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Abmahnung als Aprilscherz bezeichnet – anhaltende Arbeitsverweigerung


LAG Baden-Württemberg

Az: 1 Sa 1/06

Urteil vom 14.11.2006


Leitsatz:

Bezeichnet ein bereits abgemahnter Arbeitnehmer eine erhaltene Abmahnung des Arbeitgebers als Aprilscherz („Wollen Sie mal wieder April-Scherze verteilen“), so stellt dieses Verhalten eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers dar. Insbesondere zeigt das Verhalten, dass der Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr dazu bereit ist, Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Dieses Verhalten des Arbeitnehmers kann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.


1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom 22.02.2006 – 12 Ca 874/05 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 07.04.2005, die durch die beklagte Arbeitgeberin ausgesprochen wurde.

Die Beklagte betreibt ein Autohaus mit Werkstatt und beschäftigt ca. 40 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat besteht nicht. Im Kundendienstbereich sind ein übergeordneter Serviceleiter Herr S. sowie drei Kundendienstberater tätig. Diese drei Kundendienstberater haben jeweils einen Meisterbrief. Weitere Kfz-Mechanikermeister sind in der Werkstatt als Facharbeiter tätig. Einen diesen übergeordneten Werkstattmeister hat die Beklagte nicht eingesetzt. Seit 01.01.1999 ist Herr ….Geschäftsführer.

Der am ….1943 geborene, verheiratete Kläger ist gelernter Kfz-Meister und seit dem 01.07.1973 bei der Beklagten als Kundendienstberater bei einem Monatsgehalt von zuletzt € 3.300,00 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis kommen aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die jeweils gültigen Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden im Kfz-Gewerbe in Baden-Württemberg zur Anwendung. In § 6.1 des Manteltarifvertrages heißt es:

Einem Beschäftigten, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Für das Arbeitsverhältnis ist eine Stellenbeschreibung vom 15./22.06.1999 (Bl. 54 – 58 in 12 Ca 874/05) maßgeblich.

Hinsichtlich der Abmahnungen vom 10.02.2001, 18.03.2002 und drei weiterer Abmahnungen vom 07.10.2004 wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Wegen schlechter Werkstatttests und ebenfalls schlechter Ergebnisse von Kundenbefragungen wies die Beklagte mit Rundschreiben vom 22.02.2005 (Abl. 59 – 61 in 12 Ca 784/05) ab dem Folgetag ihre Mitarbeiter im Servicebereich an, eine im Muster beiliegende Direktannahmecheckliste künftig für jedes eingehende Kundenfahrzeug zu führen. In dem Rundschreiben heißt es u.a.:

„Sehr geehrte Mitarbeiter,

um unserem mehr als schlechten Werkstatt-Test und unserem konstant schlechten CSS-Report entgegenzuwirken, wird ab heute jedes eingehende Kundenfahrzeug – egal ob Inspektion, Kleinstreparatur usw. – mit der beiliegenden Direktannahmecheckliste durch den Serviceberater angenommen und zwar 100 % aller Aufträge!!!

Die Bogen sind abends bei Herrn …. abzugeben und kommen mit der Tagespost zur Geschäftsleitung. Dies ist keine vorübergehende Maßnahme, sondern diese wird dauerhaft beibehalten. Der Direktannahme-Check kann auch gerne Änderungen bzw. Verbesserungen erhalten. Hier sind wir für Vorschläge jederzeit offen.

Besonders in Stoßzeiten sollen sich die Kundendienstmitarbeiter auch im Servicebüro aufhalten, um Aufträge anzunehmen. In Ausnahmefällen unterstützen diese Aufgabe die Servicebüro-Mitarbeiter. Die Terminvergabe muss so entzerrt werden, damit nicht alle Kunden auf einmal kommen und man sich Zeit für den Kunden nehmen kann. Dafür haben wir ja auch unser teures Zeitplanungssystem gekauft.

Diese Checkliste ist für Serviceberater keine Mehrarbeit, sondern ganz normaler Standard bei Volkswagen und Audi und wurde auch ausdrücklich von Herrn W., Audi AG Bezirksmanager Service und Herrn F., VW AG Bezirksmanager Service von uns verlangt. Dies wird auf jeden Fall auch mit dem Audi-Nachtest und dem Volkswagen-Werkstatt-Test wieder überprüft !!!

Ich zähle auf Ihre engagierte Umsetzung der Checkliste.“

Das zur Gegenzeichnung durch die Servicemitarbeiter gedachte Schreiben wurde nur vom Kläger nicht handschriftlich unterzeichnet, sondern mit folgenden Bemerkungen versehen: „Technische Geräte in Ordnung bringen, EDV, Drucker, Kopierer, Telefon (zum Teil unleserlich), erste Hebebühne, zwei Meister, Hebebühne keine Beleuchtung, WPS-Merkmale bearbeiten, Hebebühne nach Abnahme sofort freimachen, Bremsprüfstände keine Waschhalle, 24.02.05″.

Der Kläger befolgte diese Arbeitsanweisung der Beklagten bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 07.04.2005 nicht. Im Rahmen einer Hausmitteilung vom 08.03.2005, welche zur Gegenzeichnung auch durch den Kläger vorgesehen war, wurde ein als nachteilig bewertetes Ergebnis eines Werkstatttests vom 26.01.2005 dem Kläger und einem Kollegen mitgeteilt. Statt dessen vermerkte der Vorgesetzte des Klägers Herr S., dass der Kläger diese Hausmitteilung zur Kenntnis genommen habe, aber nicht unterschreibe. Er möchte das nächste Mal bei einer Besprechung dabei sein (Abl. 120 in 12 Ca 874/05).

Mit Abmahnung vom 15.03.2005 (Abl. 62/63 in 12 Ca 874/05) wurde dem Kläger vorgehalten, er habe die Hausmitteilung vom 22.02.2005 durch handschriftlich angebrachte Bemerkungen verschandelt. Er sei nicht berechtigt, konkreten Anweisungen handschriftliche Bemerkungen oder Kommentare hinzuzufügen.

Mit weiterer Abmahnung vom 15.03.2005 (Abl. 64 und 65 in 12 Ca 874/05) wurde dem Kläger vorgehalten, er habe es pflichtwidrig unterlassen, die schriftliche Anweisung in Form der Hausmitteilung vom 22.02.2005 zur Kenntnisnahme abzuzeichnen.

Mit weiterer Abmahnung vom 15.03.2005 (Abl. 66 und 67 in 12 Ca 874/05) wurde dem Kläger vorgehalten, er weigere sich trotz wiederholter mündlicher Anweisung seines Vorgesetzten, die Direktannahmechecklisten zu fertigen und jeweils abends bei seinem Vorgesetzten abzugeben. Am Ende der Abmahnung heißt es sodann:

„Sollte es deswegen im Wiederholungsfalle noch einmal dazu kommen, dass Sie eine Anweisung unserer Mandantschaft nicht befolgen, zieht dies zwingend den Ausspruch der fristlosen Kündigung nach sich.“

Der Kläger befolgte die Arbeitsanweisung trotzdem weiterhin nicht. Hinsichtlich drei weiterer Abmahnungen vom 15.03.2005, der Abmahnung vom 18.03.2005, zwei Abmahnungen vom 23.03.2005 und der Abmahnung vom 29.03.2005, die jeweils andere (angebliche) Pflichtverletzungen des Klägers betrafen, wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Mit weiterer Abmahnung vom 01. April 2005 (Abl. 107 und 108 in 12 Ca 874/05), welche dem Kläger noch am gleichen Tage durch Boten zugestellt wurde, heißt es u.a.:

„Seit dem 22.05.2005 sind Sie von uns als Serviceberater angewiesen, bei jedem eingehenden Kundenauftrag, egal ob es sich um Inspektionen, oder Kleinstreparatur etc. handelt, ausnahmslos eine Direktannahmecheckliste zu fertigen und diese Direktannahmecheckliste abends bei Ihrem Vorgesetzten, bei Herrn S., abzugeben. Seit dem 22.02.2005 verweigern Sie diese Anweisung. Auf die wiederholten mündlichen Anweisungen Ihres Vorgesetzten, des Herrn S. bekundeten Sie sogar offen Ihre Weigerung, diese Checkliste auszufüllen und abends bei Herrn S. abzugeben…. Wir weisen Sie deswegen hiermit noch einmal eindringlichst darauf hin, dass es zu Ihrem arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis gehört, die Checklisten zu führen und abends bei Herrn …. abzugeben.

Wir fordern Sie deswegen hiermit dazu auf, per sofort bei jedem eingehenden Kundenauftrag – egal ob es sich um Inspektionen oder Kleinstreparaturaufträge handelt – ausnahmslos die Checkliste korrekt auszufüllen und zu bearbeiten und diese Checklisten jeden Abend bei Herrn … abzugeben.

Können wir Ihnen in einem ähnlichen Fall behilflich sein? Vereinbaren Sie einen Termin unter 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Sollte es noch ein einziges Mal dazu kommen, dass Sie gegen die vorgenannte Verpflichtung verstoßen und weiterhin das Fertigen der Checklisten und das Abgeben der Checklisten abends bei Herrn …. unterlassen, müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung rechnen.“

Auch in der Arbeitswoche seit 04.04.2005 befolgte der Kläger die Arbeitsanweisung nicht, wobei er in dieser Woche teilweise auch bei einer Schulungsveranstaltung war. Am 07.04.2005 kam es zu einer Aussprache des Klägers mit dem Geschäftsführer in Anwesenheit des Serviceleiters … Der Kläger eröffnete das Gespräch mit den Worten: „Wollen Sie wieder einmal einen April-Scherz verteilen?“ Hierauf erwiderte der Geschäftsführer, was denn der Kläger meine, worauf der Kläger antwortete: „Wieder mal eine Abmahnung“. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig. Dem Kläger wurde daraufhin am 07.04.2004 außerordentlich fristlos in schriftlicher Form gekündigt.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts im Einzelnen und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 22.02.2006 verwiesen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.04.2005 nicht beendet wird und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Meister/Kundendienstberater weiter zu beschäftigen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Arbeitsgericht im Wesentlichen aus. Kündigungsgrund sei nach dem Vortrag der Beklagten die seit dem 22.02.2005 fortdauernde Weigerung des Klägers, die Direktannahmechecklisten auszufüllen und jeweils am Ende des Arbeitstages seinem Vorgesetzten zu übergeben. Die bis 31.03.2005 andauernde Weigerung sei zum Gegenstand einer Abmahnung vom 01.04.2005 gemacht worden. Kündigungsanlass sei die nach dem Vortrag der Beklagten fortdauernde Verweigerung für den Zeitraum vom 02.04.2005 bis 07.04.2005. Dies stelle keine hinreichende Arbeitsverweigerung dar. Eine solche Arbeitsverweigerung von effektiv einer Woche erlaube nicht die Prognose, der Kläger werde sich nicht von einem vertragsgemäßen Verhalten im Hinblick auf die Ausfüllung und Abgabe der Direktannahmechecklisten überzeugen lassen. Eine außerordentliche Kündigung komme nur bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung in Betracht. Dies setze voraus, dass der Kläger sich trotz eindeutiger Belehrung über Umfang und Bedeutung seiner Verpflichtung gegen die Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers auflehne. Dies setze jedoch eine hinreichende Belehrung des Klägers durch eine Abmahnung voraus. Dieser Belehrungs- und Warnfunktion werde die Abmahnung vom 01.04.2005 nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der bereits ausgesprochenen zahlreichen Abmahnungen komme der Abmahnung vom 01.04.2005 eine solche Warnfunktion nicht zu. Die streitentscheidende Kammer sei daher mehrheitlich der Auffassung, dass die Warnfunktion der Abmahnung vom 01.04.2005 durch die vorausgegangene Anzahl der bisherigen, gleichförmig gestalteten Abmahnungen derart abgeschwächt gewesen sei, dass der fortgesetzten Weigerung des Klägers, die Direktannahmecheckliste auszufüllen, nicht der Charakter einer beharrlichen Arbeitsverweigerung beizumessen sei. Zumindest sei unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen und aller Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass der Beklagten zugemutet werden könne, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe verwiesen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 09.05.2006 zugestellte Urteil am 15.05.2006 Berufung eingelegt und diese am 09.06.2006 begründet.

Hinsichtlich des Berufungsvortrags der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 08.06.2006 (Abl. 28 – 50 des Berufungsbandes) Bezug genommen.

Die Beklagte/Berufungsklägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom 22.02.2006 – 12 Ca 874/05 – wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger/Berufungsbeklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, und trägt im Übrigen gemäß der Berufungserwiderungsschrift vom 16.08.2006 (Abl. 85 – 91) vor.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 c ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.04.2005 geendet, da ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB, § 6.1 MTV für Arbeiter/Arbeiterinnen, Angestellte und Auszubildende im Kraftfahrzeuggewerbe in Baden-Württemberg (nachfolgend MTV Kfz-Gewerbe) gegeben ist. Folglich war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Nach § 6.1 MTV Kfz-Gewerbe kann einem Beschäftigten, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, nur noch aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Der Tarifvertrag schließt somit die Möglichkeit, einem solchen Arbeitnehmer außerordentlich fristlos zu kündigen, nicht aus, sondern nimmt vielmehr auf § 626 BGB Bezug. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In Fällen der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung ist in der Regel eine außerordentliche als Kündigung gerechtfertigt anzusehen (BAG, Urt. vom 09.05.1996 – 2 AZR 387/95, NZA 1996, 1085 zu II 1 a der Gründe m.w.N.; BAG, Urt. vom 21.11.1996 – 2 AZR 357/95, NZA 1997, 487 zu II 4 a der Gründe m.w.N.). Hierbei setzt die beharrliche Arbeitsverweigerung voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Allerdings kann das Moment der Beharrlichkeit auch darin gesehen werden, dass in einem einmaligen Fall der Arbeitnehmer eine Anweisung nicht befolgt. Das muss dann aber durch eine vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden (BAG, Urt. vom 09.05.1996 a.a.O. zu II 1 a der Gründe; BAG, Urt. vom 21.11.1996 a.a.O. zu II 4 a der Gründe). Eine beharrliche Arbeitsverweigerung kann damit auch bei wiederholtem Verstoß oder bewusstem und gewollten Widersetzen gegen rechtmäßige Anordnungen gegeben sein (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage, § 125 Rn 67 m.w.N. in Fußn. 159). Hinzu kommen muss nach dem Prognoseprinzip, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft die rechtmäßige Anordnung nicht befolgen wird.

2. Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist die außerordentliche Kündigung vom 07.04.2005 rechtswirksam, da der Kläger die Befolgung der schriftlichen Arbeitsanweisung der Beklagten vom 22.02.2005, ab sofort für jedes Kundenfahrzeug – egal ob Inspektion, Kleinstreparatur usw. – die dem Schreiben angefügte Direktannahmecheckliste auszufüllen und abends beim Serviceleiter … abzugeben, trotz zweier Abmahnungen vom 15.03.2005 und 01.04.2005 beharrlich verweigert hat.

a) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Diese gesetzliche Regelung des Weisungsrechts ist am 01.01.2003 in Kraft getreten und stellt damit nunmehr die Rechtsgrundlage für das Direktionsrecht des Arbeitgebers dar. In der Rechtsprechung des BAG war jedoch schon vorher anerkannt, dass das Direktionsrecht als Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses es dem Arbeitgeber ermöglicht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht in Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen und dass dieses Recht nur nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden darf (BAG, Urt. vom 23.09.2004 – 6 AZR 567/03 NZA 2005, 359 zu IV 1 der Gründe unter Hinweis auf BAG, NZA 2001, 780 = AP BGB § 611 Direktionsrecht, 61).

Die Weisung der Beklagten vom 22.02.2005 wahrt die Grenzen billigen Ermessens. Die schlechten Werkstatttests und die ebenfalls schlechten CSS-Reports (telefonische Kundenbefragungen durch VW und Audi bezüglich Serviceleistungen der Beklagten) veranlassten die Beklagte zu versuchen, ihren Servicebereich mit Hilfe einer Direktannahmecheckliste zu verbessern. Gleichzeitig wies die Beklagte im Schreiben vom 22.02.2005 darauf hin, dass diese Checkliste normaler Standard bei VW und Audi sei und ausdrücklich von Herrn W., Audi AG Bezirksmanager Service und Herrn F., VW AG Bezirksmanager Service verlangt werde. Die Ausfüllung der Direktannahmecheckliste stellte einen Arbeitsvorgang dar, der von der „Stellenbeschreibung Serviceberater“ (Abl. 54 bis 58 in 12 Ca 874/05) unter B (Hauptaufgaben) erfasst war. Dort heißt es: „Die von Ihnen zu betreuenden Kunden sind in allen Phasen des Serviceprozesses systematisch und qualifiziert zu betreuen mit dem Ziel erfolgreicher Abschlüsse sowie der Stärkung der Kundenzufriedenheit als Basis der langfristigen Bindung an Marke und Betrieb“. Gleichzeitig hat die Beklagte ein erhebliches betriebliches und betriebswirtschaftliches Interesse daran, dass genau diese Ziele erreicht werden. Damit entsprach die Arbeitsanweisung billigem Ermessen.

b) Diese Arbeitsanweisung der Beklagten hat der Kläger seit 23.02.2005 trotz Abmahnungen vom 15.03.2005 und 01.04.2005 bis zum Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 07.04.2005 beharrlich nicht befolgt.

Mit jeweiligem Schreiben vom 15.03.2005 erhielt der Kläger von der Beklagten insgesamt sechs Abmahnungen, wovon drei Abmahnungen den Bereich der schriftlichen Arbeitsanweisung vom 22.02.2005 betrafen, während die drei weiteren Abmahnungen vom gleichen Tag auf sonstige (angebliche) Pflichtenverstöße des Klägers Bezug nahmen. Bezüglich der drei schriftlichen Abmahnungen hinsichtlich der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005 rügte die Beklagte,

– dass der Kläger kein Recht habe, auf Hausmitteilungen, die konkrete Anweisungen enthielten, handschriftliche Bemerkungen und Kommentare hinzuzufügen,

– dass der Kläger schriftliche Arbeitsanweisungen der Beklagten nach Kenntnisnahme abzuzeichnen habe,

– dass er sich trotz wiederholter mündlicher Anweisung seines Vorgesetzten weigere, die Direktannahmechecklisten auszufüllen und jeweils abends bei seinem Vorgesetzten abzugeben.

In allen drei Abmahnungen wurde dem Kläger am Ende des Schreibens für den Wiederholungsfall der Ausspruch einer fristlosen Kündigung angedroht. Im Abmahnungsschreiben bezüglich der Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung vom 22.02.2002 heißt es ausdrücklich: „Sollte es deswegen im Wiederholungsfall noch einmal dazu kommen, dass Sie eine Anweisung nicht befolgen, zieht dies zwingend den Ausspruch der fristlosen Kündigung nach sich“. Nachdem der Kläger sich weiterhin weigerte, die Direktannahmecheckliste zu führen und abends beim Vorgesetzten abzugeben, sprach die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.04.2005 eine weitere Abmahnung aus. Am Ende dieser Abmahnung heißt es:

„….Wir weisen deswegen hiermit noch einmal eindringlichst darauf hin, dass es zu Ihrem arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis gehört, die Checklisten zu führen und abends bei Herrn … abzugeben.

Wir fordern Sie deswegen hiermit dazu auf, per sofort bei jedem eingehenden Kundenauftrag – egal ob es sich um Inspektionen oder Kleinreparaturaufträge handelt – ausnahmslos die Checkliste korrekt auszufüllen und zu bearbeiten und diese Checklisten jeden Abend bei Herrn … abzugeben.

Sollte es noch ein einziges Mal dazu kommen, dass Sie gegen die vorgenannte Verpflichtung verstoßen und weiterhin das Fertigen der Checklisten und das Abgeben der Checklisten abends bei Herrn … unterlassen, müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung rechnen.“

Damit führte die Beklagte dem Kläger mit nicht zu überbietender Deutlichkeit vor Augen, dass sie im Bereich „Befolgung der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005″ nicht mehr bereit war, auch nur noch eine einzige Pflichtverletzung hinzunehmen. Auch wenn die Beklagte eine Vielzahl von Abmahnungen wegen anderer (angeblicher) Pflichtverletzungen des Klägers ausgesprochen hatte, war für den Kläger deutlich erkennbar, dass die Beklagte bezüglich der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005 gerade wegen der dringend erforderlichen Steigerung der Qualität im Servicebereich bei nochmaliger Verweigerung der Ausfüllung der Direktannahmechecklisten die außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen werde. Zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klarzumachen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr zum Ausspruch der Kündigung führen (BAG, Urt. vom 15.11.2001 – 2 AZR 609/00 AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 4). Vorliegend waren wegen der Pflichtverletzung „Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005″ nur zwei Abmahnungen ausgesprochen worden. Damit kann bereits nicht von einer Abschwächung der Warnfunktion für diese Pflichtverletzungen gesprochen werden. Selbst wenn man die übrigen wegen nicht gleichartiger Pflichtverletzungen ausgesprochenen Abmahnungen in die Gesamtschau mit einbezieht, war für den Kläger bezüglich der Pflichtverletzung „Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005″ deutlich erkennbar (s.o.), dass bei einer Fortsetzung seines Verhaltens die außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen wird. Nachdem der Kläger in der Arbeitswoche vom 04. bis 07.04.2005 bei seiner Verweigerungshaltung blieb, ist eine beharrliche Arbeitsverweigerung gegeben, da der Kläger sich bewusst und gewollt einer rechtmäßigen Anordnung trotz zwei Abmahnungen widersetzt hat. Insbesondere zeigte das Verhalten des Klägers, dass er nicht bereit war, Arbeitsanweisungen zukünftig zu befolgen. Hierfür spricht auch, dass er die an Eindringlichkeit nicht zu überbietende Abmahnung vom 01.04.2005 im Gespräch vom 07.04.2005 dahingehend umschrieb, ob es wieder einen April-Scherz gebe.

c) Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ist die außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt. Zwar ist der am 22.08.1943 geborene, verheiratete Kläger, der ansonsten keine Unterhaltspflichten hat, seit 01.07.1973 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund seines Alters ist der Kläger auf dem Arbeitsmarkt (wohl) nicht mehr vermittelbar. Im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war der Kläger über 31 Jahre bei der Beklagten tätig. Trotz dieses hohen sozialen Besitzstandes überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten. Die von der Beklagten getroffene Arbeitsanweisung vom 22.02.2005 hielt sich im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO und war zum Zwecke der Qualitätssteigerung im Servicebereich sowohl aus betrieblichen als auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten. Der Kläger wurde wegen der seit 23.02.2005 fortdauernden Pflichtverletzung zweimal abgemahnt, wobei die zweite Abmahnung vom 01.04.2005 ausdrücklich und klar besagte: „Sollte es noch ein einziges Mal dazu kommen, dass Sie gegen die vorgenannte Verpflichtung verstoßen und weiterhin das Fertigen der Checklisten und das Abgeben der Checklisten abends bei Herrn … unterlassen, müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung rechnen“. Die tarifliche ordentliche Unkündbarkeit des Klägers ist im Rahmen der Interessenabwägung nicht weiter zu seinen Gunsten zu gewichten. Die Unkündbarkeit gewinnt auf die Interessenabwägung keinen zwingenden Einfluss, wenn ein Kündigungssachverhalt vorliegt, der – wie hier – so schwerwiegend ist, dass auch einem tariflich ordentlich kündbaren Arbeitnehmer fristlos hätte gekündigt werden können. Dies fordert schon die Unabdingbarkeit des § 626 Abs. 1 BGB. Zum anderen muss auch in diesen Fällen die Vertrauensgrundlage dermaßen schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist und es auf die Frage, wie lange das Arbeitsverhältnis noch „fiktiv“ bestehen könnte, nicht ankommt. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist also – auch ohne Gewährung einer Auslauffrist – stets dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber – wie hier – nicht mehr einmal zumutbar ist, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nur bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist zur ordentlichen Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses weiter zu beschäftigen (BAG, Urt. vom 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797 zu B I 5 b der Gründe). Diese hätte vorliegend gemäß § 5.1 MTV Kfz-Gewerbe sieben Monate zum Ende des Kalendermonats betragen.

d) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Da es sich vorliegend bei der Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung vom 22.02.2005 um einen Dauertatbestand handelte, der bis zum 07.04.2005 anhielt, ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt (vgl. hierzu BAG, Urt. vom 17.08.1972 – 2 AZR 359/71, BAGE 24, 383; so auch BGH, Urt. vom 20.06.2005 – II ZR 18/03 – BB 2005, 1698).

Nach alldem ist die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.04.2005 rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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