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Schadensersatz wegen Hundebiss: Haftungsverteilung im Streitfall

In einem aktuellen Fall vor dem Amtsgericht Düsseldorf wurde über Schadensersatzansprüche aufgrund eines Hundebisses entschieden. Dabei ging es um die Frage, wie die Haftungsverteilung zwischen den beteiligten Hundehaltern ausfallen sollte.

Direkt zum Urteil: Az.: 27 C 40/21 springen.

Hundebegegnung mit Folgen

Die Klägerin und der Beklagte sind jeweils Halter von Hunden, die sich auf einer Grünfläche in Düsseldorf trafen. Nachdem die Hunde sich beschnuppert hatten, biss der Schäferhund des Beklagten in den Bichon Frisé der Klägerin und verursachte eine Fleischwunde. Die Klägerin forderte daraufhin Schadensersatz für die tierärztlichen Behandlungskosten.

Haftungsverteilung von 25 % zu 75 %

Das Gericht entschied, dass eine Haftungsverteilung von 25 % zu 75 % zu Lasten des Beklagten angemessen sei. Der Schäferhund des Beklagten sei größer und stärker als der Bichon Frisé der Klägerin, weshalb ihm eine höhere Tiergefahr zuzubilligen sei. Da sich jedoch beide Hunde aktiv beschnupperten, trat die Tiergefahr des Bichon Frisés nicht vollständig in den Hintergrund.

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Das vorliegende Urteil

AG Düsseldorf – Az.: 27 C 40/21 – Urteil vom 03.02.2022

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 476,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2021 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 90,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund eines Hundebisses.

Tierarztkostenerstattung - Hundebiss bei einer Hundeauseinandersetzung
(Symbolfoto: Przemek Iciak/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hundes Bichon Frisé mit dem Namen C3. Der Hund, den die Klägerin am 18.11.2012 zu einem Kaufpreis von 1.200,00 EUR erworben hatte, war zum Vorfallzeitpunkt 8 Jahre alt bei einer Lebenserwartung von 12 – 15 Jahren. Vorerkrankungen bestanden nicht.

Der Beklagte ist Eigentümer und Halter eines Schäferhundes mit dem Namen M.

Am 10.12.2020 trafen die beiden Hunde, die jeweils von der Zeugin L2 und dem Beklagten an einer Leine geführt wurden, auf der Grünfläche vor der Immobilie X in Düsseldorf, aufeinander. Nachdem die Hunde sich beschnupperten, biss sich M an C3 fest. Anschließend wurde C3 von M durch die Luft gewirbelt.

Nachdem C3 auf dem Boden aufkam, jaulte und winselte sie und blutete infolge einer erlittenen Fleischwunde.

Die Klägerin ließ den Hund C3 tierärztlich untersuchen, wobei sie insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.906,20 EUR zahlte.

Die Klägerin forderte die Haftpflichtversicherung des Beklagten dazu auf, den vorgenannten Betrag zu regulieren, woraufhin die Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 10.02.2021 mitteilte, dass sie den Schaden hälftig reguliere, was sie in der Folgezeit auch tat.

Mit anwaltlichem Schreiben forderte die Klägerin die Haftpflichtversicherung des Beklagten erfolglos zu einer weiteren Regulierung auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall insbesondere die Größe der Hunde berücksichtigt werden müsse mit der Folge, dass der Beklagte für den eingetreten Schaden zu 100 % haftet.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 953,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2021 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 159,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Kosten den Wert des Hundes übersteigen würden mit der Folge, dass er jedenfalls aus diesem Grund nicht zum Schadenersatz verpflichtet sei.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 476,55 EUR gemäß § 833 Satz 1 BGB zu.

Danach ist derjenige, welcher ein Tier hält, dem Verletzten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn durch ein Tier eine Sache beschädigt wird.

Bei M handelt es sich um ein Luxustier, dessen Halter der Beklagte ist.

M hat auch eine Sache beschädigt, denn gemäß § 90 a BGB sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden.

Bei einem Schadensereignis an dem zwei Hunde beteiligt sind, ist bei einem Anspruch aus § 833 BGB die mitwirkende Tiergefahr des jeweils anderen Hundes gemäß § 254 analog zu berücksichtigen. Eine mitwirkende Tiergefahr ist selbst dann zu berücksichtigen, wenn sich der verletzte Hund bei dem Schadensereignis lediglich passiv verhalten hat. In einem entsprechenden Fall wäre lediglich diejenige Gefahr aus §§ 833, 254 BGB in Anschlag zu bringen, die von einem Hund originär ausgeht. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um Tiere handelt, die angeborenen Instinkten und Revierverhalten nachgehen, ist aus Sicht des Gericht grundsätzlich zunächst von einer Mithaftung beider Hunde von 50% auszugehen, sofern nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schaden von einem der beiden Hunde vornehmlich oder alleinig verursacht worden ist. Ferner ist im Rahmen der zu berücksichtigenden Tiergefahren auch die Größe und Konstitution der jeweiligen Hunde von Entscheidung. Insbesondere von größeren Hunden geht allein aufgrund deren Größe regelmäßig die besondere Gefahr aus, dass diese im Falle einer Auseinandersetzung zwischen zwei Hunden dem jeweils anderen Hund erhebliche körperliche Nachteile zufügen können.

Danach ist vorliegend von einer Haftungsverteilung von 25 % zu 75 % zu Lasten des Beklagten auszugehen.

M ist als Schäferhündin unstreitig um ein Vielfaches größer und stärker als die Hündin C3, weswegen ihr eine höhere Tiergefahr zuzubilligen ist. Die Tiergefahr von C3 tritt indes trotz ihrer Größe nicht vollumfänglich zurück, denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass C3 während des Vorfalls nicht passiv war, sondern sich beide Hunde aktiv beschnupperten. Mithin ist es zu dem Biss gekommen, weil sich beide Tiere zueinander hingezogen gefühlt haben und sich eben die hundeeigenen Instinkte realisiert haben, sodass die von C3 ausgehende Tiergefahr nicht gänzlich in den Hintergrund tritt (OLG München, Urteil vom 11.04.2011, Az. 21 U 5534/10).

Nachdem der der Klägerin unstreitig entstanden Schaden in Höhe von insgesamt 1.906,20 EUR hälftig reguliert worden ist, mithin in Höhe von 953,10 EUR, steht der Klägerin noch in weiterer Anspruch auf Zahlung von 476,55 EUR zu.

Die Kosten sind auch nicht unverhältnismäßig, denn bei Tieren sind anders als bei Sachen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie deren Wert erheblich übersteigen. Anders als bei Sachen ist insbesondere nicht die Verhältnismäßigkeitsschwelle von 130 % anzusetzen, sondern eine – deutlich – höhere. Die Verhältnismäßigkeitsschwelle liegt bei einem Vielfachen des Marktwertes. Hierbei ist auch das Affektionsinteresse der Klägerin zu berücksichtigen (OLG München, Urteil vom 11.04.2011, Az. 21 U 5534/10). Der Hund, der zum Vorfallzeitpunkt 8 Jahre alt war und zu einem Kaufpreis von 1.200,00 EUR erworben worden war, hat noch eine hinreichende Lebenserwartung vor sich und war nicht vorerkrankt, weswegen die Kosten nicht zu beanstanden sind.

Die Klägerin hat insoweit auch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen beruht auf §§ 286, 288 BGB. Infolge der weiteren Haftungsablehnung durch die Haftpflichtversicherung befand sich der Beklagte ab dem Folgetag in Verzug, § 187 BGB.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 90,96 EUR, § 286 BGB.

Die Anwaltskosten berechnen sich indes entgegen der Ansicht der Klägerin nach einem berechtigten Gegenstandswert in Höhe von 476,55 EUR.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen folgt insoweit aus §§ 291, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 953,10 EUR festgesetzt.

Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant


  1. § 833 BGB – Haftung des Tierhalters: Diese Rechtsnorm ist entscheidend, da sie die Haftung des Tierhalters für Schäden regelt, die durch sein Tier verursacht wurden. Im vorliegenden Fall haben beide Hunde zur Entstehung des Schadens beigetragen, und deshalb kommt § 833 BGB zur Anwendung, um die Haftungsverteilung zwischen den beiden Hundehaltern zu bestimmen.
  2. § 254 BGB – Mitverschulden: Diese Norm ist relevant, weil sie die Berücksichtigung des Mitverschuldens der Geschädigten bei der Schadensersatzpflicht des Schädigers vorsieht. Im vorliegenden Fall wird § 254 BGB analog angewendet, um die mitwirkende Tiergefahr beider Hunde bei der Haftungsverteilung zu berücksichtigen.
  3. § 90a BGB – Anwendung von Sachvorschriften auf Tiere: Diese Rechtsnorm ist wichtig, weil sie festlegt, dass die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden sind. Im vorliegenden Fall wird der Hund der Klägerin als „Sache“ im Sinne des § 90a BGB behandelt, sodass die Vorschriften für Sachen auf den Hund angewendet werden können.
  4. § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB – Ersatz von Heilbehandlungskosten: Diese Norm ist von Bedeutung, weil sie den Ersatz von Heilbehandlungskosten bei verletzten Tieren regelt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin tierärztliche Behandlungskosten geltend gemacht, und § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmt, dass diese Kosten nicht unverhältnismäßig sind, selbst wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen.
  5. §§ 286, 288 BGB – Verzugszinsen: Diese Rechtsnormen sind relevant, da sie die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen regeln. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin Anspruch auf Verzugszinsen, da der Beklagte mit der Zahlung des Schadenersatzes in Verzug geraten ist.

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