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PKW-Kauf: Unfallfreiheit laut Vorbesitzer und Angabe „keine Unfallschäden“

Landgericht München I

Az.: 6 O 12298/02

Urteil vom 25.06.2004


In dem Rechtsstreit wegen Forderung erlässt das Landgericht München I, 6. Zivilkammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2004 folgendes Endurteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 17.900,00 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW´s der Marke … Fahrzeugident-Nr.: … .

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer I. angeführten PKW´s seit 27.06.2002 in Annahmeverzug befindet.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Nebenintervenient trägt die Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Der Kläger macht Mängelgewährleistungsrechte aus einem PKW-Kauf geltend.

Am 23.3.02 kaufte der Kläger von der Beklagten den gebrauchten PKW Marke … zum Preis von 17.9000,00 Euro (Kaufvertrag vom 23.3.02, Anlage K 1). Im Kaufvertrag ist enthalten, dass dem Verkäufer keine Unfallschäden bekannt sind und das Fahrzeug laut Vorbesitzer unfallfrei ist.

Dennoch war das Fahrzeug im Oktober 01 im … repariert worden. Die Tür vorne rechts war in Stand gesetzt worden (Rechnung vom 15.11.01, Anlage K 2).

Mit Schreiben vom 13.6.02 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 22.6.02 auf, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückzunehmen (Schreiben der Rechtsanwälte … vom 13.6.02, K 3).

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 26.6.02 die Rückanwicklung des Kaufvertrages ab.

Die Beklagte hat … mit Schriftsatz vom 17.10.02, zugestellt am 17.10.02, den Streit verkündet.

Der Kläger behauptet, er habe im Rahmen der Verkaufverhandlung darauf hingewiesen, dass er nur Interesse an dem streitgegenständlichen PKW habe, wenn dieser tatsächlich unfallfrei sei und ihm dies vom Verkäufer zugesichert werde. Der Verkäufer der Beklagten habe dem Kläger darauf hin mündlich zugesichert, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und keine Vorschäden aufweise.

Tatsächlich habe das Kraftfahrzeug an der rechten Fahrzeugseite einen nicht unerheblichen Unfallschaden aufgewiesen. Dieser sei für einen gewerblichen Autohändler ohne weiteres erkennbar gewesen. Der Vorschaden sei so erheblich, dass er hätte offen gelegt werden müssen.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 17.900,00 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW´s der Marke … Fahrzeugident-Nr. … .

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückgabe des im Klageantrag Ziffer I angeführten PKW´s seit dem 27.6.02 in Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte bestreitet, dass ihr Verkäufer dem Kläger Unfallfreiheit zugesichert habe.

Das Fahrzeug weise keinen Unfallschaden auf. „Türe vorne rechts in Stand gesetzt“ weise nicht zwingend auf einen Unfallschaden hin.

Im Übrigen handele es sich um eine Bagatellbeschädigung, auf die die Beklagte nicht habe hinweisen müssen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 27.8.03 (Blatt 52 ff. d. A.) und eines Ergänzungsgutachtens hierzu vom 5.3.04 (Blatt 82 ff. d. A.). Den Parteien wurde mit Verfügung vom 12.3.04 keine Äußerungsfrist zum Ergänzungsgutachten bis 1.4.04 gesetzt, binnen deren Einwendungen oder Ergänzungsfragen hätten eingereicht werden können. Es ging jedoch kein Schriftsatz mit Einwendungen oder Fragen mehr ein.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 9.7.02, 4.9.02, 7.10.02, 21.10.02, 18.11.02, 12.12.02, 9.5.03, 19.5.03, 30.9.03 und 23.10.03 und die mit diesen Schriftsätzen vorgelegten Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 22.11.02, 11.4.03 und 25.6.04 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger kann gem. §§ 433, 437 Abs. 2, 440 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 23.3.02 verlangen.

Er hat mit Schreiben vom 13.6.02 (K 3) wirksam den Rücktritt vom Vertrag erklärt.

Ein Rücktrittsgrund liegt vor. Denn das Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 27.8.03 und das Ergänzungsgutachten vom 5.3.04 beweisen, dass das Fahrzeug an der rechten Fahrzeugseite einen nicht unerheblichen Unfallschaden aufwies. An der Verblechung der vorderen rechten Türe seien Richtarbeiten vorgenommen worden, führt der Sachverständige aus. Bei einem Zeitaufwand von 1,25 Stunden, wie es sich aus der Rechnung des Reparateurs … vom 15.11.01 ergebe, könne nicht von einem Bagatellschaden gesprochen werden. Die Schadenshöhe sei mit mindestens 1.153,12 DM anzusetzen. Bei einer korrekten Instandsetzung des Fahrzeugs könne sogar von Euro 1.135,26 ausgegangen werden.

Da die Untersuchungspflicht des professionellen Kfz-Händlers stets eine Lackschichtdickenmessung einließe, sei der Schaden erkennbar gewesen. Wäre eine solche Messung durchgeführt worden, wäre die Instandsetzung der rechten vorderen Türe zur Kenntnis der Beklagten gelangt.

Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen, der dem Gericht aus zahlreichen Verfahren als sachkundig und kompetent bekannt ist. Das Gutachten ist logisch und nachvollziehbar begründet und widerspruchsfrei. Die Einwendungen wurden im Zusatzgutachten schlüssig und nachvollziehbar beantwortet. Trotz Einräumungen einer Schriftsatzfrist wurden weitere Einwendungen oder Ergänzungsfragen nicht mehr vorgebracht. Mit etwaigen neuen Einwendungen wäre der Nebenintervenient daher ausgeschlossen. Die Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens schien nicht veranlasst.

Dass der Unfallschaden bereits bei Kaufvertragsschluss vorhanden war, ergibt sich aus der Reparaturrechnung vom 15.11.01 (K 2). Im Übrigen findet § 475 BGB Anwendung, da ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt.

Als professionelle Kfz-Händlerin hatte die Beklagte das Fahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen. Die Untersuchungspflicht umfasste auch eine Messung der Lackschichtendicke, wie oben ausgeführt. Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass sie das Kraftfahrzeug nicht auf Unfallschäden untersucht hat. Da ein entsprechender Hinweis unterblieben ist, durfte der Kläger davon ausgehen, dass das Fahrzeug von der Beklagten auf seine Unfallfreiheit hin überprüft wurde. Damit ist die Unfallfreiheit als konkludent zugesichert anzusehen.

Im Übrigen hat die Zeugin … ausgesagt, Herr … – der Verkäufer der Beklagten – habe bestätigt, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und nur Kratzer an der Stoßstange vom Einparken aufweise. Der Zeuge … hat demgegenüber begründet, er könne sich an den Vorfall nicht mehr genau erinnern, weil er ca. 300 Autos pro Jahr verkaufe. Er sage bei Gebrauchtwägen aber immer, dass Unfallfreiheit nur laut Vorbesitzer zugesichert werden kann. Beide Zeugen haben indirekt ein Interesse am Verfahrensausgang durch ihre Beziehungen zu den Parteien des Rechtsstreits. Die Zeugin … ist die Ehefrau des Klägers, Herr … ist Angestellter der Beklagten. Während sich der Zeuge … ab den konkreten Autoverkauf nicht mehr erinnern konnte, war die Erinnerung der Zeugin … gut. Der Ankauf eines Autos ist in einer Familie kein so häufiger Vorgang, so dass nachvollziehbar ist, dass die Erinnerung der Zeugin … besser ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin die Unwahrheit sagt, liegen nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus ihrer Stellung als Ehefrau. Auch aus der Aussage der Zeugin … ergibt sich die Zusicherung der Unfallfreiheit.

Es liegt ein erheblicher Unfallschaden vor. Es nicht nachvollziehbar, wie sonst, wenn nicht durch einen Unfall, die vordere rechte Tür in der vom Sachverständigen festgestellten Weise hätte beschädigt werden können. Bei einem Zeitaufwand von 1,25 Stunden und Reparaturkosten von mindestens DM 1.153,12 liegt nach Auffassung des Gerichts kein Bagatellschaden vor. Die Beklagte hätte den Kläger daher auf den Unfallschaden hinweisen müssen.

Der Kläger war daher zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt und kann Rückzahlung des Kaufpreises von 17.900,00 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

Im Übrigen berechtigt auch der sich aus der Verletzung der Aufklärungspflicht ergebende Schadensersatzanspruch des Klägers zur Rückabwicklung des Vertrages im Wege des großen Schadensersatzes.

Auch der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 756 ZPO und den darin geregelten Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung bei einer Zug-um-Zug-Leistung.

Annahmeverzug liegt seit 27.6.02 vor. Die Beklagte hat unstreitig mit Schreiben vom 26.6.02 die Rückgabeabwicklung des streitgegenständlichen Vertrages endgültig abgelehnt. Es war daher entbehrlich, dass der Kläger das Fahrzeug zur Beklagten bringt, oder dass er das Angebot, dies Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufvertrages zu tun, nochmals wörtlich wiederholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung folgt aus § 709 ZPO.

 

 

 

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