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Wiener Würstchen für einen Strafgefangenen?


Oberlandesgericht Zweibrücken

Az: 1 Ws 165/14 Vollz

Beschluss vom 04.09.2014


Anmerkung des Bearbeiters

Wiener
Wiener Würstchen

Dürfen einem Strafgefangenen Wiener Würstchen vorenthalten werden, die ihn auf postalischem Wege ungekühlt erreichen sollten?


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 19. Mai 2014 wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird kostenfällig als unbegründet verworfen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 50,00 Euro festgesetzt.


Gründe

Dem Beschwerdeführer, der seit vielen Jahren gemäß § 63 StGB im Maßregelvollzug in der Klinik für Forensischen Psychiatrie des Pfalzklinikums Klingenmünster untergebracht ist, wurde seitens der Klinik die Herausgabe von frischen, lose verkauften und nicht konservierten Wiener Würstchen, die ihm sein Vater mittels Paketpost zugesandt hatte, verweigert. Die Wurstwaren wurden durch die Klinik entsorgt.

Hiergegen wendete sich der Beschwerdeführer mit seinem an das zuständige Landgericht Landau in der Pfalz gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG, mit dem er geltend macht, die Nichtaushändigung der Würste stelle eine Diskriminierung seiner Person dar. Die 5 Wiener Würste, die sein Vater zuvor zum Preis von 3,98 Euro erworben habe, seien von seinem Vater nach dem Kauf eingeschweißt und ihm dann im Paket zugesandt worden. Die Klinik habe ihm die Würste vorenthalten, obwohl diese noch frisch und nicht verdorben gewesen seien. Er beantragte neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorenthaltung und Vernichtung der Würste sinngemäß den Ersatz der entstandenen Unkosten (Porto, Verpackung und den Kaufpreis für die vernichteten Würste), eine Ersatzlieferung Würste wegen „entgangener Freuden“ sowie die Verpflichtung der Klinik, ihm künftig den Empfang von Wurstsendungen zu gestatten.

Die Klinik begründete die Nichtaushändigung und Vernichtung der Lebensmittel dem Beschwerdeführer gegenüber damit, dass es sich bei dem Wiener Würsten um Frischware gehandelt habe, die sich zwei Tage lang ungekühlt und nur in Wurstwarenpapier verpackt in dem Paket befunden habe, weshalb diese Wurstwaren aufgrund offensichtlicher daraus resultierender hygienischer Risiken hätten entsorgt werden müssen. Den gestellten Anträgen des Beschwerdeführers trat die Klinik unter Berufung auf die einzuhaltenden Hygienevorschriften entgegen. Insbesondere frische Lebensmittel, die ohne Einhaltung der Kühlkette in die Klinik gelangten, dürften nicht auf Station gelangen, wenn deren Haltbarkeit – mangels Überprüfbarkeit der Haltbarkeit anhand eines durch den Produzenten aufgebrachten Mindesthaltbarkeitsdatums – zweifelhaft sei.

Die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz verwarf die Anträge des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 19.05.2014 mit der Begründung, die Klinik habe dem Beschwerdeführer die mindestens zwei Tage ungekühlten Wurstwaren zu Recht unter Berufung auf die Hygienevorschriften vorenthalten. Der Klinik sei eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Haltbarkeit frischer Lebensmittel nicht zumutbar. Die Haltbarkeit müsse sich grundsätzlich aus einem werksseitig angebrachten Haltbarkeitsdatum ergeben. Es komme deshalb vorliegend nicht darauf an, ob die 5 Wiener Würste noch genießbar gewesen seien oder bereits mit Salmonellen verseucht. Ein rechtswidriges Vorgehen seitens der Klinik durch die Vernichtung der Würste sei nicht erkennbar, weshalb auch den weiteren Anträgen des Beschwerdeführers kein Erfolg beschieden sei.

Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 02.06.2014 zugestellten Beschluss legte er durch am 02.07.2014 beim Landgericht Landau eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsbeschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass er daran festhalte, dass die ihm zugesandten Würste in Folie eingeschweißt gewesen und nicht lediglich in Wurstwarenpapier verpackt gewesen seien, weshalb deren Aushändigung auch unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften ohne weiteres möglich gewesen sei. Die Nichtaushändigung der Würste verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht.

Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung als zuständige Aufsichtsbehörde (§§ 111 Abs. 2 StVollzG, 2 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf.) hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, ihr aber in der Sache den Erfolg zu versagen.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 116, 138 Abs. 3 StVollzG statthaft und nach §§ 118 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt.

Eine Entscheidung ist auch gemäß §§ 116 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG zur Fortbildung des Rechts geboten, weil zu der aufgeworfenen Fragestellung erkennbar noch keine obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

In der Sache erweist sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet.

Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung hat keinen den Beschwerdeführer benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das vom Beschwerdeführer gerügte Vorgehen der Klinik, die Nichtaushändigung der Würste und deren Vernichtung, rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die vom Beschwerdeführer gerügte Vorgehensweise der Klinik findet ihre Rechtfertigung in §§ 17 Abs. 6, Abs. 2 Nr. 1 und 15 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf. Nach § 17 Abs. 6 und Abs. 1 MVollzG Rh.-Pf. hat der Untergebrachte das Recht, Pakete zu empfangen. Dieses Recht auf Paketempfang erfährt jedoch Einschränkungen durch die vorgenannten Regelungen des § 17 Abs. 2 und § 15 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf., die für den Paketempfang durch § 17 Abs. 6 MVollzG Rh.-Pf. für anwendbar erklärt werden. Nach § 17 Abs. 6, Abs. 2 Nr. 1 MVollzG Rh.-Pf. dürfen Pakete – bzw. deren Inhalt – angehalten werden, wenn die Weitergabe das Ziel der Unterbringung eines untergebrachten Patienten oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährden würde. Nach § 15 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf. werden Gegenstände, die der Untergebrachte nicht behalten darf, aus der Einrichtung entfernt, sofern eine Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist. Verderbliche Gegenstände dürfen vernichtet werden, wobei das berechtigte Interesse des Patienten zu berücksichtigen ist.

Der Begriff der Sicherheit der Einrichtung im Sinne des § 17 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf. beinhaltet die Abwendung konkreter Gefahren für Personen in der Einrichtung. Darunter fallen auch Gesundheitsgefahren für die in der Klinik befindlichen Personen. Solche Gesundheitsgefahren können durch die Einbringung von verdorbenen oder jedenfalls nicht ausschließbar verdorbenen Lebensmitteln in die Klinik entstehen. Im Falle einer Zusendung solcher Lebensmittel in einem Paket beschränkt sich diese Gefährdung auch nicht lediglich auf den Empfänger des Paketes; denn es lässt sich nicht ausschließen, dass auch andere Personen, etwa durch Weitergabe der zugesandten Lebensmittel im Patientenkreis, gefährdet werden. Zudem können im Falle der Realisierung der Gefahr, etwa durch eine Salmonellenvergiftung, die Folgen auch Dritte treffen.

Danach ist die Klinik im Fall der Zusendung verdorbener Lebensmittel nach § 17 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 MVollzG Rh.-Pf. berechtigt und im Interesse und zum Schutz ihrer Patienten auch verpflichtet, verdorbene Waren aus einer Paketzusendung anzuhalten und diese mangels anderer Möglichkeiten – eine Aufbewahrung bis zur Rückgabe an den Absender ist aufgrund der damit ebenfalls einhergehenden Gesundheitsgefahren nicht zumutbar – auch nach § 15 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf. zu entsorgen. Gleiches muss auch für eingebrachte Lebensmittel gelten, die zwar noch nicht nachweislich verdorben sind, bei denen an der Unbedenklichkeit des Verzehrs jedoch begründete Zweifel bestehen, die sich allein durch Inaugenscheinnahme der Lebensmittel nicht ausräumen lassen; weitergehende Überprüfungen der Lebensmittel auf ihre Unbedenklichkeit sind der Klinik insoweit nicht zuzumuten.

Solche begründeten Zweifel an der Unbedenklichkeit lagen hier vor. Bei den dem Beschwerdeführer zugesandten Wiener Würsten handelte es sich um lose gekaufte, nicht konservierte Frischwaren, die zum alsbaldigen Verzehr bestimmt und gekühlt aufzubewahren sind. Bereits im Hinblick darauf, dass diese Wurstwaren zumindest während der Zeit des Postlaufs des Paketes nicht gekühlt wurden, konnten diese nicht mehr als unbedenklich eingestuft werden, sondern stellten eine Gesundheitsgefahr dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Würste lediglich in Wurstwarenpapier verpackt, wie von der Klinik berichtet, oder luftdicht eingeschweißt waren, wie vom Beschwerdeführer vorgetragen.

Die Klinik war deshalb nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 MVollzG Rh.-Pf. berechtigt, die dem Beschwerdeführer zugesandten Würste anzuhalten und nach § 15 Abs. 2 MVollzG Rh.-Pf. zu vernichten. Den Sicherheitsinteressen der Klinik und der Fürsorgepflicht für die Patienten war gegenüber dem dahinter zurücktretenden Recht des Beschwerdeführers auf unbeschränkten Paketempfang beziehungsweise Besitz an den Würsten Vorrang einzuräumen.

Danach konnte der Beschwerdeführer auch mit seinen weiteren Anträgen nicht durchdringen, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Ergänzend bemerkt der Senat, dass ein seitens des Herstellers angebrachtes Mindesthaltbarkeitsdatum nicht als alleiniges Kriterium für die Unbedenklichkeit des Lebensmittels geeignet erscheint. In der Regel wird bei Einhaltung der vorgegebenen Bedingungen der Aufbewahrung vor Erreichen des durch den Hersteller auf der Verpackung aufgebrachten Mindesthaltbarkeitsdatums zwar von der Unbedenklichkeit des Lebensmittels auszugehen sein. Ausnahmen sind aber auch hier denkbar, etwa wenn die Verpackung beschädigt ist. Andererseits ist aber auch denkbar, dass frische, regelmäßig nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehene und auch ohne Kühlung lagerbare Lebensmittel allein aufgrund einer Inaugenscheinnahme als unbedenklich angesehen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 4, 138 Abs. 3 StVollzG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 60, 52 Abs. 1 GKG.


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