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Zwangsstilllegung eines Kraftfahrzeugs – Kostenschuldner und Fahrzeugveräußerung

VERWALTUNGSGERICHT BRAUNSCHWEIG

Az.: 6 A 22/02

Urteil vom 06.11.2002


Leitsätze:

Kostenschuldner (Veranlasser) für eine Amtshandlung zur Stillegung eines Kraftfahrzeuges kann auch ein früherer Halter sein, der es pflichtwidrig versäumt hat, die zuständige Zulassungsbehörde von der Veräußerung des Fahrzeugs und dem damit verbundnen Halterwechsel zu informieren.


In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Braunschweig – 6. Kammer – ohne mündliche Verhandlung am 6. November 2002 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine vorläufige Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26,08 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Kostenforderung des Beklagten wegen einer Amtshandlung zur Stilliegung eines Kraftfahrzeuges.

Durch ein Schreiben einer Haftpflichtversicherung erfuhr der Beklagte am 22.08.2001, dass das Pflichtversicherungsverhältnis für das Kraftfahrzeug der Marke Daimler Chrysler mit dem amtl. Kennzeichen WF… seit dem 16.08.2001 nicht mehr bestehe. Die zur damaligen Zeit bei der Behörde als Halterin registrierte und zunächst zur Stilliegung aufgeforderte Person teilte dem Beklagten am 02.10.2001 unter Vorlage des entsprechenden Kaufvertrages mit, dass sie das Fahrzeug bereits am 15.07.2001 an den Kläger verkauft habe.

Mit Schreiben vom 05.10.2001 forderte der Beklagte den Kläger daraufhin unter Hinweis auf den nach seiner Kenntnis weiterhin fehlenden Versicherungsschutz auf, innerhalb von drei Tagen bestimmte Maßnahmen zur Stilliegung des Fahrzeugs zu ergreifen. Mit Bescheid vom gleichen Tag forderte der Beklagte vom Kläger für diese Maßnahme eine Gebühr in Höhe von 40 DM und Auslagen für die Postzustellung in Höhe von 11 DM.

Am 16.10.2001 wurde dem Beklagten durch die (unkommentierte) Vorlage einer Kaufvertragskopie bekannt, dass der Kläger das Fahrzeug am 27.07.2001 an einen namentlich genannten Kfz-Händler weiterveräußert hatte.

Am 18.10.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 05.10.2001 Widerspruch ein und machte unter Hinweis auf die Weiterveräußerung geltend, ihn treffe keine Verantwortlichkeit für das Kraftfahrzeug und deswegen auch kein Verschulden daran, dass es nicht versichert gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2002, zugestellt, am 14.01.2002, wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, der Kläger habe die ergriffene Maßnahme veranlasst und müsse deshalb auch die in angemessener Höhe festgesetzten Kosten tragen.

Mit der am 14.02.2002 erhobenen Klage, mit der er sich ausdrücklich allein gegen die Kostenfestsetzung wendet, macht der Kläger ergänzend geltend, er habe darauf vertrauen dürfen, dass der Erwerber, ein professioneller Händler, ihm versichert habe, er werde die zuständige Zulassungsstelle umgehend vom Halterwechsel informieren.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Bescheid des Beklagten vom 05.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 09.01.2002 aufzuheben.

Der Beklagte verteidigt die ergangenen Entscheidungen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entschieden werden kann, ist nicht begründet. Der allein angefochtene Kostenbescheid des Beklagten vom 05.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 09.01.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger ist nach § 6a Abs. 2 und 3 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1,2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 20. Mai 1998 (BGBI. 1998 I, 1051) i.V.m. Nr. 254 der Anlage zu § 1 GebOSt sowie §§9, 17 des Verwaltungskostengesetzes – VwKG – i.d.F. der Gesetzesänderung vom 05. Oktober 1994 (BGBI. 1994 I, 2911) verpflichtet, die vom Beklagten festgesetzten Kosten (Gebühren und Auslagen, § 6a Abs.1 StVG) zu zahlen.

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht (auch) als Kostenschuldner in Anspruch genommen. Die ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt, wonach derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet ist, der die Amtshandlung „veranlasst“. Veranlasser in diesem Sinne ist auch derjenige, von dem die Behörde annehmen durfte, dass die gebotene Amtshandlung gegen ihn zu richten ist (vgl. dazu auch VG Meiningen, Urt. vom 22.05.1996 -2 K 229/95.Me – zitiert nach Juris; VG Frankfurt/M., Urt. vom 30.01.1991 -E 301/89-NZV 255, 256).

In diesem Sinne hat der Kläger, der das betreffende Fahrzeug – wenngleich in einem Zeitraum, in dem dessen Versicherungsschutz noch nicht erloschen war- von der früheren Halterin erworben hatte, hinreichenden Anlass für die gegen ihn gerichtete kostenpflichtige Amtshandlung, den auf die Stilliegung des Fahrzeugs gerichteten Bescheid vom 05.10.2001, gegeben.

Der Kläger hat es pflichtwidrig unterlassen, die von ihm am 27.07.2002 vollzogene Weiterveräußerung des Kraftfahrzeugs dem Beklagten anzuzeigen. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO hat der Veräußerer eines Fahrzeugs unverzüglich der Zulassungsbehörde, die dem Fahrzeug ein amtliches Kennzeichen zugeteilt hat, Namen und Anschrift des Erwerbers anzuzeigen. Hätte der Kläger die ihm weder unmögliche und unzumutbare Anzeige erstattet, hätte der Beklagte (auch) ihm gegenüber die kostenpflichtige Stilllegungsverfügung nicht erlassen. Dazu war der Beklagte indessen verpflichtet.

Nach § 29d Abs. 2 Satz 1 StVZO hat die Zulassungsstelle unverzüglich u. a. den Fahrzeugschein einzuziehen und das Kennzeichen zu entstempeln, sobald sie durch eine Anzeige des Haftpflichtversicherers oder auf andere Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mehr besteht. Allein der Zugang einer solchen Anzeige verpflichtet die Behörde zu einem unverzüglichen Handeln; eine eigenständige Prüfung, ob die Anzeige des Versicherers zu Recht erfolgt ist, hat die Behörde nicht vorzunehmen (BVerwG, Urt. vom 29.11.197.4-7 c 66/71 – MDR 1975, 443 f; VG Frankfurt, aaO). Dabei kann sie wegen der Dringlichkeit einer solchen Maßnahme ohne vorherige Anhörung des Adressaten (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVG) handeln und muss sich an denjenigen richten, von dem sie ohne weiteres annehmen darf, dass er der Halter des Fahrzeugs ist. Soweit die ursprünglich bestehende und bei der Behörde registrierte Halterschaft – wie etwa hier nach den dem Beklagten pflichtwidrig zunächst nicht angezeigten Veräußerungen – nicht mehr besteht, hat sie sich bis zum Erfolg oder der Erledigung der gebotenen Stilllegungsbemühungen an die Person zu wenden, von der sie annehmen darf, dass diese nunmehr Halter des Fahrzeugs ist. Das Gesetz begründet mit den §§ 27, 29 a ff StVZO ein dichtes Netz von Meldepflichten, die nicht zuletzt im Interesse einer möglichst lückenlosen Pflichtversicherung von zugelassenen Kraftfahrzeugen sicherstellen sollen, dass die notwendigen Maßnahmen auch effektiv durchgeführt werden können. In diesem Sinne bleibt auch derjenige verantwortlich, der es – wie hier infolge pflichtwidrig unterlassener Anzeige – zu vertreten hat, dass er als Halter eines Kraftfahrzeuges angesehen wird, obgleich er es nicht mehr ist. Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte rechtsfehlerfrei gehandelt.

Nachdem der Beklagte (zunächst nur) von dem Erwerb des Fahrzeugs (und nicht auch von der Weiterveräußerung) durch den Kläger erfahren hatte, musste er noch am 05.10.2001 annehmen, dass der Kläger der zuständige Halter und deshalb auch der richtige Adressat für die gebotene Stilliegung des Fahrzeugs war. Schon mit Blick auf die genannte Mitteilungspflicht des Veräußerers und auch wegen der Eilbedürftigkeit der Maßnahme nach § 29 c StVO war der Beklagte nicht gehalten, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt noch Halter des Fahrzeugs war. Die dereinst vom Kläger begründete Halterverantwortlichkeit wirkt in diesem Sinne bis zum Nachweis der Weiterveräußerung nach und rechtfertigt es ohne weiteres, ihn als Veranlasser der Stilllegungsmaßnahme zu sehen.

Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, er habe auf die Zusage des Händlers vertraut, alsbald die zuständige Behörde zu unterrichten. Das Versprechen des Erwerbers kann den Kläger nicht von seinen gesetzlichen Verpflichtungen als Veräußerer entbinden und wirkt sich auf sein Verhältnis zur Zulassungsbehörde nicht aus.

Die festgesetzten Kosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach Nr. 254 GebOSt in der hier noch anzuwendenden alten Fassung ist für eine Anordnung der hier in Rede stehenden Art ein Gebührenrahmen von 28,- DM bis 560,- DM vorgesehen, innerhalb dessen Grenzen die im Einzelfall angemessene Gebühr nach den in § 9 VwKG aufgestellten Kriterien des Verwaltungsaufwands für die einzelne Amtshandlung und des Wertes des Gegenstands der Amtshandlung zu bestimmen ist. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer Entscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es allerdings nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung, deren Aufwand regelmäßig außer Verhältnis zu der hier in Betracht zu ziehenden Gebühr stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwands und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung nicht grob übersetzt ist (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urt. vom 22.04.1981 – 9 OVG A 12/80 – m.w.N.).

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Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, nach welchen Kriterien der Beklagte die festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 40,- DM für die Stilllegungsverfügung vom 05.10.2001 im Einzelnen bemessen hat. Denn die Behörde ist mit diesem Betrag nahezu an der untersten Grenze des Gebührenrahmens geblieben, der sich von 28,- DM bis 560,- DM erstreckt. Dass diese Fassung der Gebührenordnung und nicht die durch die Verordnung vom 11.12.2001 (BGBI. I S. 3617) – soweit hier von Interesse allerdings nur hinsichtlich der Währungsumstellung – geänderte Fassung anzuwenden ist, ergibt sich aus § 11 Abs. 1 i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG i.V.m. § 6 GebOSt, die dessen ergänzende Anwendung vorschreiben; nach § 11 Abs. 1 VwKG entsteht die Kostenschuld mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung, hier mithin durch die Absendung der Stilllegungsverfügung vom 05.10.2001, die eine sonstige Amtshandlung im Sinne des Gebührentarifs Nr. 254 der Anlage zu § 1 GebOSt darstellt.

Die außerdem für die Zustellung der Verfügung angefallenen Postzustellungsgebühren in Höhe von 11,- DM durfte der Beklagte dem Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt in Ansatz bringen, wonach der Gebührenschuldner auch die Kosten für die Postzustellung zu tragen hat.

Die Klage ist deshalb mit der Kostenentscheidung gemäß § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 2 GKG; die Kostenschuld in Höhe von insgesamt 51 DM entspricht 26,08 Euro.

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