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Unbrauchbarkeit eines Sachverständigengutachtens


Landgericht Halle

Az: 4 T 26/14

Beschluss vom 04.05.2014


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts H vom 21. März 2014 wird zurückgewiesen.


Gründe

1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsrichters über die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist nach § 66 Absatz 2 Satz 1 GKG zulässig. Insbesondere wird eine Beschwer des Beklagten von 200 Euro gerade eben überschritten, weil der nach der Kostengrundentscheidung auf den Beklagten entfallende Anteil der Sachverständigenkosten sich auf aufgerundet 205,66 Euro (822,62 Euro : 4) beläuft.

Mit seiner Beschwerde kann der Beklagte auch rügen, der Sachverständige sei zu Unrecht entschädigt worden (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 66 GKG Rn. 13; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl., § 4 Rn. 7).

2. Der Beklagte dringt mit seinen Einwendungen indes nicht durch. Der Kostenansatz in der von ihm beanstandeten Kostenrechnung des Amtsgerichts vom 11. November 2013 (Vorblatt III) ist zutreffend. Insbesondere gilt dies auch, soweit hier als Gerichtskosten Sachverständigenkosten in Höhe von 822,62 Euro aufgenommen sind.

In der Sache macht der Beklagte dabei geltend, der Sachverständige sei wegen einer Unbrauchbarkeit der Begutachtung nicht zu entschädigen gewesen. Er macht damit eine Einwendung geltend, welche inzwischen in § 8a Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG kodifiziert ist, aber auch vorher schon in der Rechtsprechung anerkannt war (zur Absicht des Gesetzgebers, die Rechtslage mit der Einführung gerade nicht zu ändern: Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14. November 2012 zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drs. 17/1471, S. 259 f.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze hatte der Sachverständige indes einen Anspruch auf Bezahlung.

Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob die Kammer – wäre sie selbst als Tatsachenrichter für das Erkenntnisverfahren zuständig gewesen – die erstatteten Gutachten des Sachverständigen für brauchbar gehalten hätte. Ein Gutachten wird immer für den erkennenden Tatsachenrichter erstattet. Es soll allein dessen fehlende Sachkunde ausgleichen, also insbesondere weder eine fehlende Sachkunde der Parteien noch ihrer Prozessbevollmächtigten und erst recht nicht die eines anderen Gerichts, welches mit dem Erkenntnisverfahren (jedenfalls noch) gar nicht befasst ist. Dabei ist es vorstellbar, dass für den konkreten Tatrichter ein Gutachten brauchbar ist, welches die Parteien oder andere Richter für unbrauchbar halten und umgekehrt. Für die Frage der Brauchbarkeit für den jeweiligen Tatrichter kommt es im Übrigen auch nicht zwingend darauf an, ob der jeweilige Tatrichter die Positionierung übernimmt, welche der Gutachter in seinen Ausführungen vornimmt. Ein Gutachten kann nämlich auch dergestalt verwendet werden, dass auf seiner Grundlage der zur Entscheidung berufene Tatrichter sich von etwas anderem überzeugt als es der Gutachter für richtig hält, etwa weil der Tatrichter einen Fehler der Begutachtung erkennt und diese Erkenntnis für seine Entscheidung berücksichtigt.

Dabei kann die Bewertung der Verwertbarkeit einer Begutachtung auch durchaus im Instanzenzug des Erkenntnisverfahrens unterschiedlich ausfallen: Es ist etwa vorstellbar, dass der erstinstanzliche Tatrichter über zusätzliche Fachkenntnisse verfügt, welcher ihm die Verwertung eines Gutachtens (nicht notwendig mit dem vom Sachverständigen vorgetragenen Ergebnis) ermöglicht, während der Tatrichter des Berufungsverfahrens oder ein späterer anderer Tatrichter des ersten Rechtszugs ein neues Gutachten benötigt, und umgekehrt. Sofern ein Gutachten zunächst Fehler aufweist, kann es auch sein, dass der zuständige Tatrichter diese – gegebenenfalls nach Ergänzungen des Gutachtens oder einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens – ausgleichen kann, während für einen anderen Tatrichter das Gutachten durch die Fehler nutzlos würde. Es liegt in der Konsequenz des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nach § 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO, welche als zentrales Element immer auf die subjektive Überzeugung gerade des Tatrichters (und nicht irgend einer anderen Person) abstellt, und im Übrigen der bei verschiedenen Richtern in unterschiedlicher Dichte vorhandenen Fachkenntnisse und unterschiedlichen Fähigkeit, sich etwa in technische Sachverhalte hereinzudenken und auch eventuelle Fehler eines Gutachtens zu kompensieren, dass die Verwertbarkeit eines Gutachtens von verschiedenen Richtern unterschiedlich eingeordnet werden kann.

Aus dem Umstand, dass das Gutachten immer konkret auf den jeweiligen Tatrichter zielt und die Verwertbarkeit aus dessen Perspektive zu bewerten ist und aus dem damit im Zusammenhang stehenden Ziel, eine Wiederholung eines Streites über die Verwertbarkeit von Gutachten in den Kosteninstanzen zu vermeiden (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14. November 2012, BT-Drs. 17/11471 S. 260) ergibt sich, dass ein Gutachten immer als brauchbar gilt, wenn es von dem Tatrichter berücksichtigt wurde. Inzwischen ist dies auch ausdrücklich in § 8a Absatz 1 Satz 2 JVEG kodifiziert, wobei – wie bereits dargestellt – die Rechtslage mit dieser Kodifizierung nicht geändert, sondern nur ausdrücklich normiert werden sollte. Dabei gilt als Berücksichtigung eines Gutachtens nicht erst, wenn auf seiner Grundlage ein die Instanz abschließendes Urteil ergeht. Eine Verwertung ist vielmehr schon, wenn der zuständige Richter im Rahmen der Prüfung der Sach- und Rechtslage nach Erstattung des Gutachtens auf dieses aufbaut. Dies kann sogar dann der Fall sein, wenn sich dies aus der Verfahrensakte allein noch nicht erkennen lässt. Schließen Parteien – wie vorliegend – einen Vergleich, kann deshalb eine schriftliche Äußerung des Tatrichters erforderlich werden, ob er für seine rechtliche Bewertung des Streitstandes das Gutachten verwertet hat (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, § 8a Rn. 30).

Das Einholen einer (ergänzenden) Äußerung ist hier entbehrlich. Der zuständige Tatrichter des Amtsgerichts hat nämlich sogar aktenkundig zum Ausdruck gebracht, dass er die eingeholten Gutachten nicht für unverwertbar hielt. Es ergibt sich schon aus dem Beweisbeschluss des Amtsgerichts vom 30. April 2013 (Band II Blatt 18 d. A.), dass der Tatrichter des Amtsgerichts an die bis dahin getätigten Ausführungen des Sachverständigen anknüpfte und auf sie aufbauen wollte, das bisherige Gutachten also nicht für unbrauchbar hielt. Dies brachte er auch schon dadurch unmissverständlich zum Ausdruck, dass er gerade nicht der Anregung des Beklagten folgte, wegen einer vermeintlichen Unbrauchbarkeit des Gutachtens, wie sie der Beklagte annahm, die Einholung eines neuen Gutachtens durch einen anderen Gutachter anzuordnen, sondern vielmehr auf der Grundlage des schriftlichen Gutachtens, dessen schriftlicher Ergänzung und der Erläuterung im Termin der Bewertung des Gutachters folgte, dass ohne die von dem Gutachter für erforderlich gehaltenen Bohrproben eine sichere Beantwortung der Beweisfrage nicht möglich ist. Darauf, dass der Tatrichter des Amtsgerichts auch in seinem Beschluss vom 21. März 2014 (Band II Blatt 59 f. d. A.) nochmals zum Ausdruck brachte, dass er die durchgeführte Begutachtung nicht für unbrauchbar hielt, sondern es für möglich hielt, auf diese aufzubauen, kommt es nicht einmal mehr an.

3. Die Kammer hat im Rahmen ihrer Überprüfung der Kostenrechnung vom 11. November 2013 auch im Übrigen keinen Fehler zu Lasten des Beklagten aufgefunden, welcher eine Abänderung erforderlich machen würde.


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