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Versorgungsehe – Widerlegung

VG Düsseldorf 23. Kammer

Az: 23 K 8033/08

Urteil vom 15.10.2010


Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2008 und dessen Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2008 verpflichtet, der Klägerin Witwengeld nach dem verstorbenen Oberregierungsrat …….. zu gewähren.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die am ……….1946 geborene Klägerin ist die Witwe des am ……….. geborenen Herrn …., der bis zu seinem Tod am 14. April 2008 im Finanzverwaltungsdienst des beklagten Landes stand (zuletzt als Oberregierungsrat, Besoldungsgruppe A 14 Bundesbesoldungsordnung – BBesO). Seine Ehe mit der Klägerin wurde am 6. Dezember 2007 geschlossen. Die Klägerin hieß mit Geburtsnamen ……… und trug während ihrer ersten Ehe, die im Jahr 1976 geschieden wurde, den Ehenamen ……….. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen (………….).

Der seit langem in ….. wohnhafte verstorbene …….. wurde seit Mai 1998 beim Finanzamt ……. dienstlich verwendet. Zum 1. Oktober 2005 wurde er nach ….. zum Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfungen versetzt. Mitte September 2007 zog er in die bisher von der Klägerin allein genutzte Einliegerwohnung im Haus……….. ein.

Im November 2007 wurde bei dem verstorbenen Beamten eine schwere Krebserkrankung festgestellt, die später zu seinem Tod führte. Zu dieser Erkrankung verhält sich die Bescheinigung des Prof. Dr……., Direktor der Medizinischen Klinik 3 …………vom 2. Juni 2008:

„Herr ……………., verstorben am 14.04.2008, zuletzt wohnhaft…………, befand sich erstmalig am 15.11.2007 in unserer Behandlung, nachdem am 05.11.2007 ein Aszites mit Verdacht auf Peritonealkarzinose diagnostiziert worden war. Die Leberbiopsie vom 07.11.2007 ergab den Befund eines gering differenzierten Adenokarzinoms, immunhistochemisch vereinbar mit einem cholangiozellulären Karzinom. Nach Erhalt der Histologie wurde am 16.11.2007 bei inoperablem Tumor eine palliative Chemotherapie eingeleitet.

Zum Zeitpunkt der Eheschließung im Dezember 2007 – nach 3-wöchiger Therapie – konnte noch keine Aussage über den weiteren Verlauf getroffen werden. Zu diesem Zeitpunkt war auch der relativ ungünstige Krankheitsverlauf nicht absehbar.“

Nach dem Tod ihres Ehemannes infolge der Krebserkrankung am 14. April 2008 nahm die Klägerin mit dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) telefonisch Kontakt auf, um ihre Hinterbliebenenversorgung zu klären. Dabei wurde ihr nach ihren Angaben vom zuständigen Sachbearbeiter gesagt, sie solle schriftlich darlegen, dass und warum es sich bei der mit dem verstorbenen Beamten geschlossenen Ehe nicht um eine sogenannte „Versorgungsehe“ gehandelt habe. Dementsprechend machte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2008 „Angaben zur Festsetzung der Hinterbliebenenbezüge“ und legte darin unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) dar, warum es sich bei der Eheschließung am 6. Dezember 2007 nicht um eine Versorgungsehe, sondern um eine bereits geplante Liebesheirat gehandelt habe. Die Eheschließung und die Krankheit hätten in einer unplanbaren und unglücklichen zeitlichen Übereinstimmung mit ihren Zukunftsplänen gestanden. Der Ablauf bis zum Tod ihres verstorbenen Ehemannes sei wie folgt gewesen: Juli 1999 – kennen- und lieben gelernt. Von 1999 bis 2007 – 2 getrennte Mietwohnungen aus beruflichen und Platzgründen, aber mit ständigem Lebensmittelpunkt in……….. Von Freitag bis Montag, an Feiertagen und im Urlaub habe ihr Mann in ……… gewohnt und den gemeinsamen Freundeskreis empfangen. 2005 sei die Entscheidung gefallen, zusammen ein Haus zu kaufen und anschließend zu heiraten. In jedem Fall habe erst nach dem Kauf des Hauses und Einzug in das Haus geheiratet werden sollen. Als sehr konservativ eingestellter Mensch sei es für ihren Mann nicht akzeptabel gewesen, verheiratet zu sein und in zwei getrennten Wohnungen angemeldet zu sein. Außerdem sei es ihrem Mann sehr wichtig gewesen, dass die Hochzeit erst nach Schaffung des passenden Umfeldes in einem schönen häuslichen Rahmen habe stattfinden sollen. Von 2005 bis 2007 Haussuche sowohl über Makler als auch privat. Im Juli 2007 Kauf der Immobilie im…………. Die Finanzierung sei auf 10 Jahre festgelegt und unabdingbar mit der weiteren Erwerbstätigkeit ihres Mannes verbunden worden. Auf Nachfrage der finanzierenden Bank sei bestätigt worden, dass die Heirat demnächst stattfinden werde. Durch die Auflösung der Wohnung ihres verstorbenen Mannes, Möbelsuche für das neue Haus sowie aufwendige Renovierung der Räume habe sich die Heirat nach hinten verschoben. Ab September 2007 – gemeinsamer Wohnsitz in…………. Im November 2007 – Krebs-Diagnose nach einer Routine-Blutabnahme. Bis zu diesem Zeitpunkt seien keinerlei Anzeichen einer Krankheit bei ihrem Mann erkennbar gewesen. Er sei bis zum 7. November 2007 noch voll berufstätig gewesen. Nach Aussage der behandelnden Ärzte sei eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit ab Ende Januar 2008 im Umfang von vier Stunden täglich geplant gewesen. Am 6. Dezember 2007 sei die Heirat am Namenstag ihres Mannes erfolgt. Während der gesamten Zeit sei sie, wie die letzten 40 Jahre, voll berufstätig gewesen. Es habe sich bei der Heirat um eine lange geplante Liebesheirat gehandelt. Zum Heiratszeitpunkt sei nicht davon auszugehen gewesen, dass ihr Mann so plötzlich und unerwartet versterben würde. Wenn man ihr die Witwenversorgung unter dem Gesichtspunkt einer Versorgungsehe verweigere, wäre dies zusätzlich zum Verlust des Lebenspartners eine unbillige Härte und gegen den ursprünglichen Sinn dieser Vorschrift zum Schutz der Hinterbliebenen. Die Heirat sei seit 2005 von langer Hand geplant gewesen und die Krankheit sei unerwartet in ihre Pläne gefallen. Hierfür benannte sie neben den Zeuginnen ……(Schwiegermutter) und …………(Freundin ihres verstorbenen Ehemannes seit der Referendarzeit) sowie dem Zeugen …..auch die Herren………..

Das LBV lehnte auf dieser Grundlage die Gewährung von Witwengeld mit Bescheid vom 23. Juli 2008 ab, weil die aus § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG folgende Vermutung, dass die Ehe der Klägerin mit dem verstorbenen Beamten, die weniger als ein Jahr gedauert habe, zum Zwecke der Versorgung geschlossen worden sei, nicht habe widerlegt werden können. Diese Vermutung ergebe sich auch aus der Tatsache, dass die Ehe am 6. Dezember 2007 geschlossen worden sei, nachdem im November 2007 eine Krebserkrankung bei ihrem verstorbenen Ehemann festgestellt worden sei. Hierbei habe es sich um einen inoperablen Tumor gehandelt, der trotz eingeleiteter Chemotherapie zum Tod ihres Mannes geführt habe. Ihre im Schreiben vom 5. Juni 2008 vorgetragenen Argumente seien zwar menschlich und persönlich verständlich, könnten aber aufgrund der zeitlichen Abfolge die Vermutung nicht widerlegen.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Eheleute bereits lange vor dem Bekanntwerden der Erkrankung des verstorbenen Ehemannes ihre Hochzeit konkret geplant hätten und diese Hochzeit völlig unabhängig von der Erkrankung am 6. Dezember 2007 durchgeführt worden sei. Sie benannte hierfür die Zeuginnen……………………

Das LBV wies den Widerspruch ohne weitere Ermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2008 zurück und führte zur Begründung in Ergänzung und Vertiefung des Ablehnungsbescheides im Wesentlichen aus: Laut ärztlicher Bescheinigung des Prof. Dr. ……vom 2. Juni 2008 sei bei ihrem Ehegatten im November 2007 eine seltene schwere Krebserkrankung der Leber und Galle festgestellt worden. Der histologische Befund habe ergeben, dass der Lebertumor inoperabel gewesen sei. Aufgrund der Diagnose habe leider mit einem baldigen Versterben ihres Ehegatten gerechnet werden müssen. Wegen der eindeutigen Diagnose habe am 16. November 2007 nur noch eine palliative Chemotherapie eingeleitet werden können. Während der Chemotherapie hätten sie am 6. Dezember 2007 geheiratet. Es seien keine Gründe erkennbar, dass ihr zum Zeitpunkt der Eheschließung der lebensbedrohliche Charakter der Erkrankung nicht bewusst gewesen sei. Die nach ihren Angaben bestehende Planung der Eheschließung seit dem Jahr 2005 und die Verzögerung durch Haussuche und Hauskauf ändere hieran nichts. Die Umstände der verzögerten Eheschließung hätten allein in ihrem Einflussbereich gelegen, weshalb die Fallgestaltung nicht mit dem Abwarten bis zum rechtskräftigen Scheidungsverfahren eines der Eheleute vergleichbar sei. Auch die seit Juli 1999 bestehende Lebensgemeinschaft sowie die Kundgabe der Heiratsabsicht an Dritte könne die Vermutungsregel nicht entkräften. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhielt diesen mit einfacher Post versandten Bescheid am 21. Oktober 2008.

Die Klägerin hat am 21. November 2008 Klage erhoben, mit der sie die Gewährung von Witwengeld weiterverfolgt. Zur Begründung verweist sie zunächst auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt in Ergänzung und Vertiefung des vorgerichtlichen Vorbringens im Wesentlichen aus: Auch bei einer Kenntnis der Eheleute vom Vorliegen einer lebensbedrohenden Erkrankung bei der Eheschließung schließe dies die Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe nicht aus, wenn sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstelle oder andere einigermaßen wirklichkeitsnahe Beweggründe für die Heirat im Vordergrund gestanden hätten. Diese Situation sei bei der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann gegeben gewesen, was das LBV jedoch verfahrensfehlerhaft ohne Anhörung der benannten Zeugen außer Acht gelassen habe. Wegen der konservativen Einstellung des verstorbenen Beamten und seines Wunsches, die Heirat erst nach Schaffung eines passenden Umfeldes in schönem häuslichen Rahmen stattfinden zu lassen, habe zunächst der Kauf eines Hauses sowie dessen Einrichtung und Bezug abgeschlossen werden sollen, bevor die Hochzeit habe stattfinden können. Nach dem Erwerb der Immobilie im Juli 2007 sei zunächst die Wohnung des Ehemannes in …….. aufgelöst worden und er sei provisorisch mit in die Einliegerwohnung der Klägerin gezogen, die für beide jedoch zu klein gewesen sei. In der Folgezeit hätten die Umbauten fertiggestellt und das gesamte Haus bezogen werden sollen. Ab Oktober 2007 seien die Eheleute Eigentümer des Hausgrundstücks……… gewesen und ab diesem Zeitpunkt seien auch die Hypothekenverbindlichkeiten angefallen. Nach einer Vereinbarung habe jedoch die ehemalige Besitzerin des Hauses so lange dort wohnen bleiben dürfen, bis ihre Eigentumswohnung bezugsfertig gewesen sei. Dies habe den Einzug der Eheleute weiter verzögert. Die Zeitplanung der Eheleute sei deshalb dahin gegangen, dass sie im Frühjahr des Jahres 2008 – in der „hellen Jahreszeit“ – und konkret im Mai 2008 hatten heiraten wollen. Hierüber seien die Zeugen ……….informiert worden. Es komme nicht darauf an, ob die Umstände, wegen denen sich die Eheschließung verzögerte, im Einflussbereich der Eheleute gelegen hätten. Entscheidend sei vielmehr, dass sie konkret vorhatten, in der zeitlichen Abfolge „Erwerb einer Immobilie – Renovierung und Einrichtung der Immobilie – Einzug in die Immobilie – danach Hochzeit“ zu heiraten und diese Heiratsabsicht konsequent umgesetzt hätten. Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung ausführlich angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Klägerin beantragt, das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des LBV vom 23. Juli 2008 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2008 zu verpflichten, der Klägerin Witwengeld nach dem verstorbenen Oberregierungsrat …….. zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Das LBV begründet dies in Ergänzung der angegriffenen Bescheide im Wesentlichen damit, dass die am 6. Dezember 2007 erfolgte Heirat keine konsequente Verwirklichung des zuvor getroffenen Heiratsentschlusses gewesen sei. Der vorherige Heiratsentschluss sei vielmehr auf eine Eheschließung im Frühjahr 2008 gerichtet gewesen. In Anbetracht der im November 2007 festgestellten schweren Erkrankung des verstorbenen Ehemannes sei dann jedoch ein neuer Heiratsentschluss gefasst und am 6. Dezember 2007 verwirklicht worden. Diese neue Entscheidung sei ganz überwiegend von einer lebensbedrohenden Erkrankung des Ehemannes der Klägerin geprägt gewesen. Deshalb könne die Klägerin die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen…….. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Weiter hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung – neben Fotoaufnahmen von der Hochzeit am 6. Dezember 2007 – eine von ihrem verstorbenen Ehemann stammende und an sie gerichtete Grußkarte zu ihrem Geburtstag im Dezember 2007 vorgelegt. Diese handschriftlich verfasste Karte hat den Inhalt:

„Langenfeld, Dezember 2007

Mein Liebling,

ganz herzliche Glückwünsche zu Deinem Geburtstag. In diesem Jahr ist alles anders. Zuerst haben wir unsere runden Geburtstage nachgefeiert, dann haben wir unser Haus gekauft und uns endlich ein gemeinsames Zuhause geschaffen, nach dem ich mich so sehr gesehnt habe und schließlich haben wir geheiratet, worüber ich sehr glücklich bin und worauf ich sehr sehr stolz bin. Es könnte alles so schön sein… Und dann kam meine schwere Erkrankung, die alles in ein etwas anderes Licht rückt. Mein Liebling, ich möchte Dir für das vergangene Jahr von ganzem Herzen danken, für die Geduld, die Du mit mir gehabt hast, wenn ich oft ungerecht zu Dir gewesen bin. Bitte verzeihe mir. Vor allem möchte ich Dir aber danken, dass Du in den letzten schweren Wochen aufopferungsvoll für mich da warst und mich so unglaublich unterstützt hast. Ich hoffe, dass das neue Jahr gesundheitlich – auch für Dich – besser verläuft und wir noch viele Jahre glücklich miteinander verbringen können. Und da ist wieder das Wort „Hoffnung“. Wenn wir das Licht der Hoffnung nicht erlöschen lassen, dann haben wir ein gutes Fundament, um die Zukunft gemeinsam zu schaffen und alle vor uns liegenden Schwierigkeiten zu überwinden. Dafür wollen wir gemeinsam kämpfen.

Ich liebe dich

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, den beigezogenen Versorgungsvorgang des LBV und die den verstorbenen Beamten betreffenden Personalakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 1. Juni 2010 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide des LBV vom 23. Juli 2008 und 17. Oktober 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch auf Gewährung von Witwengeld nach dem am 14. April 2008 verstorbenen Oberregierungsrat O (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Die Witwe eines Ruhestandsbeamten erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Witwengeld. Dies gilt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG jedoch dann nicht, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.

Mit der gesetzlichen Vermutung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG geht der Gesetzgeber als Regelfall davon aus, dass eine Ehe, die im Zeitpunkt des Todes des Beamten nicht mindestens ein Jahr bestanden hat, Versorgungszwecken gedient hat. Mit dieser Vermutungsregel wird dem hinterbliebenen Ehepartner die volle Darlegungs- und Beweislast für eine hiervon abweichende Zweckrichtung der Heirat auferlegt. Beweiserleichterungen sind nicht vorgesehen, obwohl es im Einzelfall sehr schwierig sein kann, einen sogenannten inneren Tatbestand zur Überzeugung der Behörde oder des Gerichts nachzuweisen. Die bloße Darlegung bestimmter Tatsachen und Umstände, die als Indizien für eine nicht ausschließlich oder überwiegend der Versorgung des Ehepartners dienende Eheschließung gewertet werden sollen, genügt hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, dass unter den Beweggründen jedenfalls eines der Eheschließenden der Zweck, dem anderen eine Versorgung zu verschaffen, keine maßgebliche Bedeutung hatte. Die Witwe trägt die materielle Beweislast dafür, dass die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung für die Heirat hatte, vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Oktober 1966 – II C 32.64 -, BVerwGE 25, 221; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 7. Juli 2004 6 E 693/04 -, in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/C II 2.3.1 Nr. 17; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 1. Dezember 1998, 3 B 95.3050 -, in: Schütz, a.a.O., ES/C II 2.3.1. Nr. 10; Hessischer VGH (HessVGH), Beschluss vom 16. Februar 2007 – 1 UZ 1948/06 -, DÖV 2007, 754.

Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters einer Erkrankung des Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG regelmäßig aus, es sei denn die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses dar, vgl. BayVGH, Beschluss vom 1. Dezember 1998, a.a.O.; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 28. Oktober 2004 – 1 Bf 189/04 -, NVwZ-RR 2006, 196; VGH Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 10. Februar 2003 – 4 S 2782/01 -, IÖD 2003, 166.

Hiervon ausgehend gelangt der Einzelrichter bei Würdigung der gesamten im Verlauf des Verfahrens erkennbar gewordenen Umstände zu der Überzeugung, dass die gesetzliche Vermutung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG im vorliegenden Fall ausgeräumt ist. Es bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Feststellung, dass für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann …. bei der Eheschließung die Absicht, der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen, nicht das alleinige oder überwiegende Motiv war.

Zwar schlossen sie am 6. Dezember 2007 vor dem Standesamt in …. die Ehe in Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung des verstorbenen Ehemannes. Ihnen war seit Mitte des Monats November 2007 bekannt, dass er an einem inoperablen und auch ansonsten nicht heilbaren Gallenkrebs-Tumor litt. Es wurde eine palliative Chemotherapie eingeleitet, die naturgemäß nicht auf Heilung der Erkrankung gerichtet war, sondern auf Linderung der Symptome. Auch wenn nach der ärztlichen Kunst keine Aussage über die Lebenserwartung des Ehemannes der Klägerin getroffen werden konnte (und deshalb nach der glaubhaften Angabe der Klägerin auch nicht getroffen wurde), so war klar, dass dies eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellte.

Jedoch gelangt der Einzelrichter zu der Überzeugung, dass die Eheleute zu dem Zeitpunkt, als die Krebserkrankung festgestellt wurde, bereits einen konkreten Heiratsentschluss gefasst hatten und diesen dann nach Bekanntwerden der Erkrankung – in zeitlicher Hinsicht etwas vorgezogen – aus Beweggründen, unter denen nicht die Versorgungsabsicht überwog, konsequent verwirklicht haben. Das zeitliche Vorziehen steht dieser Einschätzung bei Würdigung des Vorbringens der Klägerin, der Aussagen der Zeugen ……….sowie der Geburtstagskarte aus dem Dezember 2007 nicht entgegen.

Der Einzelrichter ist zunächst davon überzeugt, dass die Klägerin und der verstorbene Beamte tatsächlich schon vor Bekanntwerden der Krebserkrankung den Entschluss gefasst hatten, im Frühjahr bzw. im Mai 2008 zu heiraten. Bei diesem Entschluss überwog nicht die Absicht, der Klägerin eine Versorgung für den Fall des Todes ihres Ehemannes zu verschaffen. Insofern geht der Einzelrichter davon aus, dass der Ablauf dem Vorbringen der Klägerin entsprach: Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hatten sich im Sommer des Jahres 1999 kennengelernt und sodann eine Liebesbeziehung begonnen. Diese Paarbeziehung führten sie zunächst noch mit getrennten Wohnsitzen – der verstorbene Beamte in seiner bisherigen Wohnung in .., die Klägerin in der Einliegerwohnung im ……..-, wobei Herr ………. sich auch häufig in der Wohnung der Klägerin aufhielt. Im Verlauf des Jahres 2005 entschlossen die Partner sich dazu, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Auf Wunsch des in dieser Hinsicht konservativen Finanzbeamten sollte zunächst jedoch eine gemeinsame Wohnstatt geschaffen werden, weil die jeweiligen Wohnungen für ein dauerndes gemeinsames Wohnen und Leben nicht geeignet waren. Deshalb suchten die Partner gemeinsam ein Haus, das sie kaufen wollten. Erst im Dezember 2006 ergab sich, dass die Möglichkeit bestand, das Hausgrundstück……., in dem die Klägerin eine Einliegerwohnung bewohnte, als Ganzes von der Eigentümerin zu erwerben. Dieser Kauf wurde notariell im Juli 2007 abgeschlossen. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann wurden im Oktober 2007 gemeinsam je zur Hälfte Eigentümer dieser Immobilie. Vom Ablauf her musste die Verkäuferin und bisherige Eigentümerin ausziehen, welche in eine auf der gegenüber liegenden Straßenseite im Bau befindliche Eigentumswohnung einziehen wollte. Nach deren Auszug, der sich etwas verzögert hatte, waren Umbau- und Renovierungsarbeiten sowie die Einrichtung des Hauses ……durchzuführen. Unter Berücksichtigung dieses geplanten Ablaufs und der dafür veranschlagten Zeiträume hatten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann den Mai 2008 als Heiratstermin geplant. Hierüber hatten sie die ihnen am nächsten stehenden Personen im Sommer 2007 in Kenntnis gesetzt. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte dann im Laufe des Monats September 2007 seine Wohnung in F aufgelöst und war übergangsweise in die Einliegerwohnung der Klägerin mit eingezogen. Bis zum Bekanntwerden seiner Krebserkrankung trafen die beiden Vorbereitungen für den Bezug der erworbenen Immobilie. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Entschluss, im Mai 2008 zu heiraten, überwiegend von versorgungsbezogenen Motiven beeinflusst war. Es besteht vielmehr der Eindruck, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die langjährige Beziehung durch Heirat festigen, legalisieren und nach außen dokumentieren wollten. Diese Einschätzung gewinnt das Gericht durch das detaillierte, im gesamten Verfahrensablauf gleichbleibende, widerspruchsfreie und insgesamt glaubhafte Vorbringen der Klägerin sowie die Aussagen der Zeugen……….. Der Ablauf und die Entwicklung der Beziehung der Klägerin mit dem Verstorbenen ist insbesondere ausführlich und mit dem Vorbringen der Klägerin übereinstimmend von den Zeuginnen ……..geschildert worden. Diese Aussagen hält der Einzelrichter für glaubhaft. Es bestehen keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen, auch wenn alle der Klägerin mehr oder weniger nahe stehen und damit ein Motiv dafür hätten, zu ihren Gunsten auszusagen. Bewusst unzutreffende Angaben hält der Einzelrichter bei beiden jedoch für unwahrscheinlich. Die Zeugin ….. stammt aus einer Generation, in der gegenüber Behörden und Gerichten im Vergleich zur Gegenwart noch ein höherer Respekt verbreitet war, und vermittelt auch sonst den Eindruck, dass eine Falschaussage von ihr nicht zu erwarten ist. Die Zeugin …. verfügt schon aufgrund ihrer Stellung als Lebenszeitrichterin über hohe Glaubwürdigkeit und steht zugleich der Klägerin weniger nahe als die unmittelbaren Verwandten, besonders da sie vorrangig eine enge Freundin des verstorbenen Ehemannes der Klägerin war. In beiden Aussagen sind keine Hinweise auf unwahre Angaben feststellbar. Auch die Zeugen ……… haben bekundet, dass die Klägerin und der verstorbene Beamte schon vor der Feststellung der Krebserkrankung entschieden hatten, im Frühjahr bzw. im Mai 2008 zu heiraten. Jeder von ihnen hat glaubhaft geschildert, wann und wo sowie unter welchen Umständen die beiden ihnen diesen Entschluss mitgeteilt haben. Auch bei den Zeugen …….. hat der Einzelrichter keine Lügensignale feststellen können; vielmehr sind Wahrheitskriterien erkennbar.

Diesen bereits getroffenen Heiratsentschluss haben die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann zwar in gewisser Hinsicht geändert, jedoch immer noch hinreichend konsequent verwirklicht. Dabei steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass bei der Eheschließung am 6. Dezember 2007 vor dem Standesamt ….. die Absicht, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen, nicht der alleinige oder überwiegende Grund der Eheleute war. Die Veränderungen des Heiratsentschlusses liegen darin, dass der Hochzeitszeitpunkt vom Mai bzw. Frühjahr 2008 auf den 6. Dezember 2007 vorverlegt worden ist. Zugleich hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin zuvor vorausgesetzt, dass das gemeinsame Heim erworben und bezogen worden war. Da der Einzug in die gekaufte Immobilie noch nicht erfolgt war, ist ein zuvor als Voraussetzung der Heirat angesehener Umstand nunmehr als nicht mehr entscheidend angesehen worden. Diese Veränderungen sind für sich genommen geeignet, die Heirat am 6. Dezember 2007 nicht mehr als konsequente Verwirklichung des zuvor getroffenen Heiratsentschlusses zu bewerten, wie es auch das LBV in der Klageerwiderung vom 13. Februar 2009 gesehen hat. Dies hätte zur Folge, dass die Vermutung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG nicht widerlegt wäre. Jedoch hat es die Klägerin erfolgreich unternommen, darzulegen und zu beweisen, dass trotz dieser Veränderungen des Heiratsentschlusses dabei die Versorgungsabsicht nicht überwog, und damit das aus dem Zeitablauf folgende Indiz für eine Versorgungsabsicht ausgeräumt. Dies ergibt sich aus ihren ins einzelne gehenden glaubhaften Angaben, den Aussagen der Zeugen und der an sie gerichteten Geburtstagskarte ihres Ehemannes aus dem Dezember 2007.

Sie selbst hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr und ihrem Ehemann die Ernsthaftigkeit seiner Krebserkrankung und deren Lebensbedrohlichkeit bekannt waren. Zugleich konnte niemand sagen, wie lange der verstorbene Ehemann der Klägerin mit dieser Krankheit leben konnte. Dementsprechend ist ihnen auch von ärztlicher Seite insofern nichts näheres mitgeteilt worden. Der sehr ungünstige Verlauf, der zum Tod des Beamten am 14. April 2008 führte, war nach der Bescheinigung des Prof. Dr. ………vom 2. Juni 2008 zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht absehbar. Deshalb war für die Klägerin und ihren Partner in keiner Weise erkennbar, wie lange der zu diesem Zeitpunkt 50-jährige noch zu leben hatte. Sie ließen sich nachvollziehbar von Hoffnung leiten, wie sich eindrücklich der Geburtstagskarte aus dem Dezember 2007 entnehmen lässt. Diese Hoffnung richtete sich insbesondere darauf, dass durch die Chemotherapie z. B. eine Einkapselung des Tumors und dadurch ein Aufhalten oder starkes Verlangsamen des Fortschreitens der Erkrankung zu erreichen wäre. In dieser von Hoffnung und einer nicht abschätzbaren weiteren Lebenserwartung des Verstorbenen geprägten Situation waren nach den Feststellungen des Gerichts als Gründe für die Heirat am 6. Dezember 2007 vorhanden: Der Wunsch der beiden, ihre Zusammengehörigkeit zu dokumentieren und wechselseitig das emotionale Signal zu geben und zugleich zu erhalten, dass sie gemeinschaftlich und in der Ehe verbunden die Herausforderung der Krebserkrankung annehmen und den Kampf dagegen aufnehmen wollten. Hierdurch wollten sie sich gegenseitig unterstützen sowie sich Kraft und Halt geben. Die Klägerin glaubte dabei auch, sie könne als Ehefrau im Kontakt mit den Ärzten und bei Entscheidungen bezüglich der Krebserkrankung besser mitwirken und wäre unproblematischer in alles mit einbezogen, als wenn sie unverheiratete Partnerin bliebe. Zugleich ging es darum, die Hochzeit in dem von beiden gewünschten schönen Rahmen – wenn auch nicht in der „hellen Jahreszeit“ und noch vor Bezug des gemeinsamen Heimes – im Wesentlichen so durchzuführen, wie sie es sich vorgestellt hatten, insbesondere bevor der verstorbene Ehemann von der Krebserkrankung oder der Chemotherapie äußerlich deutlich gezeichnet gewesen wäre. Dabei spielte die Frage, ob dem Beamten, der einen Vollbart trug, aufgrund der Chemotherapie die Haare ausfallen würden, eine erhebliche Rolle. Weiter ging es wohl auch darum, die Ehe zu schließen und Hochzeit zu feiern, bevor er eventuell durch die Krankheit oder die Chemotherapie in seiner Kraft und Energie eingeschränkt wäre und eine Hochzeitsfeier nicht mehr in gleicher Weise würde bewältigen können.

Diese Motive sind den für das Gericht glaubhaften Aussagen der Klägerin und der Zeugen sowie der Geburtstagskarte zu entnehmen: Die Klägerin hat hierzu angegeben, dass sie nach dem Schock der Krebsdiagnose mit ihrem Mann zusammen nach Hause gefahren sei, sie sich hingesetzt und an den Händen gehalten hätten. Dann hätte ihr Mann sie gefragt, ob sie ihn denn trotz seiner schweren Erkrankung überhaupt noch wolle, ihn weiterhin heiraten wolle. Sie habe dies bejaht, weil für sie beide klar gewesen sei, dass sie aus Liebe und weil sie sich zusammengehörig fühlten, heiraten wollten. Es sei ihnen wichtig gewesen, sich in dieser Zeit gegenseitig zu stützen, sich gemeinsam zur Seite zu stehen und dies auch im Bund der Ehe zum Ausdruck zu bringen. Sie wollten als Ehemann und Ehefrau diese schwere Zeit durchstehen. Dies wird durch die Aussage der Zeugin ….. bestätigt, die bekundet hat, dass sie aus Gesprächen mit ihrem Sohn – dem verstorbenen Ehemann der Klägerin – wisse, dass er aus emotionalen Gründen die Hochzeit habe vorziehen wollen. Er habe sich dadurch wohler und sicherer gefühlt, wobei dieses Gefühl dahin gegangen sei, dass er meinte, nach einer Heirat von seiner Ehefrau in seiner Krankheit mitgetragen zu werden und Unterstützung zu erfahren. Die Zeugin …….. hat insofern ausgesagt, dass sie den Eindruck gehabt habe, dass es der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann darum gegangen sei, ihre sich immer weiter vertiefende und verfestigende Liebesbeziehung für sich und nach außen dokumentieren und kundtun zu wollen. Weiterhin hat die Klägerin bekundet, sie hätten die Hochzeit terminlich vorgezogen, weil sie und ihr Mann die Hochzeit in dem von ihnen gewünschten schönen Rahmen erleben wollten, bevor ihr Mann durch die anstehende Chemotherapie oder andere Behandlungsformen gezeichnet werden würde. Die übrigen Zeugen haben dies einhellig bestätigt: Die Mutter des Verstorbenen hat ausgesagt, die Heirat habe vor der danach im Dezember 2007 beginnenden Chemotherapie stattfinden sollen, falls er dadurch die Haare verlieren würde. Da er einen Bart gehabt habe, wäre dies eine frappierende Veränderung gewesen. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter hätten den Wunsch gehabt, dass er bei der Hochzeit und z. B. auch auf eventuellen Hochzeitsfotos noch so aussehen sollte, wie man und insbesondere ihre Schwiegertochter ihn kannte. Die Zeugin …. hat sich grundsätzlich ähnlich geäußert: Es sei u.a. darum gegangen, die Hochzeit genau so, wie sie es geplant hatten, zügig durchzuführen, solange er noch nicht durch die Erkrankung selbst oder durch Chemotherapie äußerlich gekennzeichnet würde. Der Zeuge …. hat angegeben, er wisse nichts von den Gründen der Vorverlegung, habe jedoch eine Meinung: …… (der Verstorbene) sei sehr eitel gewesen und habe auf sein Aussehen großen Wert gelegt. Da bekannt sei, dass bei einer Chemotherapie häufig genug auch die Haare ausfallen und man auch sonst sehe, dass man gerade eine Chemotherapie durchlaufe, habe er dies vermeiden wollen. Wenn man heirate, wolle man gut aussehen, und das sei seinem Schwager aufgrund seiner Eitelkeit sicher besonders wichtig gewesen. Der Zeuge ……. hat glaubhaft erläutert, dass der Verstorbene hierzu etwas zu ihm gesagt habe, als er seine Mutter und seinen Stiefvater nach der Hochzeitsfeier im Hochzeitsauto nach Hause gefahren habe: Er sei doch froh, dass sie die Hochzeit jetzt noch zu diesem frühen Zeitpunkt gemacht hätten, denn er wisse ja, dass die Chemotherapie anstehe und es allgemein bekannt sei, wie sich dies auf die Betroffenen auswirke. Der Zeuge erinnerte sich daran, dass es dem Frischvermählten damals besonders um seinen Bart gegangen sei. Er konnte es sich zwar nicht richtig erklären, aber der Bart sei ihm immer irgendwie besonders wichtig gewesen und er habe viel Pflege in diesen gesteckt. Auch ansonsten habe er den Eindruck gehabt, dass der Ehemann der Klägerin Bedenken hatte, ob die Chemotherapie und eventuell auch das Fortschreiten der Krankheit seine körperliche Kraft und Energie negativ beeinflussen könnten, so dass er eine Hochzeitsfeier vielleicht nicht mehr so durchstehen könnte, wie es Anfang Dezember 2007 der Fall gewesen war.

All dem lässt sich entnehmen, dass die Eheleute am 6. Dezember 2007 die Ehe schlossen, um, wie ursprünglich schon beabsichtigt, ihrer inneren Verbindung äußeren Ausdruck zu verleihen. Dabei war es unter dem Eindruck der Krebserkrankung des Ehemannes jetzt besonders wichtig, sich ehelich zu binden, um sich gegenseitig das Gefühl des Zusammenhalts und des Für-einander-Einstehens in dieser schwierigen Zeit zu vermitteln. Das Vorziehen des Heiratstermins diente dabei dazu, die Hochzeit so, wie von den Eheleuten beabsichtigt, in einem schönen äußeren Rahmen und mit den ihnen nahestehenden Personen, die sie auch für die eigentlich für Mai 2008 geplante Heirat vorgesehen hatten, durchzuführen und zu feiern, bevor der Ehemann durch die kurz danach beginnende Chemotherapie und die Erkrankung äußerlich gezeichnet würde und sein Haupthaar oder insbesondere seinen Bart verlieren würde. Zu dieser Absicht passt es, dass die Hochzeit am 6. Dezember 2007 nach den bekannten Umständen so durchgeführt wurde, wie von den Eheleuten für Mai 2008 geplant. Die Hochzeit, die abgesehen vom geringen zeitlichen Vorlauf überhaupt nicht den äußeren Eindruck einer „Nottrauung“ vermittelte, fand im Standesamt in …… statt und wurde neben dem eingeladenen engsten Familien- und Freundeskreis nach den Angaben der Klägerin von weiteren Personen begleitet. Die Klägerin – die Braut – heiratete in weiß. Es wurden Hochzeitsfotos gemacht und es gab ein „Hochzeitsauto“. Der enge Kreis der Eingeladenen begab sich anschließend zu einer Feier in ein Restaurant. Dieser Kreis bestand aus der Zeugin ……, dem Bruder des Verstorbenen (………) mit Ehefrau und Sohn, den fünf Geschwistern der Klägerin mit Partnern, den zwei Kindern der Klägerin aus ihrer ersten Ehe, im Falle ihres Sohnes …….. einschließlich Ehefrau und deren Eltern, sowie den Zeugen………. Diese über 20-köpfige Gruppe war auch für die Hochzeit im Mai 2008 vorgesehen gewesen. Diese Umstände verdeutlichen, dass die Eheleute mit der Hochzeit am 6. Dezember 2007 zwar den Termin vorverlegten und dabei auf den vorherigen Bezug ihres Hauses und die Heirat in der „hellen Jahreszeit“ verzichteten, dabei jedoch so viel von ihrem vor der Feststellung der Krebserkrankung getroffenen Hochzeitsentschluss wie möglich verwirklichten.

Im Vorbringen der Klägerin sowie den Aussagen der Zeugen spielte die Absicht, der Klägerin eine Versorgung für den Fall des Todes ihres Gatten zu verschaffen, keine Rolle. Dabei ist zu betonen, dass es insofern unschädlich wäre, wenn Versorgungsaspekte gleichbedeutend mit anderen Gründen für die Eheschließung von Bedeutung gewesen wären. Ehen werden regelmäßig aufgrund einer Vielzahl von Gründen geschlossen, bei denen die Hinterbliebenenversorgung u.a. auch eine Rolle spielen kann. Dies ist kein Problem. Der Versorgungsaspekt darf jedoch in der von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG erfassten besonderen Situation nicht überwiegen. Hierfür gab es keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat zur Frage der Versorgungsabsicht vorgetragen, sie hätte über ihre Versorgung im Fall seines Ablebens nach Auftreten der Erkrankung mit dem Verstorbenen nie gesprochen. Sie wisse lediglich, dass ihr Ehemann sich bei einem in der Gewerkschaft tätigen Mitarbeiter in seiner Abteilung über seine eigenen Versorgungsbezüge bei Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit erkundigt habe. Dies sei für die Immobilienfinanzierung, die auf die Höhe seiner aktiven Bezüge ausgerichtet gewesen sei, von Bedeutung gewesen. An seinen Tod hätten sie nicht gedacht und nicht darüber geredet. Die Hoffnung sei unheimlich groß gewesen und sie hätten darauf vertraut, dass es weitergehen werde. Die Krankheit und die Hoffnung, sie zu überwinden, hätten im Vordergrund gestanden. Die Krankheit sei so präsent und so übermächtig gewesen, dass sie alles andere ausgeblendet habe. Weil ihr Ehemann zehn Jahre jünger gewesen sei als sie, hätte sie immer gedacht, dass er sie überleben werde. Sein Tod sei für sie undenkbar gewesen. Letztlich sei es so gewesen, dass sie nicht geheiratet hätten, weil ihr Mann krank geworden sei, sondern sie hätten sowieso heiraten wollen und dann sei die Krankheit in ihr Leben geplatzt. Sämtliche Zeugen haben zur Frage, inwiefern Versorgungsaspekte und insbesondere die Frage der Witwenversorgung eine Rolle gespielt hätten, angegeben, darüber sei nie gesprochen worden, bzw. sie wüssten darüber nichts.

Für die Einschätzung des Einzelrichters, dass die Klägerin die Vermutung einer Versorgungsehe ausgeräumt hat, spricht neben dem Vorstehenden und dieses bestätigend in besonderer Weise die Glückwunschkarte des Verstorbenen, die er an die Klägerin zu ihrem 61. Geburtstag am 21. Dezember 2007 gerichtet hat. Anders als die Aussagen der Klägerin und der Zeugen, denen man sämtlich entgegenhalten könnte, dass sie in Kenntnis dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der hier bedeutsamen Fragestellung von der Klägerin mehr oder weniger nahestehenden Personen abgegeben worden sind, ist die Geburtstagskarte frei von solchen Umständen. Sie gibt Auskunft über die Gedanken des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im Dezember 2007 – knapp zwei Wochen nach der Heirat und im Laufe der ersten Chemotherapie. Dabei erscheint es ausgeschlossen, dass diese Karte im Hinblick auf einen späteren Rechtsstreit über die Frage der Versorgungsehe bewusst irreführend erstellt wurde. Auch an deren Echtheit bestehen keine Zweifel. Inhaltlich verdeutlich die Karte zunächst die innige und wahrhaftige Verbindung zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann. Weiter lässt sie erkennen, dass für den Ehemann der Klägerin in emotionaler Hinsicht nicht zuerst die Feststellung seiner Krebserkrankung und dann (kausal) die Eheschließung kam. Bei ihm ist die Reihenfolge „Nachfeier der runden Geburtstage – Schaffung des gemeinsamen Zuhauses – Heirat“. Erst danach heißt es: „Und dann kam meine schwere Erkrankung, (…)“ Zugleich vermittelt die Karte einen Eindruck von den Gefühlen, die der Ehemann der Klägerin in Bezug auf die stattgefundene Hochzeit verspürt: „(…) und schließlich haben wir geheiratet, worüber ich sehr glücklich bin und worauf ich sehr sehr stolz bin.“ Dies lässt die Schilderung der Klägerin über seine Frage, ob sie ihn denn trotz der Krankheit noch heiraten wolle, plausibel und lebensnah erscheinen. Es zeigt auch die Bedeutung, die die Heirat für ihn hatte, und dass tiefe Gefühle hierbei eine bestimmende Rolle gespielt haben. Eine allein oder überwiegend der Versorgung des Partners bei lebensbedrohlicher eigener Erkrankung dienende Eheschließung erzeugt weder ein Gefühl von Glück noch macht es stolz. Eine versorgungsgeprägte Heirat ist eher auf den Ebenen von Vernunft, vorausschauender Planung, Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl über den Tod hinaus angesiedelt. Mit dem Dank des Verstorbenen an die Klägerin dafür, dass sie „in den letzten Wochen aufopferungsvoll für (ihn) da war und (ihn) so unglaublich unterstützt“ habe, wird deutlich, dass das oben dargelegte Heiratsmotiv des in der Krankheit Für-einander-Einstehens in den ersten Wochen der Chemotherapie des Ehemannes der Klägerin wirksam geworden ist. Der abschließende Absatz wiederum verdeutlicht mit der Hoffnung auf „noch viele gemeinsame Jahre“, dass ein Tod in allernächster Zeit nicht erwartet wurde, und dass das gemeinsame Kämpfen für eine gemeinsame Zukunft – auch wenn Wunschdenken dabei mitgespielt haben mag – im Vordergrund stand. Entnimmt man dieser Karte jedenfalls die – von der Klägerin vorgetragenen und von allen Zeugen bestätigten – Informationen, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann einander geliebt haben und dieser über die Heirat am 6. Dezember 2007 sowohl Glück als auch Stolz empfunden hat, so wäre selbst ein daneben bestehender Versorgungszweck der Heirat, für den die zeitliche Abfolge spricht, nicht mehr überwiegend.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da die Klägerin ohne rechtskundigen Rat nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren.

Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

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