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Abgrenzung bindender Vertrages von „Gentlemen’s Agreement“

OLG Frankfurt – Az.: 5 U 56/19 – Urteil vom 09.01.2020

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.02.2019 verkündete Teil-Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a.d. Lahn abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 95.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begeht im Wege einer Stufenklage Rechnungslegung, erforderlichenfalls Versicherung an Eides Statt und Zahlung hinsichtlich von Veräußerungen von Geschäftsanteilen einer GmbH durch den Beklagten.

Ab 1997 waren die Parteien sowie der Zeuge A in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der X GbR, verbunden. Nachdem diese ihre werbende Tätigkeit beendet hatte, gründeten der Beklagte, der Zeuge A sowie der Zeuge B eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Y GmbH, mit Sitz in Stadt1. Dabei übernahmen der Beklagte und der Zeuge A Geschäftsanteilen zu je 11.250,00 € sowie der Zeuge B einen Anteil in Höhe von 2.500,00 €. In der Zeit von 2006 bis Ende 2015 war der Kläger als selbstständiger Handelsvertreter für die Y GmbH tätig. In den Jahren nach 2012 veräußerten der Beklagte und der Zeuge A nach und nach ihre Anteile an der Y GmbH.

Mit E-Mail vom 26.12.2016 wandte sich der Kläger an den Beklagten und machte Ansprüche auf eine Erlösbeteiligung an den Anteilsveräußerungen geltend. Mit E-Mail vom 09.01.2017 (Anlage K 10, Bl. 81 d.A.) antwortete der Beklagte hierauf u.a. wie folgt:

„Wir hatten vereinbart, dass Du im Falle eines Verkaufs der Y GmbH 2,5 % des Erlöses von mir bekommst, wobei mit „Verkauf der Y“ stets der Komplettverkauf gemeint war. Darüber hinaus waren wir uns einig, dass Du die virtuelle Beteiligung jederzeit beenden können solltest und ich in diesem Fall einen Käufer für die Dir zugesagten 2,5 % suchen würde. […] Ich gehe […] davon aus, dass du die virtuelle Beteiligung nunmehr beenden möchtest. Bitte bestätige mir dies ausdrücklich, dann werde ich vereinbarungsgemäß einen Käufer für 2,5 % meiner Anteile suchen und Dir den entsprechenden Erlös abzüglich meiner Kosten für diesen Anteil auszahlen.“

Weiter geführte außergerichtliche Verhandlungen kamen zu keinem Ergebnis.

Abgrenzung bindender Vertrages von "Gentlemen's Agreement"
(Symbolfoto: Von Andrei_R/Shutterstock.com)

Der Kläger hat behauptet, im Hinblick seiner Verdienste im Rahmen der gemeinsamen Tätigkeit in der X GbR sowie vor dem Hintergrund von Forderungen gegen den Beklagten und den Zeugen A sei im Jahr 2001 vereinbart worden, dass er zu insgesamt 5 % virtuell an der Y GmbH beteiligt werden solle. Die Beteiligung habe dabei nicht tatsächlich durch die Übernahme realer Geschäftsanteile, sondern durch eine schuldrechtliche Vereinbarung nachgebildet werden sollen. Es sei zudem vereinbart worden, die virtuelle Beteiligung nicht unmittelbar am Stammkapital, sondern zu gleichen Teilen an der Beteiligung des Beklagten und des Zeugen A zu bilden. Auf Basis der je 45%igen Beteiligung des Beklagten und des Zeugen A sei er damit zu rund 5,56 % an deren Beteiligungen virtuell beteiligt. Im Jahr 2010 hätten die Gesellschafter der Y GmbH erstmals über eine Gewinnausschüttung beschlossen. Sowohl der Zeuge A, als auch der Beklagte hätten ihn an dieser beteiligt, was im Wesentlichen unstreitig ist. Dies habe sich 2011 und 2012 wiederholt, was ebenfalls im Wesentlichen unstreitig ist.

Die Anteilsveräußerungen durch den Beklagten seien bis einschließlich 2016 ohne seine Kenntnis erfolgt. Zu den Konditionen lägen ihm keine verlässlichen Informationen vor. Der Zeuge A habe mit der Veräußerung von Anteilen im Jahr 2015 einen Kaufpreis von 520.000,00 € erzielt und ihn nach Steuerabzug vereinbarungsgemäß in Höhe von 21.667,67 € am Erlös beteiligt.

Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. über die mit dem Verkauf und der Übertragung der vormals von ihm gehaltenen GmbH-Geschäftsanteile an der Y GmbH mit Sitz in Stadt1, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Stadt1unter HRB …, erzielten Veräußerungsgewinne durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben unter Beifügung von beglaubigten Abschriften der entsprechenden notariellen Geschäftsanteilskaufverträge sowie übersichtlich zusammengestellter Belege über eventuelle Ausgabeposten Rechnung zu legen,

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung an Eides statt zu versichern,

3. an ihn eine Zahlung in einer nach richtiger und vollständiger Rechnungslegung noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Dezember 2017 zu leisten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat das Zustandekommen einer rechtlich verbindlichen Einigung hinsichtlich der „virtuellen“ Beteiligung des Klägers an der Y GmbH bestritten. Aufgrund der Verdienste des Klägers bei der Gründung der X GbR und aufgrund der Tatsache, dass der Kläger damals den Kontakt zur Z GmbH hergestellt habe, hätten der Zeuge A und er lediglich überlegt, den Kläger auf rein freiwilliger Basis für den Fall eines Verkaufs der Y GmbH am Erlös zu beteiligen und zwar in Höhe von 5 % des Preises, der für die Y GmbH gezahlt würde, wobei 2,5 % von ihm und 2,5 % vom Zeugen A übernommen werden sollten. Dies habe aber immer den Status der Freiwilligkeit haben sollen, eine rechtlich verbindliche Einigung sei nicht gewollt gewesen. Außerdem sei es stets um einen vollständigen Verkauf der Y GmbH gegangen.

Die Gewinnausschüttung im Jahre 2010 sei nicht die erste gewesen, vielmehr habe es auch 2008 und 2009 Gewinnausschüttungen gegeben, an denen er und der Zeuge A den Kläger nicht hätten partizipieren lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 329 ff. d.A.) sowie die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A, D und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2019 (Bl. 299 d. A.) Bezug genommen.

Mit Teil-Urteil vom 25.02.2019 (Bl. 328 ff. d.A.), auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in der ersten Stufe stattgegeben und den Beklagten zu der beantragten Rechnungslegung verurteilt.

In seinen Entscheidungsgründen vertritt das Landgericht die Auffassung, dass dem Kläger gemäß §§ 311 Abs. 1, 259 Abs. 1 BGB ein vertraglicher Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gegen den Beklagten zustehe. Die Kammer hat sich unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt gezeigt, dass die Parteien einen rechtsverbindlichen Vertrag über eine schuldrechtliche Beteiligung des Klägers an den Gewinnen und den Veräußerungserlösen bei der Veräußerung von Anteilen an der streitgegenständlichen Y GmbH geschlossen haben. Hierbei stellt das Landgericht insbesondere auf die E-Mail des Beklagten vom 09.01.2017 ab, in der von einer Freiwilligkeit der Beteiligung keinerlei Rede sei. Indiziell für eine Rechtsverbindlichkeit der Einigung spreche zudem die Heftigkeit und Ernsthaftigkeit der zwischen den Parteien und dem Zeugen A geführten Auseinandersetzung. Dass der Kläger nach einer derartig persönlichen und hartnäckigen Auseinandersetzung ohne Weiteres auf jegliche Ansprüche verzichten solle, obwohl auch der Beklagte unstreitig stelle, dass dem Kläger am gemeinsamen Erfolg in Stadt1 ein nicht unerheblicher Anteil zukam, erscheine lebensfremd.

Die Kammer hat sich weiterhin davon überzeugt gezeigt, dass eine Beteiligung des Klägers auch bei einer Teilveräußerung in Betracht kommen sollte, nicht nur bei einer vollständigen Veräußerung aller Anteile. Zwar ergebe sich dies nicht unmittelbar aus der Einigung der Parteien selbst. Die insofern bestehende Vertragslücke sei jedoch nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Rechtsschutzziel auf vollständige Klageabweisung weiter. Er hält die Berufung für zulässig, insbesondere sei eine ausreichende Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben. Insofern trägt der Beklagte vor, dass er für die Ermittlung seiner Veräußerungsgewinne unter Berücksichtigung der jeweiligen Steuerbelastung der Hinzuziehung eines Steuerberaters bedürfe. Ausweislich eines vorgelegten Kostenvorschlages der C GmbH vom 24.05.2019 (Anlage 1, Bl. 413 d. A.) würden hierfür Kosten in Höhe von 910,00 € netto = 1.106,70 € brutto anfallen.

In der Sache bekräftigt der Beklagte seine Auffassung, dass zwischen den Parteien keine verbindliche Einigung über eine Beteiligung des Klägers an der GmbH getroffen worden sei. Vielmehr habe die Entscheidung, an den Kläger ggf. Zahlungen zu leisten, letztlich bei dem Beklagten gelegen, was er dem Kläger durch die Betonung der Freiwilligkeit und Ablehnung der schriftlichen Fixierung auch immer deutlich gemacht habe. Über eine Beteiligung des Klägers an Teilveräußerungen sei nicht gesprochen worden. Solche hätten in keinem Fall Zahlungen seitens des Beklagten auslösen sollen. Im Übrigen weist der Beklagte darauf hin, dass die von dem Kläger behauptete vertragliche Einigung auch mangels eindeutiger Kriterien, wie hoch der Prozentsatz der Beteiligung habe sein sollen und auf welche Bemessungsgrundlage er sich habe beziehen sollen, nicht hinreichend bestimmt sei. Ergänzend wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Teilurteils vom 25.02.2019 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Berufung bereits mangels Erreichens der Beschwer von 600,00 € gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für unzulässig. Der Hinzuziehung eines Steuerberaters bedürfe der geschäftserfahrene Beklagten nicht. Zudem erscheine die Aufwandsschätzung des Steuerberaters überhöht.

In der Sache bekräftigt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages seine Rechtsauffassung, dass zwischen den Parteien eine verbindliche Einigung über eine „virtuelle“ Beteiligung an der Y GmbH zustande gekommen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.11.2019 (Bl. 456/457 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von 600,00 € erreicht. Der Beklagte hat in seiner Berufungsbegründung unter Vorlage eines – als solches unstreitigen – Kostenvoranschlages der C GmbH vorgetragen, dass die Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Kapitalgeschäftsanteile unter Einbeziehung der Steuerbelastung und der historischen Anschaffungskosten 910,00 € netto kosten würden. Da unstreitig die Steuerbelastung des Beklagten zu berücksichtigen ist, ist die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Steuerberaters plausibel. Gleiches gilt für den Vortrag des Beklagten, dass für die Kalenderjahre 2015 und 2016 mit je drei Geschäftsanteilsverkäufen mit einem Zeitaufwand von ca. 2,5 Stunden je Kalenderjahr und für das Jahr 2017 mit einem Kaufvertrag mit einem Zeitaufwand von ca. 1,5 Stunden, insgesamt also mit einem Zeitaufwand von 6,5 Stunden zu rechnen ist.

Diesem plausiblen und substantiierten Vortrag ist der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten. Soweit er in seiner Berufungserwiderung vom 30.07.2019 (Bl. 426 d. A.) die Auffassung vertritt, dass es dem Beklagten „ein Leichtes“ sei, auf der Grundlage der Steuerbescheide die jeweilige Steuerbelastung zu ermitteln, so überzeugt dies nicht. Dieses dürfte allenfalls der Fall sein, wenn die Anteilsverkäufe das einzige Einkommen des Beklagten in dem jeweiligen Zeitraum darstellten, was jedoch nicht ersichtlich ist. Soweit der Kläger meint, dass die Aufwandsschätzung des Steuerberaters von insgesamt 6,5 Stunden „überhöht erscheine“, ist der klägerische Vortrag vollkommen unsubstantiiert.

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Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht aus dem streitgegenständlichen Sachverhalt kein Anspruch zu. Die erhobene Stufenklage ist daher insgesamt unbegründet.

Entgegen der Wertung des Landgerichts hat nach der Auffassung des Senats der Kläger den Abschluss eines verbindlichen Vertrages mit dem von ihm behaupteten Inhalt nicht dargetan und bewiesen. Der Sach- und Streitstand spricht vielmehr dafür, dass es sich bei der Absprache zwischen den Parteien hinsichtlich einer „virtuellen Beteiligung“ des Klägers an der Y GmbH lediglich um ein „Gentlemen’s Agreement“ (im üblichen Wortsinn) handelte. Ein solches begründet in aller Regel keine klagbare Verpflichtung (z. B. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., Einl v § 241, Rn. 7).

Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für einen rechtsverbindlichen Vertragsschluss gemäß §§ 145 ff. BGB. Im Ergebnis hat er das Zustandekommen eines rechtsverbindlichen Vertrages und damit das Bestehen eines klagbaren Anspruchs nicht hinreichend dargetan und bewiesen.

Zunächst folgt ein bindender Vertragsschluss nicht aus der E-Mail des Beklagten vom 09.01.2017 (Anlage K 10, Bl. 81 d. A.). Zwar erwähnt diese eine Vereinbarung, nach welcher der Kläger im Falle eines Verkaufs der Y GmbH 2,5 % des Erlöses von dem Beklagten erhalten sollte. Ob es sich dabei um eine rechtsverbindliche, klagbare Vereinbarung oder lediglich um ein nur gesellschaftlich bindendes „Gentlemen’s Agreement“ handeln sollte, folgt aus der E-Mail jedoch nicht. Unabhängig hiervon weichen die Angaben des Beklagten in der E-Mail vom 09.01.2017 erheblich gegenüber der von dem Kläger behaupteten Vereinbarung ab. So hält der Beklagte fest, dass die Zahlung lediglich für den Fall eines Komplettverkaufs gemeint gewesen sei. Darüber hinaus sei man sich einig gewesen, dass der Kläger die virtuelle Beteiligung jederzeit habe beenden können. Zwar könnte die Formulierung „wir hatten vereinbart, dass Du nur im Falle eines Verkaufs der Y GmbH 2,5 % des Erlöses von mir bekommst“ für eine bindende Vereinbarung sprechen. Dagegen spricht jedoch bereits, dass offenbar zwischen den Parteien der Inhalt der Vereinbarung nicht klar war.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts spricht auch die Heftigkeit der Auseinandersetzung zwischen den Parteien im Jahre 2001, wie diese aus dem von dem Kläger vorgelegten E-Mail-Verkehr (Anlage K 24, Bl. 210 ff. d. A.) folgt, nicht zwingend für eine verbindliche Einigung. Vielmehr könnte eine solche gerade aufgrund der Heftigkeit der Meinungsverschiedenheiten gescheitert sein. Unstreitig folgt eine Einigung aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr nicht, weswegen auch die Frage von dessen Authentizität offenbleiben kann. Zwar ist der Einschätzung des Landgerichts zu folgen, dass nicht angenommen werden kann, dass die gesamte Auseinandersetzung von dem Kläger „erfunden“ wurde. Jedoch kämen durchaus die Löschung bzw. das Hinzufügen einzelner Worte oder Passagen in Betracht, wodurch der Sinn verändert worden sein könnte. Im Ergebnis bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, da – wie ausgeführt und zwischen den Parteien auch nicht im Streit steht – sich aus dem Email-Verkehr vom 20.08.2011 ohnehin (gerade) keine Einigung ergibt.

Nach dem Vortrag des Klägers soll die Vereinbarung vielmehr erst einen oder wenige Tage später auf einer Bank am Rhein mündlich getroffen worden sein. Für diese Behauptung hat der Kläger jedoch kein taugliches Beweismittel, nämlich nur seine (eigene) Parteivernehmung angeboten. Einen sog. Anbeweis im Sinne von § 448 ZPO, welcher eine Parteivernehmung von Amts wegen ermöglichen könnte, hat der Kläger nicht erbracht. Denn im Ergebnis spricht der der Entscheidung zugrunde zu legende Sach- und Streitstand einschließlich der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers eher gegen als für einen verbindlichen Vertragsschluss.

Dies gilt zunächst hinsichtlich des Arguments, dass sich der Kläger aufgrund der Heftigkeit der im August 2001 geführten Auseinandersetzungen mit einem lediglich „Gentlemen’s Agreement“ nicht zufriedengegeben habe. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich der Kläger unstreitig in einer schwachen Verhandlungsposition befand und letztlich auf das Wohlwollen seiner Verhandlungspartner, des Beklagten sowie des Zeugen A, angewiesen war. Über eine moralische Verpflichtung der ehemaligen Mitgesellschafter der X GbR hinaus hat der Kläger keine tatsächlich belastbaren Ansprüche gegen den Beklagten und den Zeugen A dargetan. Dementsprechend hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht am 04.02.2019 (Sitzungsprotokoll, Bl. 300 d. A.) erklärt:

„Am Ende gab es einen Handschlag, ein Gentlemen’s Agreement. Ich bin davon ausgegangen, dass Herr E auch für Herrn A gesprochen hat. Davon musste ich ausgehen, da Herr A ja erkrankt gewesen war und für mich in diesem Moment das Mandat wie übergegangen war.“

Auch wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Verhandlung vor dem Senat am 21.11.2019 vorgetragen hat, dass er „davon ausgehe“, dass sein Mandant bei seiner Anhörung den Begriff „Gentlemen’s Agreement“ dahingehend verstanden habe, dass eine nur mündliche Vereinbarung geschlossen worden sei, erscheint dies wenig glaubhaft. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Begriff „Gentlemen’s Agreement“ im juristischen wie im allgemeinen Sprachgebrauch eben gerade von einem bindenden Vertrag unterschieden ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., Einl v § 241, Rn. 7; Wikipedia, „Gentlemen’s Agreement: „Ein Gentlemen’s Agreement ist eine nur moralisch, aber nicht rechtlich verbindliche Vereinbarung, mithin eine lose Absprache.“). Hinzu kommt, dass der Kläger durchaus geschäftserfahren ist (seinerzeit Beteiligung an einer werbenden GbR, später jahrelang Handelsvertreter). Die Verwendung des Begriffs „Gentlemen’s Agreement“ für einen bindenden Vertrag ist daher zumindest ungewöhnlich. Auch wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er unter einem Gentlemen’s Agreement eine bindende Vereinbarung versteht, ist angesichts der von ihm geschilderten Situation auf der Parkbank am Stadt1er Rhein-Ufer nicht auszuschließen, dass lediglich er davon (subjektiv) ausging, die per Handschlag getroffene Übereinkunft stelle einen verbindlichen, klagbaren Vertrag dar. Auch wenn man den klägerischen Vortrag als zutreffend unterstellt, folgt aus diesem nicht, dass auch der Beklagte mit Rechtsbindungswillen handelte. Naheliegend erscheint vielmehr, dass zumindest der Beklagte ein lediglich moralisch bzw. gesellschaftlich bindendes Gentlemen’s Agreement treffen wollte, womit es an einem Vertragsschluss fehlte.

Hierfür spricht, dass auch der Kläger selbst keine genaue Erinnerung an konkrete Einzelheiten der Vereinbarung hatte, wie solche überhaupt nicht festzustellen sind. So ist insbesondere bereits unklar, ob es sich bei der virtuellen Beteiligung des Klägers an der Y GmbH um eine selbständige Beteiligung als (virtueller) Gesellschafter an der GmbH oder aber um eine virtuelle Beteiligung an den jeweiligen Gesellschaftsanteilen des Beklagten und des Zeugen A handeln sollte. Im ersteren Fall wäre die (virtuelle) Beteiligung selbständig und damit unabhängig von eventuellen Teilverkäufen der Gesellschafter zu behandeln. In diesem Sinne scheint der Beklagte in seiner Email vom 09.01.2017 die Übereinkunft zu verstehen, wenn er die Möglichkeit erwähnt, dass der Kläger seine Anteile noch „drin lassen“ könne. Im Falle einer (virtuellen) Beteiligung an den Gesellschaftsanteilen des Beklagten und des Zeugen A wäre die Folge, dass der (virtuelle) Anteil des Klägers an dem Unternehmen umso geringer wird, je geringer die Beteiligung des Beklagten und des Zeugen A (z. B. durch Anteilsverkäufe) werden. Auf der anderen Seite spräche eine derartige Konstruktion für die Beteiligung des Klägers an entsprechenden Veräußerungserlösen. Der Umstand, dass über diese grundlegende Frage offenbar keine Einigung erzielt wurde, spricht insgesamt gegen den Abschluss eines verbindlichen Vertrages mit einem konkreten Inhalt. Vielmehr liegt eine bloß allgemeine Einigung im Sinne eines Gentlemen’s Agreements nahe, wonach mögliche Zahlungen letztlich von dem Wohlwollen bzw. Ermessen des Beklagten und des Zeugen A abhängig sein sollten. Angesichts dessen, dass eine konkrete schuldrechtliche Beteiligung durchaus komplizierte Fragen aufwirft, hätte ein bindender Vertrag über diese einen schriftlichen Abschluss – und sei es zu Dokumentationszwecken – wenn nicht erfordert, so doch sehr nahegelegt. Sollten die Zahlungen nicht letztlich im Ermessen des Beklagten und des Zeugen A liegen, wäre eine Regelung der aufgeworfenen Fragen (Anspruch auf Beteiligung an Ausschüttungen, Beteiligung an Teilverkaufserlösen, Stimmrechte etc.) mit (hoher) Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Dass jegliche näheren Bestimmungen und offensichtlich eine Einigung auch über die geschilderten grundlegenden Fragen der Ausgestaltung der „virtuellen Beteiligung“ fehlen, spricht insgesamt dagegen, dass sich der Beklagte und der Zeuge A rechtlich binden wollten.

Gegen den klägerischen Vortrag eines klagbaren Anspruchs auf Beteiligung an den Erlösen für Teilabtretungen der Gesellschaftsanteile des Beklagten und des Zeugen A spricht weiter, dass Letzterer unstreitig den Kläger nicht beteiligt hatte, als er einen Teil seiner Anteile an seine Ehefrau übertrug.

Auch hat der Zeuge D ausgesagt (Bl. 306 d. A.), dass klar gewesen sei, dass der Kläger seine Anteile „drin lassen“ wollte. Dies spricht – wie ausgeführt – für das Verständnis einer von den Anteilen des Beklagten und des Zeugen A unabhängigen Beteiligung an der GmbH. Letztendlich kommt es auf die Aussage des Zeugen D jedoch nicht an, da er unstreitig bei dem maßgeblichen Vertragsschluss nicht beteiligt oder anwesend war.

Nach alledem kann im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass die Parteien einen bindenden Vertrag, welcher dem Kläger klagbare Ansprüche gewähren sollte, und nicht lediglich ein Gentlemen’s Agreement im Wortsinne geschlossen haben. Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger seitens des Zeugen A später überwiegend an erzielte Verkaufserlösen beteiligt wurde. Denn dies kann durchaus auch auf einer bloß moralischen Verpflichtung beruhen.

Da nach dem Ausgeführten bereits ein konkreter, bindender Vertragsschluss nicht festgestellt werden kann, kommt eine „ergänzende Vertragsauslegung“ gemäß § 157 BGB nicht in Betracht.

Da der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Beteiligung an den Veräußerungserlösen des Beklagten bereits dem Grunde nach nicht besteht, ist die Klage auf den entsprechenden Antrag des Beklagten insgesamt abzuweisen. Der Umstand, dass das Landgericht zunächst nur über die erste Stufe der erhobenen Stufenklage entschieden hat, hindert dies nicht (Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 528, Rn. 16).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Bemessung des Streitwertes beruht auf §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO, wobei der Senat der Angabe in der Klageschrift und der vorläufigen Festsetzung durch das Landgericht im Beschluss vom 01.03.2018 gefolgt ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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