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Vertragsklausel für den Fall, dass 2 Jahre kein Gewinn erwirtschaftet wird

LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

Aktenzeichen: 7 Sa 1099/00

Verkündet am: 05.03.2001

Vorinstanz: ArbG Koblenz – Az.: 2 Ca 3608/99 KO


In dem Rechtsstreit hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2001 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.05.2000 – 2 Ca 3608/99 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund von zwei Kündigungen der Beklagten beendet worden ist.

Der Kläger ist ab dem 01.03.1997 als Angestellter bei der Beklagten gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 10.000,00 DM beschäftigt. Im ausdrücklich als „Arbeitsvertrag“ bezeichneten schriftlichen Vertrag haben die Parteien unter dem Datum 07.01.1997 in § 8 Nr. 4 unter anderem vereinbart:

„Ansonsten kann dem Geschäftsführer bis zum Erreichen der Altersgrenze (maximal 65. Lebensjahr) nur gekündigt werden, …

2. wenn über einen Zeitraum von 2 Jahren kein steuerlicher Gewinn erzielt wurde und er auf die Möglichkeit, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, mindestens 3 Monate vor der Kündigung schriftlich hingewiesen wurde.“

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf Blatt 5 bis 10 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 02.11. und 17.11.1999 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1999 erklärt unter Hinweis auf diese Vertragsklausel, weil über einen Zeitraum von zwei Jahren kein steuerlicher Gewinn erzielt worden und auf die Kündigungsmöglichkeit mit Schreiben vom 31.03.1999 hingewiesen worden sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 02.12.1999 erhobenen, am 23.11.1999 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage.

Der Kläger hat vorgetragen, die erklärten Kündigungen seien rechtsunwirksam. Er hält die Bezugnahme auf die oben zitierte Vertragsklausel für unstatthaft. Er habe auf den steuerlichen Gewinn keinen Einfluss.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 02.11.1999, zugegangen am 03.11.1999, und die Kündigung vom 17.11.1999, zugegangen u.a. am 20.11.1999, beendet wurde, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigungen seien unter Bezugnahme auf die im Kündigungsschreiben genannte Vertragsklausel rechtswirksam, da über zwei Jahre hinweg kein steuerlicher Gewinn erzielt worden sei und der Kläger bereits im Schreiben vom 31.03.1999 auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen worden sei. Es stehe ihr im Übrigen frei, ob sie mit einem Mitarbeiter Beschränkungen der gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten vereinbare oder nicht.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 26.05.2000 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 02.11. und 17.11.1999 nicht aufgelöst worden ist.

Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 35 bis 38 der Akte Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.08.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 08.09.2000 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am (Montag, den) 09.10.2000 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, dass der geschäftsführende und persönlich haftende Gesellschafter vor vielen Jahren an einer schweren Herzkrankheit erkrankt sei. Er sei auf Empfehlung seiner behandelnden Ärzte dann nach Bad W………. gezogen und habe seine damalige, von ihm getrennt lebende Ehefrau, der er Prokura erteilt habe, mit der Unternehmensleitung betraut. Diese habe am selben Ort in K…. ein Konkurrenzunternehmen erworben, das sie unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung betrieben habe. Damit habe sie einen Großteil der bisherigen Kunden der Beklagten in ihr eigenes Baustoffwerk umgeleitet. Zudem habe sie für die Beklagte eine neue Produktionsanlage zu weit überhöhtem Preis bestellt und zugleich die Produktionsanlagen ihres eigenen Werkes modernisieren lassen. Einen erheblichen Teil der dadurch entstandenen Kosten, vor allem Lohnkosten, habe sie der Beklagten in Rechnung stellen lassen. Sie habe desweiteren private Schulden und sonstige Steuern in Höhe von ca. 250.000,00 DM aus liquiden Mitteln der Beklagten bezahlt. Der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten habe sie nach Kenntnis dieser Umstände fristlos entlassen, so dass die Stelle wiederum habe besetzt werden müssen.

Die Einstellung des Klägers sei ein Versuch gewesen, durch einen angestellten Mitarbeiter das angeschlagene Unternehmen ohne aktive Mitwirkung des persönlich haftenden Gesellschafters wieder auf den früheren Erfolgskurs zu bringen. Nachdem dies nicht gelungen sei, habe sich der persönlich haftende Gesellschafter dafür entschieden, aus Kostengründen das Unternehmen selbst zu führen, wobei er sich der Mithilfe seiner zweiten Ehefrau bediene, die regelmäßig zwischen Bad Wörrishofen und Kruft pendele, auf Rat Anweisungen erteile und die Mitarbeiter, wenn nicht beaufsichtige, doch jedenfalls kontrolliere.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.05.2000 – 2 Ca 3608/99 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, allein der Umstand, mit einem Arbeitnehmer ein bestimmtes Bruttogehalt zu vereinbaren, das aus wirtschaftlicher Sicht möglicherweise unrentabel sei, rechtfertige für sich genommen keine betriebsbedingte Kündigung. Es handelt sich allenfalls um eine Frage der betriebswirtschaftlichen Kalkulation, zumal dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten vorzuhalten sei, dass das Vorliegen wirtschaftlicher Probleme zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 05.03.2001.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungen vom 02.11. und 17.11.1999 aufgelöst worden ist.

Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Kündigungen der Beklagten vom 02. und 17.11.1999 gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam sind.

Die Rechtswirksamkeit der Kündigung folgt vorliegend nicht aus der im Tatbestand zitierten Klausel des Arbeitsvertrages des § 8 Nr. 4. Soweit dort eine Kündigungsmöglichkeit für den Fall vereinbart wird, dass über einen Zeitraum von zwei Jahren kein steuerlicher Gewinn erzielt wurde, handelt es sich um eine Einschränkung des Kündigungsschutzes gem. § 1 Abs. 1, 2 KSchG. Denn diese Klausel würde den Arbeitgeber von der Darlegung eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG entheben. Eine derartige Beschränkung des Kündigungsschutzes im Arbeitsvertrag und damit vor Ausspruch einer späteren Arbeitgeberkündigung ist unzulässig (vgl. KR-Etzel, 5. Auflage, § 1 KSchG Rd.-Nr. 25; Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht (APS-Dörner) 1 KSchG Rd.-Nr. 5). Dieses Verbot erfasst sowohl einzelvertragliche Vereinbarungen als auch kollektivrechtliche Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Ein Arbeitnehmer kann nicht im Voraus auf den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz verzichten, denn die maßgeblichen Vorschriften sind einseitig zwingendes Recht. Vor Ausspruch einer Kündigung kann der Arbeitnehmer weder auf den Kündigungsschutz verzichten, noch vereinbaren, dass bestimmte Gründe eine Kündigung stets sozial rechtfertigen (BAG AP-Nr. 36 zu § 3 KSchG, AP-Nr. 5, 6 zu § 4 KSchG 1969).

Auch das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes.

Denn eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2, 3 KSchG, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, die aufgrund außerbetrieblicher Umstände oder infolge innerbetrieblicher Maßnahmen zu einem Rückgang des Arbeitsanfalles bis hin zum Wegfall des Bedürfnisses für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer in dem Bereich führen, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist; der betroffene Arbeitnehmer von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der sozial am wenigsten Schutzwürdige ist und auch eine umfassende Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz Arbeitsrecht in der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis (DLWDörner), 2. Auflage, D Rd.-Ziffer 1076 (= Seite 1120).

Dass hinsichtlich der von dem Kläger ausgeführten Tätigkeit ein Rückgang des Arbeitsanfalls gegeben sein könnte, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausginge, dass eine nur beschränkt gerichtlich überprüfbare Unternehmerentscheidung dahin dargestellt werden sollte, dass der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten sich entschlossen hatte, die vom Kläger vertraglich geschuldeten Tätigkeiten selbst unter Mithilfe seiner (2.) Ehefrau durchzuführen, so ist doch gerichtlich nachzuprüfen, ob überhaupt eine Unternehmerentscheidung vorliegt und welchen konkreten Inhalt sie hat (BAG 09.05.1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85; vgl. DLW-Dörner D Rd.-Ziffer 1096 ff., 1099 ff.). Insoweit können Inhalt und Reichweite der Unternehmerentscheidung von entscheidender Bedeutung sein für die Beantwortung der Frage, ob die Entlassung des klagenden Arbeitnehmers von ihr noch umfasst wird oder nicht.

Vorliegend ist der nähere Inhalt der von der Beklagten behaupteten Unternehmerentscheidung für die Kammer nicht nachvollziehbar. Den hier maßgeblichen Anforderungen genügt nicht der lapidare Hinweis, der Kläger sei finanziell nicht tragbar, so dass der persönlich haftende Gesellschafter selbst (wann wurde diese Entscheidung getroffen?) das Unternehmen führe, wobei offen bleibt, wie eine solche Unternehmensführung unter Mithilfe „der 2. Ehefrau“ im Einzelnen aussehen soll. Insoweit fehlt es an Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertem Tatsachenvortrag. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Fähigkeiten und Eigenschaften es der Ehefrau des persönlich haftenden Gesellschafters durch regelmäßiges Pendeln zwischen Bad W………. und K…., durch das Erteilen von Anweisungen vor Ort in Abwesenheit des persönlich haftenden Gesellschafters möglich sein sollte, den Betrieb zuführen.

Allein der Umstand, dass das Betriebsergebnis negativ ausgefallen ist, rechtfertigt keine betriebsbedingte Kündigung.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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