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Waschstraße: Haftung des Betreibers für Schäden

OBERLANDESGERICHT HAMM

Az.: 12 U 170/01

Verkündet am 12.04.2002

Vorinstanz: LG Bochum – Az.: 6 O 362/99


In dem Rechtsstreithat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2002 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. August 2001 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß‘ § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Ein aus mehreren Anspruchsgrundlagen denkbarer Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert jeweils daran, daß eine für alle Ansprüche erforderliche Pflichtverletzung des Beklagten nicht feststellbar ist.

1. Eine Pflichtverletzung des Beklagten kann zunächst nicht aus einer Fehlfunktion der Waschanlage hergeleitet werden. Es ist nämlich nicht feststellbar, daß das Schadensereignis vom 14.07.1997 auf eine Fehlfunktion der Waschanlage zurückzuführen ist.

a) Grundsätzlich trägt der Gläubiger, hier der geschädigte Kläger, die Beweislast dafür, daß der Schuldner objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat und diese Pflichtverletzung den Schaden verursachte (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage 2002, § 282 Rd. 11 m.w.N.). Eine unmittelbare Fehlfunktion der Waschstraße ist seitens des Klägers nicht dargestellt oder sonst erkennbar.

b) In Abweichung von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten hat die Rechtsprechung anerkannt, daß ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung des Handelnden, hier des Beklagten als Waschstraßenbetreiber, geschlossen werden kann, wenn der Gläubiger dartut und beweist, daß die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann (BGH NJW RR 1993, 795; OLG Koblenz NJW RR 1995, 1135; Hanseatische OLG, DAR 1984, 260; Landgericht Bayreuth, NJW 1982. 1766).

Eine Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich des Beklagten ist indes nicht feststellbar. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich nämlich dadurch von den typischen Waschstraßenfällen, daß das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers nicht durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (z.B. eine Rotationsbürste), sondern durch ein weiteres Fahrzeugwährend des Waschvorgangs beschädigt wurde. Eine Schadensursächlichkeit im Verantwortungsbereich des beklagten Waschstraßenbetreibers wäre daher nur dadurch herleitbar, daß alle anderen – außerhalb dieses Verantwortungsbereichs – in Betracht kommenden Schadensursachen durch den Kläger positiv ausgeschlossen würden. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nämlich bei einer Unaufklärbarkeit der Schadensursache nicht von einer Haftung des Beklagten auszugehen. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem von ihm zitierten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.01.1975 (BGH NJW 1975, 685). In der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Konstellation stand nämlich einerseits fest, daß der Schaden durch die Waschstraße selber verursacht worden war und, sofern eine fehlerhafte Handhabung durch den Geschädigten vorlag, die Betreiberin auf dieses Risiko schuldhaft nicht hingewiesen hatte.

Ein Ausschluß jedweder anderer, außerhalb des Verantwortungsbereichs des Beklagten liegender, Schadensursächlichkeit ist nicht möglich. Der Sachverständige . hat auf Seite 20 in seinem Gutachten vom 4.09.1998 nachvollziehbar nachvollziehbar dargestellt, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Vorderachse des Multivans schräg gegen die seitliche Führungsschiene der Schleppkette lief und es dadurch bedingt zu einer Schrägstellung der Lenkung kam, was wiederum ein Durchrollen der Schlepprolle verursacht haben könnte.

Diese Möglichkeit ist weder auf Grund der Interventionswirkung der Streitverkündung gegenüber dem Beklagten im Vorprozeß (Aktenzeichen 2 C 723/97 Amtsgericht Witten), noch im Wege der ergänzenden Beweisaufnahme auszuschließen.

aa) Die Interventionswirkung des Urteils des AG Witten vom 12.08.1999 vermag diese mögliche Ursache des Schadensereignisses nicht auszuschließen. Zwar hätte das Amtsgericht, sofern es von einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 StVG ausging, im Rahmen des von ihm offensichtlich geprüften § 7 Abs. 2 StVG positiv feststellen müssen, daß eine solche Schrägstellung nicht Ursache des Schadensereignisses bzw. etwaige technische Mängel am Fahrzeug des seinerzeit verklagten Fahrers des Multivans nicht Ursache der Schrägstellung waren. Allein der Umstand, daß das Amtsgericht von einer Unabwendbarkeit des Schadensereignisses im Sinne des § 7Abs. 2 StVG ausging, ersetzt jedoch nicht die notwendigen Feststellungen. Die Interventionswirkung der hier zulässigen Streitverkündung umfaßt gemäß §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO nämlich immer nur die tragenden Feststellungen des Ersturteils. Keine Bindungswirkungen entfalten dagegen sogenannte überschießende Feststellungen. Das sind Feststellungen, die im Erstprozeß nicht erheblich sind und von datier bei korrektem Verfahren im ersten Prozeß gar nicht zu klären waren (Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 22. Auflage, § 68 Rd. 10).

Soweit das Amtsgericht im Urteil vom 12.08.1999 Ausführungen zu einer etwaigen Unabwendbarkeit für den beklagten Fahrer des Multivans im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG gemacht hat, handelt es sich um überschießende Feststellungen, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG und damit einer etwaigen Gefährdungshaftung bereits nicht vorlagen. Das Schadensereignis hat sich nämlich nicht „beim Betrieb des Kraftfahrzeugs“ ereignet, da das Fahrzeug ohne Motorkraft allein durch die Schlepprolle bewegt wurde. Dieser Vorgang lag außerhalb der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs (vgl. KG VersR 1977, 626, 627; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 7 StVG Rd. 9), da das Fahrzeug lediglich als sich nicht von selbst bewegender Gegenstand durch die Waschstraße befördert wurde.

Die Richtigkeit der Beschränkung der Interventionswirkung zeigt sich in einer Kontrollüberlegung. Mangels Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 StVG hätte der Beklagte nämlich auch nicht als Streithelfer des Klägers im Vorprozeß ein Urteil zu dessen Gunsten erstreiten können, so daß die überschießenden Feststellungen zu § 7 Abs. 2 StVG nicht zu Lasten des Beklagten als feststehend gewertet werden können.

Soweit das Amtsgericht in dem zitierten Urteil Ausführungen zu einem etwaigen Fehlverhalten des beklagten Fahrers des Multivans macht, hat es keinerlei Feststellungen zu der oben aufgezeigten Möglichkeit eines schrägen Anlaufens der Vorderachse des Multivans gegen die seitliche Führungsschiene der Schleppkette, eine dadurch bedingte Schrägstellung der Lenkung und ein daraus resultierendes Durchrutschen der Führungsrolle getroffen.

Letztlich ist aber auch die Streitverkündung im amtsgerichtlichen Verfahren vom Ansatz her nicht geeignet, aufgrund der Interventionswirkung positiv festzustellen, daß die Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich des Waschstraßenbetreibers lag. Die hierfür erforderliche Feststellung eines Ausschlusses sämtlicher anderer – außerhalb dieses Verantwortungsbereichs – in Betracht kommender Schadensursachen konnte nämlich keine tragende Feststellung im amtsgerichtlichen Verfahren sein. Die dort ausgesprochene Klageabweisung basiert notwendigerweise allein darauf, daß ein Fehlverhalten des Fahrers des Multivans nicht feststellbar ist. Die Auswirkung einer solchen an sich negativen aber nicht verneinenden Tatsachenfeststellung im Ausgangsprozeß hängt im wesentlichen von der im Vorprozeß bestehenden Beweislastverteilung ab. Dies bedingt keine, vom Kläger hier erstrebte, beweismäßige Benachteiligung des Streitverkündeten im Folgeprozeß. Vielmehr erstreckt sich die Interventionswirkung zu Lasten des Streitverkündeten nur darauf, daß die betreffende Tatfrage nicht zu klären ist (BGH Z 85, 252, 257). Nur dies muß sich der Streitverkündete im Folgeprozeß entgegenhalten lassen. Ob ihm dies zum Nachteil gereicht, hängt von der Beweislastverteilung im Folgeprozeß ab. Diese trifft auch im hiesigen Folgeprozeß, wie eingangs dargestellt, aber unverändert den Kläger.

bb) Es stehen auch keinerlei weitere Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, kraft derer die vorstehend aufgezeigte Möglichkeit eines schrägen Anlaufens der Vorderräder gegen die seitliche Führungsschiene als Ursache des Schadensereignisses ausgeschlossen werden könnte. Der Sachverständige hat in dem obenzitierten Gutachten im amtsgerichtlichen Verfahren detailliert dargestellt, daß diese Möglichkeit aus sachverständiger Sicht nicht ausgeschlossen werden könne. Weitere Erkenntnisquellen zum Ausschluß dieser Möglichkeit sind nicht dargestellt oder erkennbar.

2. Eine Pflichtverletzung des Beklagten kann auch nicht aus einer Verkehrssicherungspflichtverletzung hergeleitet werden. Zwar trifft den Beklagten als Waschstraßenbetreiber die Obhutspflicht, die Fahrzeuge seiner Kunden vor Schäden zu bewahren. Es ist jedoch nicht erkennbar, daß der Beklagte diese Pflicht verletzt hätte.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen entsprachdie Waschanlage dem Stand der Technik. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Oberlandesgerichts München (OLGZ 1982. 382), daß der Betreiber einer Autowaschanlage seiner Verkehrssicherungspflicht genügt, wenn die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die bis dato praktizierte Technik zur Vermeidung von Schäden an Kundenfahrzeugen nicht ausreicht. Derartige Umstände, die vom Kläger darzulegen und zu beweisen wären, sind bis zum Schadensfall jedoch nicht erkennbar gewesen, da die Waschstraße zuvor seit 26 Jahren betrieben wurde, ohne daß ein derartiger Schadensfall aufgetreten war.

Aus Sicht des Senats sind die eher theoretischen Vorschläge des Sachverständigen zur Schadensvermeidung nicht praktikabel bzw. unverhältnismäßig. Eine etwaige Überwachung mittels Sensoren scheitert bereits daran, daß derartige Sensoren von den Waschstraßenherstellern nicht angeboten werden. Auch eine Überwachung mittels Videokamera erscheint, unabhängig von dem hiermit verbundenen Kostenfaktor für Personal und Material, unpraktikabel. Auf der gesamten Strecke der Waschstraße müßte eine Vielzahl von Kameras angebracht werden, die gleichzeitig überwacht werden müßten. Diese technisch aufwendige und personalintensive Lösung, die noch dazu angesichts der regelmäßig eingeschränkten Aufmerksamkeit einer Überwachungsperson nur geringe Aussicht auf Erfolg besitzt, erscheint angesichts eines Schadensfalls in 26 Jahren und einer insofern offensichtlich nicht drängenden Problemstellung für die Waschstraßenhersteller unverhältnismäßig. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit Kollisionsgeschwindigkeiten von ca. 0,5 km/h allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Matenaleinsatz nicht rechtfertigt. Selbst ein eher hoher Schaden der vorliegenden Art entspricht bei grob überschlägiger Schätzung dem Personalaufwand für einen Monat der Überwachung, was angesichts eines Schadensfalls in 26 Jahren nicht zu rechtfertigen ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 2, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht vorliegen. Die Fragen der Darlegungslast zur Schadensursächlichkeit im Verantwortungsbereich des Schuldners sowie zum Umfang der Interventionswirkung entsprechen der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Frage des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls und nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da das Auftreten dieser Frage nicht in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (Zöller/Gummer, Zivilprozeßordnung, 23. Auflage 2002, § 543 Rd. 11). Alle veröffentlichten Entscheidungen zur Haftung des Waschstraßenbetreibers betrafen Konstellationen, in denen das Fahrzeug in der Waschstraße durch den Waschvorgang selbst beschädigt wurde, so daß sich die Frage einer Videoüberwachung nicht stellte.

 

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