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Wird die Versicherung von der Leistung frei, wenn man ihr einen Versicherungsfall nicht innerhalb von 1 Woche meldet und/oder später der Versicherung keine Meldung über eine eingegangene Klage macht?

 OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 10 U 68/00

Verkündet am 23.03.2001

Vorinstanz: LG Mainz – Az.: 7 O 157/99


Urteil – abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2001 für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 10. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat Ansprüche der Klägerin aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag wegen des Versicherungsfalles vom 18.05.1997 mit Recht verneint, weil die Beklagte gemäß §§ 6, 5 Nr. 2 Satz 3 und Satz 4 AHB leistungsfrei ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Urteil (§ 543 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsvorbringen hat keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung oder zu einer Beweisaufnahme gegeben. Die Rechtsmittelangriffe führen nur zu einer teilweisen ergänzenden oder abweichenden Begründung des Ergebnisses.

1. Ebenso wie das Landgericht kann der Senat offen lassen, ob die Klägerin bereits ihre Anzeigepflicht nach § 5 Nr. 2 Satz 1 AHB gehörig erfüllt hat; eine Beweisaufnahme zu diesem Streitpunkt ist daher nicht veranlasst.

Die Klägerin hat auf jeden Fall die zur Leistungsfreiheit führenden weiteren Anzeigeobliegenheiten des § 5 Nr. 2 Sätze 3 4 AHB verletzt, denn sie hat weder innerhalb einer Woche nach der vorprozessualen Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs durch den Geschädigten (Schreiben vom 26. 05. 1997 und 12. 06. 1997, B1. 110 -113) eine entsprechende Anzeige gegenüber der Beklagten erstattet (§ 5 Nr. 2 Satz 3 AHB) noch auf die am 1.10.1997 zugestellte Klage des Geschädigten eine unverzügliche Anzeige abgegeben (§ 5 Nr. 2 Satz 4 AHB).

Die Klage des Geschädigten und die Klageerwiderung hat sie erst mit anwaltlichem Schreiben vom 6. 11. 1997 der Beklagten zugeleitet, in der Folgezeit indessen die Anfrage der Beklagten vom 19. 11. 1997 unbeantwortet gelassen und der Beklagten danach nur noch – ohne weitere Informationen über den zwischenzeitlichen Prozessverlauf – das im Haftpflichtprozess ergangene Urteil des AG Bernkastel-Kues vom 3. 09. 1998 überlassen.

Eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit hinsichtlich der vorprozessualen Anspruchsschreiben des Geschädigten hat die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz bestritten mit der Behauptung, die betreffenden Schreiben vom 26. 05. 1997 und 12. 06. 1997 seien weder ihr noch ihrem Ehemann zugegangen. Mit diesem Einwand kann die Klägerin indessen nicht gehört werden, denn im vorausgegangenen Haftpflichtprozess ist nicht nur – mit bindender Wirkung für den vorliegenden Deckungsprozess (vgl, Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 149 Rdnr. 32) im rechtskräftigen Urteil vom 3.09.1998 (S. 3, 3. Abs.) ein unstreitiger gegenteiliger Sachverhalt festgestellt worden („… am 13. 06. 1997 erhielten die Beklagten ein Schreiben des Klägers, mit dem er sie nochmals unter Fristsetzung von einer Woche nach Erhalt des Schreibens zur Zahlung der Klageforderung aufforderte …“); der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Klägerin in Fotokopie vorgelegte Rückschein zu dem Einschreiben vom 12. 06. 1997 belegt darüber hinaus (B1.111), dass die damalige Briefsendung am 13. 06. 1997 an einen „Postbevollmächtigten“ ausgeliefert worden ist und dieser den Erhalt durch Unterschrift bestätigt hat. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Urkunde hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt.

2. Die für fehlendes Verschulden darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 6 VVG Rdnr. 124) hat die Verschuldensvermutung des § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 6 AHB nicht ausräumen können. Sie hat keine hinreichenden Tatsachen aufzeigen können, die es gerechtfertigt hätten, ein mangelndes Verschulden oder einen geringeren Schuldgrad als grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der unter Ziffer 1

dargelegten objektiven Verletzung der Anzeigepflichten anzunehmen.

Dahin gehende entlastende Tatsachen ergeben sich auch nicht aus den sonstigen Umständen. Auf mangelnden Zugang der vorpro-zessualen Anspruchsschreiben des Geschädigten kann sich die Klägerin aus den unter Ziffer 1 genannten Gründen nicht berufen. Die Klägerin hatte im Übrigen Kenntnis von dem Versicherungsfall und dem eingetretenen Schaden. Sie musste daher in der Folgezeit mit Haftpflichtansprüchen des Geschädigten rechnen sowie damit, dass der Geschädigte entsprechende Schreiben an die angegebene ursprüngliche (vorübergehende) Wohnanschrift in H richten werde. Nach dem Ortswechsel hätte die Klägerin daher sicherstellen müssen, dass eingehende Post umgehend von ihr abgeholt oder ihr von dem damaligen Postbevollmächtigten überlassen wird. Darüber hinaus hätte es gemäß § 242 BGB nahe gelegen, dass die Klägerin dem Geschädigten auch unaufgefordert die nunmehr maßgebende geänderte Anschrift unverzüglich mitgeteilt oder bei ihm Erkundigungen wegen der vorgesehenen Schadensabwicklung eingeholt hätte.

3. Fehlende Kausalität im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 2 VVG i. V. m. § 6 Satz 2 – 3 AHB hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl. Prölss/Martin, a.a.0., § 6 VVG Rdnr. 124) ebenfalls nicht aufzeigen können.

Abweichend vom Landgericht hat der Senat dabei zugunsten der Klägerin unterstellt, auch wenn sie die Verschuldensvermutung des § 6 Abs. 3 VVG nicht hat ausräumen können (vgl. Ziffer 2), dass sie die unter Ziffer 1 genannten Obliegenheitsverletzungen zumindest nicht vorsätzlich begangen hat. Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung entfällt eine Kausalitätsprüfung ohnehin.

Fehlende Kausalität lässt sich hier nicht annehmen. Der Senat kann unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffs nicht feststellen, dass die Verletzung der Anzeigeobliegenheiten des § 5 Nr. 2 Satz .3 und Satz 4 AHB weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs. 2 AHB). Die Beklagte hat auf Seite 4 der Klageerwiderung u.a. geltend gemacht (B1. 19 d. A.), dass ihr aufgrund der Obliegenheitsverletzung eine unverzügliche eigene Prüfung zu Grund und Höhe des vermeintlichen Haftpflichtanspruchs durch eine Nachbesichtigung des geschädigten Pkw nicht mehr möglich gewesen sei. Dieser Einwand ist berechtigt. Nachdem die Beklagte erstmals nach dem 7.11.1997 durch die (verspätete) Zuleitung der Klageschrift des Geschädigten und der Klageerwiderung Kenntnis von dem geltend gemachten Haftpflichtanspruch erlangt hatte, ist der aufgrund des Versicherungsfalles vom 18.05.1997 beschädigte Pkw bereits repariert gewesen. Die Werkstattrechnung trägt das Datum vom 3. 06. 1997 (B1. 5 – 7 d. BA). Damit ist der ursprüngliche Zustand aber verändert gewesen und die Beweislage zu Lasten der Beklagten verschlechtert worden. Das im Haftpflichtprozess eingeholte Sachverständigengutachten vom 22.05.1998 (B1. 91 – 108 d. BA) hat demgemäß auch nicht positiv feststellen können, dass die in der Werkstattrechnung aufgelisteten einzelnen Schäden tatsächlich durch den Versicherungsfall verursacht worden sind, sondern lediglich, dass die Schäden hierdurch verursacht worden sein können (B1. 98 d. BA). Damit kann aber für die hier maßgebende Kausalitätsprüfung nicht ausgeschlossen werden, dass bei gehöriger Erfüllung der Anzeigeobliegenheiten und bei einer unverzüglichen. Nachbesichtigung des – noch unreparierten – Pkw eine andere Feststellung zum Versicherungsfall und dem dadurch verursachten Schaden möglich gewesen wäre. Die Beklagte hat darüber hinaus zutreffend aufgezeigt, dass ihr auch die Möglichkeit zu einer außergerichtlichen Regelung zur Vermeidung weiterer Kosten genommen worden ist (B1. 19).

4. Die aus der Obliegenheitsverletzung folgende Leistungsfreiheit genügt auch den Anforderungen der Relevanzrechtsprechung, denn der Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheiten des § 5 Nr. 2 Satz 3 und Satz 4 AHB ist generell geeignet gewesen, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden(s. Ziffer 3) und der Klägerin als Versicherungsnehmerin ist bei der Nichterfüllung dieser Obliegenheiten ein grobes Verschulden anzulasten (s. Ziffer 3 am Ende).

Auf eine vorherige Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung nach § 5 Nr. 2 Satz 3 und Satz 4 AHB kommt es hier nicht an. Anders als im Hinblick auf Verstöße gegen die Aufklärungspflicht, trifft den Versicherer keine Belehrungspflicht für die hier maßgebenden Verstöße gegen die gesetzlichen und/oder vertraglichen Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers (vgl. Prölss/Martin, a.a.0., § 33 VVG Rdnr. 11; Römer/Langheid, VVG, § 33 Rdnr. 19).

Infolge Leistungsfreiheit der Beklagten ist die Berufung der Klägerin folglich unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer der Klägerin werden auf 10.919,96 DM festgesetzt.

 

 

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