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Abschleppen: Beschädigung des Pkw nach verbotswidrigem Parken auf Behindertenparkplatz

OLG Thüringen

Az: 4 U 965/04

Urteil vom 06.04.2005


In dem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2005 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 09.09.2004, Az.: 10 O 1784/03, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert der Berufung beträgt 883,08 Euro.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz iHv 883,08 Euro – insoweit beantragt er mit der Berufung die Abänderung des angefochtenen Urteils – für ein Fahrzeug Mercedes Benz, X, das im Zusammenhang mit einem von der Beklagten angeordneten Abschleppvorgang am 29.06.2001 von der Abschleppfirma, der Fa. A. T. B. GmbH, beschädigt worden sein soll. Es handelt sich um einen Schaden an der Verkleidung links am Einstieg zum Längsträger. Auf der Rechnung der Abschleppfirma, Bl. 8 (Kopie) ist handschriftlich vermerkt: „Beim Abholen wurde festgestellt, vorne links defekt der Schweller.“ Das Fahrzeug sei mit Radklammern abgeschleppt worden.

Der Schaden wurde zunächst in einem früheren Prozess gegenüber der Abschleppfirma A. B. GmbH geltend gemacht. Die dortige Klage wurde vom Kläger auf Anraten des Gerichts (jedoch) zurückgenommen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Der Kläger sei nicht Eigentümer des Fahrzeugs. Der als Anlage A1 der Klage beigefügte Kaufvertrag v. 25.09.2000 – vgl. Bl. 5 d.A. – sei hierfür kein genügender Nachweis. Im übrigen sei das Fahrzeug ordnungsgemäß abgeschleppt worden, weil es am 29.06.2001 verkehrswidrig auf einem „Sonderparkplatz“ für Schwerbehinderte in der Andreasstraße abgeparkt worden sei. Der Parkplatz sei durch das Zeichen 314/315 mit Zusatz Rollstuhlfahrersymbol ausgewiesen (Verstoß gegen § 12 Abs. 3 StVO).

Die Beklagte hat ferner die Beschädigung durch die Abschleppfirma mit Nichtwissen bestritten. Der Kläger hatte hierfür erstinstanzlich seine Vernehmung als Partei beantragt (Bl. 52)

Seinen Schaden berechnet der Kläger wie folgt: 757,40 Euro
(laut Kostenvoranschlag der Fachwerkstatt, Bl. 9)
Unkostenpauschale f. Tel. + Porto 25,56 Euro
Abschleppkosten 100,11 Euro
insgesamt also 883,07 Euro.

Das LG hat Beweis zur Eigentümerstellung des Klägers durch Einvernahme des Zeugen S. Z. erhoben. Dieser hat i.T. am 08.07.2004 erklärt, er habe das Fahrzeug an den Kläger verkauft. Es könne aber sein, dass (noch) sein Vater im Kfz-Brief als Eigentümer vermerkt war. Auf Vorhalt des Gerichts, dass im Brief als letzter Eigentümer ein D. B., ferner ein R. W. als Eigentümer eingetragen sei, konnte der Zeuge keine Angaben machen (vgl. Terminsprotokoll Bl. 69 d. A.); der Zeuge hat hinzugefügt, das Auto stand damals zum Verkauf. Es habe sich auch ein Herr B. dafür interessiert. Der habe das Fahrzeug ursprünglich bekommen, dann aber den Kaufpreis nicht bezahlen können. Deshalb habe er das Fahrzeug zurück genommen und sodann an den Kläger verkauft. Das Fahrzeug sei unbeschädigt an den Kläger übergeben worden. (Wegen weiterer Einzelheiten s. Prot.v. 08.07.2004, Bl. 69, 70 d.A.; hinsichtlich der Kfz-Briefe vgl. Bl. 72 – 74 d.A.; und hinsichtlich des Vor Kfz-Briefs Bl. 82, 83 [betr. Voreintragung des M. Z.]).

Das LG hat die Klage mangels vom Kläger nachgewiesener Aktivlegitimation abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser zunächst eine fehlerhafte Beweiswürdigung rügt. Erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen wird, dass der eingetragene R. W. aus rein versicherungstechnischen Gründen im Fahrzeugbrief aufgeführt sei – im Einvernehmen mit dem Kläger. Als Beweis wird dessen (des Zeugen) Einvernahme angeboten. In diesem Zusammenhang rügt der Kläger ferner, das Urteil sei eine Überraschungsentscheidung, weil das LG nicht darauf hingewiesen habe, dass es trotz Vorlage des Vor-Kfz-Briefs nach wie vor von einer fehlenden Aktivlegitimation ausgegangen sei. Außerdem handele es sich nach den Feststellungen im Urteil um einen Privatparkplatz, so dass die Abschleppkosten dem Kläger nicht auferlegt werden könnten. Es habe ein Auftrag des Privateigentümers zum Abschleppen gefehlt.

Die Beklagte erwidert, die Aktivlegitimation könne dahingestellt bleiben; eine Beschädigung durch das Abschleppunternehmen werde nach wie vor bestritten; der betreffende Schaden könne nicht durch den Abschleppvorgang verursacht worden sein. Für einen eventuellen Schaden hafte der Abschleppunternehmer im übrigen persönlich; dieser sei jedenfalls nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen. Insoweit stehe dem Kläger auch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu.

Der Senat hat mit der Ladungsverfügung rechtliche Hinweise und den Parteien insoweit Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags bis zum 31.01.2005 gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ladungsverfügung, Bl. 142 – 144 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger hat auf die Hinweise erwidert, die streitgegenständliche Abschleppmaßnahme sei weder notwendig noch verhältnismäßig gewesen.

II.

Die fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß begründete – und damit zulässige – Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist – jedenfalls im Ergebnis – nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der geltend gemachten Abschleppkosten besteht schon deswegen kein Anspruch auf Schadensersatz, weil der Kläger sein Fahrzeug verbotswidrig auf einem durch entsprechende Verkehrszeichen (vgl. § 12 Abs. 3 StVO; hier 314 Nr. 2 „Behindertenparkplatz“) behinderten Fahrern vorbehaltenen Parkraum abgestellt hat, mithin die von der Beklagten veranlasste Abschleppmaßnahme rechtmäßig war. Dieser Parkraum befand sich auch im Bereich einer öffentlichen Straße, der Andreasstraße, und nicht etwa auf einem Privatparkplatz. Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind von der Berufung nicht angegriffen worden. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz auf eine „verunglückte“ Formulierung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug nimmt, wo tatsächlich dieser öffentliche Parkplatz als Privatparkplatz bezeichnet wurde, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, das an der rechtlichen Einordnung des Parkraums nichts zu ändern vermag.

Die Abschleppmaßnahme war auch nicht unverhältnismäßig. Die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme und deren Verhältnismäßigkeit richtet sich nach dem Polizeiaufgabenrecht des Landes Thüringen in Verbindung mit der StVO (hier §§ 2, 12 PAG, 12 Abs. 3 StVO). Behindertenparkplätze sind grundsätzlich behinderten Fahrern durchgängig freizuhalten; auf die Dauer des verbotswidrigen Parkens – auf solchen Plätzen – kommt es mithin nicht an. Einmal abgesehen davon, dass den Hilfsbeamten ein Zuwarten – wie lange ?, eine Stunde ? (s. Klägerschriftsatz v. 31.01.2005, Bl. 152 d. A. – nicht zuzumuten ist, ist darüber hinaus der diesbezügliche neue Vortrag des Klägers auch verspätet, weil nicht ausreichend entschuldigt (vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Einräumung eines Schriftsatzrechts zu den Hinweisen des Senats in der Ladungsverfügung ändert daran nichts. Mit diesen Hinweisen hatte der Senat zu dieser Frage (der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme) keinen neuen tatsächlichen Vortrag zulassen wollen, sondern – erkennbar – allenfalls zur rechtlichen Problematik des „Behindertenparkplatzes“. Daher sind die reinen Abschleppkosten vom Kläger als dem Handlungsstörer selbst zu tragen (vgl. hierzu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., §12 Rz. 65 m.w.Nw.; Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 18. Aufl., Rz. 96 mit Hinweis auf OVG Hamburg VRS 89, 68).

Im übrigen kann die Frage der Aktivlegitimation jedenfalls dahingestellt bleiben. Nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB streitet die (Eigentums)Vermutung allerdings hier für den Kläger, denn diese gilt auch für solche Kfz-Besitzer, die das Fahrzeug als Eigenbesitzer nutzen (vgl. BGH NJW 2004, 217). Das bedeutet, dass der (Prozess)Gegner diese Vermutung widerlegen muss, entweder durch Vortrag des Abhandenkommens des Fahrzeugs im Sinne von § 935 BGB oder, dass der Besitzer kein Eigentum erwarb (bei Erlangung des Eigenbesitzes) oder nur Fremdbesitz nach eigener Willensrichtung innehatte. Diesbezügliche Hinweise des Erstgerichts fehlen ebenso wie entsprechender Beklagtenvortrag, so dass die Berufung des Klägers dies zu Recht rügt.

Hierauf kommt es jedoch nicht (mehr) an, weil der Kläger trotzt des zulässigen Bestreitens der Beklagten, der Schaden sei nicht durch das Abschleppen verursacht worden, seinen Vortrag nicht dahingehend präzisiert hat, dass die behauptete Beschädigung während des Abschleppvorgangs durch das Abschleppunternehmen erfolgt ist. Auch fehlt insoweit, wollte der Kläger dies vortragen, die Angabe eines geeigneten Beweismittels. Denn nur für diesen, auf die reinen Abschleppmaßnahme bezogenen Vorgang kommt eine Haftung der Beklagten aus Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) in Betracht, weil sie die Abschleppmaßnahme angeordnet hat und (nur) dieser Abschleppvorgang selbst hoheitlich war (vgl. hierzu und zum Meinungsstand Kreissl in NVwZ 1994, 349). Nur insoweit handelt ein privates Abschleppunternehmen als unselbständiger Verwaltungshelfer und damit als „verlängerter Arm“ des Hoheitsträgers und kann auch nur für diesen Vorgang wegen der engen Weisungsgebundenheit als dessen „Werkzeug“ angesehen werden (Werkzeugtheorie des BGH; vgl. in WM 1973, 390; in NJW 1980, 1679 und insbesondere BGH NVZ 1993, 223). Für Schäden, die an dem abgeschleppten Fahrzeug während der (anschließenden) Verwahrung auf dem Gelände des Abschleppunternehmens entstehen, haftet der Hoheitsträger dagegen nicht (vgl. OLG Hamm NJW 2001, 375). Für die (anschließende) Verwahrung fehlt es an der Ausübung hoheitlicher Gewalt, so dass für diesen Bereich ein Haftungsübergang auf den Hoheitsträger ausscheidet.

Darauf hat der Senat in seiner Ladungsverfügung ausdrücklich hingewiesen.

Da der Kläger hierauf nichts (mehr) erwidert hat, dies wohl auch nicht kann, war die Berufung zurückzuweisen. Der handschriftliche Zusatz auf der Rech-nung des Abschleppunternehmens (vgl. Bl. 8 d. A.) ist für den Zeitpunkt des Entstehens des Schadens nicht genügend beweiskräftig. Die vom Kläger – lediglich für die Auftragserteilung des Abschleppens – aufgebotene Zeugin M. könnte allenfalls noch zu Vorschäden am abgeschleppten Fahrzeug, falls sie sich das Fahrzeug bei Auftragserteilung selbst überhaupt angeschaut hatte, gehört werden, aber nicht zur behaupteten – späteren – Schwellerbeschädigung selbst. Mithin ist der Kläger für den hier allein begründenden Haftungsvorgang beweisfällig geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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