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Abfindung – steuerwirksame Gestaltung der Zahlung


BUNDESFINANZHOF

Az.: IX R 1/09

Urteil vom 11.11.2009


Tatbestand:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erhielt von ihrem früheren Arbeitgeber (A GmbH) anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 75.000 DM. Hierzu enthält die maßgebliche Betriebsvereinbarung (Sozialplan) vom 26. September 2000 folgende Regelung: „Die Abfindung wird bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit A… fällig und ist bereits vor Fälligkeit vererblich. Erhebt allerdings ein Arbeitnehmer gegen eine ihm erklärte Kündigung Kündigungsschutzklage, tritt Fälligkeit erst nach Abschluss des Klageverfahrens, infolgedessen das Arbeitsverhältnis endet, ein.“ Die Betriebsvereinbarung endete nach Abschluss der in einem sog. Interessenausgleich aufgeführten personellen Maßnahmen. Auf der Grundlage des Interessenausgleichs schlossen die Klägerin, die A GmbH und die A+B GmbH einen dreiseitigen Vertrag über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der A GmbH und die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Auffanggesellschaft A+B GmbH. Danach endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 14. November 2000; mit Wirkung zum 15. November 2000 trat die Klägerin in das bis zum 30. November 2002 befristete neue Arbeitsverhältnis ein. Eine etwaige Abfindung nach dem Interessenausgleich und dem Sozialplan sollte direkt von der A GmbH an den jeweiligen Mitarbeiter abgerechnet und ausbezahlt werden. Der Vertrag wurde mit Unterzeichnung durch alle drei Vertragsparteien wirksam. Er wurde von der A GmbH am 17. Oktober 2000, von der Klägerin am 31. Oktober 2000 und von der A+B GmbH am 15. November 2000 unterschrieben. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 bestätigte die A GmbH der Klägerin ihren Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan in Höhe von 75.000 DM im Einzelnen wie folgt: „Wie ebenfalls besprochen und von Ihnen gewünscht, wird der steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung in Höhe von 51.000 DM im Januar zur Auszahlung gebracht. Die Auszahlung des steuerfreien Anteils der Abfindung in Höhe von 24.000 DM erfolgt bei Austritt mit der Novemberabrechnung.“ Die Abfindung wurde entsprechend ausgezahlt.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 erklärte die Klägerin den steuerpflichtigen Teil der Abfindung in Höhe von 51.000 DM nicht. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 enthält den zweiten Abfindungsteilbetrag von 51.000 DM als Versorgungsbezüge für mehrere Jahre.

Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) die Klägerin zunächst antragsgemäß für das Jahr 2000 veranlagt hatte, teilte er im Dezember 2002 mit, dass der Klägerin die gesamte Abfindung bereits im Jahr 2000 zugeflossen sei. Im Einkommensteuerbescheid für 2001 ließ das FA den Teilbetrag von 51.000 DM außer Ansatz. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erließ es einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2000 und erfasste von der Abfindung einen Betrag von 5.004 DM als laufenden Arbeitslohn (Weihnachtsgeld) sowie den steuerpflichtigen Restbetrag in Höhe von 45.996 DM als ermäßigt nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuernde Abfindung. Im Bescheid für das Jahr 2000 wurden Nachzahlungszinsen von 217 EUR festgesetzt.

Der Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 394). Das FA habe den steuerpflichtigen Abfindungsteil in Höhe von 51.000 DM zu Unrecht bereits im Jahr 2000 erfasst.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts rügt. Mit dem Sozialplan sei die Fälligkeit der Abfindungszahlung zwingend auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festgelegt worden. Danach habe bereits im Jahr 2000 die wirtschaftliche Verfügungsmacht der Klägerin über die gesamte Abfindung bestanden, von der sie durch Abschluss des dreiseitigen Vertrages Gebrauch gemacht habe. Hiermit sei die bereits bestehende Fälligkeit hinausgeschoben worden, was eine wirtschaftliche Verfügung der Klägerin über die Forderung darstelle, die zum Zufluss führe.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Stundung des zweiten Teils der Abfindungszahlung bis zum Januar des Jahres 2001 habe den Zufluss hinausgeschoben, nicht aber selbst bewirkt.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zutreffend hat das FG entschieden, dass die Abfindung der Klägerin in Höhe des Teilbetrags von 51.000 DM erst im Januar 2001 mit der Auszahlung zugeflossen ist.

1.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Der Zufluss ist zu bejahen, sobald der Steuerpflichtige über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen kann. Die Fälligkeit eines Anspruchs allein –vor seiner Erfüllung– führt noch nicht zu einem gegenwärtigen Zufluss. Entscheidend ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber. Hierfür genügt es auch vor der Realisation des Leistungserfolgs, dass der Gläubiger ohne weiteres Zutun des Schuldners die Möglichkeit hat, den Leistungserfolg herbeizuführen (allgemeine Meinung, vgl. Offerhaus, Steuer und Wirtschaft –StuW– 2006, 317, 318, 320, m.w.N.).

Grundsätzlich können Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung im Rahmen der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum gestalten (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 2/80, BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284; Offerhaus, a.a.O., 321). Ist es den Beteiligten etwa möglich, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen anderen Zeitpunkt als den der Auflösung des Dienstverhältnisses zu terminieren, der für sie steuerlich günstiger scheint, so kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, die vorherige Vereinbarung –jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit– im Einvernehmen und beiderseitigem Interesse wieder zu ändern (Offerhaus, a.a.O., 321). Rechtsmissbrauch (§ 42 AO) kommt in derartigen Fällen regelmäßig nicht in Betracht.

2.

Nach diesen Grundsätzen ist der zweite Abfindungsteilbetrag von 51.000 DM der Klägerin nicht bereits im Jahr 2000, sondern erst im Januar 2001 zugeflossen.

Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit des zweiten Abfindungsteilbetrags die Klägerin nicht über diesen selbst wirtschaftlich verfügt hat.

Ohne Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze hat das FG angenommen, dass der Abfindungsanspruch der Klägerin in Höhe von 51.000 DM beim Ausscheiden der Klägerin aus ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag zum Ablauf des 14. November 2000 bereits mit einer Fälligkeitsbestimmung auf den Januar 2001 entstanden ist. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG die Unterschrift der Klägerin auf dem dreiseitigen Vertrag vom 31. Oktober 2000 sowie die vorangegangene Unterschrift der alten Arbeitgeberin am 17. Oktober 2000 hinsichtlich der Fälligkeitsbestimmung für maßgeblich erachtet hat. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung sollte die Abfindung von der A GmbH an ihre Mitarbeiterin abgerechnet und ausbezahlt werden. Damit wurde der Abfindungsteilbetrag im Jahr 2000 nicht fällig. Entsprechend konnte auch die Fälligkeitsvereinbarung vor Entstehung der Forderung nicht als Disposition über die Forderung als solche auszulegen sein.

Der finanzgerichtlichen Würdigung der Vertragsgestaltung steht auch nicht eine etwaige Vorrangigkeit der Fälligkeitsregelung im Sozialplan entgegen. Zwar gelten Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes unmittelbar und zwingend. Jedoch gilt nach allgemeiner Meinung zwischen Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Regelung grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Januar 2004  1 AZR 148/03, BAGE 109, 244; Berg in Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, 11. Aufl., § 77 Rz 19, m.w.N.). Diese Günstigkeit der einzelvertraglich vereinbarten Fälligkeit ergibt sich im Streitfall aus der von der Klägerin als Arbeitnehmer intendierten günstigen steuerrechtlichen Auswirkung.

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