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Unterhaltsanspruchsverlust geschiedene Ehefrau und Kind aus neuer Ehe

Oberlandesgericht Celle

Az.: 10 WF 322/08

Beschluss vom 10.10.2008

Vorinstanz: Amtsgericht Hannover, Az.: 607 F 2374/08


Leitsatz:

Zur Konkurrenz zwischen einer geschiedenen Ehefrau und einer nach § 1615 l BGB unterhaltsberechtigten Mutter


In der Familiensache hat der 10. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Celle am 10. Oktober 2008 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hannover vom 12. September 2008 teilweise geändert und dem Antragsteller auch insoweit unter Beiordnung des Rechtsanwalts K. Prozesskostenhilfe bewilligt, als er Abänderung des Vergleichs vom 3. Mai 2006 dahin begehrt, der Antragsgegnerin ab August 2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu schulden.

Gründe:

I.

In einem gerichtlichen Vergleich vom 3. Mai 2006 hatte sich der Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin, seiner geschiedenen Ehefrau, ab Mai 2006 einen monatlichen Unterhalt von 320 EUR zu zahlen. Zum damaligen Zeitpunkt war der Antragsteller, der in einem Beamtenverhältnis bei der … steht, nur der Antragsgegnerin unterhaltspflichtig. Die Antragsgegnerin bezog Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Zusatzversorgung der …

Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Abänderungsklage begehrt, mit der er das Ziel verfolgt, der Antragsgegnerin ab Mai 2008 keinen Unterhalt mehr zu schulden. Er macht geltend, er sei seinem am 3. Mai 2007 geborenen Sohn L. sowie dessen Mutter, die nicht erwerbstätig sei, unterhaltspflichtig geworden. Deshalb sei er nicht mehr in der Lage, der Antragsgegnerin, die den beiden anderen Unterhaltsgläubigern im Range nachgehe, Unterhalt zu leisten.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller nur insoweit PKH bewilligt, als es um die Zeit von Mai bis Juli 2008 geht, in der der Antragsteller die väterliche Elternzeit in Anspruch genommen hat und lediglich über Elterngeld verfügte. Ab August 2008 hat das Amtsgericht PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt. Es ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin und die Mutter des Kindes L. unterhaltsrechtlich gleichrangig seien und der Antragsteller der Antragsgegnerin im vorliegenden Mangelfall immer noch einen Unterhalt von monatlich 311,51 EUR schulde, womit keine wesentliche Veränderung gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichs vom 3. Mai 2006 vorliege.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die beabsichtigte Abänderungsklage bietet auch für die Zeit ab August 2008 die zur Bewilligung von PKH ausreichende Erfolgsaussicht.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Auffassung des Amtsgerichts zutrifft, dass die Antragsgegnerin und die Mutter des Kindes L. unterhaltsrechtlich gleichrangig sind. Den minderjährigen unverheirateten und privilegierten volljährigen Kindern, die gemäß § 1609 Nr. 1 BGB unterhaltsrechtlich im ersten Rang stehen, folgen im zweiten Rang Elternteile, die wegen Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind – dazu gehört hier die Mutter des Kindes L. jedenfalls ab August 2008 – sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer (§ 1609 Nr. 2 BGB). Die Annahme des Amtsgerichts, dass die Antragsgegnerin die letztgenannte Voraussetzung erfüllt, begegnet Bedenken. Schon nach früherem Recht wurde eine Ehe erst ab etwa 15 Jahren als „lang“ angesehen (vgl. BGH FamRZ 1983, 886, 888). Davon dürfte auch nach dem seit Januar 2008 geltenden Recht als Untergrenze auszugehen sein, jedenfalls wenn – wie im vorliegenden Fall – aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen sind und keine reine „Hausfrauenehe“ vorliegt (vgl. Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 5 Rn. 116. Palandt/Brudermüller, BGB, Nachtrag zur 67. Aufl., § 1609 Rn. 16). Darüber hinaus sind nach § 1609 Nr. 2 BGB bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer auch (ehebedingte) Nachteile i. S. des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der zweite Rang nur dann gewahrt ist, wenn über das Zeitmoment hinaus der unterhaltsberechtigte (geschiedene) Ehegatte ehebedingte Nachteile erlitten hat (so ausdrücklich BGH Urteil vom 30. Juli 2008 XII ZR 177/06, Rn. 65). Solche Nachteile sind hier jedoch weder von der insoweit darlegungspflichtigen Antragsgegnerin (vgl. BGH a. a. O Rn. 66) vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin während der Ehe erkrankt und infolge dessen erwerbsunfähig geworden ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Antragsgegnerin (i. S. des § 1578 b Abs. 1 S. 2 BGB) durch die Ehe Nachteile erlitten hat.

Letztlich braucht die Rangfrage aber im Rahmen dieser Entscheidung nicht abschließend beantwortet zu werden. Denn es bestehen unabhängig davon bisher hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der jetzige Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin durch ihr eigenes Renteneinkommen gedeckt ist und ihr aus diesem Grund kein Unterhaltsanspruch mehr gegen den Antragsteller zusteht. Wie der BGH mit dem bereits zitierten Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden hat, verringert sich der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten, wenn das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten durch das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter sinkt (a. a. O. Rn. 31). Dabei wirkt sich nicht nur der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes, sondern auch der Anspruch einer neuen Ehefrau des Unterhaltspflichtigen bereits auf die Berechnung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten aus (a. a. O. Rn. 33). Entsprechendes muss auch für den Anspruch einer nach § 1615 l BGB unterhaltsberechtigten Mutter gelten. Dem gemäß ist die vorliegend vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung des Bedarfs der Antragsgegnerin ohne Einbeziehung des Unterhaltsanspruchs der Mutter des Kindes L. im Ansatz unzutreffend. Vielmehr muss schon bei der Bemessung des jetzigen Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin auch die hinzugetretene Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Mutter des Kindes L. berücksichtigt werden.

Für den Fall des Zusammentreffens eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten des Unterhaltspflichtigen hat sich der BGH (a. a. O. Rn. 39) für eine Verteilung des nach Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts verbleibenden Einkommens des Pflichtigen zu je 1/3 auf den Pflichtigen selbst und die unterhaltsberechtigten Ehegatten ausgesprochen. Diese Dreiteilung ist auch dann geboten, wenn einer oder beide unterhaltsberechtigte Ehegatten eigene Einkünfte haben (a. a. O. Rn. 40). In diesem Fall bemisst sich der den beiden unterhaltsberechtigten Ehegatten zustehende Unterhaltsbedarf aus einem Drittel aller verfügbaren Mittel (a. a. O. Rn. 41). Ob diese Grundsätze – und ggf. mit welchen Einschränkungen – auf den hier vorliegenden Fall des Zusammentreffens einer geschiedenen Ehefrau und eines nach § 1615 l BGB unterhaltsberechtigten Elternteils zu übertragen sind, kann nicht bereits im Rahmen der PKHEntscheidung abschließend entschieden werden, sondern muss dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben. Es spricht allerdings einiges dafür, dass eine Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und der Unterhaltsberechtigten jedenfalls dann angemessen ist, wenn der sich dabei ergebende Unterhaltsbedarf der nach § 1615 l BGB unterhaltsberechtigten Mutter ihr vor der Schwangerschaft erzieltes Einkommen oder – wenn sie nicht erwerbstätig war – den absoluten Mindestbedarf eines nicht erwerbstätigen Volljährigen nicht übersteigt. Auch die Frage, ob dieser im Regelfall mit monatlich 770 EUR anzusetzende Mindestbedarf noch abgesenkt werden kann, wenn die nach § 1615 l BGB unterhaltsberechtigte Mutter – wie offenbar im vorliegenden Fall – mit dem Unterhaltspflichtigen in Haushaltsgemeinschaft lebt, kann nicht bereits im Rahmen dieser PKHEntscheidung abschließend beantwortet werden.

Das Amtsgericht hat das anrechenbare Einkommen des Antragstellers zu hoch veranschlagt. Für die Zeit ab August 2008 ist von dem gleichen Einkommen auszugehen, das der Antragsteller vor der Elternzeit, also von Januar bis April 2008, erzielt hat. Das waren – ohne Kindergeld – monatlich 2.552,03 EUR netto (Bl. 60 – 62 Hauptakte, Bl. 5 PKHHeft). Sonderzahlungen haben Landes und Kommunalbeamte in Niedersachsen derzeit nicht zu erwarten. Vom Nettoeinkommen abzusetzen sind 6,65 EUR vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, 238,26 EUR Kranken und Pflegeversicherungsbeiträge für den Antragsteller und das Kind L. (Bl. 6 PKHHeft) sowie 5 % als Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen (115,36 EUR). Dann verbleiben monatlich 2.191,76 EUR. Damit ergibt sich nach der Düsseldorfer Tabelle ein Barunterhaltsanspruch des Kindes L. von monatlich 230 EUR (279 EUR abzüglich des hälftigen Kindergeldes). Das nach Abzug des Kindesunterhalts verbleibende Einkommen beträgt monatlich rund 1.962 EUR. Die Antragsgegnerin verfügt über anrechenbare Renten von monatlich rund 982 EUR (wobei die Erhöhung der gesetzlichen Rente zum 1. Juli 2008 noch unberücksichtigt geblieben ist). Die Mutter des Kindes L. hat – soweit bisher ersichtlich – kein Einkommen. Das für die Parteien und die Mutter von L. zur Verfügung stehende unterhaltsrechtlich relevante Gesamteinkommen beträgt somit monatlich (1.962 EUR + 982 EUR =) 2.944 EUR.

Bei einer Dreiteilung des Gesamteinkommens ergibt sich ein Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin von monatlich (2.944 EUR : 3 =) 981 EUR. Da ihr eigenes anrechenbares Einkommen monatlich 982 EUR beträgt, wäre ihr Unterhaltsbedarf damit in voller Höhe gedeckt. Ein Unterhaltsanspruch ergäbe sich für sie nur dann noch, wenn der Unterhaltsbedarf der Mutter von L. geringer als mit monatlich 982 EUR anzusetzen wäre. Das ist jedoch bisher nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie nach Darstellung des Antragstellers allein einen Krankenversicherungsbedarf von monatlich rund 231 EUR hat.

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