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Unfallflucht und Leistungsfreiheit der Versicherung

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 7 U 23/00

Verkündet am 24.01.2001

Vorinstanz: LG Frankfurt am Main – Az.: 2/5 O 293/00


In dem Rechtsstreit hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2000 für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin ist mit 14.000 DM beschwert.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung der Klägerin nach Eintritt des Schadensfalles leistungsfrei geworden ist (§ 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 II, 2, V 4 AKB), so dass Deckung nicht nach § 1, 49 VVG in Verbindung mit § 12 AKB für das Schadensereignis vom 25.10.1998 verlangt werden kann. Die Klägerin hat nach Eintritt des Unfallereignisses ihre Obliegenheit verletzt alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein konnte. Diese Aufklärungsobliegenheit hat die Klägerin deshalb verletzt, weil sie die Unfallstelle verlassen hatte und hierdurch den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 142 StGB erfüllt hat. Die Erfüllung der Verpflichtung zum Verbleiben am Unfallort stellt „eine elementare, allgemeine und jedem Versicherungsnehmer und Kraftfahrer bekannte Pflicht“ (BGH VersR 2000, 222) dar, die in relevanter Weise die auch hierdurch geschützten Interessen des Versicherers an der vollständigen Aufklärung des Schadensereignisses schützt (vgl. auch BGH VersR 1958, 398). Dem Versicherer muß die sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht ermöglicht werden, wozu auch die Feststellungen solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender Tatsachen gehört, aus denen sich seine Leistungsfreiheit ergeben könnte (vgl. BGH VersR 1998, 228; BGH VersR 1987, 657). Dass die Klägerin durch die Entfernung von der Unfallstelle objektiv den Tatbestand des § 142 StGB erfüllt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Das Vorliegen des subjektiven

Tatbestandes der unerlaubten Entfernung von der Unfallstelle scheidet auch nicht wegen der von der Klägerin vorgebrachten Angabe aus, sie habe nach dem Unfallereignis an einem Schockzustand gelitten und sich erst in diesem, ihre Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand vom Unfallort entfernt. Ob dem Vorbringen der Klägerin eine ausreichende Darlegung der Voraussetzungen des Vorliegens eines Unfallschocks entnommen werden kann, kann auf sich beruhen, doch weist der Senat darauf hin, dass ein Unfallschock nur unter außergewöhnlichen äußeren und inneren Bedingungen eintreten kann und nur selten eine solche Stärke erreicht, dass eine die Willensfreiheit ausschließende Bewußtseinsstörung vorliegen wird (vgl. Stiefel/Hofmann „Kraftfahrtversicherung“, 17. Aufl., § 7 Rdn. 84). Darüber hinaus steht es fest, dass ein solcher Schockzustand nicht stundenlang, wie es die Klägerin hat vortragen lassen, andauert, sondern rasch wieder abklingt (vgl. BGH VersR 1966,177; BGH VersR 1967, 29; BGH VersR 1970, 801; OLG Gelle VersR 1969,120, OLG Zweibrücken VersR 1972, 632). Da die Beklagte das Vorliegen eines Schockzustandes bestritten hat, wäre es Sache der Klägerin gewesen, den Nachweis dafür zu führen, dass das Verlassen der Unfallstelle auf einem Schock beruhte (vgl. auch KG VersR 1974, 74; OLG Oldenburg r + s 1987,122; LG Bremen zfs 1985,117;vgl. auch Feyock/Jacobsen/Lemor „Kraftfahrtversicherung“, § 7 Rdn. 71; Prölss/Martin/Knappmann „VVG“, 26. Aufl., § 7 AKB Rdn. 53 m. w. N.).

Überdies ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach Abklingen des – unterstellten -Schocks verpflichtet gewesen wäre, zur Unfallstelle zurück zu kehren, um die Feststellungen nachträglich zu machen. Der Senat kann es offen lassen, ob die danach vorliegende vorsätzliche Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist oder nicht. Da jedenfalls die Aufklärungstätigkeit der Beklagten erschwert worden ist, spricht mehr dafür, dass von einer Folgenlosigkeit der Obliegenheitsverletzung nicht gesprochen werden kann. Selbst dann, wenn eine folgenlose Obliegenheitsverletzung vorgelegen haben sollte, war sie jedenfalls generell geeignet, die Interessen der Versicherungsnehmerin ernsthaft zu gefährden, auch wenn die Haftungslage eindeutig war (vgl. auch BGH VersR 2000, 222; Hofmann NVersZ 1999, 354). Diese aufgrund einer nachträglichen objektiven Prognose zu beurteilende Gefährdung der Aufklärungsinteressen der Beklagten ergibt sich insbesondere daraus, dass nach der durch eine Zeugenaussage untermauerten Darstellung der Beklagten der Unfall auf ein Wettrennen der Klägerin mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zurückzuführen war. Da der Klägerin auch ein erhebliches Verschulden zur Last fiel, lag auch diese Voraussetzung des Freiwerdens der Beklagten vor (vgl. auch BGH VersR 1984, 228; BGH VersR 1993, 830). Der Senat kann es damit offen lassen, ob die Leistungsfreiheit der Beklagten auch daraus folgt, dass die Klägerin über längere Zeit an ihrer wahrheitswidrigen Angabe hinsichtlich der Fahrergemeinschaft festgehalten hat und ihrer Obliegenheit zur Aufklärung wochenlang nicht nachgekommen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10,713 ZPO. Die Bemessung der Beschwer orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens der Klägerin in der Berufung.

 

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