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Vorfahrtsverzicht – Voraussetzungen zur Annahme – Verkehrsunfall

 LG Darmstadt

Az: 3 O 484/05

Urteil vom 05.05.2006


……..
… Die Kl hat keinen Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG gegen die Bekl.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch gegen den Bekl. Zu 1) bereits deshalb nicht besteht, weil dieser nicht Halter des im Tatbestand näher bezeichneten Opel Corsa ist.

Jedenfalls scheitern Schadensersatzansprüche der Kl Gegen die Bekl. Aufgrund der nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung. Danach ist davon auszugehen, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs den Unfall alleine verschuldet hat. Er hat die Vorfahrt des von rechts kommenden Opel Corsa verletzt. Für einen schuldhaften Verstoß des Zeugen L. gegen § ( Abs. 1 u. 2 StVO („rechts vor links„) spricht der Beweis des ersten Anscheins, da sich der Zusammenstoß der Fahrzeuge im Einmündungsbereich ereignete (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 8 StVO, Rn. 69). Die Kl hat entgegen ihrer Beweislast nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass der Zeuge K. wirksam auf seine Vorfahrt verzichtet hat. An das Vorliegen eines solchen Verzichts sind strenge Anforderungen zu stellen. Ein Verzicht auf die Vorfahrt kann nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte den Verzichtswillen in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck bringt (Jagusch/Hentschel, a.a.O., Rn. 37 m.w.N.). Es muss in dieser Hinsicht eine Verständigung zwischen dem Vorfahrtsberechtigten und dem Wartepflichtigen stattgefunden haben. Nach der Beweisaufnahme kann nicht eindeutig auf den Verzichtswillen des Zeugen K. geschlossen werden. Zunächst ist bereits höchst zweifelhaft, ob der Zeuge K. die Lichthupe betätigt hat. Daran konnte sich in der Beweisaufnahme nur noch der Sohn der Kl, der Zeuge G., erinnern. Auch dieser war sich aber weder sicher, wie oft die Lichthupe aufblinkte, noch konnte er sich an die Entfernung des Opel Corsa zum klägerischen Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt erinnern.

Selbst wenn man von einem Lichthupensignal des Zeugen K. ausgeht, darf nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO ein Leuchtzeichen innerhalb geschlossener Ortschaften nur geben, wer sich oder andere gefährdet sieht. Zwar gibt es eine weitverbreitete Übung, einen Vorfahrtsverzicht mit dem Betätigen der Lichthupe anzukündigen. Im Hinblick auf den gesetzlichen Zweck von Leuchtzeichen als Warnzeichen durfte aber der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs allein aus einem solchen Blinken – wenn man es als wahr unterstellt – nicht auf einen Vorfahrtsverzicht schließen. Lichtzeichen eines Kraftfahrzeuges dürfen ohne zusätzliche Umstände nicht als Verzicht auf die Vorfahrt verstanden werden, sondern nur als Warnzeichen (vgl. BGH, NJW 77, 1057; OLG Koblenz, NJW 93, 1721, OLG Hamm, DAR 88, 240; DAR 00, 392). Entscheidend sind insoweit die weiteren Umstände. Auch aus diesen ergab sich vorliegend ein unmissverständlicher Verzicht des Zeugen K. auf sein Vorfahrtsrecht nicht. Unstreitig hat der Zeuge K. weder Handzeichen gegeben noch hat zwischen den beteiligten Fahrern ein Blickkontakt stattgefunden. Inwieweit der Zeuge K. vor dem Einbiegen in die Einmündung die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs herabgesetzt hat, wurde von den Zeugen ebenfalls höchst unterschiedlich dargestellt. Auch daraus lässt sich ein unmissverständlicher Vorfahrtsverzicht also nicht herleiten. Allein die Tatsache, dass neben den parkenden Fahrzeugen ein Nebeneinandervorbeifahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht möglich war, vermag hier ebenfalls einen eindeutigen Vorfahrtsverzicht nicht zu belegen. Aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern sowie den Schilderungen der Zeugen ergab sich, dass jedenfalls die Möglichkeit bestanden hätte, dass das klägerische Fahrzeug vor dem direkt an der Einmündung geparkten Pkw BMW nach rechts einschert und dort wartet, um den vorfahrtberechtigten Opel Corsa nach links abbiegen zu lassen, so wie es der Zeuge K. und auch der persönlich angehörte Bekl zu 1) als übliches Vorgehen an dieser Einmündung geschildert habe. Das Gericht geht nach der Beweisaufnahme auch aufgrund der Tatsache, dass der Zeuge K. unstreitig bei seinem Abbiegevorgang zu einem großen Bogen angesetzt hat, davon aus, dass er damit gerechnet hat, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs so verfährt, wenn er das Fahrzeug überhaupt vorher gesehen hat. Ein Vorfahrtsverzicht des Zeugen ist daher nach alledem nicht bewiesen.

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass der Zeuge K. im Anschluss an den Unfall ein Schuldanerkenntnis abgegeben hat. Die Aussagen der Zeugen unterschieden sich in diesem Punkt erheblich, so dass von einem eindeutigen Schuldanerkenntnis nicht auszugehen war. Der Zeuge K. selbst sagte aus, es sei lediglich besprochen worden, dass er bzw. seine Eltern versichert seien, nicht jedoch, dass die Versicherung den Schaden trage. Der Zeuge L. teilte mit, dass der Zeuge K. zunächst zugegeben habe, dass der Unfall von ihm verschuldet worden sei. Es sei dann vereinbart worden, dass er mit seiner Versicherung sprechen wolle. Bei einem weiteren Treffen am Unfallort nach ca. 2 Stunden habe der Zeuge K. dann erklärt, das parkende Fahrzeug habe ihn abgelenkt und der Unfall sei nicht von ihm verschuldet gewesen. Der Zeuge G. sprach lediglich davon, dass vereinbart worden sei, dass alles „privat geklärt wird“ und der Zeuge K. sich meldet, wenn er mit seiner Versicherung geklärt hat, dass diese den Schaden übernimmt. Der Zeuge M. hatte keine Erinnerung an das Gespräch nach dem Unfall, der Zeuge Ka. Teilte mit, der Zeuge K. habe bereits direkt nach dem Unfall gesagt, er habe das Fahrzeug der Kl nicht gesehen, das parkende Fahrzeug sei schuld gewesen. Aus diesen unterschiedlichen Aussagen kann ein eindeutiges Schuldanerkenntnis des Zeugen K. nicht geschlossen werden.

Es war mangels nachgewiesenen Vorfahrtsverzichts und mangels eindeutigen Schuldanerkenntnisses nach alledem im Wege des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Unfall auf eine Vorfahrtsverletzung des Zeugen L. zurückzuführen ist. Ob der Unfall für den Zeugen K. unabwendbar war, kann hier dahin gestellt bleiben. Bei der nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge tritt die Betriebsgefahr hinter der schuldhaften Vorfahrtsverletzung zurück (vgl. OLG Koblenz, NJW 93, 1721). Die Kl muss ihren Schaden alleine tragen. Die Klage ist demnach abzuweisen.

 

 

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