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Verkehrsunfall – Anwaltsgebühren stellen eine Nebenforderung dar

Kammergericht Berlin

Az: 2 AR 7/08

Beschluss vom 18.02.2008


In Sachen hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts durch XXX am 18. Februar 2008 beschlossen:

Das Amtsgericht Mitte wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.

Gründe:

I.
Der Kläger macht mit seiner bei dem Amtsgericht Mitte eingereichten Klage Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall in Höhe von 4.631,96 EUR (Wiederbeschaffungsaufwand, Gutachterkosten und Unfallkostenpauschale) geltend.

Ferner begehrt der Kläger Ersatz vorgerichtlicher anwaltlicher Kosten in Höhe von 570,69 EUR (1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nach einem Wert von 5.163,96 EUR, zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 EUR, MWSt. und 24,00 EUR Akteneinsichtsgebühren). Der Kläger hat diese Forderung als „Verzugsfolgeschaden“ gemäß § 286 BGB“ bezeichnet.

Auf Hinweis des Amtsgerichts, dass die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Verkehrsunfallsachen regelmäßig dem Streitwert hinzuzurechnen seien, da sie nicht als Verzugsschaden, sondern als Folgeschaden der Sachbeschädigung geltend gemacht würden und daher nicht anders zu behandeln seien als Sachverständigenkosten oder die -schädigungsbedingte Aufwendungen abgeltende- Kostenpauschale, und dass wegen eines Streitwerts von 5.202,65 EUR daher die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben sei, hat der Kläger am 20.11.2007 Verweisung an das Landgericht beantragt. Die Beklagte zu 1 hat sich dem unter dem 23.11.2007 angeschlossen.

Das Amtsgericht hat sich mit Beschluss vom 07.12.2007 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Mit Beschluss vom 07.01.2008 hat das Landgericht, das die Verweisung als willkürlich ansieht, den Streitwert auf 4.631,96 EUR festgesetzt und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Nach Rückgabe der Akte vom Amtsgericht an das Landgericht hat dieses die Sache dem Kammergericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

II.
Das Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist eröffnet, da sich sowohl das Amtsgericht Mitte als auch das Landgericht Berlin rechtskräftig i.S. der Bestimmung (vgl. dazu BGHZ 102, 338 = NJW 1988, 1794 f.) für unzuständig erklärt haben.

Das Amtsgericht Mitte ist sachlich zuständig, da der Wert des Streitgegenstands 5.000,00 EUR nicht übersteigt (§ 23 Nr. 1 GVG i.V.m. §§ 2, 4 Abs. 1 HS. 2 ZPO) und die Verweisung an das Landgericht wegen objektiver Willkür nicht nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend ist.

Eine Verweisung ist willkürlich und damit nicht bindend, wenn sie nicht bloß unrichtig ist, sondern sich bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 29, 45, 49), bzw. wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, da er bei verständiger Würdigung der maßgebelichen Rechtsprinzipien nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (s. BGH NJW 2003, 3201 f.; NJW 2002, 3634 f.; BGH-Report 2003, 42, 43; s.a. OLG Stuttgart, OLG-Report 2007, 955 f. für Willkür bei Anwendung des § 4 Abs. 1 HS. 2 ZPO). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Nach § 4 Abs. 1 HS. 2 ZPO bleiben Kosten bei der Wertfestsetzung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden. Das Wesen einer Nebenforderung besteht darin, dass sie vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig ist. Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines Anspruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend gemachten Geschäftsgebühren um Nebenforderungen i.S. von § 4 ZPO handelt, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (s. BGH NJW 2007, 3289).

Die Ansicht des Amtsgerichts, bei „zivilen Verkehrsunfallsachen“ gelte etwas anderes, da dort die Anwaltskosten nicht als Folge des Verzugs des Schädigers geltend gemacht würden, sondern als Folgeschaden der Sachbeschädigung, findet in der die Zuständigkeit (mit) regelnden Vorschrift des § 4 ZPO keine Stütze und ist als nicht mehr nachvollziehbar anzusehen. § 4 ZPO bringt den allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, dass die Kosten des laufenden Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen sind, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (s. BGHZ 128, 85 = NJW 1995, 664, 665 unter II.3.b; NJW 2007, 3289). Dementsprechend kommt es für die Anwendung des § 4 ZPO nicht darauf an, ob der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch seine Grundlage konkret in einer Vertragsverletzung, im Verzug oder in einer sonstigen Rechtsverletzung hat; maßgeblich ist, dass die Prozess(vorbereitungs)kosten einen adäquat verursachten Schaden darstellen, für den der Beklagte einzustehen hat (vgl. BGH NJW 2007, 3289). Folglich findet in der Rechtsprechung des BGH bei Anwendung des § 4 ZPO auch keine Sonderbehandlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Verkehrsunfallsachen statt (vgl. BGH, Beschl. vom 04.12.2007, VI ZB 73/06 -bei JURIS-).

Die davon abweichende Rechtsansicht des Amtsgerichts lässt sich nicht damit begründen, dass auch Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale keine Nebenforderung seien. Grund für die Behandlung dieser Kosten als streitwerterhöhende Hauptforderung ist, dass ihre Ersatzfähigkeit nicht davon abhängt, in welchem Umfang Ersatz für den eigentlichen Sachschaden zu leisten ist. Die Forderungen stehen daher in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Hauptforderung, sondern sind gleichwertige Berechnungsposten des insgesamt geltend gemachten Schadensersatzanspruchs (BGH NJW 2007, 1752). Hingegen besteht ein Anspruch auf Erstattung (anwaltlicher) Rechtsverfolgungskosten nur nach dem Forderungsbetrag, der berechtigt geltend gemacht wird (s. BGH NJW 2005, 1112 unter II.2), woraus das Abhängigkeitsverhältnis der Kostenforderung zur Hauptforderung resultiert. Der Kläger hat vorliegend auch nicht eine davon abweichende Rechtsauffassung vertreten und (ausnahmsweise) geltend gemacht, dass die Kostenforderung von der Beurteilung der übrigen Schadensersatzforderung unabhängig sei. Im Gegenteil hat er durch die Bezeichnung der Kostenforderung als „Verzugsfolgeschaden“ deutlich gemacht, dass er von einer Abhängigkeit der Kostenforderung ausgeht.

Allerdings werden die Kosten vorliegend insoweit nicht als Nebenforderung geltend gemacht, als ihnen keine Hauptforderung gegenüber steht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 04.12.2007, VI ZB 73/06, Rz 6-8). Das ist jedoch nur im Umfang von 57,23 EUR der Fall (Differenz zwischen den -insoweit verlangten- Geschäftsgebühren von 522,88 EUR brutto nach einem Gegenstandswert von 5.163,96 EUR zu den nach einem Gegenstandswert von 4.631,96 EUR begründeten Geschäftsgebühren von 465,65 EUR brutto, s. BGH, Urteil vom 07.11.2007, VIII ZR 341/06, Rz 13
– bei JURIS -). Daraus folgt nur ein Gesamtgegenstandswert von 4.631,96 EUR + 57,23 EUR = 4.689,19 EUR, so dass die Zuständigkeitsgrenze von 5.000,00 EUR nicht überschritten wird.


 

 

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