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Widerrufsrecht bei Kosmetikartikel bei eBay-Auktion

Oberlandesgericht Köln

Az: 6 W 43/10

Beschluss vom 27.04.2010


Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Aachen – 42 O 18/10 – vom 17.03.2010 abgeändert, soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist, und im Wege der einstweiligen Verfügung über die zu Nr. I des Beschlusses getroffene Anordnung hinaus angeordnet:

1. Der Antragsgegner hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen bei der Tätigkeit im Fernabsatz Verbrauchern über den Online-Marktplatz eBay unter der Domain „ebay.de“ als Unternehmerin Kosmetikartikel anzubieten, wenn im Rahmen der Information zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht für Verbraucher folgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmung mitgeteilt wird:

„Kosmetik kann nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden.“

wie geschehen in dem nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Angebot vom 18.02.2010 zu Artikelnummer 230436081908:

(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

G r ü n d e :

Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Teilzurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache Erfolg. Als Mitbewerberin der Antragsgegnerin kann sie – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist –gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 2, 4 Nr. 11 UWG, § 312c Abs. 1 S. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV die Unterlassung einer falschen oder unzureichenden Belehrung der Verbraucher über ihr Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312d, 355 BGB beanspruchen (vgl. Senat, GRUR-RR 2008, 88; Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Nr. 11.170 m.w.N.). Die beanstandete Aussage, dass Kosmetik nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden könne, genügt den von Unternehmen zu beachtenden Anforderungen an eine fehlerfreie Belehrung nicht und ist geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Die von der Antragsgegnerin in § 3 Satz 2 der „Widerrufs- oder Rückgabebelehrung“ verwendete Bestimmung knüpft an den vorigen Satz an, der den Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB wiederholt, wonach das Widerrufsrecht unter anderem bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können“. Der Versuch einer Konkretisierung des auf Art. 6 Abs. 3 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG beruhenden Ausnahmetatbestandes, dessen wenig präzise Fassung (Erman / Saenger, BGB, 12. Aufl., § 312d Rn. 20 ff., 24) verbreitet Lobbyeinflüssen zugeschrieben wird (Palandt / Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 312d Rn. 8; Prütting / Wegen / Weinrich / Medicus, BGB, 4. Aufl., § 312d Rn. 7; Becker / Föhlisch, NJW 2008, 3751), muss indessen als misslungen angesehen werden.

Die Formulierung der Antragsgegnerin lässt den Verbraucher nämlich darüber im Unklaren, ab wann bei Kosmetikprodukten – als konkrete Verletzungsform ist das Angebot von (Anti-Falten-) Gesichtscreme in einer Tube in Bezug genommen – sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll. Dass er den noch in der Tube befindlichen und insofern „unbenutzten“ Teil der Creme in jedem Fall soll zurückgeben dürfen, liegt allerdings fern. Ob jedoch erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. Klarer wird der Belehrungstext im Streitfall auch nicht dadurch, dass in dem (im Beschlusstenor nicht mehr eingeblendeten) weiteren Text des eBay-Angebots der Zustand des Artikels als „Neuware – Ohne Karton“ beschrieben wird. Ob ein Ausschluss der Rücknahme „angebrochener Kosmetika“ (vgl. Becker / Föhlisch, a.a.O. [3755]; Palandt / Grüneberg, a.a.O. Rn. 9) sprachlich transparenter wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden. Im Ergebnis kommt es darauf auch nicht an.

Denn ein vollständiger Ausschluss des Widerrufsrechts für Kosmetikartikel nach dem Öffnen der Primärverpackung (Tube, Dose oder Flasche) oder anderen Benutzungshandlungen, wie er der beanstandeten Klausel mangels näherer Anhaltspunkte entnommen werden muss, geht über die mit § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzte Regelung der Fernabsatzrichtlinie hinaus. Diese Ausnahmevorschrift darf nicht in ein allgemeines Kriterium der Unzumutbarkeit des Widerrufs wegen erheblicher Verschlechterung der zurückgesandten Waren für den Unternehmer umgedeutet werden, dem im Fernabsatz grundsätzlich das für ihn in der Regel mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Rücknahmerisiko zugewiesen ist (vgl. BGHZ 154, 239 = NJW 2003, 1665 [1666]; OLG Dresden, NJW-RR 2001, 1710 [1711]; MünchKomm / Wendehorst, BGB, 5. Aufl., § 312d Rn. 20; Staudinger / Thüsing, BGB 2005, § 312d Rn. 44; BeckOK BGB / Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 33; Erman / Saenger, a.a.O., Rn. 20). Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der sich für den Verbraucher aus der fehlenden Möglichkeit ergibt, das Produkt vor Abschluss des Vertrages unmittelbar zu sehen und zu prüfen (vgl. Richtlinie 97/7/EG Erwägungsgrund 14; EuGH, NJW 2009, 3015 [Tz. 20] – Messner / Krüger). Damit sind nationale Regelungen nicht ausgeschlossen, nach denen der Verbraucher für eine Benutzung angemessenen Wertersatz zu zahlen hat (EuGH, a.a.O. [Tz. 26]; BGH [VIII. ZS], WRP 2010, 396 = NJW 2010, 989 [Rn. 32]), so dass die richtlinienkonform ausgelegte Vorschrift des § 357 Abs. 3 BGB (vgl. zu darauf bezogenen Klauseln BGH, a.a.O. [Rn. 30 ff.]; Senat, GRUR 2008, 88 [91] – „Sofort-Kaufen“-Option; KG, GRUR-RR 2008, 131 ff. – Eigentümergebrauch) eingreift, sofern die „Benutzung“ der gelieferten Kosmetikartikel über den in Ladengeschäften möglichen und geduldeten Gebrauch solcher Waren hinausgeht – wobei offen bleiben kann, ob dazu bereits das Öffnen der Primärverpackung gehört, wenn der Verbraucher sich mangels anderer Prüfmöglichkeit (Testprodukt im Ladengeschäft) sonst keinen unmittelbaren Eindruck vom Duft oder von der Hautverträglichkeit des Kosmetikums verschaffen kann. Eine generelle Begrenzung des Widerrufsrechts auf „Kosmetik … in einem unbenutzten Zustand“ würde seine Effektivität jedoch in Frage stellen und das Risiko eines Gebrauchs oder (teilweisen) Verbrauchs der Ware entgegen der gesetzlichen Wertung, die für solche Fälle gerade den Wertersatzanspruch vorsieht und so die Möglichkeit des Widerrufs gedanklich voraussetzt (BeckOK BGB / Schmidt-Räntsch, a.a.O., Rn. 37 m.w.N.), auf den Verbraucher verlagern. Eine solche Auslegung findet auch in der Regelung selbst keine hinreichende Stütze:

Geöffnete oder benutzte Kosmetikprodukte sind nicht „auf Grund ihrer Beschaffenheit“ („by reason of their nature“) zur Rücksendung ungeeignet. Aus der natürlichen Beschaffenheit von in geeigneter Verpackung ausgelieferten Cremes oder Parfüms ergeben sich weder ein unvertretbarer Aufwand noch besondere Schwierigkeiten einer „rückstandslosen“ Rückgabe; nur um solche in der Art der Ware angelegte, wenn auch vielleicht erst in der Sphäre des Verbrauchers aufgetretene Schwierigkeiten kann es bei diesem Tatbestand aber gehen; aus gesetzgeberischer Sicht sollte er insbesondere im Wege des „Download“ vertriebene Dateien und schüttbare Güter wie Heizöl umfassen (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drs. 14/2658 S. 44; Stellungnahme des Bundesrates BT-Drs. 14/2920 S. 4; vgl. MünchKomm / Wendehorst, a.a.O., Rn. 26 ff.; Staudinger / Thüsing, a.a.O., Rn. 49 ff.; BeckOK BGB / Schmidt-Räntsch, a.a.O., Rn. 36). Der „rückstandsfreien“ Rückgabe angebrochener Kosmetika steht insbesondere der mit der Benutzung eingetretene Wertverlust nicht entgegen, zumal keine Rede davon sein kann, dass nach der Rücksendung der wesentliche wirtschaftliche Nutzen des Produkts beim Verbraucher verbleiben würde (vgl. zu diesem Kriterium aber MünchKomm / Wendehorst, a.a.O. Rn. 28; Staudinger / Thüsing, a.a.O., Rn. 50 m.w.N.).

Es besteht auch kein Lebenserfahrungssatz, dass Kosmetikprodukte wie die streitgegenständliche Creme generell „schnell verderblich“ sind, sobald mit ihrer Benutzung begonnen oder ihre Primärverpackung geöffnet wurde. Dieser Ausnahmetatbestand kann zwar bei Lebensmitteln, Schnittblumen, Arzneimitteln und auch bei Kosmetikartikeln eingreifen (Staudinger / Thüsing, a.a.O., Rn. 54; Becker / Föhlisch, a.a.O. [3755]; Palandt / Grüneberg, a.a.O. Rn. 9); maßgeblich ist jedoch die objektive Verderblichkeit und eine darauf beruhende Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Ware, die etwa bei Arzneimitteln nicht einheitlich bewertet wird (vgl. OLG Hamburg, WRP 2007, 1498 = NJOZ 2007, 4812; Mand, NJW 2008, 190 ff.) und auch bei Kosmetika nicht ohne weiteres anzunehmen ist; keineswegs kann es für den Widerrufsausschluss genügen, dass der Verkäufer nach dem Öffnen der Verpackung durch den Verbraucher Gefahr läuft, auf der zurückgegebenen Ware „sitzen zu bleiben“ (BeckOK BGB / Schmidt-Räntsch, a.a.O., Rn. 38). Zudem hat die Antragstellerin dargelegt und durch Angebote weiterer Internethändler (Anlage ASt 4 a – c) glaubhaft gemacht, dass durchaus ein Markt für „gebrauchte“ Gesichtscreme existiert; dass dies auch für andere Kosmetikartikel zumal des Hochpreissektors gilt, ist den in Wettbewerbssachen erfahrenen Mitgliedern des Senats bekannt und wird für die vom Verkehr akzeptierten Parfüm-„Tester“ sogar von Autoren eingeräumt, die das Widerrufsrecht bei angebrochenen Kosmetika weitgehend beschränken wollen (Becker / Föhlisch, a.a.O.). Die Feststellung, dass bei den von der konkreten Verletzungsform erfassten Kosmetikprodukten schon ein Herausdrücken geringer Teile von Creme aus der Tube oder das bloße Öffnen der Tube zum Verderb und zur völligen Unverkäuflichkeit der zurückgesandten Ware führen muss, lässt sich daher jedenfalls nach Lage der Akten nicht treffen.

Damit erweist sich der von der Antragsgegnerin verwendete Belehrungstext in Bezug auf die Reichweite ihres Widerrufs- und Rückgaberechts als unzutreffend oder zumindest in hohem Grade missverständlich. Dieser Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten des Unternehmers ist seiner Art nach geeignet, die Verbraucher in ihren geschäftlichen Entscheidungen spürbar zu beeinflussen (vgl. – noch zu § 3 UWG 2004 – OLG Hamburg, WRP 2007, 1498 [1501] = NJOZ 2007, 4812 [4815]; Senat, Urt. v. 11.04.2008 – 6 U 17/08).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 3.000,00 €.

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