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Verbrauchervertrag – Beweislast für AGB-Klauseln

Bundesgerichtshof

Az: X ZR 126/06

Urteil vom 15.04.2008


Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2008 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das am 25. Oktober 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien schlossen am 22. Juli 2004 einen als „Befestigungsabonnement“ bezeichneten Vertrag, demzufolge die Klägerin in 48 Behandlungen Haarkreationen in die Frisur des Beklagten einweben sollte, die der Beklagte von der Klägerin erworben hatte. Zuvor bestand zwischen den Parteien ein entsprechender Vertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren und einer Option auf die Verlängerung der Laufzeit auf vier Jahre. Der hier maßgebliche Vertrag wurde nach Ablauf der Optionsfrist geschlossen. Der Beklagte hat den Vertrag mit Schreiben vom 30. Juli 2004 gekündigt und wird von der Klägerin auf Zahlung restlichen Werklohns abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 2.237,76 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen.

In der vorgedruckten Vereinbarung ist in der Rubrik „Umfang“ die handschriftliche Angabe „4 Jahre“ eingetragen mit dem ebenfalls handschriftlichen Zusatz „Auslandsaufenthalt Verlängerung jederzeit möglich“. Die Klägerin sieht in dieser Bestimmung eine Individualvereinbarung. Der Beklagte hält die Laufzeitvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 9 BGB für unwirksam.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klageforderung nebst Zinsen zugesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, der die Klägerin entgegengetreten ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat den von den Parteien geschlossenen Vertrag rechtlich zutreffend als Werkvertrag qualifiziert und die Anspruchsgrundlage der – der Höhe nach unstreitigen – Klageforderung in § 649 Satz 2 BGB gesehen. Davon geht auch die Revision aus.

Dieser Vertrag ist zwischen der Klägerin als Unternehmerin und dem Beklagten als Verbraucher geschlossen worden, so dass es sich um einen Verbrauchervertrag handelt, auf den § 310 Abs. 3 BGB Anwendung findet. Insoweit hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Vertragsbedingungen von der Klägerin vorformuliert worden sind. Es ist zutreffend und von Revision und Revisionserwiderung unbeanstandet davon ausgegangen, dass Art und Umfang der handschriftlichen Einfügungen in den Vertragsvordruck ihrer rechtlichen Einordnung als vorformulierte Vertragsklauseln nicht entgegenstehen (vgl. BGHZ 141, 108 unter II 1 a zu § 24 a AGBG).

II. 1. Das Berufungsgericht hat weiter die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Inhaltskontrolle der umstrittenen, die Laufzeit des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages betreffenden Vertragsklausel lägen nicht vor. Deshalb sei diese wirksam und der Beklagte verpflichtet, den vereinbarten Werklohn abzüglich der ersparten Aufwendungen zu bezahlen.

Zur Begründung seiner Auffassung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen der Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB lägen nicht vor, weil der Beklagte den Nachweis, dass die umstrittene Vertragsklausel für eine Vielzahl von Fällen bestimmt gewesen sei, nicht geführt habe, so dass die dort geregelte Fiktion des Stellens und die daran anschließende Beweislastumkehr für das Aushandeln solcher Regelungen keine Anwendung finde. Der Beklagte habe bezüglich der Frage, ob die umstrittene Klausel eine allgemeine Geschäftsbedingung sei, nur Vermutungen allgemeiner Art aufgestellt. Dem Berufungsgericht sei aus verschiedenen bei ihm anhängigen Verfahren und aus in diesen vorgelegten Urteilen bekannt, dass die Klägerin ihren Kunden sehr unterschiedliche Vertragslaufzeiten, beginnend mit einigen Monaten bis zu mehreren Jahren, anbiete und auch die Anzahl der Einwebaktionen variiere. Deshalb stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der vorliegenden Vertragsgestaltung um eine zur einmaligen Verwendung bestimmte Vertragsbestimmung handle, auf die § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung finde.

Zur Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB hat das Berufungsgericht ausgeführt, nach dieser Vorschrift sei neben der Vorformulierung Voraussetzung der Inhaltskontrolle, dass der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung keinen Einfluss auf den Inhalt der Vertragsklausel nehmen konnte. Diese Voraussetzung sei neben der Vorformulierung ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal, für dessen Vorliegen der Verbraucher die Beweislast trage. Diesen Beweis habe der Beklagte nicht erbracht, für das Vorliegen dieser Voraussetzung sprächen auch keine Indizien. Das Beharren der Klägerin, der Beklagte möge die im vorausgegangenen Vertrag vereinbarte Option ausüben, stelle kein Indiz dar. Der Inhalt der Laufzeitregelung sei weder komplex noch umfangreich, zwischen den Parteien bestehe auch kein nennenswertes wirtschaftliches oder intellektuelles Gefälle. Aus den Einlassungen des Beklagten bei seiner Parteivernehmung vor der Kammer ergebe sich vielmehr, dass dem Beklagten bei Eingehung der Vereinbarung durchaus bewusst gewesen sei, dass er eine langfristige Bindung eingehe und diese aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen eventuell nicht ohne Weiteres werde erfüllen können. Während der Beklagte aufgrund eines etwaigen Auslandsaufenthalts für seinen Arbeitgeber, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses allerdings schon wieder weniger wahrscheinlich gewesen sei, mit der Mitarbeiterin der Klägerin über ein mögliches „Anhängen dieser Zeit“ an die Vertragslaufzeit verhandelt habe, was auch – handschriftlich – Eingang in den Vertragstext gefunden habe, habe er nach seinen eigenen Angaben nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen, eine kürzere Vertragsdauer als vier Jahre zu erreichen, um seiner momentanen Situation Rechnung zu tragen. Damit habe der Beklagte den ihm obliegenden Beweis der fehlenden Möglichkeit der Einflussnahme im Hinblick auf die vorformulierte Vertragslaufzeit, nachdem sich die Klägerin in einem ähnlichen Punkt verhandlungsbereit gezeigt habe, nicht geführt. Mangels Nachweises der Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB komme eine Inhaltskontrolle der umstrittenen Klausel nicht in Betracht, so dass diese wirksam sei.

2. Die Revision stellt zwar nicht in Abrede, dass die umstrittene Laufzeitregelung vorformuliert wurde, sie zieht jedoch in Zweifel, ob die Laufzeitregelung nur für eine einmalige Verwendung gedacht gewesen sei und das Berufungsgericht den Beklagten insoweit als beweisbelastet und den Beweis als nicht geführt habe ansehen dürfen.

Die Revision macht darüber hinaus insbesondere geltend, der Gesetzgeber habe die Richtlinie fehlerhaft umgesetzt, indem er die Inhaltskontrolle für einen einzelnen Verbrauchervertrag vorformulierter Vertragsklauseln durch § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB von der Voraussetzung abhängig gemacht habe, dass der Verbraucher infolge der Vorformulierung auf den Inhalt der Klausel keinen Einfluss nehmen konnte. Dieser Fehler sei durch richtlinienkonforme Auslegung zu korrigieren. Die Richtlinie mache grundsätzlich keinen Unterschied zwischen allgemeinen Geschäftsbedingungen und Verbraucherverträgen. Bei Umsetzung der Richtlinie sei aus Art. 3 der Begriff der „Einflussnahme“ übernommen worden, wobei der Gesetzgeber übersehen habe, dass die Richtlinie den Begriff der Einflussnahme auch für allgemeine Geschäftsbedingungen verwende, während im nationalen Recht insoweit der Begriff des „Aushandelns“ verwendet werde (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Begriff des Aushandelns in § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB müsse daher richtlinienkonform dahin interpretiert werden, dass dem Verbraucher die Möglichkeit versperrt war, auf den Inhalt der Vertragsbedingungen Einfluss zu nehmen. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 und dem 12. Erwägungsgrund der Richtlinie sei nicht die fehlende Einflussmöglichkeit, sondern das fehlende Aushandeln der Vertragsklauseln das entscheidende Merkmal für die Anknüpfung der Inhaltskontrolle. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie trage der Gewerbetreibende die Beweislast dafür, dass die Klausel im Einzelnen ausgehandelt worden sei. Schließlich ergebe sich aus den Worten „immer dann“ in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie zwar eine gesetzliche Vermutung, jedoch keine abschließende Definition. Deshalb habe der Gesetzgeber das Merkmal der fehlenden Einflussnahme nicht als Tatbestandsmerkmal, sondern als Ausnahmeregelung formulieren müssen mit der Folge, dass – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht der Verbraucher, sondern der Unternehmer die Beweislast dafür trage, dass der Verbraucher infolge der Vorformulierung der Klausel auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

3. Diese Angriffe bleiben ohne Erfolg.

a) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht die hier streitige Klausel nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, sondern als vorformulierte Vertragsbestimmung im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB eingeordnet hat. Allerdings kennt die Richtlinie den Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingung nicht, sondern eröffnet allgemein die Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsklauseln. Sie unterscheidet jedoch in Art. 3 zwischen sonstigen vorformulierten Vertragsklauseln und sog. Standardvertragsklauseln, unter denen sie vorformulierte Vertragsklauseln zur Verwendung in einer Vielzahl von Verbraucherverträgen versteht. Dem entspricht die Definition Allgemeiner Geschäftsbedingungen im nationalen Recht, die § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB unter Beschränkung auf Verbraucherverträge und unter Verzicht auf die Voraussetzung des Stellens im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB (BGHZ 141, 108, 113) aufgreift.

Eine solche Bestimmung zur Geltung in einer Vielzahl von Verträgen hat das Berufungsgericht hier rechtsfehlerfrei verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB der Verbraucher die Beweislast dafür trägt, dass die fraglichen Klauseln für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert worden sind, und der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die vorformulierten Vertragsklauseln im einzelnen ausgehandelt sind, obwohl sie vorformuliert wurden (Staudinger/Schlosser, BGB, Bearb. 2006, § 310 BGB Rdn. 60; Basedow, MünchKomm./BGB, 5. Aufl., § 310 BGB Rdn. 49, 60; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 310 BGB Rdn. 77; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 310 BGB Rdn. 12.; Berger in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2. Aufl., § 310 BGB Rdn. 8). Gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, auf denen die Würdigung der umstrittenen Klausel als für einen einzelnen Verbrauchervertrag und nicht für eine Vielzahl von Verträgen bestimmte Vertragsbedingung beruht, erhebt die Revision weder Sach- noch Verfahrensrügen. Bereits der Umstand, dass die vorformulierte Vertragsklausel neben der Laufzeit und den in dieser Zeit vorzunehmenden Behandlungen auch noch eine Bestimmung enthält, dass die Vertragslaufzeit um die Dauer eines Auslandsaufenthalts verlängert werden kann, zeigt – wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausgeführt hat – dass mit den umstrittenen Regelungen auf die individuellen Verhältnisse des Beklagten Rücksicht genommen wurde und es sich im konkreten Fall nicht um eine für eine Vielzahl von Verbraucherverträgen vorformulierte Vertragsbestimmung, sondern um eine für den konkreten Vertrag der Parteien bestimmte Regelung handelt, so dass sich die Anwendung der Vorschriften über die Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, sondern nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB richtet.

b) Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass bei einer solchen Klausel der Verbraucher nicht nur die Beweislast dafür trägt, dass es sich um eine von seinem Vertragspartner vorformulierte Klausel handelt, sondern dass er auch nachweisen muss, dass er aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der diese mangelnde Möglichkeit der Einflussnahme zu einer der Voraussetzungen für die Inhaltskontrolle erhebt. Allerdings ist diese Frage in Lehre und Rechtsprechung umstritten.

aa) Nach einer Auffassung ist aus Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie, wonach der Unternehmer beweisen muss, dass eine Standardvertragsklausel im einzelnen ausgehandelt worden ist, herzuleiten, dass nicht der Verbraucher, sondern der Unternehmer die Beweislast dafür trägt, dass der Verbraucher trotz der Vorformulierung auf den Inhalt der Klausel Einfluss nehmen konnte (v. Westphalen, BB 1996, 2101, 2103; Bunte, DB 1996, 1389, 1392; Schulte-Nölke in Nomos Kommentar BGB, 5. Aufl., § 310 Rdn. 8). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt eine weiter vertretene Meinung, die die Rechtfertigung der Vorschriften über Verbraucherverträge darin sieht, dass die Verantwortung für den Vertragsinhalt dem Unternehmer zugewiesen wird, der die Bestimmungen des Vertrages vorformuliert hat (Wackerbarth, AcP Bd. 200, 45, 75). Art. 3 der Richtlinie stelle als entscheidendes Kriterium auf das Aushandeln der Vertragsbedingungen ab, an dem es fehle, wenn der Verbraucher mit einem vorformulierten Text konfrontiert werde. Damit sei die Vorformulierung die zutreffende Anknüpfung für die fehlende Aushandlung im Einzelnen. Dieses Merkmal dürfe bei der Auslegung nicht durch weitere Voraussetzungen derart eingeschränkt werden, dass Fälle aus dem Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle herausfallen, in denen es typischerweise an einem Aushandeln gefehlt habe. Gerade das geschähe, würde man zusätzlich zur Vorformulierung die fehlende individuelle Einflussmöglichkeit und die Kausalität der Vorformulierung verlangen. Die fehlende Einflussnahmemöglichkeit werde von der Richtlinie lediglich als Regelbeispiel angeführt (Wackerbarth, aaO, 87).

Überwiegend wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass – dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend – der Verbraucher nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestandes trägt (Palandt/Heinrichs, aaO, § 310 BGB Rdn. 17; Basedow, aaO, § 310 BGB Rdn. 66; Erman/Roloff, BGB, 12. Aufl., § 310 BGB Rdn. 20; Kollmann in Anwaltskommentar BGB, § 310 BGB Rdn. 32; Becker in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 310 BGB Rdn. 21; Berger, aaO, § 310 BGB Rdn. 9; Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 310 BGB Rdn. 89; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 24 a AGBG Rdn. 37; Grabitz/Hilf/Pfeiffer, Das Recht der Europäischen Union, A 5, Art. 3 der Richtlinie Rdn. 36; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2193; Eckert, ZIP 1996, 1238, 1240; Imping, WiB 1997, 337, 340; Schwerdtfeger, DStR 1997, 499, 501; OLG Brandenburg NJ 2005, 273, 274). Das Merkmal der Einflussnahmemöglichkeit soll zwar gleichbedeutend (Palandt/Heinrichs, aaO, § 310 BGB Rdn. 17) oder weitgehend gleichbedeutend (Wolf/Horn/Lindacher, aaO, § 24 a AGBG) mit dem Aushandeln im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB sein (a.A. Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 310 BGB Rdn. 85); die von dieser Vorschrift abweichende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast rechtfertige sich jedoch daraus, dass die genannten Voraussetzungen der Eröffnung der Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsklauseln für einen einzelnen Verbrauchervertrag Tatbestandsvoraussetzungen des § 310 Abs. 1 Nr. 2 BGB seien, denen nicht – wie im Falle des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB – die Funktion einer Ausnahmeregelung zukomme (Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 310 BGB Rdn. 84). Das Gleiche gilt, soweit in dem Merkmal, dass der Verbraucher infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf den Inhalt der Vertragsbedingung nehmen konnte, ein Wiederaufleben des „Stellens“ von Vertragsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB gesehen wird; die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzung trägt auch nach diesem Ansatz der Verbraucher (Staudinger/Schlosser, aaO, § 310 BGB Rdn. 64, 66).

bb) Der Senat schließt sich den zuletzt genannten Auffassungen an. Bei Vertragsklauseln, die zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, steht es allein im Einklang mit dem klaren Wortlaut der Vorschrift, Darlegungs- und Beweislast nicht dem Unternehmer, sondern dem Verbraucher dafür aufzuerlegen, dass die Vertragsklauseln vorformuliert worden sind und dass er infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte. Wie auch die Revision nicht verkennt, hat der Gesetzgeber bei der Erstreckung der Inhaltskontrolle auf Individualverträge, die vorformulierte Vertragsklauseln enthalten (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), den Umstand, dass der Verbraucher infolge der Vorformulierung auf den Inhalt der Vertragsklauseln keinen Einfluss nehmen konnte, als Tatbestandsvoraussetzung der Eröffnung der Inhaltskontrolle ausgebildet. Für solche Umstände trägt nach den allgemeinen Grundsätzen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich zu seinen Gunsten auf ihr Vorliegen beruft.

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Besondere Gründe, die es gebieten würden, Darlegungs- und Beweislast hier abweichend von den allgemeinen Beweisregeln zu verteilen, sind nicht ersichtlich. Allerdings ist, wie die Revision im Ausgangspunkt zutreffend geltend macht, § 310 Abs. 3 BGB als nationales Recht zur Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG richtlinienkonform auszulegen (vgl. nur Basedow, aaO, § 310 BGB Rdn. 22). Dabei sind das Gemeinschaftsrecht und die in ihm verwendeten Begriffe nicht nach Maßgabe des nationalen Rechts zu verstehen, sondern in ihrem durch das Gemeinschaftsrecht geprägten Sinngehalt zu erfassen (vgl. nur Kollmann, aaO, § 310 BGB Rdn. 30). Das verbietet einen einfachen Rückgriff auf den rechtlichen Sprachgebrauch des nationalen Rechts, wenn der Gesetzgeber in Umsetzung einer Richtlinie deren Sprachgebrauch übernimmt oder im nationalen Recht verwendete Begriffe benutzt. Eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung führt indessen zu keinem anderen Verständnis, wie der Senat angesichts der klaren und deutlichen Regelung der Richtlinie selbst feststellen kann; einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es insoweit nicht.

Mit der Unterscheidung zwischen für eine Vielzahl von Verbraucherverträgen vorformulierten Vertragsbedingungen (allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) und (sonstigen) für den einzelnen Vertrag vorformulierten Vertragsbedingungen knüpft die Regelung in § 310 Abs. 3 BGB an die Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen an. Wie § 310 Abs. 3 BGB unterscheidet auch die Richtlinie in Art. 3 zwischen für eine Vielzahl von Verträgen bestimmten Klauseln, von der Richtlinie als Standardvertragsklauseln bezeichnet, und sonstigen Klauseln. Auf dieser Grundlage ist der in § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB verwendete Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingungen richtlinienkonform als „vorformulierte Vertragsklauseln zur Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen“ zu lesen (vgl. BGHZ 141, 108, 113; Staudinger/Schlosser, aaO, § 310 BGB Rdn. 55; Wolf/Horn/Lindacher, aaO, § 24 a AGBG Rdn. 27; Erman/Roloff, aaO, § 310 BGB Rdn. 13). Solche Klauseln sind ihrer Typik nach – insbesondere, wenn sie bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern zum Tragen kommen – das Ergebnis der Durchsetzung der größeren wirtschaftlichen Stärke, das den Verbraucher als den wirtschaftlich Schwächeren in größerem Maße schutzwürdig erscheinen lässt. Dies bietet bereits im nationalen Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen Anlass und Rechtfertigung dafür, solche Klauseln trotz des das Zivilrecht beherrschenden Prinzips der Privatautonomie einer an der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der schwächeren Seite orientierten Inhaltskontrolle zu unterwerfen. Hier schafft das aktuelle Recht durch § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie zugunsten des Verbrauchers insoweit eine weitere Erleichterung, als bei Verbraucherverträgen, bei denen dieses Ungleichgewicht regelmäßig in besonderem Maße Ausdruck findet, vorformulierte Klauseln für eine Vielzahl von Verbraucherverträgen als vom Unternehmer gestellt gelten mit der Folge, dass sie der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegen, sofern dieser nicht nachweist, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt worden sind, wobei auch eine Einführung von Dritter Seite regelmäßig nicht aus der Kontrolle herausführt. Diese Verteilung der Beweislast entspricht nicht nur dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis der Beteiligten; sie kann auch an die Lebenserfahrung anknüpfen. Nach dieser ist es bei Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern in der Regel nicht der Letztere, der vorformulierte Vertragsbedingungen in den Vertrag einführen kann. Von daher erscheint es folgerichtig, dem Verbraucher allein die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verbraucherverträgen handelt, während der Unternehmer entweder darlegen und beweisen muss, dass es sich bei den Klauseln um das Ergebnis von Vertragsverhandlungen handelt, oder aber diese Bedingungen gegen die Lebenserfahrung durch den Verbraucher eingeführt worden sind. Gelingt dem Unternehmer dieser Nachweis nicht, geht das nationale Recht im Einklang mit der Richtlinie von einer Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers aus und eröffnet die Inhaltskontrolle, ohne dass es insoweit einer weiteren Voraussetzung bedarf.

Auf die Einbeziehung von lediglich für einen konkreten Vertrag bestimmten, von einer Seite vorformulierten Vertragsbestimmungen lassen sich diese Gedanken nicht ohne weiteres übertragen. Vorformulierte Vertragsklauseln, die zur Verwendung in einem einzelnen Verbrauchervertrag bestimmt sind (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), weisen die Typik vom Verwender gestellter allgemeiner Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 BGB) nicht auf. Von den Fällen des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB unterscheiden sich die Fälle des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB im Allgemeinen dadurch, dass bei der Vorformulierung von Vertragsbestimmungen für einen einzelnen Verbrauchervertrag zum einen das für das Massengeschäft charakteristische Rationalisierungsinteresse des Unternehmers (dazu Basedow, aaO, § 310 BGB Rdn. 63) nicht vorliegt und zum anderen bei ihnen die Indizwirkung gegen die Berücksichtigung der Vertragssituation, der Interessen beider Vertragsparteien und das Aushandeln des Vertrages nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise ausgeprägt ist wie beim Stellen allgemeiner Geschäftsbedingungen durch den Verwender und wie im Falle der Verwendung vorformulierter Standardverträge (Wolf/Horn/Lindacher, aaO, Art. 3 Richtlinie Rdn. 30). Die den erweiterten Möglichkeiten einer Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB zugrunde liegenden Erwägungen können daher nicht ohne weiteres auf die Voraussetzungen der erweiterten Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB übertragen werden. Hier kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Vertragsinhalt durch ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien und deshalb durch ein Aufzwingen von Vertragsbedingungen mit einseitiger Berücksichtigung der Interessen des Verwenders geprägt ist wie im Falle des Stellens allgemeiner Geschäftsbedingungen. Der Verbraucherschutz nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst daher Fälle, in denen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Inhalt einer Vertragsbestimmung mit der Vorformulierung typischerweise von einer einseitigen Interessenwahrnehmung geprägt ist. Das rechtfertigt, es in den Fällen des § 310 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei den allgemeinen Beweisregeln zu belassen und die Beweislast für das Vorliegen der zur Eröffnung der Inhaltskontrolle erforderlichen Tatbestandsvoraussetzung, abweichend von den für allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB geltenden Regeln und abweichend von § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, dem sich hierauf berufenden Verbraucher aufzuerlegen.

Diesem Unterschied in der Typik der Fälle und der darauf beruhenden abweichenden Interessenlage trägt auch die Richtlinie Rechnung, indem sie die Beweislastregel des Art. 3 Abs. 2 3. Unterabsatz auf Standardvertragsbedingungen beschränkt. Entgegen der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung lässt sich aus der Beweisregel des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie nicht herleiten, dass in den Fällen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Unternehmer die Beweislast dafür trage, dass der Verbraucher keine Möglichkeit der Einflussnahme auf den Inhalt einer vorformulierten Vertragsklausel gehabt habe. Folgerichtig trifft Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Richtlinie nach Wortlaut und systematischer Stellung eine Beweislastregelung nur für Standardvertragsklauseln, nicht aber für sonstige vorformulierte Vertragsklauseln (vgl. Basedow, aaO, § 310 BGB Rdn. 66, Wolf/Horn/Lindacher, aaO, Art. 3 Richtlinie Rdn. 30). Damit geht auch sie von einer unterschiedlichen Gewichtung des typischerweise bestehenden Zusammenhangs zwischen der Vorformulierung von Vertragsbestimmungen und der fehlenden Möglichkeit der Einflussnahme auf den Vertragsinhalt durch den Verbraucher bei Standard- und Individualverträgen aus. Aus dieser Beschränkung auf Standardklauseln und dem Fehlen entsprechender Vorgaben für sonstige vorformulierte Vertragsbestimmungen folgt weiter, dass die für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast maßgebliche Interessenbewertung dem nationalen Recht überlassen ist. Dieses kann ein höheres Schutzniveau vorsehen (Art. 8 der Richtlinie), ein solches wird von der Richtlinie vor dem Hintergrund insbesondere der unterschiedlichen Schutzniveaus in der Gemeinschaften jedoch bewusst nicht vorgegeben (zum Kompromisscharakter der Richtlinie im Verhältnis von deutschem und französischem Recht vgl. Basedow, aaO, § 310 BGB Rdn. 61). Daher kann aus der Richtlinie auch nicht hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber gehalten gewesen sei, bei der Umsetzung der Richtlinie in beweisrechtlicher Hinsicht für vorformulierte Vertragsklauseln in einzelnen Verbraucherverträgen ein gleich hohes Schutzniveau vorzusehen, wie es die Richtlinie für vorformulierte Standardvertragsklauseln vorgibt. Der Gesetzgeber war daher nicht gehalten, für einzelne Verbraucherverträge eine den Vorgaben des Art. 3 der Richtlinie für Standardvertragsklauseln entsprechende Beweislastregel vorzusehen, sondern konnte die Vorgabe der Richtlinie zu solchen Klauseln dadurch umsetzen, dass er diese – wie in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geschehen – als durch den Verbraucher zu beweisende Tatbestandsvoraussetzungen der Inhaltskontrolle von Individualverträgen ausbildete.

cc) Da der Beklagte die Beweislast dafür trägt, dass er aufgrund der Vorformulierung der umstrittenen Klausel auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte, kam es entgegen der Auffassung der Revision zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht auf die Vernehmung der von der Klägerin gegenbeweislich benannten Zeugin an.

Die Revision ist demzufolge mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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