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Wohnungseigentumsgemeinschaft – Klagebefugnis

Bundesfinanzhof

Az: IX R 56/08

Urteil vom 25.06.2009


Leitsätze:

1. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Bemessungsgrundlagen für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz und für Absetzungen für Abnutzung nicht klagebefugt.

2. Das FG kann die Zulassung der Revision wirksam auf die Zulässigkeit der Klage beschränken.


Gründe:

I.
Die K-Immobilien-GmbH (GmbH)erwarb im Dezember 1998 in Leipzig ein 420 qm großes Grundstück mit einem sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhaus für 440 000 DM. Anschließend teilte sie das Grundstück in Wohnungs- und Teileigentum auf und veräußerte sämtliche Eigentumswohnungen noch im Dezember 1998 an die Mitglieder (Gemeinschafter) der im vorliegenden Verfahren als Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) aufgetretenen Wohnungseigentümergemeinschaft, die von allen namentlich genannten Mitgliedern in diesem Verfahren vertreten wird. Die GmbH verpflichtete sich überdies zur Sanierung. Die jeweiligen Vertragsparteien gliederten den Kaufpreis für den Vertragsgegenstand (sanierte Eigentumswohnung) in Kaufpreise für Altbausubstanz, Sanierung und Küche auf. Die Gemeinschafter zahlten die bedungenen Kaufpreise noch im Jahr 1998.

Die GmbH erklärte die daraus entwickelten Werte für die Sanierung (insgesamt 2 551 775 DM nach den vertraglichen Aufgliederungen), für die Altbausubstanz (300 001 DM) und den Grund und Boden (Anteil von 40% der Anschaffungskosten des sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhauses = 199 999 DM) zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Sonderabschreibungen nach § 3 Satz 2 Nr. 3 des Fördergebietsgesetzes (FördG) sowie die Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. der Verordnung (VO) zu § 180 Abs. 2 AO. Dementsprechend stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) die Bemessungsgrundlage für Sonderabschreibungen/AfA der Gemeinschafter durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid einheitlich und gesondert fest und gab ihn u.a. den Gemeinschaftern nach § 6 Abs. 3 und 4 der VO zu § 180 Abs. 2 AO einzeln bekannt.

Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung (nach § 7 Abs. 1 VO zu § 180 Abs. 2 AO) änderte die Außenprüferin die Kaufpreisaufteilung der Gemeinschafter anhand der Kostenstruktur der GmbH. Das FA machte sich die Auffassung der Außenprüferin zu Eigen und änderte die Bescheide der Gemeinschafter am 13. Oktober 2003 gemäß § 164 Abs. 2 AO.

Hiergegen legten die Gemeinschafter je für sich Einspruch ein. Sie beriefen sich für die im Vertrag getroffene Aufteilung auf ein Verkehrswertgutachten. Auf der Basis dieses Gutachtens änderte das FA die Kaufpreisaufteilung in den Einspruchsentscheidungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es überdies dem Berechnungsschema der Außenprüferin folgte.

Die Klage, welche die Klägerin, gesetzlich vertreten durch die an ihr beteiligten Gemeinschafter, einlegte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 809 veröffentlichtem Urteil die Klägerin als beteiligtenfähig an, weil sie Subjekt einer einheitlichen und gesonderten Feststellung sei. Die Klage sei auch begründet; denn das FA sei nicht berechtigt gewesen, die ursprünglichen Feststellungsbescheide zu ändern.

Mit der vom FG wegen der Zulässigkeitsfrage zugelassenen Revision macht das FA geltend, die Klage sei unzulässig. Die Eigentümergemeinschaft sei nicht rechtsfähig. Da keine Person i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorhanden sei, sei jeder Gemeinschafter persönlich klagebefugt. Die Klägerin sei auch nicht Vermieterin. Vermieter seien die jeweiligen Gemeinschafter als Eigentümer ihrer Wohnungen. Die Klage sei auch unbegründet. Es bestünden Bedenken gegen die vertragliche Aufteilung, allein schon deshalb, weil sie keine Steuerfolgen auslöse.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise

als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 und Abs. 4 FGO zurückzuweisen.

1.

Das FG hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Zulässigkeit der Klage beschränkt. Beschränkungen der Rechtsmittelzulassung sind wirksam, wenn sie rechtlich und tatsächlich selbständige Teile des Streitstoffes betreffen, über die in einem besonderen Verfahrensabschnitt, abgetrennt vom übrigen Verfahren, im Wege eines Teilurteils (§ 98 FGO) oder eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs (§ 99 FGO) oder über die Zulässigkeit der Klage (§ 97 FGO) gesondert entschieden werden könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 28. September 1990 VI R 157/89, BFHE 162, 290, BStBl II 1991, 86, unter I., und das Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 6. Mai 1987 IVb ZR 52/86, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1987, 3264, m.w.N.). Im Streitfall hätte das FG über die Zulässigkeit gemäß § 97 FGO durch Zwischenurteil vorab entscheiden können. Folglich konnte es die Zulassung der Revision wirksam begrenzen.

2.

Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Klage als zulässig angesehen. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft ist zwar als solche nicht klagebefugt. Da jedoch alle Beteiligten des Feststellungsverfahrens geklagt haben, sind sie Streitgenossen i.S. des § 59 FGO i.V.m. § 59 der Zivilprozessordnung (ZPO). Aus diesem Grund stellt sich die Entscheidung, die Klage sei zulässig, nach § 126 Abs. 4 FGO als richtig dar.

a)

Die als Klägerin aufgetretene Wohnungseigentümergemeinschaft ist im vorliegenden Verfahren nicht klagebefugt. Der Senat kann offen lassen, ob sie –wie vom FG und den Beteiligten problematisiert– beteiligtenfähig ist. Beteiligtenfähig i.S. von § 57 FGO ist nach der Rechtsprechung des BFH, wer –wenn auch begrenzt– auf dem steuerrechtlichen Gebiet, das Gegenstand des Rechtsstreits ist, steuerrechtsfähig ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, unter I. 1., m.w.N.). Dies ist z.B. im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung bei einer Grundstücksgemeinschaft der Fall, die nach außen als Vermieterin auftritt. Sie ist für die Einkommensteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der Einheit ihrer Gemeinschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gemeinschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind. Solche Merkmale sind insbesondere die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Tatbestands einer bestimmten Einkunftsart und das Erzielen von Gewinn oder Überschuss im Rahmen dieser Einkunftsart (BFH-Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929). Werden Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt, so sind an diesem Verfahren nach § 5 der VO zu § 180 Abs. 2 VO auch die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO genannten Personen beteiligt.

aa)

Ob die Klägerin eine bei einem Gesamtobjekt mit der Verwaltung betraute, nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO erklärungspflichtige und damit auch am Feststellungsverfahren beteiligte Person ist, mag hier dahinstehen.

Denn sie wäre in ihrer verfahrensrechtlichen, durch die Erklärungspflicht (hier § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO) vermittelten Steuerpflicht (§ 33 Abs. 1 AO) und Steuerrechtsfähigkeit nicht betroffen und damit nicht klagebefugt. Sie hatte keine Feststellungserklärung abgegeben und ist deshalb (§ 6 Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO) auch nicht Adressatin des hier angefochtenen Feststellungsbescheides.

Wendet man § 48 FGO auf derart verfahrensrechtlich Beteiligte an, die keine Mitberechtigte sind (a.A. Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler –HHSp–, § 180 AO Rz 592, eingehend zur Problematik, m.w.N.), so lägen die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vor. Die Klägerin hat keinen zur Vertretung berufenen Geschäftsführer i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Da mangels Empfangsbevollmächtigten auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 FGO nicht vorliegen, sind nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO alle Gemeinschafter klagebefugt.

bb)

In Bezug auf die im Bescheid getroffenen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen selbst sind nur die jeweiligen Feststellungsbeteiligten nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AO steuerrechts- und damit beteiligtenfähig. Der erklärungspflichtige Verwalter, der über § 5 der VO zu § 180 Abs. 2 AO bloß verfahrensrechtlich beteiligt ist, wird durch die in einem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen (materiell) nicht selbst beschwert (so auch Söhn in HHSp, § 180 AO Rz 592, m.w.N.). Zwar sind alle Gemeinschafter als Eigentümer auch Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das führt aber nicht dazu, die Gemeinschaft statt des jeweiligen Gemeinschafters als klagebefugt anzusehen. Denn materiell-rechtlich wird die Wohnungseigentümergemeinschaft durch die hier streitigen Feststellungen nicht betroffen. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen (hier die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz) richten sich in der Sache nur an die Gemeinschafter als Eigentümer der jeweiligen Eigentumswohnung. Nur sie können nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG die Steuervergünstigung beanspruchen. Weil die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche nicht Eigentümerin der jeweiligen Eigentumswohnung ist, tritt sie nach § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG auch nicht an die Stelle des Gemeinschafters. Zwar ist die Wohnungseigentümergemeinschaft zivilrechtlich teilrechtsfähig, allerdings nur, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt (BGH-Beschluss vom 2. Juni 2005 V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, NJW 2005, 2061). Die festgestellte Bemessungsgrundlage betrifft aber nicht allein das Gemeinschaftseigentum, sondern vor allem das Sondereigentum (vgl. § 4 des Wohnungseigentumsgesetzes), da hierauf ersichtlich der größte Anteil des (festgestellten) Sanierungsaufwands entfällt.

b)

Daraus folgt im Streitfall: Da die als Klägerin aufgetretene Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls nicht klagebefugt ist, sind es nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO alle Gemeinschafter, gegen die der Feststellungsbescheid ergangen ist und denen er im Streitfall auch nach § 6 Abs. 4 der VO nach § 180 Abs. 2 AO einzeln bekannt gegeben wurde. Im Streitfall sind sämtliche Eigentümer als gesetzliche Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgetreten. Auch in der Klageschrift wird als Alternative zur Stellung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Klägerin die subjektive Klagehäufung genannt. Dementsprechend legt der Senat das Auftreten der Gemeinschafter aus. Sie haben als Streitgenossen i.S. des § 59 FGO i.V.m. § 59 ZPO Klage eingelegt und sind als solche auch Beteiligte des Revisionsverfahrens (nämlich Revisionsbeklagte).

3.

Soweit das FA hilfsweise beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, kann auf diesen Antrag wegen der zulässigen Beschränkung der Revisionszulassung auf die Zulässigkeit der Klage (siehe oben zu 1.) nicht eingegangen werden.

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