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Sozialplanabfindungsanspruch – Eigenkündigung

LAG Berlin-Brandenburg

Az.: 20 Sa 2431/08

Urteil vom 04.06.2009


I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.10.2008 – 57 Ca 3587/08 – wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.10.2008 – 57 Ca 3587/08 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Sozialplanabfindung. Der Kläger stand seit dem 01.08.1995 bis zum 31.09.2007 als Mitarbeiter des technischen Bereichs (Dipl.-Ing.) in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Nach der Entgeltabrechnung für Dezember 2007 erzielte der Kläger im Jahr 2007 insgesamt ein Jahresgehalt von 64.223,68 EUR brutto. Die Beklagte wurde im Jahr 1991 gegründet, um den Aus- und Neubau der Bundesfernstraße in den neuen Bundesländern zu koordinieren, zu optimieren und zu kontrollieren. Zunächst waren Gesellschafter der Beklagten die Bundesrepublik Deutschland zu 50 % und die fünf neuen Bundesländer zu je 10 %. Die Gesellschafter waren zu Beginn davon ausgegangen, dass die Aufgaben der Beklagten lediglich befristet seien und deshalb die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Beklagten auf längere Frist absehbar sei. Inzwischen hat die Beklagte weitere Gesellschafter aufgenommen und neue Aufgaben übernommen. Die Anzahl der Beschäftigten hat sich entgegen den Planungen im Interessenausgleich auf ca. 215 erhöht. Im Zuge der neu hinzugewachsenen Aufgaben nahm die Beklagte auch Neueinstellungen vor.

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss einen Interessenausgleich vom 21.05.2003 (Bl. 44-52 d. A.) und einen Sozialplan vom gleichen Tag (Bl. 7-17 d. A.).

In der Präambel zum Interessensausgleich ist niedergelegt: „Die Notwendigkeit, um über ein Interessenausgleich zu beraten, ergibt sich aus dem beschränkten Aufgabenumfang, der D.. Die Aufgaben der D. sind im Vertragswerk der Gesellschaft abschließend mit dem Zusatz: „Die Gesellschaft endet mit der Erfüllung der Aufgaben…“ beschrieben. Daraus ergibt sich die nachfolgend beschriebene Betriebsänderung. Auch wenn eine Öffnungsklausel der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag eingefügt ist, sind damit derzeit weder weitere Aufgaben noch eine Verlängerung der Lebenszeit der D. absehbar. Die Geschäftsführung hat daher frühzeitig die notwendigen Gespräche mit dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss geführt, um den Sozialpartnern – neben der Fragestellung eines Sozialplanes – eine Einigung in der Frage des Interessenausgleichs herbeizuführen. „

Der Interessenausgleich vom 21.05.2003 enthält unter anderen folgende Regelungen:

㤠2 Ziff. 2
In Anlehnung an die derzeit geplanten Fertigstellungen der übertragenen Verkehrsprojekte wird sich – ceterius paribus – der Personalabbau in zwei grob strukturierten Phasen vollziehen.

1. Phase:
moderater Personalabbau bis ca. 2007/2008 auf ca. 140 – 180 MA

2. Phase:
starker Personalabbau zwischen 2007/2008 und 2010/2011 auf Null

Auf die Frage, ob beide Phasen in diesem Umfang durchgeführt werden, wird unter § 4 noch eingegangen

3. Art und Weise der Umsetzung der unternehmerischen Maßnahme

Der Personalabbau der bis 2010 alle Mitarbeiter betreffen kann, wird sich voraussichtlich wie folgt vollziehen:

D. wird bis Ende 2003 für jeden Mitarbeiter im Rahmen eines Personalgespräches den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er voraussichtlich benötigt wird. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr festgelegt.

§ 4
Die D. kann derzeit ihre Zukunft ausschließlich im Kreis öffentlich-rechtlicher Gesellschafter gestalten. Ein Wirken am Markt/im Wettbewerb ist grundsätzlich mit den derzeitigen Aufgaben nicht zu vereinbaren. Die sich abzeichnende Erledigung der derzeitigen Aufgaben kann daher nicht über ein Engagement außerhalb des bisherigen Spektrums kompensiert werden.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass langfristig ein Bauvolumen von ca. 300 – 500 Mio. € erreichbar wäre, was einen Personalbestand von ca. 130 – 160 MA entspräche.

Darauf folgt, dass die 1. Phase des Personalabbaus aus heutiger Sicht unumgänglich sein wird.

Bei Übertragung zusätzlicher Aufgaben wird die Personalplanung fortgeschrieben.

§ 5
„…
Die Betriebsänderung ist mit Abwicklung und Auflösung der Gesellschaft beendet. Die Betriebsänderung kann von der Geschäftsführung für abgeschlossen erklärt werden, sofern die Gesellschaft weitere Aufgaben erhält, die eine annähernd konstanten Personalbedarf für die kommenden Jahre gewährleisten.“

Der gleichzeitig abgeschlossene Sozialplan enthält auch die folgenden Regelungen:

§ 1 Zielrichtung des Sozialplanes

Dieser Sozialplan wird die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen bzw. mildern, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung durch

– Aufhebungsvertrag,

– Eigenkündigung,

– betriebsbedingte Kündigung

verlieren.

Der Sozialplan berücksichtigt das berechtigte Interesse der … an einen geordneten Unternehmensbetrieb während der Abbauphase.

§ 2 Ausschlusskriterien

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis einschließlich 31.12.2005 durch Eigenkündigung ausscheiden, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß diesem Sozialplan.

Ausnahme: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen D. verbindlich mitgeteilt hat, dass sie bis einschließlich 31.12.2006 ausscheiden sollen.

Keine Abfindung gemäß diesem Sozialplan erhalten außerdem:

– Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverhältnissen,

– Mitarbeit, denen D. aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt hat, bzw. mit denen D. aus diesen Gründen einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat,

– Mitarbeit, die mit Vollendung des 65. Lebensjahrs ausscheiden.

§ 3 Abfindung

Die wirtschaftlichen Nachteile sollen durch Zahlung eine Abfindung gemildert werden.

Mitarbeit und Mitarbeiterinnen, die nicht unter die Ausschlusskriterien des § 2 fallen, erhalten beim Ausschneiden (zum letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses) folgende Zahlung, sofern sie nicht nach den AT-Tarifgruppen vergütet werden (nachfolgend TA-Mitarbeiter genannt):

A1 = 1/12 x BF x 1/12 x JG x IF x KF x 0,5

§ 8 Zeitkorridor

D. wird bis zum 31.12.2003 für jeden Mitarbeiter(in) den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er/sie bei D. beschäftigt werden kann. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr vor dem geplanten Ausscheiden festgelegt. Beim Ausscheiden mit Vollendung des 65. Lebensjahres entfällt der Zeitkorridor.

Diese Unterrichtung findet einmal jährlich statt.

Es besteht Einvernehmen, dass Mitarbeit(innen), deren von D. geplantes Ausscheidedatum weniger als 30 Monate entfernt liegt, hierüber schriftlich informiert werden. Diese Information ist verbindlich. Eine Vorverlegung des Ausscheidetermins ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters und nach Unterrichtung des Betriebrates und des Sprecherausschusses möglich.

D. wird bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen die gesetzlichen, tariflichen und einzelvertraglichen Kündigungsfristen berücksichtigen.

§ 9 Kündigungsfaktor (KF)

Scheidet der/die Mitarbeiter(in) innerhalb des Zeitkorridors aus, so beträgt der KF 1,2.

Scheidet der/die Mitarbeiter(in) früher als 1 Jahr vor Beginn des Zeitkorridors durch Eigenkündigung aus, so beträgt der KF 0,5.

Hinsichtlich der weiteren Bestimmungen des Interessenausgleichs und des Sozialplans vom 21.05.2003 wird auf Blatt 7 -13 und 44 -52 verwiesen.

Mit Schreiben vom 29.03.2006 (vgl. Bl. 53 d. A.) erklärte die Beklagte, dass sie überprüft habe, wie lange beim derzeitigen Stand der Aufgaben über der Aufgabenerfüllung die Mitarbeiter der Beklagten noch bei der D. bleiben könnten. Die Beklagte käme daher nicht umhin, dem Kläger gem. § 8 Abs. 2 des Sozialplanes das betriebsbedingte Ausscheiden in 30 Monaten, nämlich zum 31.12.2008 anzukündigen. Die Möglichkeit einer weiteren Beschäftigung innerhalb des Hauses sei verantwortungsvoll geprüft worden und es bestehe doch keine Möglichkeit den Kläger auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz umzusetzen. Diese Ankündigung betraf ca. 24 von zu dieser Zeit 260 beschäftigten Arbeitnehmern.

Am 09.05.2007 bewarb sich der Kläger auf den Dienstposten des Dezernenten Straßenbau im Straßenbauamt N.. Am 05.06.2007 erhielt der Kläger eine Mitteilung, dass seine Bewerbung eingegangen sei und im Rahmen eines Vorauswahlverfahrens Bewerber ausgewählt würden, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen würden. Der Kläger werde um Geduld gebeten. Der Kläger erhielt die ausgeschrieben Stelle. Wann es zu einem Vorstellungsgespräch kam und wann der Kläger den Arbeitsvertrag unterzeichnet hat, hat er nicht vorgetragen.

Am 05.07.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund veränderter Planungszeiträume an Projekten in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sowie zusätzlicher Aufträge für die A 14 und unter Berücksichtigung der Strukturanpassungen der technischen Bereiche die Ankündigung vom 29.03.2006 hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers gegenstandslos werde.

Mit Schreiben vom 26.11.2007 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zu der Beklagten zum 31.12.2007. Mit seiner vorliegenden Klage verlangt der Kläger Leistungen nach dem genannten Sozialplan in Höhe von 49.848,15 EUR brutto nebst Zinsen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass er aufgrund der Regelung des § 2 des Sozialplanes vom 23.05.2003 einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in der geltend gemachten Höhe habe. Die Rücknahme der Vorankündigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger sei unerheblich, diese habe die Beklagte lediglich deshalb zurückgenommen, da bekannt geworden sei, dass sich der Kläger anderweitig beworben habe. Insoweit sei die Erklärung rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen sei eine solche Rücknahme auch nicht möglich, da sie im Sozialplan nicht vorgesehen sei. Weiter sei der Arbeitsplatzverlust auch wegen der Betriebsänderung erfolgt. In § 2 des Interessenausgleiches sei ein Personalabbau auf Null für 2010/2011 vorgesehen. § 3 des Sozialplanes schließe eine Abfindung nur dann aus, wenn Ausschlusskriterien gem. § 2 des Sozialplanes vorlägen. Zweck der Vorankündigung hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei es gewesen, Eigenkündigungen zu veranlassen. Danach würden alle Eigenkündigungen als betriebsbedingt vermutet. Wegen der Höhe des geltend gemachten Abfindungsanspruches wird auf die Berechnung aus der Klagebegründung (vgl. Bl. 6 d. A.) verwiesen. Dazu trägt der Kläger vor, dass als Kündigungsfaktor (KF) 1,2 zu Grunde zu legen sei. Zwar habe die Beklagte die Vorankündigung für gegenstandslos erklärt, gleichzeitig sei jedoch kein neuer Zeitkorridor festgelegt worden. Die Beklagte habe damit ihre Verpflichtung aus dem Sozialplan nicht erfüllt, einen Zeitkorridor für jeden Mitarbeiter festzulegen. Danach müsse es bei der Anwendung des Faktor 1,2 verbleiben. Andernfalls hätte die Beklagte die Möglichkeit durch die Nichtfestlegung eines Zeitkorridors die Höhe der Abfindung nicht zulässig zu beeinflussen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 49.848,15 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung, da dessen Eigenkündigung nicht wegen der Betriebsänderung erfolgt sei, sondern der Kläger seinen Arbeitsplatz freiwillig aufgegeben habe. Nach § 1 des Sozialplans bestehe ein Abfindungsanspruch nur für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verloren hätten. Dies setzte voraus, dass der Arbeitnehmer zuvor schriftlich nach § 8 des Sozialplanes eine entsprechende Vorankündigung erhalten habe. Die Beklagte habe jedoch mit dem Schreiben vom 05.07.2007, mit dem die Vorankündigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.12.2008 für gegenstandslos erklärt worden sei, die Kausalkette unterbrochen. Da diese Erklärung (unstreitig) ca. 18 Monate vor dem ursprünglichen Ausscheidungstermin erfolgt sei, habe der Kläger auch erkennbar noch keine andere Beschäftigungsmöglichkeit gefunden. Die Vorankündigung sei keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung und begründe keinen Anspruch auf eine Kündigung. Die Gegenstandsloserklärung der Vorankündigung folge im Übrigen aus der Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB. Es habe mit Abschuss des Interessensausgleichs vom 21.05.2003 auch keine unmittelbare Bedrohung sämtlicher Arbeitsplätze bestanden. Gem. § 4 Abs. 3 des Interessenausgleiches sei lediglich die erste Phase des Ausgleichs hinsichtlich des moderaten Personalabbaus ca. 2007/2008 als unumgänglich angesehen worden. Weiter ergäbe sich aus § 5 Abs. 1 des Interessenausgleichs und aus der in § 4 Abs. 4 des Interessenausgleichs ausdrücklich erwähnten Übertragung zusätzlicher Aufgaben, dass die zweite Phase des Personalabbaus als offen angesehen wurde.

Mit Urteil vom 16.10.2008 hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt an den Kläger 19.936,17 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Aus der Auslegung des Sozialplanes folge, dass ein Abfindungsanspruch gem. § 3 des Sozialplanes nur dann bestehe, wenn der Arbeitsplatzverlust wegen der Betriebsänderung im Sinne. v. § 1 des Sozialplanes erfolgt sei. Diese Voraussetzung erfülle jedoch der Kläger. Voraussetzung für den Verlust des Arbeitsplatzes wegen der Betriebsänderung aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers sei nicht, dass dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausscheidens seine Vorankündigung i. S. v. § 8 Abs. 2 des Sozialplanes wirksam erteilt worden sei und diese Vorankündigung noch weiter bestehe. Eine solche Tatbestandsvoraussetzung hätten die Betriebsparteien nicht in § 1 des Sozialplanes festgelegt. Durch die Regelung des Interessenausgleiches habe die geplante Betriebsänderung auch über die erste Phase hinaus konkrete Gestalt angenommen. Selbst wenn die Vorankündigung vom 29.03.2006 durch die Beklagte mit Schreiben vom 05.07.2007 für gegenstandslos erklärt worden sei, sei damit für den Kläger das Risiko des Verlustes des Arbeitsplatzes aufgrund der geplanten Betriebsänderung der zweiten Phase gem. Interessenausgleichs vom 21.05.2003 nicht beseitigt. Auch wenn der Kläger aufgrund seiner Bewerbung vom 09.05.2007 erst nach Erhalt der Erklärung, dass sein Ausscheiden gegenstandslos sei mit dem Ministerium für Verkehr-, Bau- und Landesentwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein neues Arbeitsverhältnis abgeschlossen habe, so sei die Eigenkündigung des Klägers gleichwohl wegen des weiteren drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes aufgrund der beabsichtigten Betriebsänderung gem. Interessenausgleich vom 21.05.2003 erfolgt. Vorliegend betrage gem. § 9 des Sozialplanes der Kündigungsfaktor allerdings 0,5, sofern der Mitarbeiter früher als ein Jahr vor Beginn des Zeitkorridors durch Eigenkündigung ausscheide. Zwar sei dem Kläger durch Vorankündigung vom 29.03.2006 zunächst die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 mitgeteilt worden. Diese Vorankündigung sei jedoch durch die Beklagte mit Schreiben vom 05.07.2007 für gegenstandslos erklärt worden. Mit der Beklagten sei davon auszugehen, dass der Sozialplan die Rücknahme einer Vorankündigung gem. § 8 Abs. 2 des Sozialplanes nicht ausschließe. Bei der Mitteilung des Zeitkorridors nach § 8 Abs. 2 des Sozialplanes handele es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, die Arbeitnehmer über die beabsichtigte Fortdauer des Arbeitsverhältnisses zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre weitere berufliche Entwicklung rechtzeitig planen zu können. Aus der gesamten Zielsetzung des Sozialplanes folge, dass der Beklagten die Mitteilung möglich sein müsse, dass solche Nachteile absehbar nicht mehr drohen, weil eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr länger beabsichtigt sei. Mit der Gegenstandsloserklärung der Kündigung hätten die Voraussetzungen für den Kündigungsfaktor 1,2 bzw. 1,0 gem. § 9 Abs. 1 und 2 des Sozialplanes nicht mehr vorgelegen. Von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Abfindungshöhe sei vorliegend nicht auszugehen, dazu seien Tatsachen nicht ersichtlich.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 24.11.2008 zugestellt. Er erhob am 09.12.2008 Berufung und begründete diese am 07.01.2009. Der Beklagten wurde das arbeitsgerichtliche Urteil am 19.11.2008 zugestellt, diese erhob am 10.12.2008 Berufung und begründete ihre Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.02.2009 am 18.02.2009.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, das Urteil sei hinsichtlich der Berechnung der Abfindungshöhe rechtsfehlerhaft. Der Kündigungsfaktor der bei der Berechnung der Abfindung zu Grunde zu legen sei, ergäbe sich aus § 9 des Sozialplanes. Aufgrund dieser Bestimmung hätte das Gericht von einem Kündigungsfaktor von 1,2 ausgehen müssen, denn § 8 des Sozialplanes definiere den Zeitkorridor. Unstreitig sei dem Kläger mit Schreiben vom 29.03.2006 eine Vorankündigung zur bevorstehenden Kündigung ausgesprochen worden. Damit sei der Ausscheidungszeitpunkt zum 31.12.2008 festgelegt worden. Im vorliegenden Fall beginne somit der Zeitkorridor am 31.12.2007, zu diesem Termin sei das Arbeitsverhältnis von Seiten des Klägers unstreitig aufgekündigt, womit die Kündigung innerhalb des Zeitkorridors gem. § 8 erfolgt sei. Daran ändere die Rücknahme der Vorankündigung nichts. Diese sei nach den Bestimmungen des § 8 des Sozialplanes nichts möglich, denn diese bestimme, dass eine einmal getroffene Festlegung nicht geändert werden könne. Unabhängig von der Frage, ob eine Rücknahme grundsätzlich möglich sei, habe diese auf jeden Fall keine Auswirkung auf den Zeitkorridor i. S. d. § 8 des Sozialplanes. Auch sei zu beachten, dass die Beklagte eine Neufestlegung eines Ausscheidenszeitpunktes nicht vorgenommen habe. Dazu sei sie jedoch nach den Bestimmungen des Sozialplanes verpflichtet.

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Zur Begründung ihrer Berufung vertritt die Beklagte die Ansicht, nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts stünde jedem Arbeitnehmer bei der Beklagten bei einer Eigenkündigung eine Abfindung nach dem Sozialplan zu, unabhängig davon, ob die Betriebsänderung überhaupt durchgeführt worden sei. Dies sei keine sachgerechte und zweckorientierte Auslegung der Regelungen. Bereits der Wortlaut des § 1 des Sozialplanes, der darauf abstelle, dass Beschäftigte ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verlieren müssten, sei hineichend Anhaltspunkt dafür, dass ein Arbeitsplatzverlust, auch wenn es sich um eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers handele, Voraussetzung für eine Abfindung sei. Auch verkenne die Auslegung des Arbeitsgerichtes, dass die zweite Phase weder als geplant noch als unumgänglich bezeichnet wurde. Das Ziel der Beklagten ging vielmehr dahin die zweite Phase der Betriebsänderung zu vermeiden. Dies sei gelungen, denn zum Jahresende 2008 habe sich die Zahl der Beschäftigten der Beklagten auf 215, also auf deutlich mehr Belaufen als aus der Regelung des Sozialplanes aus dem Jahre 2003 noch vorausgesetzt worden war. Daraus folge bereits, dass schon aus diesem Grunde ein Anspruch nicht gegeben sei.

Der Kläger hat beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.10.2008 – 57 Ca 3587/08 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen an den Kläger weitere 29.911,98 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.10.2008 – 57 Ca 3587/08 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Parteien beantragen, jeweils die Berufung der Gegenpartei zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Berufung des Klägers ist die Beklagte der Ansicht, dass wie in ihrer Berufung dargelegt, ein Abfindungsanspruch überhaupt nicht bestehe, deshalb könnte die Berechnungshöhe dahinstehen.

Hinsichtlich der Berufung der Beklagten verteidigt der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung aus Rechtsgründen.

Beide Parteien ziehen zur Unterstützung ihrer jeweiligen Ansichten die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.20.2009 – 1 AZR 767/07 – heran.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 18.02.2009 und 23.04.2009 und die des Klägers vom 07.01.2009 und 08.04.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Sowohl die Berufung des Klägers, als auch die Berufung der Beklagten erweisen sich als zulässig. Sie sind an sich (§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und wegen des Streitgegenstandes (§ 63 Abs. 2 b ArbGG) statthaft, in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 517 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG) sowie fristgerecht (§ 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet worden (§ 520 Abs. 3 i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG).

2. In der Sache erweist sich die Berufung der Beklagten als begründet, da die zulässige Klage unbegründet ist.

2.1 Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem bei der Beklagten am 21.05.2003 errichteten Sozialplan zu. Die Voraussetzungen für Zahlung einer Abfindung liegen nicht vor. § 1 des Sozialplans benennt als Voraussetzung für die Entstehung eines Abfindungsanspruches, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung durch Aufhebungsvertrag, Eigenkündigung oder betriebsbedingte Kündigung verlieren. Der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis bei der Beklagten aufgrund seiner Eigenkündigung zum 31.12.2007 geendet hat, hat seinen Arbeitsplatz nicht wegen der Betriebsänderung, die Gegenstand des Interessenausgleichs vom 21.05.2003 war, verloren.

2.1.1     2.1.1 In seiner Entscheidung vom 10.02.2009 (- 1 AZR767/07 – NZA 2009, 970) hat das Bundesarbeitsgericht zu dem vorliegenden Sozialplan entschieden, dieser sehe keinen Anspruch für die Fälle vor, in denen ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ihm zuvor die Arbeitgeberin den Zeitpunkt seines voraussichtlichen Ausscheidens mitgeteilt habe. Nach dem Wortlaut des Sozialplans lasse sich ohne eine vorherige Mitteilung des Zeitkorridors ein Abfindungsanspruch nicht ermitteln. Notwendige Voraussetzung für eine Berechnung der Abfindung nach § 3 des Sozialplans sei der in § 9 des Sozialplans geregelte „Kündigungsfaktor“ (KF). Der Sozialplan ziele nach seinem § 1 darauf ab, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen bzw. zu mildern, die den Mitarbeitern entstünden, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verlören. Dies entspreche der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG beschriebenen Funktion eines Sozialplans. Sozialplänen komme eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu. Die im Sozialplan vorgesehenen Leistungen stellten kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste dar, sondern sollten die künftigen Nachteile ausgleichen oder mildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen könnten. Bei der Einschätzung der zu erwartenden Nachteile stünden den Betriebsparteien ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (vgl. BAG Urt. Vom 11. November 2008 – 1 AZR 475/07 – DB 2009, 347). Dieser umfasse auch die typisierende Beurteilung, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten selbst kündigten, ohne hierzu vom Arbeitgeber veranlasst zu sein, durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile erlitten als diejenigen, die den mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstand nicht freiwillig aufgäben, sondern eine Kündigung durch den Arbeitgeber abwarteten. Solche Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden sei, seien allerdings wiederum gleich zu behandeln mit den vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitnehmern. Vom Arbeitgeber veranlasst sei eine Eigenkündigung, wenn dieser bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen habe, mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor (BAG Urt. Vom 13. Februar 2007 – 1 AZR 163/06 – BAGE 121, 159) . Die Berechtigung einer solchen Annahme könne in einem Sozialplan insbesondere bei ungewissen, langfristigen Entwicklungen durch Stichtagsregelungen oder durch eine entsprechend zurückhaltende Beurteilung dieser Entwicklungen verhindert werden. Hiervon ausgehend entspräche es nach der Ansicht des BAG (Urt. Vom 10.02. 2009 a.a.O), der die erkennende Kammer sich anschließt, dem Sinn und Zweck des vorliegenden Sozialplans, bei Eigenkündigungen einen Abfindungsanspruch nur dann vorzusehen, wenn dem Arbeitnehmer zuvor der Zeitkorridor für sein von der Arbeitgeberin geplantes Ausscheiden mitgeteilt worden sei. Damit bestimme der Sozialplan indirekt, dass der Arbeitnehmer nur in einem solchen Fall berechtigterweise davon ausgehen könne, er komme mit seiner Eigenkündigung der andernfalls von der Arbeitgeberin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung nur zuvor. Dies sei im Rahmen des Gesamtkonzepts des Interessenausgleichs und des Sozialplans sachgerecht. Wie sich bereits aus der Präambel, vor allem aber aus den Regelungen in §§ 2, 4 und 5 des Interessenausgleichs ergäbe, handelte es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses von Interessenausgleich und Sozialplan im Mai 2003 um die Regelung einer sehr langfristigen und in ihrer Gesamtheit noch keineswegs zuverlässig vorauszusehenden Entwicklung. Dabei sei zwar die sog. erste Phase, die einen „moderaten Personalabbau bis ca. 2007/2008 auf ca. 140 bis 180 Mitarbeiter“ vorgesehen habe, als „aus heutiger Sicht unumgänglich“ angenommen worden. Die sog. zweite Phase mit einem „starken Personalabbau zwischen 2007/2008 und 2010/2011 auf Null“ sei dagegen nicht als sicher angesehen worden, sondern es sei als möglich erachtet worden, dass „bei Übertragung zusätzlicher Aufgaben … die Personalplanung fortgeschrieben“ werde. Die außergewöhnliche Langfristigkeit der Entwicklung habe ferner in § 8 des Sozialplans ihren Niederschlag gefunden, in dessen Absatz 1 „wegen der Schwierigkeiten, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, … ein Zeitkorridor von einem Jahr vor dem geplanten Ausscheiden“ vorgesehen worden sei und nach dessen Absatz 3 die verbindliche Information des Arbeitnehmers bereits 30 Monate vor dem geplanten Ausscheidedatum zu erfolgen hatte und eine Vorverlegung des Ausscheidens nur mit Zustimmung des Mitarbeiters möglich sei. Darüber hinaus hätten die Mitarbeiter eine zusätzliche Absicherung gegen eine Kündigung durch die Regelung in § 12 des Sozialplans erhalten, nach der es während der Laufzeit der Betriebsänderung „kein reguläres einseitiges Kündigungsrecht“ gebe. Auch angesichts dieses relativ weitreichenden Schutzes vor einem alsbaldigen Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund einer Arbeitgeberkündigung habe es erkennbar der Konzeption des Sozialplans entsprochen , dass eine vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung dann nicht als von der Arbeitgeberin veranlasst angesehen werden könne, wenn diese dem Arbeitnehmer einen von ihr geplanten Termin für sein Ausscheiden noch nicht mitgeteilt habe (BAG Urt. vom 10.02.2009, a.a.O).

2.1.2. Der Kläger hat seinen Arbeitsplatz nicht aufgrund der Betriebsänderung durch seine Eigenkündigung verloren (§ 1 des Sozialplans). Der Arbeitgeber hat bei dem Arbeitnehmer auch nicht die berechtigte Annahme hervorgerufen, dass er mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor komme. Dies folgt aus der Gegenstandsloserklärung der Ausscheidensmitteilung. Allerdings hatte die Beklagte dem Kläger ursprünglich unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 des Sozialplanes am 29.03.2006 mitgeteilt, dass sein Arbeitsplatz zum 31.12.2008, also in 33 Monaten wegfalle. Der Kläger konnte zunächst davon ausgehen, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu dem angekündigten Termin bevorstehe. Diese Ankündigung ist jedoch von der Beklagten noch geraume Zeit vor dem Ausspruch der Eigenkündigung, nämlich mit Schreiben vom 05.07.2007 für gegenstandslos erklärt worden, da die zugrunde gelegte betriebliche Entwicklung nicht eingetreten ist. Entgegen der Ansicht des Klägers war dies der Beklagten jedenfalls bis zum Ausspruch der Eigenkündigung des Klägers auch nicht verwehrt. Gem. § 8 des Sozialplanes bestand zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Einvernehmen darüber, dass Mitarbeiter, deren von der Beklagten geplantes Ausscheiden weniger als 30 Monate entfernt liegt, hierüber schriftlich zu informieren sind. Diese Information sollte verbindlich sein. Eine Vorverlegung des Ausscheidentermins sollte nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers und des Betriebsrates möglich sein. Vorliegend lag der mitgeteilte Beendigungstermin zum einen mehr als 30 Monate in der Zukunft. Eine Rücknahme dieser Erklärung, die zunächst für den Arbeitnehmer alleine vorteilhaft ist, da er von der Betriebsänderung dann nicht betroffen ist, ist vom Sozialplan zum anderen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die „Verbindlichkeit“ der Information über das Ausscheiden bezieht sich erkennbar auf den folgenden Satz des § 8 Abs. 2 des Sozialplanes, der eine Vorverlegung des Ausscheidenszeitpunktes an besondere Voraussetzungen knüpft. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht in dem Schutz des Arbeitnehmers vor einer der Ankündigung nicht entsprechenden Vorverlegung des Ausscheidenszeitpunkts. Er liegt jedoch nicht darin, dem Arbeitnehmer selbst dann die Möglichkeit einer Abfindungszahlung zu verschaffen, wenn er sich entschließt, durch Eigenkündigung den Betrieb zu verlassen und der Arbeitgeber sich entschließt, die Betriebsänderung im Laufe der 30 Monate nicht umzusetzen. Auch aus der zitierten Entscheidung des BAG folgt nicht, dass ein Anspruch auf Abfindung bei einer Eigenkündigung in jedem Falle dann besteht, wenn der Arbeitgeber den Ausscheidenszeitpunkt gem. § 8 Abs. 2 mitgeteilt hat. Die Mitteilung ist allerdings Voraussetzung dafür, dass Abfindungsansprüche überhaupt entstehen. Die erklärte Rücknahme widerspricht nicht Sinn und Zweck des Interessenausgleichs und des Sozialplans, dessen Grundlage eine langfristige Stilllegung des Betriebes sein sollte und der die Möglichkeit nicht ausschloss, dass zumindest die zweite Phase der Stilllegung nicht erfolgen sollte. Die Betriebspartner sind gerade davon ausgegangen, dass jedenfalls die 2. Phase des Personalabbaus nicht sicher eintreten müsse. Gerade bei den sehr langen Ankündigungsfristen des § 2 Nr. 3 des Interessenausgleichs und § 8 Abs. 1 iVm § 8 Abs. 2 des Sozialplans musste davon ausgegangen werden, dass eine eventuelle Änderung der Geschäftslage sich innerhalb der genannten Fristen vollzieht. Wenn der Arbeitgeber hierauf reagiert und erklärt, dass er entgegen seiner bisherigen Absicht zu dem angekündigten Termin keine Kündigungen aussprechen wolle, kann der Arbeitnehmer nicht annehmen, dass er mit seiner Kündigung einer arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund der Betriebsänderung lediglich zuvorkomme. Dass trotz des Verzichts auf Kündigungen durch den Arbeitgeber denjenigen Arbeitnehmern weiterhin eine Abfindung zustehen solle, die nach der Ankündigung, dass eine Kündigung entgegen der ursprünglichen Planung nicht erfolgen solle, dennoch selbst ihr Arbeitsverhältnis lösen, kann den Bestimmungen des Sozialplans nicht entnommen werden. Dies liefe auch der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zugrunde gelegten Funktion eines Sozialplans, eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion für die aus der Betriebsänderung resultierenden Nachteile zu gewähren, entgegen. Dass es sich bei der Ankündigung, die Kündigung aufgrund der geänderten Geschäftslage nicht aussprechen zu wollen, lediglich um eine unbedeutende Verzögerung der Betriebsänderung gehandelt hat, hat der Kläger nicht vorgetragen. Dem steht auch entgegen, dass die Beklagte die Stelle des Klägers unstreitig neu besetzt hat und die Personalstärke weit über dem in Interessenausgleich und Sozialplan zugrunde gelegten Abbauzahlen liegt.

Weiter ist entgegen der Ansicht des Klägers die Rücknahme der Ankündigung des Ausscheidens auch nicht treuwidrig. Nach dem Grundsatz des sog. „venire contra factum proprium“ (widersprüchliches Verhalten) wird ein Verhalten ua. dann als rechtsmißbräuchlich angesehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG Urt. vom 14. Februar 2002 – 8 AZR 232/01 – juris; vom 4. Dezember 1997 – 2 AZR 799/96 – AP BGB § 626 Nr. 141). Die Unzulässigkeit des „venire contra factum proprium“ stellt eine von Amts wegen zu prüfende Schranke jeder Rechtsanwendung dar. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine treuwidrige Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen wird; dies ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Widersprüchliches Verhalten ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (BAG Urt. vom 1. März 1995 – 4 AZR 986/93 – ZTR 1995, 313). Auch kann ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens anspruchsbegründend wirken (vgl. BAG Urt. vom 8. Oktober 1997 – 4 AZR 167/96 – AP BAT § 23b Nr. 2). Allein mit der Ankündigung des Ausscheidenstermins ist ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand bei dem Kläger noch nicht entstanden. Auch der Kläger behauptet nicht, dass er sich zum Zeitpunkt der „Gegenstandsloserklärung“ hinsichtlich des neuen Arbeitsverhältnisses in irgendeiner Art und Weise bereits gebunden hätte. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Erklärung vom 05.07.2007 unzutreffend war oder den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprochen hat.

2.1.3 Der Kläger kann sich auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des in § 162 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedankens erfolgreich darauf berufen, die Beklagte habe den Eintritt der Anspruchsvoraussetzung des Sozialplanes durch die Erklärung vom 05.07.2007 wider Treu und Glauben vereitelt. Allein die Verletzung der Verpflichtung gem. § 2 Nr. 3 des Interessenausgleichs und aus § 8 Abs. 1 des Sozialplans für jeden Mitarbeiter bis zum 31.12.2003 den Ausscheidenszeitpunkt zu definieren, lässt es nicht als treuwidrig erscheinen, sich gegenüber dem Kläger darauf zu berufen, die betrieblichen Voraussetzungen für sein Ausscheiden seien nach der Ankündigung gem. § 8 Abs. 2 des Sozialplans wieder weggefallen. Ein solches treuwidriges Verhalten käme dann in Betracht, wenn die Beklagte den Kläger in anderer Weise zum Ausspruch seiner Eigenkündigung veranlasst hätte oder eine ihr bekannte Situation des Klägers hinsichtlich einer von ihm zu erwartenden anderweitigen Beschäftigung ausgenutzt hätte, um die Ausscheidensankündigung zurückzunehmen. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr nahm die Beklagte die Ankündigung des Ausscheidens bereits vor einem Vertragsschluss des Klägers mit einem neuen Arbeitgeber zurück. Der Kläger hat keine Tatsachen oder Indizien dargelegt, die darauf schließen lassen, dass die Beklagte lediglich wegen (einer eventuell erfolgreichen) Außenbewerbung des Klägers die Erklärung vom 05.07.2007 abgegeben hat. Weiter hat die Beklagte die Stelle des Klägers auch neu besetzt. Ebenso spricht die tatsächliche Entwicklung der betrieblichen Situation nicht dafür, dass die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen wider Treu und Glauben vereitelt hat. Die Beklagte hat tatsächlich weitere wesentliche Aufgaben erhalten und die Betriebsänderung nicht der Planung entsprechend durchgeführt. Die Regelungen des Interessenausgleichs rechtfertigen auch nicht die Annahme, eine Eigenkündigung des Klägers sei grundsätzlich betrieblich von der Beklagten veranlasst gewesen, wie dies der Kläger meint. Aus ihnen ergibt sich vielmehr, dass die Möglichkeit besteht, ihre Kündigung werde möglicherweise nicht erforderlich, weil der Betrieb, und sei es auch in eingeschränktem Umfang, fortgeführt werden könne.

3. Da ein Anspruch des Klägers auf eine Abfindung dem Grunde nach nicht besteht, war die zulässige Berufung des Klägers, die sich lediglich hinsichtlich der Höhe der Abfindung verhalten hat, zurückzuweisen.

4. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

5. Die Kammer hat die Revision für den Kläger zugelassen.

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