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40 Euro Verzugspauschale bei jedem Verzug

Der Europäische Gerichtshof stärkt Gläubigerrechte: Auch bei kleinen Beträgen und kurzen Verzögerungen im Geschäftsverkehr gibt es keinen Freifahrtschein für säumige Zahler. Ein polnisches Gericht wollte eine Klage wegen geringfügigen Zahlungsverzugs abweisen, doch der EuGH stellt klar: Die EU-Richtlinie sieht eine Mindestpauschale für Beitreibungskosten vor – ohne Wenn und Aber. Damit setzt der EuGH ein deutliches Zeichen für pünktliche Zahlungen und gegen laxen Umgang mit Zahlungsverpflichtungen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht behandelt die Auslegung der europäischen Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr.
  • Es besteht ein Rechtsstreit zwischen einem polnischen Fiskus und einer Gesellschaft wegen ausstehender Zahlungen und Beitreibungskosten.
  • Die nationale Praxis, Zahlungsklagen aufgrund geringer Zuschlagsbeträge abzulehnen, wird als problematisch erachtet.
  • Das Gericht hat entschieden, dass eine Ablehnung der Klage wegen unwesentlicher Verzugsbeträge nicht zulässig ist.
  • Die Entscheidung beruht auf der Notwendigkeit, den Gläubigern eine angemessene Entschädigung für Beitreibungskosten zu gewähren.
  • Eine solche Entschädigung soll den Schuldner dazu bewegen, Zahlungsfristen einzuhalten und dem Zahlungsverzug entgegenzuwirken.
  • Gläubiger können nun leichter auf die pauschale Entschädigung in Form von Verzugskosten bestehen.
  • Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Gläubigern in Fällen von Zahlungsausfällen.
  • Es wird eine klare Signalwirkung an die nationalen Gerichte gesendet, die Vorschriften der EU-Richtlinie zu beachten.
  • Die Regelung könnte zu einem Anstieg der tatsächlichen Zahlungseingänge führen und die Zahlungsmoral in Geschäftsbeziehungen verbessern.

Verzug im Zivilrecht: Ein Fall und die Bedeutung der Verzugspauschale

Im deutschen Zivilrecht spielt die Frage des Verzugs eine bedeutende Rolle, insbesondere wenn es um die rechtzeitige Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen geht. Ein Schuldner befindet sich im Verzug, wenn er eine fällige Leistung nicht rechtzeitig erbringt, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. In solchen Fällen ist der Gläubiger berechtigt, unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatz zu verlangen und kann zudem von der gesetzlichen Regelung einer Verzugspauschale Gebrauch machen. Diese beträgt aktuell 40 Euro und soll dem Gläubiger für den zusätzlichen Aufwand entschädigen, der durch die Verzögerung entsteht.

Die Verzugspauschale ist ein klar definierter Betrag, der ohne weitere Nachweise geltend gemacht werden kann, sofern sich der Schuldner in Verzug befindet. Dies vereinfacht die Durchsetzung von Ansprüchen und gibt dem Gläubiger eine Möglichkeit, seine Rechte geltend zu machen, ohne jeden Schaden im Einzelnen nachweisen zu müssen. Ihre Einführung in das Rechtssystem hat das Ziel, sowohl den Gläubigern als auch den Schuldnern eine klare Regelung zu bieten, die nicht nur rechtliche Klarheit schafft, sondern auch die Schnelligkeit der einvernehmlichen Lösungen fördert.

Im Folgenden wird nun ein konkreter Fall betrachtet, der diese Regelung in der Praxis beleuchtet und die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie deren Auswirkungen diskutiert.

Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr? Wir kennen Ihre Rechte.

Sie haben Probleme mit säumigen Zahlern und unbezahlten Rechnungen? Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH stärkt Ihre Position als Gläubiger – auch bei geringen Beträgen und kurzen Verzögerungen.

Unsere Kanzlei verfügt über umfassende Erfahrung im Bereich des Zahlungsverzugsrechts und kennt die neuesten Entwicklungen der Rechtsprechung. Wir bieten Ihnen eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation und beraten Sie zu Ihren Handlungsoptionen. Kontaktieren Sie uns noch heute und lassen Sie uns gemeinsam Ihre Ansprüche durchsetzen.

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Der Fall vor Gericht


Entscheidung des EuGH zur Pauschale bei Zahlungsverzug

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Vorabentscheidungsverfahren eines polnischen Gerichts eine wichtige Entscheidung zur Auslegung der EU-Richtlinie 2011/7 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob nationale Gerichte Klagen auf Zahlung der in der Richtlinie vorgesehenen Mindestpauschale von 40 Euro für Beitreibungskosten abweisen dürfen, wenn der Zahlungsverzug als unerheblich oder der geschuldete Betrag als gering eingestuft wird.

Hintergrund des Falls

Ein polnisches Messamt hatte gegen die Firma Z Klage auf Zahlung von 80 Euro erhoben, nachdem diese zweimal Rechnungen verspätet beglichen hatte. Die Verzögerungen betrugen 20 bzw. 5 Tage bei Beträgen von umgerechnet etwa 55 und 80 Euro. Das zuständige Gericht wies darauf hin, dass polnische Gerichte solche Klagen üblicherweise abweisen, wenn der Verzug nicht erheblich oder der Betrag gering sei. Diese Praxis stützt sich auf eine Auslegung des polnischen Zivilgesetzbuchs, wonach die Geltendmachung eines Rechts unzulässig ist, wenn sie gegen die „Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ verstößt.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass die EU-Richtlinie 2011/7 einer solchen Praxis entgegensteht. Die Richtlinie sieht vor, dass bei Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr der Gläubiger automatisch Anspruch auf eine Pauschale von mindestens 40 Euro als Entschädigung für Beitreibungskosten hat. Dies gilt laut EuGH unabhängig von der Höhe der Forderung oder der Dauer des Verzugs.

Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die Richtlinie nicht nur Zahlungsverzug verhindern, sondern auch Gläubiger wirksam gegen die Folgen schützen soll. Die Pauschale dient dazu, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu decken. Eine Befreiung von dieser Zahlung bei geringen Beträgen oder kurzen Verzögerungen würde laut EuGH die praktische Wirksamkeit der Richtlinie untergraben.

Konsequenzen für nationale Gerichte

Der EuGH betonte, dass nationale Gerichte verpflichtet sind, ihre Rechtsprechung gegebenenfalls zu ändern, wenn diese mit den Zielen einer EU-Richtlinie unvereinbar ist. Falls eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich ist, müssen die Gerichte die betreffenden nationalen Vorschriften unangewendet lassen, um die volle Wirksamkeit des EU-Rechts zu gewährleisten.

Bedeutung des Urteils

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Gläubigern im Geschäftsverkehr und unterstreicht die Bedeutung pünktlicher Zahlungen. Sie verdeutlicht, dass selbst kurze Verzögerungen oder geringe Beträge nicht als Bagatelle behandelt werden dürfen. Das Urteil zielt darauf ab, eine Kultur der pünktlichen Zahlung zu fördern und Unternehmen vor den negativen Folgen von Zahlungsverzögerungen zu schützen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Der EuGH stellt klar, dass die in der EU-Richtlinie 2011/7 vorgesehene Mindestpauschale von 40 Euro bei Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ausnahmslos zu zahlen ist, unabhängig von der Höhe der Forderung oder der Dauer des Verzugs. Nationale Gerichte dürfen diese Pauschale nicht mit Verweis auf Geringfügigkeit oder Unerheblichkeit verweigern. Dies stärkt die Position von Gläubigern und fördert eine Kultur pünktlicher Zahlungen im Geschäftsverkehr.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als Gläubiger im Geschäftsverkehr mit verspäteten Zahlungen konfrontiert sind, haben Sie nun einen stärkeren Rechtsanspruch auf die Verzugspauschale von 40 Euro – unabhängig von der Höhe des ausstehenden Betrags oder der Dauer der Verspätung. Gerichte dürfen Ihre Forderung nicht mehr mit der Begründung abweisen, der Verzug sei unerheblich oder der Betrag zu gering. Dies gilt für jede einzelne verspätete Zahlung. Sie können die Pauschale ohne vorherige Mahnung geltend machen, sobald die Zahlungsfrist überschritten ist. Ziel ist es, Ihre Verwaltungs- und Beitreibungskosten pauschal abzudecken und Zahlungsverzug generell zu reduzieren. Beachten Sie jedoch, dass Sie Ihre vertraglichen Pflichten erfüllt haben müssen, um den Anspruch geltend machen zu können.


FAQ – Häufige Fragen

In unserem FAQ-Bereich finden Sie wertvolle Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Wir bieten Ihnen rechtliche Klarheit und praktische Tipps, um Ihre Geschäfte sicher und effizient zu gestalten. Entdecken Sie, wie Sie Herausforderungen im Zahlungsverkehr meistern und rechtzeitig informieren können.


Was ist eine Verzugspauschale und wann kann ich sie geltend machen?

Die Verzugspauschale ist ein gesetzlich festgelegter Betrag von 40 Euro, den ein Gläubiger von einem säumigen Schuldner zusätzlich zu den Verzugszinsen verlangen kann. Sie dient als pauschaler Schadensersatz für den Aufwand, der dem Gläubiger durch die verspätete Zahlung entsteht.

Geltend gemacht werden kann die Verzugspauschale, sobald sich der Schuldner mit einer Zahlung in Verzug befindet. Der Verzug tritt in der Regel ein, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit und Mahnung nicht zahlt. Bei einem kalendermäßig bestimmten Zahlungstermin ist keine gesonderte Mahnung erforderlich.

Wichtig zu beachten ist, dass die Verzugspauschale bei jeder einzelnen verspäteten Zahlung anfällt. Dies bedeutet, dass bei mehreren ausstehenden Rechnungen oder Teilzahlungen die Pauschale für jede dieser Forderungen separat berechnet werden kann.

Die Verzugspauschale steht grundsätzlich nur Unternehmern im Geschäftsverkehr zu. Privatpersonen oder Verbraucher können diese Pauschale nicht geltend machen. Ebenso ist zu beachten, dass die Pauschale nicht zusätzlich verlangt werden kann, wenn sie bereits in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Verträgen ausgeschlossen wurde.

Ein typisches Beispiel für die Anwendung der Verzugspauschale wäre: Ein Handwerker stellt einem Unternehmen eine Rechnung über 1.000 Euro mit einem Zahlungsziel von 14 Tagen. Wird die Rechnung nicht fristgerecht beglichen, kann der Handwerker neben dem Rechnungsbetrag und den Verzugszinsen auch die Verzugspauschale von 40 Euro fordern.

Der Gläubiger muss die Verzugspauschale nicht gesondert ankündigen oder nachweisen. Sie steht ihm automatisch zu, sobald der Verzug eingetreten ist. Allerdings ist es ratsam, den Schuldner in der Mahnung oder Zahlungserinnerung auf die zusätzliche Pauschale hinzuweisen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Es ist zu beachten, dass die Verzugspauschale auf einen darüber hinausgehenden Verzugsschaden angerechnet wird. Das bedeutet, wenn dem Gläubiger durch den Zahlungsverzug höhere Kosten entstanden sind, kann er diese geltend machen, muss dann aber die bereits erhaltene Pauschale davon abziehen.

Die Verzugspauschale ist ein effektives Instrument für Unternehmen, um säumige Schuldner zur pünktlichen Zahlung zu motivieren und zumindest einen Teil des durch den Verzug entstandenen Aufwands zu kompensieren.

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Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Verzugspauschale zu fordern?

Die Verzugspauschale ist ein gesetzlich festgelegter Betrag, den ein Gläubiger zusätzlich zu seinen Ansprüchen fordern kann, wenn sich der Schuldner mit einer Zahlung in Verzug befindet. Um die Verzugspauschale geltend machen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Zahlungsverzug des Schuldners: Der Schuldner muss sich mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug befinden. Ein Verzug tritt ein, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet. In bestimmten Fällen kann der Verzug auch ohne Mahnung eintreten, beispielsweise wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.

Entgeltforderung: Die Forderung, mit der sich der Schuldner in Verzug befindet, muss eine Entgeltforderung sein. Das bedeutet, es muss sich um eine Gegenleistung für eine erbrachte Ware oder Dienstleistung handeln.

Geschäftsbeziehung: Die Verzugspauschale kann nur im Rahmen von Geschäftsbeziehungen geltend gemacht werden. Sie gilt für Verträge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern. Im Privatkundengeschäft findet die Pauschale keine Anwendung.

Kein Ausschluss der Pauschale: Die Geltendmachung der Verzugspauschale darf nicht vertraglich ausgeschlossen sein. Ein solcher Ausschluss ist jedoch nur in engen Grenzen zulässig und darf den Gläubiger nicht unangemessen benachteiligen.

Fälligkeit der Forderung: Die zugrundeliegende Forderung muss fällig sein. Das bedeutet, der Zeitpunkt, zu dem die Leistung erbracht werden soll, muss eingetreten sein.

Keine Einrede des Schuldners: Der Schuldner darf keine berechtigten Einreden gegen die Forderung haben, wie beispielsweise die Einrede der Verjährung oder des nicht erfüllten Vertrages.

Zurechenbares Verschulden: Der Zahlungsverzug muss dem Schuldner zurechenbar sein. Dies ist in der Regel der Fall, es sei denn, der Schuldner kann nachweisen, dass er den Verzug nicht zu vertreten hat.

Höhe der Verzugspauschale: Die gesetzliche Verzugspauschale beträgt 40 Euro. Dieser Betrag wird bei jedem Verzugsfall fällig, unabhängig von der Höhe der Hauptforderung oder der Dauer des Verzugs.

Geltendmachung: Der Gläubiger muss die Verzugspauschale aktiv geltend machen. Sie wird nicht automatisch fällig, sondern muss vom Gläubiger eingefordert werden.

Keine Anrechnung auf Schadensersatz: Die Verzugspauschale wird auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch angerechnet, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Sie schließt jedoch die Geltendmachung eines höheren Schadens nicht aus.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Verzugspauschale für jeden einzelnen Verzugsfall geltend gemacht werden kann. Dies bedeutet, dass bei wiederkehrenden Forderungen, wie beispielsweise monatlichen Mietzahlungen, für jeden Monat, in dem Verzug eintritt, eine separate Pauschale gefordert werden kann.

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Wie hoch ist die Verzugspauschale und gibt es Ausnahmen?

Die Verzugspauschale beträgt in Deutschland grundsätzlich 40 Euro. Diese Pauschale wird fällig, wenn ein Schuldner mit einer Zahlung in Verzug gerät. Der Gläubiger kann die Pauschale zusätzlich zu seinen sonstigen Ansprüchen geltend machen, ohne dass er einen konkreten Schaden nachweisen muss.

Es gibt jedoch einige wichtige Ausnahmen und Einschränkungen bei der Anwendung der Verzugspauschale. Die Pauschale gilt nur im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern. Im Privatkundengeschäft oder bei Verträgen zwischen Privatpersonen findet sie keine Anwendung.

Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die Verzugspauschale nicht zusätzlich geltend gemacht werden kann, wenn der Gläubiger bereits Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten hat. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn bereits ein Mahnverfahren eingeleitet wurde.

In bestimmten Fällen kann der Schuldner die Zahlung der Verzugspauschale auch abwenden. Wenn der Schuldner nachweisen kann, dass er den Zahlungsverzug nicht zu vertreten hat, entfällt die Pflicht zur Zahlung der Pauschale. Dies könnte etwa bei unverschuldeten Zahlungsschwierigkeiten oder bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Forderung der Fall sein.

Es ist zu beachten, dass die Verzugspauschale pro Verzugsfall anfällt. Das bedeutet, bei jeder verspäteten Zahlung kann die Pauschale erneut geltend gemacht werden, unabhängig von der Höhe der ausstehenden Forderung. Dies gilt auch für Teilzahlungen oder Ratenzahlungen, bei denen jede einzelne verspätete Rate einen neuen Verzugsfall darstellen kann.

Die Verzugspauschale dient als Ausgleich für den beim Gläubiger entstehenden Aufwand bei der Rechtsverfolgung. Sie soll einen Anreiz für pünktliche Zahlungen schaffen und die Position des Gläubigers stärken. Trotz der Pauschale behält der Gläubiger das Recht, einen höheren Schaden nachzuweisen und geltend zu machen, falls die tatsächlichen Kosten der Rechtsverfolgung die 40 Euro übersteigen.

In der Praxis ist es ratsam, die Verzugspauschale in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Verträgen explizit zu erwähnen, um Unklarheiten zu vermeiden. Gläubiger sollten jedoch bedenken, dass die aggressive Durchsetzung der Pauschale bei geringfügigen Verzögerungen die Geschäftsbeziehung belasten kann.

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Wie kann ich die Verzugspauschale in der Praxis geltend machen?

Die Geltendmachung der Verzugspauschale erfolgt in der Praxis durch ein strukturiertes Vorgehen. Zunächst ist es wichtig, den Schuldner in Verzug zu setzen. Dies geschieht entweder automatisch nach Ablauf von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder durch eine Mahnung. Die Mahnung sollte schriftlich erfolgen und folgende Elemente enthalten: eine klare Zahlungsaufforderung, die Angabe des geschuldeten Betrags, eine angemessene Zahlungsfrist und den Hinweis auf die Verzugspauschale.

Ein Beispiel für eine Mahnung könnte wie folgt lauten:

„Sehr geehrter Herr/Frau [Name],

trotz Fälligkeit am [Datum] haben Sie den Rechnungsbetrag in Höhe von [Betrag] Euro noch nicht beglichen. Ich fordere Sie hiermit auf, den ausstehenden Betrag innerhalb von 7 Tagen auf das Ihnen bekannte Konto zu überweisen. Bitte beachten Sie, dass bei Nichtzahlung innerhalb dieser Frist zusätzlich eine Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro fällig wird.“

Nach Ablauf der in der Mahnung gesetzten Frist tritt der Verzug ein. Ab diesem Zeitpunkt kann die Verzugspauschale geltend gemacht werden. Es empfiehlt sich, die Pauschale in einem separaten Schreiben zu fordern. Dieses Schreiben sollte die Grundlage des Anspruchs (§ 288 Abs. 5 BGB) sowie die Höhe der Pauschale (40 Euro) klar benennen.

Bei der Geltendmachung ist zu beachten, dass die Verzugspauschale pro Verzugsfall anfällt. Das bedeutet, sie kann für jede verspätete Zahlung einer Rechnung separat gefordert werden. Es ist nicht erforderlich, einen konkreten Schaden nachzuweisen, da es sich um eine Pauschale handelt.

Sollte der Schuldner trotz Aufforderung die Verzugspauschale nicht zahlen, kann diese zusammen mit der Hauptforderung gerichtlich geltend gemacht werden. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie das Mahnverfahren oder die Klage. Beim Mahnverfahren wird ein Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Dies kann auch online über das automatisierte gerichtliche Mahnverfahren erfolgen.

Bei der Durchsetzung der Verzugspauschale ist Folgendes zu beachten:

– Die Pauschale steht nur Unternehmern zu, nicht Verbrauchern.

– Sie kann auch dann gefordert werden, wenn kein konkreter Schaden entstanden ist.

– Die Pauschale wird auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch angerechnet.

– Der Anspruch auf die Pauschale kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.

In der Praxis ist es ratsam, die Geltendmachung der Verzugspauschale konsequent zu verfolgen. Dies kann nicht nur zur Deckung von Beitreibungskosten beitragen, sondern auch eine abschreckende Wirkung auf säumige Zahler haben und somit das Zahlungsverhalten insgesamt verbessern.

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Welche Rechte habe ich, wenn mein Vertragspartner nicht zahlt?

Bei Zahlungsverzug des Vertragspartners stehen dem Gläubiger verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst tritt der Schuldner automatisch in Verzug, wenn er eine fällige Zahlung nicht leistet und eine Mahnung erfolgt ist. In bestimmten Fällen, etwa wenn ein konkretes Zahlungsdatum vereinbart wurde, kann der Verzug auch ohne Mahnung eintreten.

Ein wesentliches Recht des Gläubigers ist die Erhebung von Verzugszinsen. Diese betragen bei Rechtsgeschäften ohne Verbraucherbeteiligung neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei Verbraucherbeteiligung liegt der Zinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die Verzugszinsen beginnen ab dem Tag des Verzugseintritts zu laufen.

Zusätzlich zu den Verzugszinsen kann der Gläubiger eine Pauschale in Höhe von 40 Euro für jeden Verzugsfall geltend machen. Diese Pauschale dient als Ausgleich für den entstehenden Verwaltungsaufwand und die Beitreibungskosten. Sie ist unabhängig von der Höhe der ausstehenden Forderung und kann auch mehrfach erhoben werden, wenn der Schuldner wiederholt in Verzug gerät.

Der Gläubiger hat außerdem das Recht, den durch den Zahlungsverzug entstandenen Schaden geltend zu machen. Dies kann beispielsweise Kosten für Mahnungen, Inkassobüros oder Rechtsanwälte umfassen. Allerdings muss der Gläubiger diesen Schaden im Einzelnen nachweisen.

Bei anhaltender Zahlungsverweigerung kann der Gläubiger gerichtliche Schritte einleiten. Dies beginnt in der Regel mit einem Mahnbescheid, gefolgt von einem Vollstreckungsbescheid, wenn der Schuldner nicht reagiert. Mit dem Vollstreckungsbescheid kann der Gläubiger dann Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, wie etwa die Pfändung von Konten oder Gehalt des Schuldners.

In bestimmten Fällen hat der Gläubiger auch das Recht, vom Vertrag zurückzutreten oder diesen zu kündigen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn die Zahlung eine wesentliche Vertragspflicht darstellt und der Schuldner trotz angemessener Fristsetzung nicht leistet.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Rechte und Möglichkeiten des Gläubigers von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängen können. Faktoren wie die Art des Vertrages, die Höhe der ausstehenden Summe und das Verhalten des Schuldners spielen dabei eine Rolle.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Gläubiger: Der Gläubiger ist die Person oder das Unternehmen, der/dem eine Leistung zusteht, z.B. die Bezahlung einer Rechnung. Im vorliegenden Fall ist das polnische Messamt der Gläubiger.
  • Schuldner: Der Schuldner ist die Person oder das Unternehmen, die/das eine Leistung erbringen muss, z.B. die Bezahlung einer Rechnung. Im vorliegenden Fall ist die Firma Z der Schuldner.
  • Zahlungsverzug: Zahlungsverzug liegt vor, wenn der Schuldner eine fällige Leistung (z.B. Zahlung einer Rechnung) nicht rechtzeitig erbringt. Im vorliegenden Fall befand sich die Firma Z in Zahlungsverzug, da sie Rechnungen verspätet beglichen hat.
  • Verzugspauschale: Die Verzugspauschale ist ein pauschalierter Geldbetrag, den der Gläubiger vom Schuldner bei Zahlungsverzug fordern kann. Sie dient als Entschädigung für den Aufwand, der dem Gläubiger durch die verspätete Zahlung entsteht. Im vorliegenden Fall geht es um eine Verzugspauschale von 40 Euro, die nach EU-Recht vorgesehen ist.
  • Beitragskosten: Beitreibungskosten sind die Kosten, die dem Gläubiger entstehen, wenn er seine Forderung eintreiben muss, z.B. Mahnkosten oder Anwaltskosten. Die Verzugspauschale dient dazu, diese Kosten abzudecken.
  • Vorabentscheidungsverfahren: Ein Vorabentscheidungsverfahren ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), bei dem ein nationales Gericht den EuGH um Auslegung des EU-Rechts bittet. Im vorliegenden Fall hat ein polnisches Gericht den EuGH gefragt, ob es Klagen auf Zahlung der Verzugspauschale abweisen darf, wenn der Verzug geringfügig ist.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Richtlinie 2011/7/EU (Zahlungsverzugsrichtlinie): Diese Richtlinie zielt darauf ab, Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zu bekämpfen und die Rechte von Gläubigern zu stärken. Sie legt Mindeststandards für Zahlungsbedingungen, Verzugszinsen und Entschädigungen für Beitreibungskosten fest. Im vorliegenden Fall ist die Richtlinie relevant, da sie einen Anspruch auf eine Mindestpauschale von 40 Euro bei Zahlungsverzug vorsieht, unabhängig von der Höhe der Forderung oder der Dauer des Verzugs.
  • Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2011/7/EU: Dieser Artikel regelt den Anspruch auf eine Mindestpauschale von 40 Euro als Entschädigung für Beitreibungskosten bei Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Er ist zentral für den vorliegenden Fall, da der EuGH entschieden hat, dass dieser Anspruch nicht von der Höhe der Forderung oder der Dauer des Verzugs abhängig gemacht werden darf.
  • Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2011/7/EU: Dieser Artikel definiert den Begriff „Geschäftsverkehr“, der den Anwendungsbereich der Richtlinie bestimmt. Er ist relevant, da die Richtlinie nur für Zahlungen gilt, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen solchen Geschäftsverkehr, da ein Messamt Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht hat.
  • Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2011/7/EU: Dieser Artikel legt den Gegenstand und Anwendungsbereich der Richtlinie fest. Er ist relevant, da er klarstellt, dass die Richtlinie darauf abzielt, Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zu bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu fördern. Dies unterstreicht die Bedeutung des Anspruchs auf die Mindestpauschale für Beitreibungskosten.
  • Erwägungsgründe 12, 17 und 19 Richtlinie 2011/7/EU: Diese Erwägungsgründe geben Einblick in die Ziele und Beweggründe des Gesetzgebers bei der Schaffung der Richtlinie. Sie sind relevant, da sie verdeutlichen, dass die Richtlinie nicht nur Zahlungsverzug verhindern, sondern auch Gläubiger wirksam gegen die Folgen schützen soll. Die Pauschale dient dazu, die mit der Beitreibung verbundenen Kosten zu decken, und soll auch bei geringen Beträgen oder kurzen Verzögerungen gelten.

Das vorliegende Urteil

EuGH – Az.: Rs. C-279/23 – Urteil vom 11.07.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte entgegensteht, die darin besteht, Klagen auf Zahlung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestpauschalbetrags als Entschädigung für Beitreibungskosten mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich sei oder dass der Betrag, mit dem der Schuldner in Verzug geraten sei, gering sei.

In der Rechtssache C‑279/23 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sd Rejonowy Katowice – Zachód w Katowicach (Rayongericht Katowice Zachód [Kattowitz West], Polen) mit Entscheidung vom 7. März 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2023, in dem Verfahren Skarb Pastwa – Dyrektor Okrgowego Urzdu Miar w K. gegen Z. sp.j. erlässt DER GERICHTSHOF (Achte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, (…) aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).

 

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skarb Pastwa (Fiskus, Polen), vertreten durch den Dyrektor Okrgowego Urzdu Miar w K. (Fiskus – Direktor des Regionalen Messamts K.) (im Folgenden: Messamt), und der Z. sp.j. (im Folgenden: Z), einer Gesellschaft polnischen Rechts, wegen eines Antrags auf pauschale Entschädigung für die Beitreibungskosten, die diesem Amt wegen wiederholten Zahlungsverzugs von Z im Zusammenhang mit von diesem Amt erbrachten Dienstleistungen im Bereich der Eichung von Messgeräten entstanden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

In den Erwägungsgründen 12, 17 und 19 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„(12) Zahlungsverzug stellt einen Vertragsbruch dar, der für die Schuldner in den meisten Mitgliedstaaten durch niedrige oder nicht vorhandene Verzugszinsen und/oder langsame Beitreibungsverfahren finanzielle Vorteile bringt. Ein durchgreifender Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung, in der auch der Ausschluss des Rechts zur Verzinsung von verspäteten Zahlungen immer als grob nachteilige Vertragsklausel oder Praxis betrachtet wird, ist erforderlich, um diese Entwicklung umzukehren und von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. Dieser Wandel sollte auch die Einführung besonderer Bestimmungen zu Zahlungsfristen und zur Entschädigung der Gläubiger für die ihnen entstandenen Kosten einschließen, sowie auch Bestimmungen, wonach vermutet wird, dass der Ausschluss des Rechts auf Entschädigung für Beitreibungskosten grob nachteilig ist.

(17) Die Zahlung eines Schuldners sollte als verspätet in dem Sinne betrachtet werden, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen entsteht, wenn der Gläubiger zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht über den geschuldeten Betrag verfügt, vorausgesetzt, er hat seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

(19) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. Eine Entschädigung für die Beitreibungskosten sollte unbeschadet nationaler Bestimmungen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger eine Entschädigung für einen durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen zusätzlichen Schaden zusprechen kann, festgelegt werden.“

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie sieht vor:

 

„(1) Diese Richtlinie dient der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, um sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert, und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und insbesondere von [kleineren und mittleren Unternehmen (KMU)] zu fördern.

(2) Diese Richtlinie ist auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden. …“

Art. 2 Nrn. 1 bis 4 der Richtlinie bestimmen:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. ‚Geschäftsverkehr‘ Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen;

2. ‚öffentliche Stelle‘ jeden öffentlichen Auftraggeber im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1)] und von Artikel 1 Absatz 9 der Richtlinie 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)], unabhängig vom Gegenstand oder Wert des Auftrags;

3. ‚Unternehmen‘ jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Organisation, ausgenommen öffentliche Stellen, auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen Person ausgeübt wird;

4. ‚Zahlungsverzug‘ eine Zahlung, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist erfolgt ist, sofern zugleich die Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 1 oder des Artikels 4 Absatz 1 erfüllt sind.“

In Art. 3 („Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen“) der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a) Der Gläubiger hat seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, und

b) der Gläubiger hat den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten, es sei denn, dass der Schuldner für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist. …“

Art. 4 („Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei Geschäftsvorgängen mit einer öffentlichen Stelle als Schuldner der Gläubiger nach Ablauf der in den Absätzen 3, 4 oder 6 festgelegten Fristen Anspruch auf den gesetzlichen Zins bei Zahlungsverzug hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a) Der Gläubiger hat seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, und

b) der Gläubiger hat den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten, es sei denn, der Schuldner ist für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich.“

Art. 6 („Entschädigung für Beitreibungskosten“) der Richtlinie 2011/7 sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 [Euro] hat.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der in Absatz 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist. …“

In Art. 7 („Nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken“) Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten bestimmen, dass eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Hinblick auf den Zahlungstermin oder die Zahlungsfrist, auf den für Verzugszinsen geltenden Zinssatz oder auf die Entschädigung für Beitreibungskosten entweder nicht durchsetzbar ist oder einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn sie für den Gläubiger grob nachteilig ist.

Bei der Entscheidung darüber, ob eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Sinne von Unterabsatz 1 grob nachteilig für den Gläubiger ist, werden alle Umstände des Falles geprüft, einschließlich folgender Aspekte:

a) jede grobe Abweichung von der guten Handelspraxis, die gegen den Grundsatz des guten Glaubens und der Redlichkeit verstößt;

b) die Art der Ware oder der Dienstleistung und

c) ob der Schuldner einen objektiven Grund für die Abweichung vom gesetzlichen Zinssatz bei Zahlungsverzug oder von der in Artikel 3 Absatz 5, Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a, Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 4 Absatz 6 genannten Zahlungsfrist oder von dem Pauschalbetrag gemäß Artikel 6 Absatz 1 hat.

(2) Eine Vertragsklausel oder eine Praxis ist als grob nachteilig im Sinne von Absatz 1 anzusehen, wenn in ihr Verzugszinsen ausgeschlossen werden.

(3) Es wird vermutet, dass eine Vertragsklausel oder Praxis grob nachteilig im Sinne von Absatz 1 ist, wenn in ihr die in Artikel 6 genannte Entschädigung für Beitreibungskosten ausgeschlossen wird.“

Polnisches Recht

Gesetz zur Bekämpfung übermäßigen Verzugs im Geschäftsverkehr

Art. 10 der Ustawa o przeciwdziaaniu nadmiernym opónieniom w transakcjach handlowych (Gesetz zur Bekämpfung übermäßigen Verzugs im Geschäftsverkehr) vom 8. März 2013 (Dz. U. 2022, Position 893), mit der die Richtlinie 2011/7 in polnisches Recht umgesetzt wurde und die am 28. April 2013 in Kraft getreten ist, bestimmt:

„1. Der Gläubiger hat ab Fälligkeit der in Art. 7 Abs. 1 oder Art. 8 Abs. 1 genannten Zinsen gegenüber dem Schuldner ohne Mahnung Anspruch auf Entschädigung für die Beitreibungskosten, wobei die folgenden Beträge zu zahlen sind:

1) 40 Euro – wenn der Wert der Geldleistung 5 000 [polnische] Z?oty [(PLN)] [etwa 1 155 Euro] nicht übersteigt,

2. Der Gläubiger hat zusätzlich zu dem in Abs. 1 genannten Betrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz der von ihm getragenen Beitreibungskosten, die diesen Betrag überschreiten.“

Zivilgesetzbuch

Art. 5 der Ustawa – Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. 2022, Position 1360) (im Folgenden: Polnisches Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Die Ausübung eines eigenen Rechts ist unzulässig, wenn sie mit der sozio-ökonomischen Zweckbestimmung dieses Rechts oder mit den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unvereinbar wäre. Eine solche Handlung oder Unterlassung durch den Berechtigten gilt nicht als Rechtsausübung und genießt keinen Schutz.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Das Messamt erbringt Dienstleistungen im Bereich der Eichung von Messgeräten, die von der Gesellschaft Z regelmäßig in Anspruch genommen wurden. Diese bezahlte die Dienstleistungen zweimal mit Verspätung. Die erste, um 20 Tage verspätete Zahlung, belief sich auf einen Betrag von 246 PLN (etwa 55 Euro) und die zweite, um fünf Tage verspätete Zahlung, auf einen Betrag von 369 PLN (etwa 80 Euro).

Daraufhin erhob das Messamt beim S?d Rejonowy Katowice – Zachód w Katowicach (Rayongericht Katowice Zachód, Polen), dem vorlegenden Gericht, eine Klage auf Zahlung eines Betrags von 80 Euro zuzüglich der nach polnischem Recht vorgesehenen Zinsen, d. h. eines Betrags, der dem Doppelten der Entschädigung für Beitreibungskosten gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung übermäßigen Verzugs im Geschäftsverkehr entspricht.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung der polnischen Gerichte Klagen auf Zahlung des Pauschalbetrags für Beitreibungskosten abgewiesen würden, wenn der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich oder der Betrag der zu erfüllenden Forderung gering sei. Die Rechtssache, mit der es befasst sei, veranschauliche eine solche Praxis, da Z niemals verurteilt worden sei, obwohl sie sich mindestens 39 Mal in Verzug befunden habe.

Die Abweisung dieser Klagen werde auf Art. 5 des polnischen Zivilgesetzbuchs gestützt, der dahin ausgelegt werde, dass dann, wenn der Betrag einer Forderung, deren Erfüllung verzögert sei, den Gegenwert von 100 bis 300 Euro in polnischen Zloty nicht übersteige oder wenn eine Forderung mit nicht mehr als zwei bis sechs Wochen Verspätung erfüllt werde, eine Entschädigung des Gläubigers als „gegen die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens verstoßend“ angesehen werde, eine Wendung, die das vorlegende Gericht dem Begriff „sittenwidrig“ gleichstellt.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine solche Auslegung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 im Licht ihres zwölften Erwägungsgrundes vereinbar ist. Dass die polnischen Gerichte eine Gepflogenheit akzeptierten, nach der die Schuldner kleine Beträge nach Fristablauf beglichen, mit der Folge, dass ein Gläubiger, der diese Gepflogenheit missachte und eine Entschädigung verlange, gegen die „Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ verstoße, rechtfertige es nicht, im nationalen Recht eine Ausnahme von der klaren, genauen und unbedingten Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 einzuführen.

In diesem Zusammenhang hat der Sd Rejonowy Katowice – Zachód w Katowicach (Rayongericht Katowice Zachód) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein nationales Gericht eine Klage auf Entschädigung für die in dieser Vorschrift genannten Beitreibungskosten mit der Begründung abweisen kann, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich war oder dass der Betrag, mit dem der Schuldner in Verzug geraten ist, gering war?

Zur Vorlagefrage

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine öffentliche Stelle im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/7 Gläubigerin eines Geldbetrags gegenüber einem Unternehmen ist, die Beziehungen zwischen diesen beiden Rechtssubjekten nicht unter den Begriff „Geschäftsverkehr“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie fallen und daher vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind (Urteil vom 13. Januar 2022, New Media Development & Hotel Services, C‑327/20, EU:C:2022:23, Rn. 44).

Der Gerichtshof ist jedoch für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen zuständig, die unionsrechtliche Vorschriften in Fällen betreffen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zwar nicht in den unmittelbaren Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, diese Vorschriften aber durch das nationale Recht aufgrund eines darin enthaltenen Verweises auf ihren Inhalt für anwendbar erklärt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 53 und vom 30. Januar 2020, I.G.I., C‑394/18, EU:C:2020:56, Rn. 45).

Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das polnische Recht den Anspruch auf Entschädigung für Beitreibungskosten auf Situationen ausdehne, die nicht von der Richtlinie 2011/7 erfasst seien und in denen der Gläubiger eines Betrags, dessen Zahlung verspätet sei, eine öffentliche Stelle und der Schuldner ein Unternehmen sei, damit die Entschädigung zu genau denselben Bedingungen gezahlt werde, unabhängig davon, ob der Gläubiger ein Unternehmen oder eine öffentliche Stelle sei. Unter diesen Umständen erscheint die erbetene Auslegung im Wege der Vorabentscheidung erforderlich, damit die anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts einheitlich ausgelegt werden. Die Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu beantworten.

Mit seiner einzigen Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte entgegensteht, die darin besteht, Klagen auf Zahlung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestpauschalbetrags als Entschädigung für Beitreibungskosten mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich sei oder dass der Betrag der Forderung, mit dessen Erfüllung der Schuldner in Verzug geraten sei, gering sei.

Erstens verpflichtet Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass in Fällen, in denen im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 Euro als Entschädigung für Beitreibungskosten hat. Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/7 sicherstellen, dass dieser Mindestpauschalbetrag auch ohne Mahnung des Schuldners und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers automatisch zu zahlen ist.

Der Begriff „Zahlungsverzug“, der dem Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner nicht nur auf Zinsen, sondern auch auf einen pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 zugrunde liegt, ist in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie als eine Zahlung definiert, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist erfolgt ist. Da diese Richtlinie gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 für „alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind“, gilt, ist der Begriff „Zahlungsverzug“ auf jeden Geschäftsvorgang einzeln betrachtet anwendbar (Urteile vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia, C‑585/20, EU:C:2022:806, Rn. 28, und vom 1. Dezember 2022, X [Lieferungen von medizinischen Erzeugnissen], C‑419/21, EU:C:2022:948, Rn. 30).

Zweitens sind gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7, soweit es um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen geht, und Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, soweit es um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen geht, die Verzugszinsen sowie der Pauschalbetrag von 40 Euro automatisch nach Ablauf der in Art. 3 bzw. Art. 4 dieser Richtlinie zu zahlen. Nach ihrem 17. Erwägungsgrund „[sollte] [d]ie Zahlung eines Schuldners … als verspätet in dem Sinne betrachtet werden, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen entsteht, wenn der Gläubiger zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht über den geschuldeten Betrag verfügt, vorausgesetzt, er hat seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen erfüllt“.

Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 deutet nicht darauf hin, dass der in der letztgenannten Bestimmung vorgesehene Mindestpauschalbetrag bei einem nicht erheblichen Zahlungsverzug, für den allein der Schuldner verantwortlich ist, oder aufgrund des geringen Betrags der betreffenden Forderung nicht fällig wäre.

Folglich ergibt sich aus einer wörtlichen und systematischen Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7, dass der als Entschädigung für Beitreibungskosten vorgesehene Mindestpauschalbetrag von 40 Euro dem Gläubiger, der seine Verpflichtungen erfüllt hat, für jede nicht bei Fälligkeit als Entgelt für einen Geschäftsvorgang geleistete Zahlung geschuldet wird, unabhängig von der Höhe der Forderung, auf die sich der Zahlungsverzug bezieht, oder der Dauer dieses Verzugs.

Drittens wird diese Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2011/7 durch ihren Zweck bestätigt. Aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie im Licht ihrer Erwägungsgründe 12 und 19 ergibt sich nämlich, dass sie nicht nur Zahlungsverzug verhindern soll, indem vermieden wird, dass er für den Schuldner durch niedrige oder nicht vorhandene Verzugszinsen in einer solchen Situation finanziell vorteilhaft ist, sondern auch den Gläubiger wirksam gegen Zahlungsverzug schützen soll. Im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass zum einen in den Beitreibungskosten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein sollten und dass zum anderen die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags dazu dienen sollte, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia, C‑585/20, EU:C:2022:806, Rn. 35 und 36, sowie vom 1. Dezember 2022, X [Lieferungen von medizinischen Erzeugnissen], C‑419/21, EU:C:2022:948, Rn. 36).

Unter diesem Blickwinkel können weder der geringe Betrag der geschuldeten Forderung noch die Unerheblichkeit des Zahlungsverzugs es rechtfertigen, den Schuldner vom Mindestpauschalbetrag zu befreien, der als Entschädigung für die Beitreibungskosten für jeden Zahlungsverzug geschuldet wird, für den er allein verantwortlich ist. Diese Befreiung liefe darauf hinaus, Art. 6 der Richtlinie 2011/7 jegliche praktische Wirksamkeit zu nehmen. Deren Zweck besteht, wie in der vorstehenden Randnummer dargelegt, nicht nur darin, diesen Zahlungsverzug zu verhindern, sondern auch darin, mit diesen Beträgen eine Entschädigung „für die Beitreibungskosten des Gläubigers“ bereitzustellen – Kosten, die tendenziell im Verhältnis zur Anzahl der Zahlungen und der Beträge, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistet bzw. beglichen hat, steigen. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Schuldner einen „objektiven Grund“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie hat, um den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie genannten Pauschalbetrag nicht zu zahlen, da Art. 7 Abs. 3 klarstellt, dass vermutet wird, dass „eine Vertragsklausel oder Praxis grob nachteilig im Sinne von Absatz 1 ist, wenn in ihr die in Artikel 6 genannte Entschädigung für Beitreibungskosten ausgeschlossen wird“ (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia, C‑585/20, EU:C:2022:806, Rn. 37, und vom 1. Dezember 2022, X [Lieferungen von medizinischen Erzeugnissen], C‑419/21, EU:C:2022:948, Rn. 37).

Schließlich ist zu dem vom vorlegenden Gericht angeführten Art. 5 des polnischen Zivilgesetzbuchs, wonach die Ausübung eines eigenen Rechts unter Verstoß gegen seine sozio-ökonomische Zweckbestimmung oder die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht geschützt ist, darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verlangt, dass die nationalen Gerichte u. a. unter Beachtung des Verbots der Auslegung contra legem des nationalen Rechts unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez, C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 27, und vom 4. Mai 2023, ALD Automotive, C‑78/22, EU:C:2023:379, Rn. 40).

Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst u. a. die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist (Urteil vom 6. November 2018, Max‑Planck‑Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 60).

Soweit Art. 5 des polnischen Zivilgesetzbuchs nicht im Einklang mit Art. 6 der Richtlinie 2011/7, wie er in den Rn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils ausgelegt worden ist, ausgelegt werden können sollte, und in Anbetracht der in der vorstehenden Randnummer genannten Anforderungen ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, verpflichtet, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls eine – auch spätere – Bestimmung des nationalen Rechts wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (Urteil vom 24. Juni 2019, Pop?awski, C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte entgegensteht, die darin besteht, Klagen auf Zahlung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestpauschalbetrags als Entschädigung für Beitreibungskosten mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich sei oder dass der Betrag, mit dem der Schuldner in Verzug geraten sei, gering sei.

Kosten

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte entgegensteht, die darin besteht, Klagen auf Zahlung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestpauschalbetrags als Entschädigung für Beitreibungskosten mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsverzug des Schuldners nicht erheblich sei oder dass der Betrag, mit dem der Schuldner in Verzug geraten sei, gering sei.

 


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