Skip to content

Ehevertrag – Abänderung und Nichtigkeit des Ehevertrags

Oberlandesgericht Bremen

Az: 5 UF 76/09

Beschluss vom 11.03.2010


I. Die Parteien werden nach erneuter Beratung im Senat auf Folgendes hingewiesen:

Der Senat hält den Ehevertrag vom 11.9.1991 (UR- Nr. […]/1991 des Notars L. in B.) wegen der Formnichtigkeit des handschriftlichen Zusatzvertrages vom 12.9.1991 für insgesamt nichtig. Er beabsichtigt daher, das Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – B. vom 29.9.2009 hinsichtlich der Entscheidung in den Folgesachen 5 (nachehelicher Unterhalt), 6 (Versorgungsausgleich), 7 (Hausratsverteilung) und 8 (Zugewinnausgleich), d.h. in Ziffer 2 – 5 des Urteils aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Dem liegen folgende Überlegungen zu Grunde:

Da der Ehevertrag vom 11.9.1991 Regelungen zum Güterrecht, Versorgungsausgleich, Hausrat und nachehelichem Unterhalt enthält, die nach dem Willen der Parteien und angesichts der Bedeutung der im Vertrag getroffenen Regelungen in einem untrennbaren Zusammenhang standen, bedurften alle Vereinbarungen der notariellen Beurkundung (BGH, FamRZ 2002, 1179), auch wenn Regelungen zum nachehelichen Unterhalt nach altem Recht formfrei möglich waren (§ 1585 c BGB a.F.). Die Formbedürftigkeit der Ursprungsvereinbarung ergreift aber auch alle Vereinbarungen, mit denen einzelne in dem notariellen Vertragswerk enthaltenen Regelungen abgeändert werden sollten (BGH, NJW-RR 88, 185; Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 3. Aufl., Rn. 118; MK/Einsele, BGB, 5. Aufl., § 125 Rn. 18). Die Formbedürftigkeit ergreift daher auch die Zusatzvereinbarung vom 12.9.1991. Eine Ausnahme vom Formzwang macht die Rechtsprechung nur, wenn die Änderungen nur der Beseitigung unvorhergesehener Schwierigkeiten der Vertragsanwicklung ohne wesentliche Änderung der Vertragspflicht dienen (BGH, NJW 01, 1932) oder die formbedürftige Verpflichtung des Hauptvertrages nur eingeschränkt oder geringfügig modifiziert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Gegenteil schränkte die Zusatzvereinbarung nach ihrem Wortlaut die in der notariellen Vereinbarung enthaltene Regelung des nachehelichen Unterhalts, auf die sie ausdrücklich Bezug nimmt, wesentlich ein, sollte doch der Ehefrau für den Fall, dass sie die Schuld am Scheitern der Ehe trüge, jeglicher Unterhaltsanspruch versagt sein. Eine solche Regelung bedurfte daher ebenfalls der notariellen Beurkundung. Die Parteien waren sich über den inneren Zusammenhang und wohl auch die Formbedürftigkeit nicht im Unklaren, sollte doch der Zeuge W. das von den Parteien unterzeichnete handschriftliche Exemplar beim Notar L. abliefern. Da es zur Beurkundung der Zusatzvereinbarung aber nicht gekommen ist, ist diese nichtig.

Die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung führt hier auch gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten ehevertraglichen Regelungswerks. Nach dem Vortrag des Ehemannes, dem die Ehefrau insoweit nicht entgegen tritt, da sie den notariellen Vertrag ohnehin aus inhaltlichen Gründen als sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit nichtig ansieht, sollten nur beide Vereinbarungen zusammen den Regelungswillen der Parteien zutreffend abbilden. Der Ehemann hat dazu ergänzend geltend gemacht, ohne die Zusatzvereinbarung hätte er die Ehe, die Wirksamkeitsvoraussetzung für die rechtlichen Wirkungen des Vertrages ist, nicht geschlossen. Aus seiner Sicht sollten also die äußerlich getrennten Regelungen zum Unterhalt der Ehefrau miteinander stehen und fallen (BGH, NJW 2007, 1131; BGH, – NJW-RR 2007, 395). Dafür spricht auch der enge zeitliche Zusammenhang beider Vereinbarungen sowie der Umstand, dass beide noch vor Eingehung der Ehe getroffen worden sind. Der Wille des Ehemannes zu einer einheitlichen Regelung der Unterhaltsfrage war für die Ehefrau auch klar erkennbar und ist von ihr zumindest hingenommen worden. Er wird bekräftigt durch den Umstand, dass die Parteien den Zeugen W. beauftragt haben, die Zusatzvereinbarung noch vor der Eheschließung beim Notar L. abzuliefern. Es ist also im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, dass die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung und die Auswirkungen auf den notariellen Vertrag klar gewesen, zumindest die in der notariellen Urkunde enthaltenen Regelungen gewollt hätten. Deshalb ist gemäß § 139 BGB von der Gesamtnichtigkeit aller Vereinbarungen, also auch der Nichtigkeit des notariellen Vertrages, auszugehen.

Die im notariellen Vertrag enthaltene salvatorische Klausel steht dem nicht entgegen. Solche standardgemäß verwendete Erhaltungsklauseln entbinden in der Regel nicht von der in jedem Einzelfall vorzunehmenden Abwägung, ob das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Sie weisen lediglich abweichend von § 139 BGB demjenigen die Beweislast zu, der sich auf die Gesamtnichtigkeit beruft (BGH, NJW 2003, 347; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 139, Rn. 17). Da hier unstreitig beide Parteien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, die ursprüngliche Vereinbarung (allein) nicht gewollt hätten, ergreift die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung den gesamten Vertrag.

Es sind daher noch die Folgesachen 5, 6, 7 und 8 durchzuführen, und zwar wiederum unter einander im Entscheidungsverbund (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629a, Rn. 6). Da es dazu insbesondere in den Folgesachen 7 und 8 umfangreicher weiterer Ermittlungen und ggf. Beweisaufnahmen bedarf, wird der Rechtsstreit auf den Antrag der Ehefrau unter Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Ausspruchs in Ziffer 2 – 5 an das Familiengericht zurückzuverweisen sein.

II. Die mündliche Verhandlung wird wieder eröffnet. Termin zur erneuten mündlichen Verhandlung wird anberaumt für ……

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos