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Waffenrecht: Widerruf von Waffenbesitzkarten wegen Unzuverlässigkeit (Beihilfe zur Steuerhinterziehung)

VG BERLIN

Az.: 1 K 257.10

Urteil vom 04.05.2011


Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf von drei Waffenbesitzkarten nebst Munitionserwerbsberechtigung.

Das Amtsgericht Tiergarten verhängte gegen den Kläger mit Strafbefehl vom 27. Oktober 2008 – (333 Cs) 1 ST Js 543/08 (345/08) – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen im Zeitraum November 2003 bis Juni 2004 eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50,- Euro. Den hiergegen eingelegten Einspruch beschränkte der Kläger auf den Rechtsfolgenausspruch. Durch Urteil vom 19. März 2009, welches an demselben Tage rechtskräftig wurde, verhängte das Amtsgericht Tiergarten schließlich eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,- Euro.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2010, der dem Bevollmächtigten des Klägers am 29. Juni 2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, widerrief der Polizeipräsident in Berlin die Waffenbesitzkarten mit Munitionserwerbsberechtigung Nr. 673/92, Nr. 673/92-1 und Nr. 852/03-3. Er forderte den Kläger auf, neun verschiedene, im Einzelnen näher bezeichnete Waffen sowie die Munition innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen bzw. machen zu lassen. Letztgenannte Maßnahme erklärte er für sofort vollziehbar. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes – WaffG – sei eine Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung führen müssten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG seien Waffenbesitzkarten zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besäßen Personen in der Regel nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden seien und bei denen seit der Rechtskraft der Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen seien. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Besondere Umstände, die die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit entkräften könnten, lägen nicht vor. An der sofortigen Vollziehung bestehe ein öffentliches Interesse, weil die der Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten zugrunde liegenden Straftaten gravierende Missachtungen gesetzlicher Vorschriften darstellten und dies die Besorgnis rechtfertige, der Kläger setze sich (weiterhin) über gesetzliche Vorschriften, die in besonderer Weise den Schutz der öffentlichen Sicherheit gewährleisten sollen, hinweg.

Den hiergegen am 29. Juli 2010 durch den Bevollmächtigten des Klägers eingelegten Widerspruch wies der Polizeipräsident in Berlin mit an den Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis adressierten Widerspruchsbescheid vom 23. August 2010 zurück; das entsprechende Empfangsbekenntnis befindet sich nicht im dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgang des Beklagten.

Hiergegen hat der Kläger am 27. September 2010 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass bei ihm eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreife, denn die abgeurteilten Taten erschienen in einem deutlich milderen Lichte. Der Kläger sei in steuerlichen Dingen unerfahren und unbedarft. Er sei bei Begehung der abgeurteilten Taten selbst Opfer eines Trickbetrügers und daher undoloses Werkzeug gewesen. Allein im Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der Erklärungen des Haupttäters dahingehend, die von diesem dem Kläger zur Unterzeichnung vorgelegten Rechnungen über tatsächlich vom Kläger nicht erbrachte Leistungen würden für die weitere Abwicklung von Schulungen usw. im Vorfeld, d.h. vor Erbringung der Leistungen, benötigt, habe er die zwölf Scheinrechnungen ausgestellt. Bei der Tatbegehung sei er deshalb ahnungslos gewesen und habe keine kriminelle Energie entfaltet. Auch habe er aus den Taten keine wirtschaftlichen Vorteile erlangt. Die rechtskräftig ausgeurteilte Gesamtgeldstrafe belaufe sich nur deshalb auf 90 Tagessätze, weil es im Rahmen eines einheitlichen Lebenssachverhalts zufällig zur Ausstellung von zwölf Scheinrechnungen durch den Kläger gekommen sei; wären es weniger Rechnungen gewesen, wäre die Tagessatzhöhe des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht erreicht worden. Zudem sei die dem Strafurteil zugrundeliegende Verfehlung bereits gesühnt. Auch lägen die Taten lange zurück. Seither sei der Kläger nicht erneut straffällig geworden. Mit seinem Beruf als Zahnarzt, dessen Ausübung er im Jahre 2008 aufgrund eines Rückenleidens aufgegeben habe, dokumentiere er eine positive Einstellung zum Leben. Entsprechendes gelte für seine Ehefrau als Hebamme. Seit Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis im Jahre 1990 habe der Kläger gegen Jagd- und Schonzeiten oder sonstige waidmännische Pflichten nicht verstoßen. Der Kläger habe unverzüglich nach Erhalt des streitgegenständlichen Widerrufs die Waffen einem Berechtigten überlassen und die Waffenbesitzkarten der zuständigen Behörde übergeben.

Der Kläger beantragt wörtlich,

unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin – Landeskriminalamt – vom 21.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidenten in Berlin, Stab des Präsidenten – Widerspruchsstelle – vom 23.08.2010 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die waffenrechtliche Erlaubnis (Waffenbesitzkarten mit Munitionsberechtigung Nr. 673/92, 673/92-1 und 852/03-3) wieder zu erteilen und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und vertritt die Ansicht, dass eine Ausnahme von der Regelvermutung nicht vorliege. Besondere Gegebenheiten, die die Verfehlung des Klägers in einem solch milden Licht erscheinen lassen würden, dass die Annahme seiner Unzuverlässigkeit ungerechtfertigt erscheine, bestünden nicht. Die Behörde könne grundsätzlich von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ausgehen. Mit dem Ausstellen von Scheinrechnungen in zwölf Fällen habe der Kläger wiederholt rechtswidrig gehandelt. Es müsse angenommen werden, dass im Zuge der Reduzierung des ursprünglichen Strafmaßes von 150 auf 90 Tagessätze sämtliche den Kläger entlastenden Tatsachen berücksichtigt worden seien. Werde gleichwohl eine Geldstrafe in dieser Höhe verhängt, bestehe kein Anlass, die Tat(en) in einem derart milden Licht zu sehen, dass ausnahmsweise das Vorliegen der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit zu verneinen wäre.

Mit Beschluss vom 28. März 2011 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Verhandlung und Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – unzulässig. Dem Kläger fehlt das hierfür erforderliche Rechtsschutzinteresse. Für die Zulässigkeit eines Verpflichtungsbegehrens ist ein entsprechender vorheriger Antrag bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes unabdingbare Voraussetzung (§ 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO). Es ist weder ersichtlich noch vom Kläger dargetan, dass er vor dem Ersuchen um gerichtlichen Rechtsschutz bei dem Beklagten die Wiedererteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis beantragt hat. Dem Verpflichtungsbegehren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis im Übrigen auch, weil der Kläger sein Begehren, die waffenrechtliche Erlaubnis wiederzuerlangen, im Wege der Anfechtungsklage verfolgen kann, denn mit der (bloßen) Aufhebung des den Kläger belastenden Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis lebte die Erlaubnis wieder auf.

Die als Minus in dem Verpflichtungsbegehren enthaltene Anfechtungsklage ist zulässig, § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO. Der Kläger hat ordnungsgemäß, insbesondere fristgerecht, erfolglos das Vorverfahren durchgeführt (§§ 68 ff. VwGO). Die Klage wurde fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch in Ermangelung des Empfangsbekenntnisses gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers der Widerspruchsbescheid nach § 5 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung – VwVfG Bln – i.V.m. §§ 5 Abs. 1 und Abs. 4, 7 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes – VwZG – zugestellt wurde, ist von der fristgerechten Klageerhebung auszugehen. Zwar fehlt der Nachweis der formgerechten Zustellung des Widerspruchsbescheides mit der Konsequenz, dass der Zeitpunkt, in dem er dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, nicht bestimmt werden kann (§ 5 VwVfG Bln i.V.m. § 8 VwZG). Aufgrund der Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid in der Klageschrift steht ersichtlich fest, dass der Widerspruchsbescheid dem Bevollmächtigten des Klägers vor der Klageerhebung tatsächlich zugegangen war. Jedoch kann nicht angenommen werden, dass dies bereits zu einem Zeitpunkt geschehen war, ab dem gerechnet die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 27. September 2010 bereits abgelaufen wäre. Es ist mangels Nachweises des Gegenteils zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Widerspruchsbescheid seinem Bevollmächtigten tatsächlich erst zu einem Zeitpunkt zuging, ab dem gerechnet die Klagefrist am 27. September 2010 noch nicht abgelaufen war.

In der Sache hat die Anfechtungsklage jedoch keinen Erfolg. Sie war als unbegründet abzuweisen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Waffenbesitzkarten liegen vor. Gemäß § 45 Abs. 2 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung der Waffenbesitzkarte ist unter anderem die Zuverlässigkeit des Antragstellers (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen unter anderem in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft fünf Jahre noch nicht verstrichen sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG). Der Kläger erfüllt diese Regelvermutung.

Der Einwand des Klägers, er habe in den zwölf Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wegen deren Verwirklichung er von dem Amtsgericht Tiergarten zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde, nicht mit Vorsatz und ohne kriminelle Energie gehandelt, greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (BVerwG, GewArch 1992, 314; BayVGH, Beschluss vom 9. November 2005 – 19 Cs 05.2394 – zitiert nach juris) haben die Waffenbehörde bzw. das Gericht bei der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit eines strafrechtlich verurteilten Erlaubnisinhabers die Würdigung des Strafgerichts grundsätzlich nicht erneut zu überprüfen. Da das Gesetz allein auf die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung abstellt, darf die Behörde oder das Verwaltungsgericht nur in Ausnahmefällen – etwa wenn für sie ohne Weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären – weitere Ermittlungen anstellen bzw. sich von der Tatsache der Verurteilung lösen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Vielmehr hat der Kläger mit der Beschränkung seines Einspruchs gegen den Strafbefehl auf den Rechtsfolgenausspruch – dies kommt einem Geständnis gleich – den Schuldspruch und damit seine Verurteilung dem Grunde nach selbst akzeptiert. Selbiges folgt aus dem Umstand, dass das Urteil des Amtsgerichts Tiergartens vom 19. März 2010 noch an demselben Tage rechtskräftig wurde, der Kläger mithin den Verzicht auf die Einlegung des Rechtsmittels erklärt haben muss. Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung setzt gemäß § 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuches – StGB – voraus, dass der Gehilfe zum einen Vorsatz bezüglich der Haupttat und zum anderen bezüglich seines Hilfe-Leistens hatte.

Umstände, die eine Ausnahme von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit begründen könnten, liegen im Ergebnis nicht vor.

Die strafgerichtliche Verurteilung als solche ist, auch wenn sie wegen eines Steuerdelikts erfolgte, ein Indiz für bestehende charakterliche Unzulänglichkeiten und damit für die Unzuverlässigkeit in waffenrechtlicher Hinsicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1992 – Az.: 1 B 64.92 –, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 64). Dass ein spezifischer Zusammenhang des Unrechts der Tat(en) zum Besitz von Waffen nicht gefordert ist, ergibt sich auch aus der Entscheidung des Gesetzgebers, nach der derjenige, der jenseits von Bagatellsachen, die mit der Verurteilung zu einer geringeren Geldstrafe als 60 Tagessätze definiert sind, wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen Strafvorschriften gleich welcher Deliktart verurteilt worden ist, regelmäßig solche Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit weckt, dass die Wertung gerechtfertigt ist, sein Waffenbesitz stelle ein Risiko dar, das nicht hingenommen werden soll. Ein Ausnahmefall kommt nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in jenem strafrechtlich relevanten Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. OVG Nordrhein- Westphalen, Beschluss vom 25. Oktober 2007 – 20 A 1881/07 – , zitiert nach juris; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 19. September 1991 und vom 28. Oktober 1983 sowie Urteil vom 24. April 1990, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 60, 36 und 57). Derartige Umstände liegen hier nicht vor.

Die Verurteilung des Klägers übersteigt die Schwelle des maßgeblichen Strafmaßes von 60 Tagessätzen um die Hälfte. Ihr liegt die Verwirklichung der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen, mithin eine wiederholte Tatbegehung, zugrunde. Diese Tatumstände deuten auf keinen Ausnahmefall. Sie rechtfertigen insbesondere nicht den Schluss auf ein Bagatelldelikt, dem keine Aussagekraft für die charakterliche Fähigkeit und Bereitschaft des Klägers beizumessen wäre, sich grundsätzlich und allgemein, mithin auch mit Waffen, verantwortungsbewusst sowie mit Rücksicht auf die Rechte und Belange Dritter zu verhalten. Vielmehr handelt es sich um einen typischen Fall vorsätzlicher Verstöße gegen strafbewehrte Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt es ein gewichtigeres Unrecht dar, dass es durch ihn zur Ausstellung von zwölf und nicht weniger Scheinrechnungen kam, auch wenn ihm persönlich daraus kein finanzieller Vorteil erwuchs. Denn erst dadurch wurde dem Haupttäter die Möglichkeit eröffnet, Steuern in dem vom Amtsgericht Tiergarten festgestellten Umfang zu hinterziehen. Auch wenn es aus Sicht des Klägers Zufall gewesen sein mag, dass er genau zwölf und nicht weniger Scheinrechnungen ausstellte, so wohnt dem ein konkreter Unrechtsgehalt inne, den das Amtsgericht Tiergarten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen hatte. Dass die Anzahl der Tagessätze mit vorliegend 90 maßgeblich auch auf der Anzahl der Fälle und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Bildung einer Gesamtgeldstrafe beruht, trifft freilich zu, führt jedoch nicht dazu, dass die Regelvermutung wiederlegt wäre, denn auch die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen wegen der Verwirklichung von in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannten Straftaten begründet die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 11 TG 2490/04 – ).

Auch liegen die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten nicht derart lange zurück, dass allein aufgrund der seither vergangenen Zeit die Regelvermutung wiederlegt wäre. Zwar scheint nicht von vornherein ausgeschlossen, die gesetzliche Vermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit als widerlegt anzusehen, wenn zwar die Fünfjahresfrist seit Rechtskraft der strafrechtlichen Verurteilung – wie hier – noch nicht verstrichen ist, der Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Begehung der Straftat(en) aber sehr lange zurückliegt und der Betroffene sich seither straffrei geführt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1990 – 1 C 56/89 – zitiert nach juris Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ließe sich die Regelvermutung dann nicht ohne weiteres anwenden, wenn die Tat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt mindestens doppelt so lange zurückliegt wie die Dauer der Zeitspanne ist, auf die das Waffengesetz im Hinblick auf den seit Rechtskraft der Verurteilung vergangenen Zeitraum abstellt (vgl. ebenda). Nach diesem Maßstab ließe sich die Regelvermutung vorliegend nicht ohne Weiteres anwenden, wenn die Taten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. gerichtlichen Entscheidung als maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei Anfechtungsbegehren Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 113 Rn. 29 ff.) bereits zehn oder mehr Jahre zurückliegen würden. Diese Frist ist in Ansehung des Tatzeitraums von November 2003 bis Juni 2004 ersichtlich nicht verstrichen.

Auch das Wohlverhalten des Klägers vor und im Anschluss an die Taten, seine familiären Verhältnisse, seine gesellschaftliche Reputation als ehemaliger Zahnarzt und der Umstand, dass er unverzüglich nach Erhalt des streitgegenständlichen Bescheides die Waffen einem Berechtigten überließ und die Waffenbesitzkarten der zuständigen Behörde übergab, stellen keine Besonderheiten für einen Ersttäter, insbesondere im Bereich der Steuerdelikte, dar, welche die gesetzgeberische Gemeineinschätzung bei der Verwirklichung vorsätzlicher Straftaten, die mit einer nicht unerheblichen Geldstrafe belegt worden sind, entkräften könnten. Zudem setzt die Annahme der Unzuverlässigkeit als Regelfall gerade nicht voraus, dass außer dem Vermutungstatbestand weitere Umstände hinzutreten; deren Fehlen, etwa weil der Betroffene sich – wie der Kläger – ansonsten ordnungsgemäß verhalten hat und weiterhin verhält, ist mithin unerheblich (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; BVerwG Urteil vom 4. September 1995 – 1 C 20.94 – , Jagdrechtliche Entscheidungen XVII Nr. 121, und Beschluss vom 22. April 1992 – 1 B 61.92 –, GewArch. 1992, 314).

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Das Gericht verkennt nicht, dass sich der Kläger aufgrund eines Rückenleidens, welches ihn zur Berufsaufgabe veranlasste, in einer schwierigen Lebenslage befinden mag, in der sich der Verlust der waffenrechtlichen Erlaubnis bemerkbar macht. Es sieht sich aber an eine klare und eindeutige Rechtslage gebunden, die Ausdruck einer vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten strengen Kontrolle und Begrenzung der Erlaubnis zum Besitz und Gebrauch von Waffen ist.

Die Anordnung des Unbrauchbar-Machens bzw. Unbrauchbar-Machen-Lassens der Waffen und der Munition des Klägers oder ihrer Überlassung an einen Berechtigten in angemessener Frist stützt sich auf § 46 Abs. 2 WaffG. Die Pflicht zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten an die zuständige Behörde ergibt sich aus § 46 Abs. 1 WaffG.

Die Berufung war nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keine der dafür im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegt (§ 124 a VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 VwGO).

Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Über den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, bedurfte es angesichts der zu Lasten des Klägers ergangenen Kostengrundentscheidung, keiner Entscheidung. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39, 52 ff des Gerichtskostengesetzes unter Berücksichtigung der Streitwertkatalogs des Bundesverwaltungsgerichts auf 12.500,- Euro festgesetzt. Dabei wurden 5.000,- Euro für die Waffenbesitzkarte und 1.500,- Euro für die Munitionserwerbsberechtigung in Ansatz gebracht. Eine Waffe zählt notwendig zur Waffenbesitzkarte. Für jede weitere der insgesamt neun Waffen wurden jeweils 750,- Euro, insgesamt mithin 6.000,- Euro, in Ansatz gebracht.

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