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Abfindungszahlung auf Raten – Vererbbarkeit


Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Az: 7 Sa 1122/06

Urteil vom 02.05.2007


In dem Rechtsstreit hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2007 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.09.2006 – 13 Ca 2441/06 – abgeändert :

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger, gesamtschuldnerisch haftend.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage begehren die Kläger als Erben eines bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmers die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer ratierlichen Abfindung für die Monate Oktober 2005 bis März 2006.

Die Kläger sind als Nichte und Neffe testamentarische Alleinerben des am 18.10.2005 verstorbenen, früheren Arbeitnehmers der Beklagten, des Herrn N. Q. von U. (im folgenden: Erblasser).

Der am 21.12.1950 geborene Erblasser war seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt.

Im Sommer 2004 trat die Beklagte an den Erblasser heran und bot ihm die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2004 an.

Mit Schreiben vom 30.06.2004 kündigte die Beklagte das zum Erblasser bestehende Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.12.2004.

Mit Schreiben vom 12.08.2004 informierte sie den Erblasser über die finanzielle Regelung nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses und teilte dazu u.a. mit, für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis ca. 28.02.2007 erhalte er eine ratierliche Abfindung von ca. 2.506,00 € brutto monatlich. Grundlage der Berechnung war das seinerzeitige Brutto-Monatsentgelt des Erblassers von 4.442,39 €. Unter Punkt II. 1. ist folgendes ausgeführt:

„Ermittlung und Auszahlung der Abfindung

Mit den gemäß Punkt 1 ermittelten Leistungen soll bis Alter 60 eine angemessene Gesamtversorgung erreicht werden. Die ratierliche Bruttoabfindung errechnet sich in Abhängigkeit von Ihrem Austrittsalter als Prozentsatz Ihres letzten Brutto-Monatsentgelts. Ihr Austrittsalter ist 54 Jahre. Danach beträgt die ratierliche Brutto-Abfindung 90 % Ihres letzten Brutto-Monatsentgelts unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes. Die ratierlichen Abfindungen werden bis zum Verbrauch des Freibetrages nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei gezahlt.“

Unter Ziffer 3. wird ausgeführt:

„Die ratierliche Abfindung wird zum Stichtag der Tariferhöhung um den Prozentsatz der Tariferhöhung angepasst.“

Unter Ziffer 11. ist u.a. folgende Regelung enthalten:

Sie haben die Möglichkeit, sich entweder für

a) den Monatsgutschein für den freien Einkauf im Intern-Verkauf I. Düsseldorf….

oder

b) das Deputatpaket, welches zweimal im Jahr versandt wird, zu entscheiden.

Wir gehen davon aus, dass Sie die bisherige Handhabung beibehalten….

Im Falle Ihres Todes erhalten etwaige anspruchsberechtigte Hinterbliebene wertgleiche Gutscheine oder Deputatpakete.“

Wegen des Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf Bl. 4 – 9 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.08.2004 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem folgendes mit:

“ wie mit Ihrer Anwältin, Frau I., abgesprochen, werden wir Ihnen zusätzlich zu den im Schreiben der Altersversorgung vom 12.08.2004 beschriebenen Regelungen eine Sonderzahlung in Höhe von 15.000,00 € brutto gewähren.“

Ab Januar 2005 leistete die Beklagte an den Erblasser monatliche Zahlungen in Höhe von 2.506,00 €, wobei diese unter Berücksichtigung des Steuerfreibetrages zunächst steuerfrei, später unter Berücksichtigung der Steuerlast ausgezahlt wurden.

Bei der Beklagten existiert für Tarifmitarbeiter eine „Arbeitsanweisung für die finanzielle Regelung bei betriebsbedingter Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ab Alter 55“, die in der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2005 gültig war.

Unter Ziffer 2. „Versorgungsziel“ ist folgende Regelung enthalten:

„Mit den Leistungen nach dieser Arbeitsanweisung soll der Mitarbeiter für die Zeit von seinem Ausscheiden bis zum frühestmöglichen Beginn der Rente wegen Alters im Sinne des SGB VI eine angemessene Gesamtversorgung erhalten….“

Unter Ziffer 3. „Bruttozahlungen“ wird ausgeführt:

„Der Mitarbeiter erhält gleichbleibende monatliche Bruttozahlungen (ratierliche Abfindung) unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes. Die ratierlichen Abfindungszahlungen werden bis zum Verbrauch des Freibetrages nach § 3 Nr. 9 EstG steuerfrei gezahlt….“

Wegen des Inhalts dieser Arbeitsanweisung im Einzelnen wird auf Bl.55 – 61 der Akte Bezug genommen. Die Regelung sieht Leistungen an Dritte über den Tod hinaus nicht vor.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, der ratierliche Abfindungsanspruch des Erblassers sei durch den Erbfall auf sie übergegangen.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 15.036,00 € brutto nebst 5 % -Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.506,00 € seit dem 01.11.2005, 01.12.2005, 01.01.2006, 01.02.2006, 01.03.2006 und 01.04.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein vererblicher Abfindungsanspruch sei nicht gegeben, da nach dem Parteiwillen durch die mit dem Erblasser getroffene Vereinbarung unter Berücksichtigung der internen Arbeitsanweisung und der erteilten Zusage eine angemessene Gesamtversorgung des Erblassers für die Zeit vom Ausscheiden bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn habe erreicht werden sollen. Da die streitgegenständliche „Abfindung“ damit allein dem Zweck gedient habe, den Verdienstausfall des Erblassers auszugleichen, entfalle dieser Vermögensnachteil, wenn der Arbeitnehmer versterbe mit der Folge, dass dieser Anspruch nicht vererblich sei.

Das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben und dazu ausgeführt, die Arbeitsvertragsparteien hätten nicht vereinbart, dass der Anspruch auf die jeweilige Abfindungsrate nur entstehen solle, wenn der Erblasser den jeweils vereinbarten Zahlungszeitpunkt erlebe. Eine solche Bedingung sei der getroffenen Vereinbarung auch durch Auslegung nicht zu entnehmen. Der zwischen der Beklagten und dem Erblasser vereinbarte Anspruch sei auch vererblich. Zwischen der Beklagten und dem Erblasse sei eine Abfindung und nicht eine Gesamtversorgung vereinbart worden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vereinbarung und der steuerlichen Behandlung der Zahlungen. Der Abfindungsanspruch sei auch zum Zeitpunkt des Erbfalles entstanden gewesen.

Gegen das der Beklagten am 28.09.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf hat die Beklagte mit einem am 18.10.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 28.11.2006 per Fax und im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt unzutreffend gewürdigt und den wahren Willen der Parteien nicht hinreichend berücksichtigt. Das Arbeitsgericht halte sich an dem isolierten Wortlaut „Abfindung“ fest, ohne Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen. Für die Titulierung der Zahlungen als Abfindung seien lediglich steuerliche Gründe maßgeblich gewesen. Die sich daraus ergebende Indizwirkung reiche nicht aus, um auf die Vereinbarung einer vererblichen Abfindung zu schließen. Wäre es vorliegend lediglich um die Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gegangen, hätten die Parteien im Sinne einer Abfindung die Zahlung eines Einmalbetrages gewählt. Für den Charakter der Vereinbarung als eine Gesamtversorgung spreche des weiteren, dass die Parteien ausdrücklich die Weitergabe zukünftiger Tariferhöhungen geregelt hätten. Zudem ergebe sich der beabsichtigte Versorgungscharakter auch aus Ziffer 2. der Arbeitsanweisung. Die gegenständliche „Abfindung“ habe im konkreten Fall mithin lediglich dem Zweck gedient, den Verdienstausfall des Arbeitnehmers zwischen dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt und dem frühestmöglichen Bezug der gesetzlichen Altersrente auszugleichen. Versterbe der Arbeitnehmer, so entfielen eben auch diese Vermögensnachteile. Andernfalls würde dies im Ergebnis zu einer nicht beabsichtigten und von der Rechtsprechung negierten Begünstigung der Erben führen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei das Erleben des Zahlungszeitpunkts zur Voraussetzung der jeweiligen Zahlung gemacht worden. In den Erläuterungen der Austrittsvereinbarung vom 12.08.2004 sei ausdrücklich festgelegt worden, dass mit den dort gemäß Punkt 1 ermittelten Leistungen bis Alter 60 eine angemessene Gesamtversorgung erreicht werden solle. Damit hätten die Parteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Abfindung nicht nur Gegenleistung für die Einwilligung des Arbeitnehmers zur Vertragsauflösung sein, sondern von zusätzlichen Voraussetzungen abhängen sollte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Düsseldorf vom 22.09.2006 – 13 Ca 2441/06 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

1. die Berufung zurückzuweisen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger weitere 27.566,00 € brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.506,00 € seit dem 01.05.2006, 01.06.2006, 01.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007 und 01.03.2007 zu zahlen.

Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass zwischen der Beklagten und dem Erblasser seinerzeit die Zahlung einer Abfindung und nicht die einer Gesamtversorgung vereinbart worden sei. Dies ergebe sich bereits aus der Bezeichnung der Zahlung als Abfindung und deren steuerlicher Behandlung. Zudem habe die Beklagte dem Erblasser die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses „schmackhaft“ machen wollen, da der bisherige Arbeitsplatz des Erblassers weggefallen gewesen sei und ein vergleichbarer Arbeitsplatz nicht habe angeboten werden können. Da sich das Tätigkeitsgebiet des Erblassers habe ändern sollen und auch die „Chemie“ zu dem neu zugewiesenen Vorgesetzten nicht gestimmt habe, habe der Erblasser sich nur vor dem Hintergrund eines angemessenen finanziellen Ausgleichs auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingelassen. Zudem ergebe sich daraus, dass die Parteien ausdrücklich eine Regelung hinsichtlich der Gutscheine und Deputatpakete für den Fall des Ablebens des Erblassers getroffen hatten, dass die Abfindungszahlungen bei Ableben des Erblassers weiterhin zur Auszahlung gebracht werden sollten. Andernfalls hätte es nahe gelegen, auch hier eine entsprechende Regelung zu vereinbaren. Die Leistungsgewährung habe damit in erster Linie nicht der Versorgung des Erblassers, sondern vielmehr der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gedient. Die Kläger behaupten, die interne Arbeitsanweisung der Beklagen sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Verhandlungen gewesen.

Zwar sei richtig, dass Einbußen in der Versorgung des Erblassers denklogisch nur dann entstehen könnten, wenn der Erblasser zu dem fraglichen Zeitpunkt noch nicht verstorben war. Diese Einbußen stellten jedoch lediglich die Kalkulationsgrundlage für die Größenordnung der Abfindungszahlung dar.

Im Wege der Klageerweiterung haben die Kläger die weiteren Raten der Abfindung bis einschließlich Februar 2007 geltend gemacht.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Anspruch auf Zahlung der zwischen dem Erblasser und der Beklagten vereinbarten ratierlichen Abfindung nicht durch Erbfolge gemäß § 1922 BGB auf die Kläger übergegangen. Zwar ist nach § 1922 Abs.1 BGB mit dem Tod des Erblassers dessen Vermögen als Ganzes auf die Kläger als Alleinerben übergegangen. Zu diesem Vermögen gehört jedoch nicht der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer ratierlichen Abfindung. Die „Abfindung“ sollte nach dem Willen der Vertragsparteien – Erblasser und Beklagte – nicht nur eine Gegenleistung der Beklagten für die Einwilligung des Erblassers in die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses sein, sondern sie sollte vorrangig der Einkommenssicherung des Erblassers bis zum Rentenalter dienen. Der so definierte schuldrechtliche Anspruch auf Zahlung einer ratierlichen Abfindung bis zum Rentenalter des Erblassers ist nicht bereits dadurch entstanden, dass der Erblasser den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses erlebt hat und erst danach verstorben ist. Vielmehr war für das Entstehen des Anspruchs auf jede einzelne Rate nach dem Willen der Vertragsparteien Voraussetzung, dass der Erblasser jeden einzelnen Auszahlungstermin erlebt. Dies ergibt sich aus nachstehenden Erwägungen.

Schuldrechtliche Ansprüche entstehen regelmäßig mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts, durch das die Rechtsbeziehungen der Vertragsschließenden geregelt werden. Da es ein Erbrecht gibt, hängt grundsätzlich der Fortbestand der Verträge nicht davon ab, wie lange der Vertragspartner lebt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hängt allerdings die Frage, ob ein zwischen dem Erblasser und dem Arbeitgeber in einem Aufhebungsvertrag oder Prozessvergleich vereinbarter Abfindungsanspruch bereits mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts entstanden ist und auf die Erben übergeht, entscheidend davon ab, ob die Abfindung nach dem Parteiwillen in erster Linie eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Erblassers in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein sollte oder ob die Abfindung vor allem dem Zweck dienen sollte, das Einkommen des Arbeitnehmers bis zum Rentenalter zu sichern. Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht diese Frage bisher allerdings nur in Verfahren entschieden, in denen ein der Höhe nach bestimmter, mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fälliger Abfindungsbetrag vereinbart worden und der Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstorben ist.

In seiner Entscheidung vom 22.05.2003, 2 AZR 250/02, hat das Bundesarbeitsgericht zu dieser Frage ausgeführt, es könne nicht als Regelfall angenommen werden, der Arbeitnehmer müsse davon ausgehen, ein Abfindungsanspruch werde hinfällig, wenn er den Auflösungstermin nicht erlebe. So gehe ein in einem Prozessvergleich vereinbarter Abfindungsanspruch grundsätzlich auf die Erben über, wenn der Arbeitnehmer vor dem im Abfindungsvergleich zwischen den Parteien festgelegten Auflösungszeitpunkt versterbe. Etwas anderes gelte nur dann, wenn sich aus der Parteivereinbarung ergebe, dass das Erleben des vereinbarten Beendigungszeitpunkts Vertragsinhalt geworden sei. Hätten die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, dass die Abfindung nur gezahlt werden solle, wenn der Arbeitnehmer den vereinbarten Beendigungszeitpunkt erlebe, so sei insbesondere die im Vertrag verlautbarte Interessenlage der Parteien zu würdigen. Es sei vor allem zu prüfen, welchem Zweck die Abfindung nach dem erklärten Parteiwillen dienen sollte. Stelle die Abfindung in erster Linie eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Mitarbeiters in die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar, so spräche dies ehr dafür, dass die Zahlung der Abfindung nach dem Parteiwillen nicht davon abhängig sein sollte, dass der Arbeitnehmer den vereinbarten Beendigungszeitpunkt auch erlebt. Anders sei es, wenn bei Frühpensionierungsprogrammen die Abfindung vor allem dem Zweck dienen sollte, den Verdienstausfall des Arbeitnehmers zwischen dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt und dem frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente auszugleichen. Sterbe bei einer derartigen Vereinbarung der Arbeitnehmer vor dem vorgesehenen Beendigungszeitpunkt, so stehe fest, dass die Vermögensnachteile, die die Abfindung vor allem ausgleiche sollte, nicht mehr entstehen könnten. Würde man hier die Zahlung der Abfindung von der tatsächlichen Beendigung durch den Aufhebungsvertrag abkoppeln, so würde der Vertrag nur die Erben begünstigen, was nach dem Ziel der Parteivereinbarung (Milderung der sich aus der Frühpensionierung für den Arbeitnehmer ergebenden finanziellen Folgen) nicht gemeint sein könne.

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In seiner Entscheidung vom 26.08.1997, 9 AZR 227/96, hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, Erwägungen über das rechtliche Schicksal der Abfindung, wenn der Erblasser nicht vor dem vereinbarten Ausscheidenstermin verstorben wäre, sondern an diesem Tag oder kurz danach, seien unergiebig. Die Verteilung der mit einem Aufhebungsvertrag verbundenen Risiken beurteilten sich nach den vereinbarten Vertragsbedingungen. Dabei könne die vorzeitige Beendigung in die Risikosphäre des Arbeitgebers fallen. Ebenso könne das Risiko dem Arbeitnehmer zufallen, dessen Erben die mit dem Erblasser vereinbarte Abfindung dann nicht erhielten. Soweit in einer Ausscheidensvereinbarung keine ausdrückliche Regelung getroffen werde, komme es damit auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.

Diese vorstehend dargelegten Grundsätze sind nach Auffassung der Berufungskammer auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden und führen unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung und der Gesamtumstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem Ergebnis, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht auf die Erben übergegangen ist.

Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Erblasser wurde aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung beendet. Im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben die Beklagte und der Erblasser eine Vereinbarung über eine finanzielle Regelung des Zeitraums zwischen dem Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses und dem frühestmöglichen Zeitpunkt des Bezugs von Altersrente durch den Erblasser getroffen. Zwar liegt insoweit keine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde vor. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits gehen jedoch übereinstimmend von einem Vertragsschluss zu den Bedingungen, die die Beklagte dem Erblasser mit Schreiben vom 12.08.2004 mitgeteilt hat, aus, so dass für die Berufungskammer keine Zweifel hinsichtlich eines – zumindest konkludent – zustande gekommenen Vertrages bestehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte muss die Berufungskammer dabei davon ausgehen, dass das Schreiben vom 12.08.2004 die für das Vertragsverhältnis maßgeblichen Konditionen enthält, denen der Erblasser zumindest konkludent zugestimmt hat.

Diese im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung ist ein nicht typischer Vertrag, für den gesetzliche Vorgaben nicht bestehen. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit sind die Parteien mithin frei, die Voraussetzungen zu vereinbaren, unter denen dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf die Leistung des Arbeitgebers zustehen soll.

Bereits nach dem Inhalt des Schreibens vom 12.08.2004 hat die Berufungskammer keine Zweifel daran, dass die Abfindung vorrangig der Einkommenssicherung des Erblassers dienen sollte. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass gerade der Umstand, dass die Parteien eine ratierlich zu zahlende Abfindung vereinbart habe, eindeutig den Willen der Parteien erkennen lässt, dass die Abfindung nicht nur eine Gegenleistung für die Einwilligung des Erblassers in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein sollte, sondern vorrangig dem Zweck diente, für den Erblasser die wirtschaftlichen Nachteile einer Frühpensionierung abzumildern. Dieser Wille der Parteien wird insbesondere durch die unter Punkt II. 1. des Schreibens vom 12.08.2004 enthaltene Regelung deutlich. Dort wird ausdrücklich ausgeführt, dass mit den ermittelten Leistungen bis Alter 60 eine angemessene Gesamtversorgung erreicht werden soll. Diesem Zweck entsprechend ist die Höhe der ratierlichen Bruttoabfindung berechnet worden. Angesichts dieser eindeutigen Regelung scheidet eine Auslegung des Parteiwillens aus. Die Parteien haben ihn ausdrücklich erklärt.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Parteien die zu zahlenden Leistungen als „Abfindung“ deklariert haben. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt, ist für die Frage, ob eine Abfindung auf die Erben übergeht, nicht deren Bezeichnung, sondern deren Zweck entscheidend.

Eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, ob die Raten nur gezahlt werden soll, wenn der Arbeitnehmer den jeweiligen Auszahlungstermin erlebt, haben die Parteien nicht getroffen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist nach der im Vertrag verlautbarten Interessenlage der Parteien jedoch davon auszugehen, dass das Erleben des jeweiligen Auszahlungstermins Vertragsinhalt geworden ist. Die Parteien wollten durch die monatlichen Zahlungen sicherstellen, dass die Existenz des Erblassers für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Rentenbezug gesichert ist. In einem vergleichbaren Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 26.08.1997, 9 AZR/96, im Hinblick auf den Zweck der Einkommenssicherung des Erblassers ausgeführt, ein nur die Erben begünstigender Inhalt sei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht zu entnehmen. Die Abfindung habe keinen Ausgleich der durch etwaigen Tod des Arbeitnehmers entstehenden Nachteile bewirken, sondern die sich aus der Frühpensionierung ergebenden finanziellen Folgen mildern sollen. Dies gilt vorliegend entsprechend und ergibt sich auch daraus, dass die Parteien sich nicht auf eine der Höhe nach angemessene Übergangsleistung geeinigt haben, die sodann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer Summe ausgezahlt werden sollte, sondern gerade darauf, einen der Höhe nach zum Zeitpunkt der Vereinbarung gerade nicht feststehenden Betrag in monatlichen Raten zu zahlen.

Diese Sichtweise wird durch die weitere Vereinbarung der Parteien unter Ziffer II. 3. des Schreibens vom 12.08.2004 gestützt, wonach die ratierliche Abfindung zum Stichtag der Tariferhöhung um den Prozentsatz der Tariferhöhung angepasst werden soll. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte und der Erblasser mit dieser Regelung die Erben begünstigen wollten. Vielmehr sollte auch durch diese Regelung ersichtlich sichergestellt werden, dass der Lebensstandart des Erblassers erhalten wird. Stirbt der Arbeitnehmer, so steht fest, dass die Vermögensnachteile nicht mehr entstehen können. Der Zweck der Leistung entfällt mithin nach dem Tod des Arbeitnehmers. Wirtschaftliche Nachteile sind in diesem Fall nicht mehr auszugleichen. Eine derartige Regelung würde die Erben in einer Weise begünstigen, die mit dem Zweck der Leistung nicht zu vereinbaren und von den Parteien auch nicht gewollt ist. Danach kann das Entstehen des ratierlichen Abfindungsanspruchs nicht vom Erleben des Auszahlungszeitpunktes durch den Erblasser abgekoppelt werden.

Den Parteien ist es nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit unbenommen, den Entstehungszeitpunkt der einzelnen Raten in vorstehend dargelegtem Sinn zu bestimmen. Sie hätten zweifellos eine Vereinbarung dahingehend in den Vertrag aufnehmen können, dass die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen eines vorzeitig versterbenden Arbeitnehmers nur einen zeitlich begrenzten oder gar keinen Anspruch auf die ratierlichen Abfindungszahlungen erhalten, um damit klarzustellen, dass das Erleben des Auszahlungszeitpunktes durch den Arbeitnehmer Entstehensvoraussetzung ist. Diese Vereinbarung ist zwar nicht ausdrücklich getroffen worden, sie lässt sich aber – wie dargelegt – aus den Umständen und dem Parteiwillen entnehmen. Daran ändert der erst nach dem Beendigungszeitpunkt eingetretene Tod des Erblassers nichts.

Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich ein gegenteiliger Wille der Beklagten und des Erblassers nicht daraus herleiten, dass sie gemäß Punkt 11. des Schreibens vom 12.08.2004 eine Vereinbarung darüber getroffen haben, dass die Hinterbliebenen im Falle des Todes weiterhin Gutscheine bzw. Deputatscheine erhalten werden. Vielmehr zeigt gerade dieser Umstand, dass die Parteien für diese vom Arbeitgeber zu gewährende Leistung ausdrücklich eine Vererblichkeit vereinbart haben, dass beide Parteien davon ausgegangen sind, dass es sich bei den anderen Leistungen gerade nicht um vererbliche Leistungen handelt. Wären die Parteien davon ausgegangen, dass auch die ratierlichen Abfindungszahlungen eine vererbliche Leistung sind, wäre es nicht erforderlich gewesen, dies bei den Gutscheinen und Deputatpaketen besonders hervorzuheben.

Wie das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 26.08.1997 dargestellt hat, beurteilt sich die Verteilung der jeweiligen Risiken nach den vereinbarten Vertragsbedingungen. Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen fällt das hier zu beurteilende Risiko, dass Erben die zwischen dem Erblasser und seinem Arbeitgeber vereinbarte Abfindung nicht erhalten, nach dem Vertragsinhalt dem Erblasser des vorliegenden Rechtsstreits zu.

Danach ist der ratierliche Abfindungsanspruch nicht auf die Kläger als Erben des verstorbenen Arbeitsnehmers der Beklagten übergegangen.

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits haben gemäß § 91 ZPO die Kläger, gesamtschuldnerisch haftend, zu tragen.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage vorliegt, die grundsätzliche Bedeutung hat, für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

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