen auszuüben war, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wegen Nichteignung die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Antragsgegnerin konnte im Hinblick auf das gesamte Verhalten des Antragstellers im Verwaltungsverfahren zu Recht davon ausgehen, dass sich der Antragsteller der Begutachtung nicht unterziehen wollte, um einen Eignungsmangel zu verbergen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 22 zu § 11 FeV). Darauf war der Antragsteller auch hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

Ebenso durfte die Fahrerlaubnisbehörde gemäß §§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Fahrzeugen aller Art schließen und hatte zwingend, d.h. ohne dass diesbezüglich ein Ermessen auszuüben war, die in § 3 Abs. 1 FeV genannte Schlussfolgerung zu ziehen. Auch darauf war der Antragsteller zuvor hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

Hierbei steht der Behörde grundsätzlich ein Auswahlermessen zu, nämlich das Führen von Fahrzeugen vollständig zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Im Fall des Antragstellers war dieses Auswahlermessen jedoch – wie von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 8. Januar 2009 ausgeführt – aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller im Straßenverkehr mit einer sehr hohen Blutalkoholkonzentration ein Fahrrad unter Alkoholeinfluss geführt hat und sich einer Sachverhaltsaufklärung verweigert hat, auf Null reduziert. Die Antragsgegnerin führte hierzu zutreffend aus, dass durch die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und der vom Antragsteller gezeigten Uneinsichtigkeit nur ein unmittelbarer Ausschluss von der Verkehrsteilnahme gerechtfertigt war.

Dem Antragsteller wurde damit zu Recht auch untersagt, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen.

Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot kann darin nicht gesehen werden, zumal nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Untersagung ohne Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zeitlich, sachlich oder örtlich beschränkt werden könnte.

Bei dieser Sach- und Rechtslage überwiegt – trotz der verstrichenen Zeit seit der Trunkenheitsfahrt – das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung sowie der Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, auch wenn der Antragsteller auf die Fahrerlaubnis aus privaten oder auch beruflichen Gründen angewiesen sein sollte. Dieser Umstand hätte dann nämlich im Gegenteil Anlass für ihn sein müssen, jeglichen Umgang mit Alkohol strikt zu meiden. Beim Vorrang des öffentlichen Interesses daran, dass der Antragsteller bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen kann, verbleibt es jedenfalls so lange, wie weiterhin – mangels Vorlage eines positiven Gutachtens – von der Weigerung des Antragstellers, ein Gutachten beizubringen, auf seine Nichteignung geschlossen werden muss.

Die (deklaratorische) Verpflichtung, den Führerschein nach der Entziehung der Fahrerlaubnis unverzüglich bei dem Antragsgegner abzuliefern, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV.

Der Antrag war daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts gründet sich auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … ist abzulehnen.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ff. ZPO ist einer Partei Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Abgesehen davon, dass der Antragsteller bislang keine Erklärung über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse beigebracht hat, hat der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO aus den oben unter II. ausgeführten Gründen, auf die vollinhaltlich verwiesen wird, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

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