Amtsgericht Stuttgart
Az.: 1 C 2871/02
Urteil vom 04.06.2002
In Sachen wegen Forderung hat das Amtsgericht Stuttgart durch Richterin am Amtsgericht XXX im schriftlichen Verfahren nach § 495 a ZPO am 4.6.2002 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 375,00 EUR
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
abgekürzt nach § 495 a Abs. 2. ZPO
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Mit der Klage verlangt der klagende Anwalt Abmahnkosten gem. Abmahnschreiben vom 10.4.2002 in Höhe von 375,05 EUR.
Der Kläger hatte die Beklagte, ebenfalls Anwältin, abgemahnt, weil diese auf ihrer Homepage juristische Teilbereiche ohne Untergliederung in Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte ausgeführt hatte.
Das Amtsgericht Stuttgart ist örtlich zuständig gem. § 32 ZPO. Ein Wettbewerbsverhältnis besteht zwischen Anwälten im gesamten Bundesgebiet schon deshalb, weil sie seit der Neufassung des § 78 ZPO nunmehr auch in Zivilprozessen bundesweit vor den Landgerichten auftreten dürfen.
Der Kläger, der ausweislich des Aktivrubrums im eigenen Namen klagt, ist als unmittelbarer Verletzter selbst aus § 1 UWG anspruchsberechtigt. Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis, weil die Anwaltschaft frei ist, der lokalisierte Anwaltszwang abgeschafft wurde und sich die Beklagte über ihre weltweit abrufbare Homepage direkt auch an die am Kanzleisitz des Klägers ansässigen, einen Rechtsbeistand suchenden Personen wendet.
Die vom Kläger beanstandete Werbeaussage der Beklagten verstößt jedoch weder gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 43 b BRAO noch gegen § 3 UWG. Die Beklagte verstößt mit der Werbung nicht gegen das Sachlichkeitsgebot des § 1 UWG in Verbindung mit § 43 b BRAO.
§ 43 b BRAO normiert, dass Rechtsanwälte über ihre berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten dürfen. Welche Zulässigkeitskriterien diesbezüglich anzuwenden sind, legt § 43 b BRAO nicht abschließend fest. Solange der Rechtsanwalt sich in den durch schützenswerte Gemeinwohlbelange gezogenen Grenzen hält, hat er es im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrecht in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt. Seine berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Diensten ist verfassungsrechtlich durch die Freiheit der Berufungsausübung grundsätzlich gewährleistet. Es ist ferner zulässig, dass die Beklagte auf ihrer Homepage die Tätigkeitsfelder angibt, ohne diese nach § 7 BORO als Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte zu qualifizieren.
Die in § 7 BORA unternommene Unterscheidung zwischen Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten dient den Interessen des Rechtssuchenden an einer zutreffenden Information. Die Unterscheidung dient letztlich der Verhinderung einer Irreführung des Rechtssuchenden.
Die schließt nicht aus, dass es Fälle gibt, in denen ein berechtigtes Interesse des Anwalts anzuerkennen ist, sich in der Öffentlichkeit darzustellen, ohne die Bindungen des § 7 BORA beachten zu müssen. Dementsprechend sieht auch § 6 Abs. 2 BORA für Praxisbroschüren, Rundschreiben und andere vergleichbare Informationsmittel vor, dass in ihnen weitere als nach § 7 BORA erlaubte Hinweise gegeben werden dürfen. § 6 Abs. 2 BORA stellt somit ein Korrektiv dar, um unverhältnismäßige Beschränkungen durch die Anwendung von § 7 BORA zu vermeiden. Unter anderen vergleichbaren Informationsmitteln werden vornehmlich Homepages und E-Mails verstanden (Hartung/Holl, Anwaltliche Berufungsordnung § 6 Rn. 124 f).
Auf einer Homepage muss es Anwälten grundsätzlich gestattet sein, über ihr gesamtes Dienstleistungsangebot sprachlich und berufsbezogen zu unterrichten. Dies schließt ein, Bereiche anzugeben, in deren der Rechtsanwalt schwerpunktmäßig tätig ist, ohne daneben auch die Angaben über Tätigkeits- und/ oder Interessenschwerpunkte angeben zu müssen. Die Homepage im Internet ist ein Medium für die berufliche Außendarstellung und damit für sich betrachtet eine passive Darstellungsplattform. Solange sich der Rechtsanwalt an § 6 BORA hält, hat er es im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt. Auf der Homepage ist es daher dem Anwalt erlaubt, seine Beratungsschwerpunkte anzugeben, ohne diese als Tätigkeits- oder Interessenschwerpunkte zu qualifizieren.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.