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Abfindung – Steuerbegünstigung


BUNDESFINANZHOF

Az.: XI R 22/00

Urteil vom 14.08.2001

Vorinstanz: FG Köln


Leitsatz:
Eine Entlassungsentschädigung bleibt auch dann steuerbegünstigt, wenn in einem späteren Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen erbracht werden.


Gründe

I.

Streitig ist, ob die Zahlung einer Entlassungsentschädigung gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1974 als Chemiker in der Forschungsabteilung des Unternehmens seines Arbeitgebers beschäftigt. Unter dem 30. September 1996 schloss er mit seinem Arbeitgeber einen Vertrag über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1997. Dieser Vertrag sollte eine ansonsten aus dringenden betrieblichen Gründen bedingte Kündigung vermeiden. Nach Ziff. 3 des Vertrags sollte der Arbeitgeber als Ausgleich einen Betrag von 500 000 DM zahlen; 36 000 DM sollten steuerfrei belassen und 464 000 DM dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Die Abfindungssumme war zum 1. Dezember 1996 fällig und wurde auch ausgezahlt. Nach Ziff. 4 übernahm der Arbeitgeber für den Kläger die Kosten einer sog. Outplacement-Beratung bis zu einem Kostenaufwand von max. 50 000 DM incl. Mehrwertsteuer.

Durch Schreiben vom 30. September 1996 und 2. Oktober 1996 wurde weiter vereinbart:

„Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass die gemäß Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages vereinbarte Abfindung für den Fall, dass (der Kläger) die Outplacement-Beratung nicht in Anspruch nehmen will und wird, um 50.000 DM erhöht wird. Sollte die Inanspruchnahme des Outplacement nicht bis zum 1.12.1996 fallen können, wird dieser Erhöhungsbetrag zum letzten des der entsprechenden Nachricht unseres Mandanten folgenden übernächsten Monats erfolgen.“

In einem Schreiben des Arbeitgebers vom 10. September 1997 wird nochmals ausgeführt, dass der Kläger vom 1. Dezember 1996 frei über die 50 000 DM Outplacement-Beratungskosten verfügen könne bzw. dass er einen Anspruch auf den nicht verbrauchten Teil habe, den er sich jederzeit frei auszahlen lassen oder für eine weitere Outplacement-Beratung verwenden könne. Mit Schreiben vom 18. März 1999 bestätigte der Arbeitgeber, dass er im Jahr 1997 für mehrere Veranstaltungen (Selbstmanagement, MS-Excel 5.0 etc.) Kosten in Höhe von insgesamt 8 750,04 DM übernommen habe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) behandelte im Einspruchsverfahren einen Betrag von 36 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG als steuerfrei. Hinsichtlich des Restbetrags von 464 000 DM komme eine Steuerermäßigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht in Betracht, da sich die Entschädigung auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt habe. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 498 veröffentlicht.

Mit der Revision machen die Kläger geltend:

1. Die Rechtsprechung könne sich nicht auf den Wortlaut und den Sinn der gesetzlichen Vorschriften berufen.

2. Bei dem Betrag für die Outplacement-Beratung handele es sich nicht um Ersatz für entgehende oder entgangene Einnahmen. Abfindung und Kostenersatz seien nicht einheitlich zu beurteilen.

3. Da der Kläger den Restbetrag nicht in Anspruch genommen habe, sei die Vereinbarung nach wie vor in der ursprünglich getroffenen Form, also als Anspruch auf Ersatz von Kosten für Outplacement-Beratung, wirksam. Es könne nicht angehen, dass die Begünstigung für die gesamte Entschädigung versagt werde, weil der Kläger im Jahr 1997 8 750 DM in Anspruch genommen habe.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung dergestalt zu ändern, dass die Abfindungszahlung in Höhe von 464 000 DM dem ermäßigten Steuersatz i.S. des § 34 EStG unterworfen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die gesamten 50 000 DM seien im Jahr 1997 zugeflossen, weil der Erhöhungsbetrag nach der Zusatzvereinbarung vom 30. September 1996 dem Kläger bereits ab dem 28. Februar 1997 in der Form einer Forderung gegen den Arbeitgeber wirtschaftlich zur Verfügung gestanden habe.

Bereits mit Urteil vom 4. März 1998 XI R 46/97 (BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787) habe der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass auch nur geringfügige Überschreitungen zu beachten seien.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt wegen Verletzung des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 28. Juli 1993 XI R 74/92, BFH/NV 1994, 368) sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben, weshalb eine Anwendung des § 34 EStG grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat –wie bereits in dem Beschluss vom 4. Februar 1998 XI B 108/97 (BFH/NV 1998, 1082) angedeutet– in solchen Fällen für geboten, in denen –neben der Hauptentschädigungsleistung– in einem späteren Veranlagungszeitraum aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Das sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Diese ergänzenden Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als zusammengeballte Entschädigung und sind im Zeitraum ihres Zuflusses regulär zu besteuern. Eine einheitliche Entschädigung ist nur einmal ermäßigt zu besteuern.

Die Unbeachtlichkeit von ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (dazu vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1984 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157, und vom 9. Mai 1989 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103; BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229; Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl., 1999, Art. 20 Rz. 149 ff., m.w.N.); dieser Grundsatz enthält neben den Elementen der Eignung und der Erforderlichkeit auch das Element der Angemessenheit. § 34 EStG bezweckt, die sich aus dem zusammengeballten Zufluss von Einnahmen durch den progressiv gestalteten Steuertarif ergebenden Härten zu mildern; dabei sind grundsätzlich alle Zahlungen zu berücksichtigen. Es wäre aber nach Auffassung des Senats unangemessen, ergänzende Zusatzleistungen, die in anderen Veranlagungszeiträumen erbracht werden, als schädlich zu beurteilen, wenn sie sozialer Fürsorge entspringen; die Zusammenballung der Hauptleistung wird durch diese Art von ergänzenden Zusatzleistungen nicht in Frage gestellt. Es würde gegen das Übermaßgebot verstoßen, wenn allein aufgrund einer ergänzenden Zusatzleistung, die aus dem Gedanken der sozialen Fürsorge erbracht wird und die in manchen Fällen nicht einmal die Höhe des Steuervorteils erreicht, die Steuerbegünstigung der Hauptleistung verhindert würde.

3. Im Streitfall hängt die Begünstigung davon ab, ob der Kläger eine Outplacement-Beratung in Anspruch genommen hat oder ob er sich den Betrag von 41 250 DM hat auszahlen lassen (vgl. Schreiben vom 10. September 1997). Die Übernahme der Kosten für die Outplacement-Beratung ist als sozial motivierte Zusatzleistung unschädlich. Ist aber der Restbetrag von 41 250 DM für nicht sozial motivierte Zwecke verwendet worden, so ist die Entschädigungszahlung auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt. Eine Zusammenballung in einem Veranlagungszeitraum ist nicht gegeben. Da der Sachverhalt insoweit –vom Rechtsstandpunkt des FG aus zu Recht– nicht festgestellt ist, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.

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