AG Erfurt – Az.: 5 C 2163/18 – Urteil vom 27.11.2019
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.393,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über Basiszinssatz seit 08.02.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, beansprucht von der für sie tätigen Beklagten die Rückforderung vorschüssig gezahlter Courtagen.
Die Klägerin ist mit der Volksfürsorge AG fusioniert. Die Beklagte erhielt aufgrund der mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossenen Vereinbarung Courtagen zur Auszahlung. Gemäß der als Anlg. K1 vorgelegten Courtagezusage (vgl. dort Rubrum des Vertrages und § 1 Nr. 1) wurde die Beklagte als selbständiger Handelsmakler i. S. der § 93 ff. HGB aufgeführt. Mit undatiertem Schreiben aus dem Jahr 2016 (Anlg. K2) kündigte die Beklagte die Anbindung als Geschäftspartnerin.
Gemäß den Vergütungsbestimmungen der Klägerin werden sämtliche Abschlussvergütungen vorschüssig mit Ausfertigung der jeweiligen Versicherungsscheine gebucht. Soweit danach ein Versicherungsvertrag storniert wird, geraten die betreffenden Vergütungen nicht oder nur teilweise ins Verdienen. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlg. K3 Bezug genommen.
Die Klägerin beansprucht Rückzahlung in Höhe der Klageforderung für die Lebensversicherungsverträge der Versicherungsnehmer …., …., …., …. und ….. .
Auf Anlg. K4 sowie die tabellarische Aufstellung im Anspruchsbegründungsschriftsatz (dort S. 5 unten) wird Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet unter Bezugnahme auf die als Anlg. K7 ff. vorgelegten Abrechnungen, dass der Beklagten Vergütungen im dort ausgewiesener Höhe zugeflossen und infolge Stornierung nicht ins Verdienen geraten seien. Die Verrechnung einer Stornoreserve in Höhe von 3.151,93 € ergebe sich hinreichend aus der Geschäftspartnerabrechnung 2018 Nr. 2 (vorgelegt als Anlg. K4). Hierzu sei die Klägerin aufgrund einer über Jahre hinweg gehandhabten Kontokorrentabrede berechtigt gewesen, da sich ein entsprechender Sollbetrag – vorgerichtlich unwidersprochen – auf dem Agenturkonto der Beklagten ergeben habe.
Die Klägerin beantragt: Wie erkannt.
Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die betreffenden Verträge von den jeweiligen Versicherungsnehmern storniert worden seien. Die Beklagte bestreitet die Rückforderungsansprüche des Weiteren der Höhe nach. Soweit die Klägerin am 06.04.2018 den Betrag in Höhe von 3.151,93 € aus der Stornoreserve gebucht habe, müsse dies zweckwidrig zur Befriedigung anderweitiger Forderungen erfolgt sein.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe die Vertragsstornierung nach § 87a Abs. 3 S. 2 HGB zu vertreten, da sie nicht die gebotenen nachhaltigen Maßnahmen zur Stornogefahrenabwehr ergriffen und die nötigen Informationen erteilt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 2 Nr. 3 der Courtagezusage i.V. mit § 9 der Courtageregelung Leben (jeweils vom 03.12. 2007) und den Vergütungsbestimmungen zu, denn die Klägerin hat sowohl inhaltlich wie rechnerisch schlüssig darlegen können, dass die Mindestlaufzeiten für die betreffenden Verträge mit den im Tatbestand aufgeführten Versicherungsnehmern nicht erreicht worden waren und insoweit wegen der vorher eingetretenen Stornofälle (Kündigung bzw. unterbliebene Beitragszahlung trotz Mahnung) die zeitanteilige Rückforderung gerechtfertigt war. Wegen der näheren Darstellung wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die Anspruchsbegründung (dort S. 5) sowie die dies im einzelnen ausweisenden Kontenblätter (Anlg. K7 ff.) Bezug genommen.
Soweit die Beklagte demgegenüber zunächst die Auffassung vertritt, der Anspruch stehe der Klägerin bereits deswegen nicht zu, weil sie die Vertragsstornierung nach § 87a Abs. 3 S. 2 HGB vertreten müsse, indem sie nicht die gebotenen nachhaltigen Maßnahmen zur Stornogefahrenabwehr ergriffen habe, ist dies bereits aus Rechtsgründen unbeachtlich, denn die Beklagte war nicht als Handelsvertreterin, sondern als Handelsmaklerin für die Klägerin tätig. § 87a Abs. 3 S. 2 HGB ist auf den Handelsmakler nicht anwendbar.
Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 S. 1 HGB). Bezieht sich die Tätigkeit des Handelsvertreters auf Vermittlung oder Abschluss von Versicherungsverträgen, ist er nach § 92 Abs. 1 HGB Versicherungsvertreter.
Handelsmakler ist hingegen, wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen – wie hier – über Versicherungen übernimmt (§ 93 Abs. 1 HGB). Der Handelsmakler unterscheidet sich vom Handelsvertreter damit durch das Fehlen einer ständigen Betrauung durch einen Unternehmer.
Für die Abgrenzung sind die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich. Insoweit ist im hier zu beurteilenden Fall zunächst zu beachten und als maßgebliches Indiz heranzuziehen, dass die Beklagte in allen Verträgen als Handelsmakler aufgeführt wurde. Auch die Überschreibung als Courtagezusage sowie in die in § 2 niedergelegte entsprechende Zahlungsverpflichtung spricht hierfür. Weiterhin wird die Handelsmaklereigenschaft dadurch unterlegt, dass § 1 der Courtagezusage ausdrücklich auf §§ 93 ff. HGB Bezug nimmt. Darüber hinaus ist eine den Handelsvertreter treffende Verpflichtung der Beklagten nach § 86 Abs. 2 HGB zur unverzüglichen Unterrichtung nicht im Vertrag enthalten. Schließlich sind aus den Verträgen nicht die beim Versicherungsvertreter üblichen Gegenleistungspflichten enthalten. Auch die bei Handelsvertreterverträgen nicht unübliche Klausel eines nachvertraglichen Wettbewerbs-/Konkurrenzverbots ist hier nicht vereinbart. Abschließend ist dem gesamten Vertrag und dem weiteren Akteninhalt keine sonstige rechtliche und / oder tatsächliche Einbindung der Beklagten in den Betriebsablauf der Klägerin zu entnehmen.
War die Beklagte nach allem als Handelsmaklerin tätig, folgt das erkennende Gericht im Weiteren der Auffassung, dass die in § 87a Abs. 3 S. 2 HGB enthaltene Regelung auf Handelsmakler auch nicht analog anwendbar ist (vgl. z.B. OLG Köln, Beschl. vom 21.11.2018, AZ: 20 U 45/18 sowie OLG Düsseldorf NJW-RR 2016, S. 1315). Zum einen fehlt es an einer Regelungslücke, da der Gesetzgeber auf die dem Handelsmaklerrecht vorangehenden Regelungen in §§ 84 – 92c HGB gerade keinen Bezug genommen hat. Darüber hinaus ist der Handelsmakler anders als ein Handelsvertreter nicht in die Organisation des Unternehmers eingebunden und dessen Weisungen unterworfen, sondern soll nach dem gesetzgeberischen Leitbild vielmehr im Lager des Versicherungsnehmers stehen und eine vom Unternehmer unabhängige Stellung einnehmen (OLG Köln a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dessen vermag die Beklagte den Anspruch auch nicht mit ihrem weiteren einfachen Bestreiten (bzw. mit Nichtwissen) insbesondere im Hinblick auf Stornierung, Mitteilungen und zur Anspruchshöhe durchzudringen. Vielmehr trifft die Beklagte angesichts des o.a. gesetzlichen Leitbildes die Beweislast dafür, dass ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der vorschüssig ausgezahlten Courtagen bestand.
Vorsorglich: Dieses Ergebnis rechtfertigt sich im weiteren auch aus der gemäß § 2 Nr. 4 der Courtagezusage niedergelegten und Wirksamkeitsbedenken nicht unterliegenden Vereinbarung, wonach Einwendungen hinsichtlich der abgerechneten Courtagen – wie hier nicht – unverzüglich der Klägerin hätten mitgeteilt werden müssen, andernfalls der Saldo als richtig und von der Beklagten als Handelsmakler genehmigt galt.
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass all dies auch in Bezug auf das Vorbringen zu III. der Klageerwiderung (vgl. Bl. 78 d.A.) gelten muss: Die Beklagte hat die entsprechende, als Anlage K4 zur Akte gereichte Abrechnung im Rahmen einer unbestrittenen konkludenten Kontokorrentvereinbarung erhalten und vorgerichtlich nicht widersprochen. Die zu der Abrechnung erfolgten Ausführungen der Klägerin sind nachvollziehbar; jedenfalls wäre gemäß § 2 Nr. 4 der Courtagezusage die Genehmigung fingiert.
Auf die nach allem für das Nichtbestehen eines solchen Anspruchs der Beklagten obliegende Darlegungs- und Beweislast hat das Gericht ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Weiterer Vortrag der Beklagten ist hierzu nach Widerruf des Vergleichs nicht erfolgt, weswegen der Anspruch der Klägerin zuzusprechen war.
Die geltend gemachten Zinsen sind nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB als Verzugsschaden zu erstatten.
Prozessuale Nebenentscheidungen:
– § 91 Abs. 1 ZPO (Kosten),
– § 709 Satz 1 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit)