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Fahrzeugversicherung – Obliegenheitsverletzung – Hinweis auf Vorschäden

Oberlandesgericht Köln

Az: 9 U 142/05

Urteil vom 26.09.2006

Vorinstanz: Landgericht Aachen, Az.: 9 O 339/04


In dem Rechtsstreit hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.2006 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.05.2005 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen, Az.: 9 O 339/04 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

– abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO –

I.

Die Berufung ist zulässig, sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus der Fahrzeugversicherung. Die Beklagte ist wegen Verletzung der dem Kläger obliegenden Aufklärungsobliegenheit gemäß § 7 I Nr. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

1.

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB war der Kläger verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein konnte. Diese Pflicht hat der Kläger objektiv verletzt, denn der von ihm unterschriebene Zusatzfragebogen vom 09.07.2003 enthält objektive Falschangaben zu Frage 12. (Vorschäden seit Erstzulassung) sowie zu den Fragen 20. und 21. (Reparaturauftrag erstellt/ Reparaturkostenrechnung). Dies ist unstreitig. Der Kläger hat einen mit einem Aufwand von mehr als 17.000,00 DM reparierten Unfallschaden nicht angegeben.

Soweit sich der Kläger bezüglich Frage 12. vor dem Hintergrund, dass der Fragebogen von einem Mitarbeiter (oder einer Mitarbeiterin) der Beklagten ausgefüllt wurde, darauf beruft, die Frage sei ihm nicht wörtlich, sondern so vorgelesen worden, dass er sie so verstehen durfte, dass nur nach nicht reparierten Schäden gefragt wurde (die Einschränkung seit der Erstzulassung sei ihm nicht mitgeteilt worden), kann dahinstehen, ob dieser Sachvortrag hinreichend substantiiert ist und gegebenenfalls eine ausreichende Entschuldigung darstellen würde. Denn jedenfalls zu den falsch beantworteten Fragen nach erfolgten Reparaturen ist ein Missverständnis auszuschließen. Dass ihm diese Fragen nicht oder in missverständlicher Form vorgelesen wurden, behauptet der Kläger selbst nicht.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2005, IV ZR 239/03; VersR 2005, 493, mit der Berufung geltend macht, eine etwaige Falschbeantwortung dieser Fragen dürfe für eine Obliegenheitsverletzung nicht herangezogen werden, weil sich die Beklagte hierauf erstinstanzlich nicht berufen habe, ohne eine entsprechende Entschließung und Erklärung des Versicherers komme eine Leistungsfreiheit nicht in Betracht, ist dieser Einwand jedenfalls jetzt überholt. Denn die Beklagte beruft sich in der Berufungserwiderung ausdrücklich auch auf diesen Gesichtspunkt. Dies ist zulässig, wie sich der vorgenannten Entscheidung entnehmen lässt.

Der Annahme einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit lässt sich auch nicht entgegenhalten, es habe kein Aufklärungsbedürfnis der Beklagten bestanden, weil der Beklagten der Vorschaden bereits bekannt gewesen sei. Dass eine anderweitige Kenntnis von den aufklärungspflichtigen Tatsachen, die eine Obliegenheitsverletzung entfallen lässt (BGH VersR 2005, 494; OLG Köln SP 1996, 291; RuS 1995, 206), gegeben war, hat der Kläger darzulegen und zu beweisen.

Diesen Beweis hat der Kläger nicht zu führen vermocht.

Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, es sei bereits bei der Aufnahme des Fragebogens im Schadenbüro der Beklagten die EDV benutzt und ausweislich der dort recherchierten Schadensnummer des angegebenen früheren Diebstahlschadens das dortige Bestandsverzeichnis eingesehen worden, in dem auch der verschwiegene Unfallschaden aufgeführt sei, ist dieser Vortrag neu. Da die Beklagte diesen Sachvortrag bestreitet, unterliegt er der Zurückweisung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO.

Auch die Behauptung des Klägers, der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge G., habe schon im Verlauf der Erstbearbeitung der Sache über das Computersystem von dem Vorschaden erfahren, ist nicht bewiesen. Das Landgericht hat auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, dass eine entsprechende Kenntnis des Vorschadens nicht nachgewiesen ist. Hieran ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Mit der Berufung werden keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die geeignet wären, Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellung zu begründen. Der Zeuge G. hatte was angesichts der Vielzahl der von ihm bearbeiteten Schadensfälle und des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs ohne weiteres glaubhaft ist an den konkreten Schadensfall keine Erinnerung mehr. Soweit der Zeuge Angaben zu seinem allgemeinen Procedere gemacht hat, denen zufolge es seiner Arbeitsweise entspreche, sich über die im Bestandsverzeichnis aufgeführten Vorschäden zu informieren, ist nicht bewiesen, dass dies auch im vorliegenden Fall geschehen ist. Es ist schon nichts dafür ersichtlich, dass der Zeuge den Schaden aufgenommen und als erster bearbeitet hat. Auch der Kläger behauptet dies nicht. Nach den Angaben des Zeugen ist es entgegen der Auffassung des Klägers und abweichend von dem von ihm angeführten, vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall (VersR 2005, 782) – nicht so, dass ein Sachbearbeiter aufgrund der Schadenssoftware bei der Schadensbearbeitung unweigerlich und immer auf Vorschäden aufmerksam wird. Der Zeuge G. hat vielmehr angegeben, es sei insofern eine Recherche erforderlich, auf die er bei Bagatellschäden um die 500,- verzichte. Die Information über Vorschäden erfolgt also nicht automatisch, sondern hängt vielmehr von einer Entschließung des Sachbearbeiters ab. Dass die Beklagte im vorliegenden Fall, obwohl es nicht um einen Bagatellschaden ging, den Angaben des Klägers im Zusatzfragebogen geglaubt und eine Recherche unterlassen hat, wird durch die weitere Schadensbearbeitung belegt. Denn der Auftrag an den Sachverständigen A., die Abgabemitteilung und das erste Gutachten des Sachverständigen A. vom 02.08.2003 berücksichtigen noch keine Vorschäden. Dass auf Seiten der Beklagten die Möglichkeit bestand, sich Kenntnis vom Vorschaden zu verschaffen, steht der Annahme einer Obliegenheitsverletzung nicht entgegen, BGH VersR 1982, 182; 2005, 493.

2.

Der Kläger hat die für Vorsatz sprechende Vermutung des § 6 Abs. 3 VVG nicht widerlegt. Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (BGH RuS 1993, 281). Dass er nicht gewusst habe, zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet zu sein, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

3.

Die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Relevanzrechtsprechung leistungsfrei.

Die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung sind vorliegend zu beachten, weil die Obliegenheitsverletzung folgenlos war. Zwar hatte das Verschweigen des Vorschadens zur Folge, dass die Beklagte ein ergänzendes Sachverständigengutachten zu Ermittlung des unfallbedingten merkantilen Minderwerts einholen musste. Dies hatte jedoch im Ergebnis keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der der Beklagten obliegenden Leistung. Denn die bloße Erschwerung der Feststellung oder hiermit verbundene Mehraufwendungen haben so lange außer Betracht zu bleiben, als sie noch nicht im Endeffekt zu einem Aufklärungsnachteil des Versicherers geführt haben (BGH VersR 2004, 1117; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 6 Rn. 104 m.w.N.).

Der Verstoß war generell geeignet, die Interessen der Beklagte zu gefährden, denn das Vorhandensein von Vorschäden hat Einfluss auf die Ermittlung des Fahrzeugwertes und damit auf die Höhe der Entschädigungsleistung (OLG Hamm RuS 1998, 364).

Es liegt auch ein erhebliches Verschulden des Klägers vor, denn das Verschweigen von Vorschäden ist kein Fehlverhalten, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringt (BGH RuS 1989, 5).

Schließlich ist auch der Belehrungspflicht Genüge getan. Die Belehrungspflicht ist erfüllt, wenn der Versicherer alles Notwendige getan hat, damit der Versicherungsnehmer unschwer Kenntnis von der Belehrung nehmen konnte. Ob der Versicherungsnehmer die Belehrungen auch tatsächlich liest, ist dabei unerheblich (OLG Hamm RuS 1996, 128). Vorliegend enthielt der Zusatzfragebogen vom 09.07.2003 eine Belehrung über die Folgen von Obliegenheitsverletzungen, die auch inhaltlich den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen genügt (BGH VersR 1998, 447). Der Kläger war hiermit ausreichend belehrt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Zusatzfragebogen von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Beklagten ausgefüllt wurde und der Kläger diesen – ohne nochmalige mündliche Belehrung – unterschrieben hat. Denn die Belehrung befand sich unmittelbar über der Unterschriftszeile und war zudem (als einziger Textteil der Formularseite) drucktechnisch so hervorgehoben und auffällig, dass sie bei der Unterschriftsleistung auch wenn sie nicht zuvor vorgelesen wurde nicht übersehen werden konnte (gegen ein Belehrungserfordernis in vergleichbaren Fällen auch: OLG Hamm VersR 2003, 1169; OLG Oldenburg OLGR 1997, 214; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rn. 64; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 34 Rn. 22). Soweit sich der Kläger zur Begründung eines zusätzlichen Belehrungserfordernisses auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 16.03.1998 (6 U 161/97; VersR 1999, 89) beruft, ist dieser Fall mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall befand sich die Belehrung lediglich auf der Vorderseite des Formulars, das der Versicherungsnehmer auf der Rückseite unterschrieben hatte. Auch die vom Kläger herangezogene Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 1. April 1999; 12 U 284/98 (VersR 2000, 176) lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Denn in jenem Fall befand sich zwar die Belehrung über der Unterschriftenzeile, sie war aber in sehr kleiner Schrift gehalten und fiel trotz Hervorhebung in Fettdruck deshalb nicht sofort ins Auge, weil andere Teile des darüber stehenden Textes in deutlich größerer Schrift gefasst und teilweise zusätzlich durch Fettdruck hervorgehoben waren.

Da die Beklagte bereits aufgrund der Obliegenheitsverletzung wegen der Falschbeantwortung der Frage nach Vorschäden leistungsfrei geworden ist, kommt es auf die Ungereimtheiten hinsichtlich der Schlüsselverhältnisse nicht mehr an.

3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Sache hat über den konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus keine Bedeutung.

Streitwert: 8.000,- Euro

 

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