BUNDESGERICHTSHOF
Az.: VIII ZR 95/07
Urteil vom 05.03.2008
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Az.: 23 C 6319/03, Entscheidung vom 08.04.2004
LG Düsseldorf, Az.: 21 S 241/04, Entscheidung vom 22.02.2007
Leitsätze:
a) Eine Abgeltungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Mieter für den Fall, dass die Schönheitsreparaturen bei seinem Auszug noch nicht fällig sind, dazu verpflichtet, „angelaufene Renovierungsintervalle zeitanteilig zu entschädigen“, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.
b) Dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die sich aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, ist grundsätzlich kein Vertrauensschutz zuzubilligen (Bestätigung von BGHZ 132, 6, 12).
In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Kosten der Durchführung von Schönheitsreparaturen.
Die Beklagten hatten vom Kläger eine Drei-Zimmer-Wohnung in D. gemietet. Das Mietverhältnis dauerte vom 1. September 1998 bis zum 31. August 2002.
Über die Instandhaltung und Instandsetzung der Mieträume enthält der Mietvertrag in § 8 Ziffer 2 unter anderem folgende vorgedruckte Klausel:
„Der Mieter hat insbesondere die Verpflichtung, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen … auszuführen bzw. ausführen zu lassen …
Diese Arbeiten sind ab Mietbeginn in der Regel in Küchen, Bädern und Toiletten spätestens nach drei Jahren, in Wohnräumen, Schlafräumen, Dielen … spätestens nach fünf Jahren und in sonstigen Räumlichkeiten …spätestens nach sieben Jahren zu tätigen.“
In § 12 Ziffer 1 des Mietvertrages heißt es weiter:
„Die Mieträume sind zum Vertragsablauf geräumt, sauber und in dem Zustand zurückzugeben, in dem sie sich bei regelmäßiger Vornahme der Schönheitsreparaturen – vgl. § 8 Ziff. 2 – befinden müssen, wobei aufgelaufene Renovierungsintervalle – vgl. § 8 Ziff. 2 – vom Mieter zeitanteilig zu entschädigen sind, und zwar nach Wahl des Mieters in Geld auf der Basis eines Kostenvoranschlages oder durch fachgerechte Renovierung durch den Mieter.“
Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten bei ihrem Auszug die erforderlichen Schönheitsreparaturen trotz Setzung einer Nachfrist nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Er hat zunächst Zahlung der ihm entstandenen Kosten eines Malerbetriebs in Höhe von 4.199,36 € begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im (ersten) Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Anspruch noch in Höhe von 3.330,17 € weiterverfolgt. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat eine Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verneint, weil die Klausel in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags einen starren Fristenplan enthalte und deshalb unwirksam sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen (ersten) Revision hat der Kläger sein Begehren noch in Höhe von 2.581,35 € weiterverfolgt. Mit Urteil vom 13. Juli 2005 (VIII ZR 351/04, NJW 2005, 3416) hat der Senat das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung aufgehoben und den Rechtsstreit zur Nachholung der erforderlichen weiteren Tatsachenfeststellungen (insbesondere zur Schadenshöhe) und zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht wiederum zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Umfang von 2.581,35 € – wie im vorangegangenen Revisionsverfahren – weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für Schönheitsreparaturen zu. Die in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags bestimmte Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter sei wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten gemäß § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) unwirksam, denn die darin bezeichnete Frist sei hinsichtlich der Toilette zu kurz.
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel sei – abgesehen von dem Fall starrer Fristen – auch dann unwirksam, wenn sie so genannte verkürzte Fristen gegenüber den im Mustermietvertrag des Bundesministeriums der Justiz vorgesehenen Zeitabständen für die Renovierung enthalte.
Hier sei die Renovierungsfrist für die Toilette von fünf auf drei Jahre verkürzt.
Da innerhalb dieser Frist bei normaler Wohnungsnutzung noch kein Renovierungsbedarf entstehe, benachteilige die verkürzte Frist den Mieter unangemessen.
Hieraus folge die Unwirksamkeit der gesamten Regelung über die Schönheitsreparaturen, denn es käme einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion gleich, nur die Regelung über den Toilettenraum als unwirksam anzusehen.
Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Zahlung anteiliger Renovierungskosten gemäß der in § 12 Ziffer 1 des Mietvertrags enthaltenen Abgeltungsklausel zu. Zwar nehme diese Vertragsbestimmung Bezug auf den in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags enthaltenen „weichen“ Fristenplan. Die in der vorgenannten Regelung enthaltene Öffnungsklausel beziehe sich jedoch nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, auf die Abgeltungsklausel. Der Mieter könne der Abgeltungsklausel nicht eindeutig entnehmen, dass sich die Höhe seiner Zahlungspflicht im konkreten Fall am tatsächlichen Zustand der Wohnung bemessen solle.
Vielmehr dränge sich der Schluss auf, dass der Zahlungsanspruch des Vermieters zwingend mit Ablauf der Fristen entstehe. Auch wenn eine andere Auslegung denkbar wäre, ginge die Mehrdeutigkeit zu Lasten des Klägers als Verwender der Formularklausel.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1.
Das Berufungsgericht durfte einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unterlassener Durchführung fälliger Schönheitsreparaturen nicht (erneut) mit der Begründung verneinen, die in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrages formularmäßig bestimmte Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Beklagten sei wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) insgesamt unwirksam. Diese Frage ist vom Senat bereits im ersten Revisionsverfahren mit Bindungswirkung für das Berufungsgericht im gegenteiligen Sinn entschieden worden.
Die Bindungswirkung nach § 563 Abs. 2 ZPO bezieht sich auf diejenige rechtliche Beurteilung, auf der die Entscheidung des Revisionsgerichts unmittelbar beruht (BGHZ 51, 131, 135; 132, 6, 10; 145, 316, 319; 163, 223, 233).
Tragender Grund für die Aufhebung des ersten Berufungsurteils war die rechtliche Beurteilung des Senats, dass die Schönheitsreparaturen durch die Regelung in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrages – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – wirksam auf den Mieter übertragen sind und dem Kläger deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, zu denen noch tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, ein Schadensersatzspruch wegen Nichtausführung geschuldeter Schönheitsreparaturen zusteht. Das erste Revisionsurteil in dieser Sache beruht mithin unmittelbar auf der Rechtsauffassung des Senats, dass § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB standhält. Diese Beurteilung hatte das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache gemäß § 563 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es durfte deshalb nicht – mit der nunmehr gegebenen Begründung, die Klausel benachteilige den Mieter unter dem Aspekt einer zu kurzen Renovierungsfrist für die Toilette unangemessen – wiederum darauf abstellen, dass § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhalte.
2.
Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht auf die Regelung in § 12 des Mietvertrags stützen könne.
Die darin enthaltene Quotenabgeltungsklausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.
a) Allerdings lässt die Klausel – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – bei der Berechnung der Abgeltungsquote die zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters gebotene Berücksichtigung des tatsächlichen Erhaltungszustands der Wohnung zu, denn sie verweist auf die in § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags genannten Renovierungsintervalle. Dort sind aber – wie der Senat im ersten Revisionsurteil in dieser Sache (aaO) entschieden hat – keine starren Renovierungsfristen vorgesehen. Bei einem unterdurchschnittlichen Abnutzungsgrad kann der Mieter nach diesem ausdrücklich nur „in der Regel“ geltenden Fristenplan eine längere Renovierungsfrist in Anspruch nehmen. Dass dies auch für die Berechnung der Abgeltungsquote gilt, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Abgeltungsklausel – ohne Einschränkung – auf § 8 Ziffer 2 des Mietvertrags verweist, der – wie ausgeführt – einen flexiblen Fristenplan enthält. Dass dieser (flexible) Fristenplan deshalb auch der Berechnung der Abgeltungsquote zugrunde zu legen ist, ist für einen verständigen Mieter unschwer zu erkennen.
b) Die Abgeltungsklausel benachteiligt den Mieter jedoch deswegen unangemessen, weil sie im Hinblick auf die konkrete Berechnung des vom Mieter hiernach als „zeitanteilige Entschädigung angelaufener Renovierungsintervalle“ geschuldeten Betrags nicht hinreichend klar und verständlich ist. Das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB normierte Transparenzgebot gebietet es, tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen in Formularbedingungen so genau zu beschreiben, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und andererseits der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach feststellen kann (Senatsurteil vom 26. September 2007 – VIII ZR 143/06, NJW 2007, 2632, Tz. 31).
Diesen Anforderungen wird die in § 12 des Mietvertrags enthaltene Abgeltungsklausel nicht gerecht.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der weitere Klauseltext, dass die Entschädigung nach Wahl des Mieters in Geld auf der Basis eines – nicht näher bezeichneten – Kostenvoranschlages oder durch fachgerechte Renovierung durch den Mieter zu geschehen habe, für einen durchschnittlichen Mieter hinreichend verdeutlicht, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der von ihm an den Vermieter in Geld zu entrichtenden zeitanteiligen Entschädigung das Angebot eines Malerbetriebes für die (hypothetische) vollständige Renovierung der Wohnung sein soll. Vor allem aber kann der Mieter der Klausel nicht entnehmen, wie der von ihm zu tragende Anteil an einer mit Hilfe eines Kostenvoranschlags ermittelten Summe der Renovierungskosten (Abgeltungsquote) zu bestimmen ist.
Nach der Klausel hat der Mieter „angelaufene Renovierungsintervalle zeitanteilig zu entschädigen“. Was mit einem „angelaufenen Renovierungsintervall“ gemeint ist und wie das für die konkrete Berechnung der dem Mieter auferlegten Abgeltungsquote maßgebliche Intervall ermittelt werden soll, wird nicht erläutert und kann der Klausel nicht entnommen werden. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass während der Mietzeit nur eine unterdurchschnittliche Abnutzung der Dekoration eingetreten ist, z.B. trotz Ablaufs der für die Vornahme der Schönheitsreparaturen vorgesehenen Regelfristen noch kein Renovierungsbedarf besteht.
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Abgeltungsklausel auch nicht deswegen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für das vorliegende Vertragsverhältnis als wirksam zu behandeln, weil der Senat in früheren Entscheidungen vergleichbare Abgeltungsklauseln als zulässig angesehen hat (BGHZ 105, 71, 76 ff.; Urteil vom 3. Juni 1998 – VIII ZR 317/97, NJW 1998, 3114, unter III 3; Urteil vom 6. Oktober 2004 – VIII ZR 215/03, NZM 2004, 903, unter II 1; zur Frage des Vertrauensschutzes vgl. Sternel, NZM 2007, 545, 546 f.; Artz, NZM 2007, 265, 268; Beyer, GE 2007, 122, 130; Bub/von der Osten, NZM 2007, 76, 79; Horst, NZM 2007, 185, 191 f.).
Dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die sich aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erweisen, ist im Allgemeinen kein Vertrauensschutz zuzubilligen (vgl. BGHZ 132, 6, 12). Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, in seiner rechtlichen Bewertung noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Für diese grundsätzlich zulässige so genannte unechte Rückwirkung können sich zwar im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ergeben. Das Risiko, dass eine zunächst unbeanstandet gebliebene Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird, trägt aber grundsätzlich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (BGHZ, aaO). Ein Vertragspartner, der sich nicht mit der gesetzlichen Regelung begnügt und zur Erweiterung seiner Rechte den Weg der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wählt, wird in der Regel nicht dadurch in seinem schutzwürdigen Vertrauen beeinträchtigt, dass eine Klausel geraume Zeit unbeanstandet geblieben ist und erst nach Jahren gerichtlich für unwirksam erachtet wird (BGHZ, aaO). Soweit der Bundesgerichtshof in den von der Revision angeführten Fällen (BGHZ 130, 19, 35; 137, 153, 156 f.; 153, 311, 312), gleichwohl für besonders gelagerte Sachverhalte auch dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen teilweise Vertrauensschutz zugebilligt hat, besteht mangels Vergleichbarkeit für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf unwirksame Schönheitsreparaturklauseln kein Anlass. In diesen Fällen tritt vielmehr gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB an die Stelle der unzulässigen Klausel (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 – VIII ZR 124/05, NJW 2006, 2915, Tz. 21 sowie vom 18. Oktober 2006 – VIII ZR 52/06, NJW 2006, 3778, Tz. 27).
III.
Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben, weil die vom Berufungsgericht gegebene Begründung die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs des Klägers wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nicht trägt; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).