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Abwasserdurchleitung – Duldungspflicht des Grundstückseigentümers

OVG Saarland – Az.: 1 A 314/19 – Urteil vom 01.12.2021

I. Das Verfahren wird, soweit die seitens der Klägerin zu 3) erhobene Klage zurückgenommen wurde, eingestellt; das erstinstanzliche Urteil vom 28. November 2018 wird insoweit für wirkungslos erklärt.

II. Im Übrigen wird das erstinstanzliche Urteil teilweise dahin abgeändert, dass

1. die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, Oberflächen- und Quellwasser im Rahmen der Verwirklichung des 4. Bauabschnitts des Bebauungsgebiets Dienäcker über die Grundstücke der Kläger Gemarkung T… , Flur 3, Flurstück Nr. 126 (Kläger zu 1), Flur 3, Flurstück Nrn. 124, 125 und 127 (Kläger zu 2) abzuleiten,

2. die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, im Rahmen der Erweiterung des Baugebiets Dienäcker sowie auch weiterer geplanter Bau- und Erschließungsmaßnahmen ihre Grundstücke in Anspruch zu nehmen,

3. der Beklagten untersagt wird, das aus dem Rückhaltebecken abfließende Wasser und das in dem auf der Grundlage des wasserrechtlichen Plangenehmigungsbescheids der Unteren Wasserbehörde vom 23.1.2006 als Gewässerbett angelegten Muldengraben geführte Wasser in das Einlaufbauwerk TÜN R 5.1 EL einzuleiten.

III. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 3) zu einem Drittel, der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) zu jeweils einem Neuntel und die Beklagte zu vier Neunteln.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 3) – insoweit unter Berücksichtigung der durch die Klagerücknahme bedingten Minderung der Gerichtsgebühren – zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger zu 1) und 2) wenden sich gegen das unterirdische Durchleiten von Niederschlagswasser aus dem Bebauungsgebiet Dienäcker und gegen die Durchleitung eines Gewässers 3. Ordnung durch ihr in der Tallage von T… , einem Ortsteil der beklagten Gemeinde, gelegenes Grundeigentum. Hinsichtlich der Klägerin zu 3), der verstorbenen Ehefrau des Klägers zu 2), hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Klage im Erörterungstermin vor dem Senat zurückgenommen, da sie nicht Miteigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke war.

Das Schmutzwasser des Bebauungsgebiets Dienäcker wird durch öffentlichen Verkehrsraum, die Lindenstraße und die Martinstraße, in Richtung zur Kläranlage geleitet; etwa ab dem an der Martinstraße gelegenen Wohnhaus des Klägers zu 1) verlaufen Schmutz- und Regenwasserkanal parallel zueinander durch den öffentlichen Verkehrsraum. Der Regenwasserkanal endet in der Mühlenstraße; ab dort wird das Wasser in einem offenen Gewässerbett geführt.

Die streitgegenständlichen Grundstücke standen ursprünglich im Eigentum des Klägers zu 2) bzw. wurden diesem im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens T… als Abfindungsgrundstücke zugeteilt. Ausweislich der im Flurbereinigungsverfahren gefertigten Verhandlungsniederschrift vom 24.11.2004 wurden dem Kläger zu 2) ein 3.932 qm und ein 3.376 qm großes Abfindungsgrundstück zugeteilt; ersteres umfasst ein seinerseits eingebrachtes 1.330 qm großes Grundstück mit der früheren Flurstückbezeichnung 1634/6. In der Folgezeit hat der Kläger zu 2) seiner Tochter das Eigentum an einem Teil des an die Martinstraße angrenzenden erstgenannten Abfindungsgrundstücks übertragen. Das so entstandene Grundstück trägt seither die Parzellenbezeichnung 126. Die Tochter hat das Grundstück bebaut. Ihr Ehemann, der Kläger zu 1), und ihr 2010 geborener Sohn sind im Wege der Erbfolge in Erbengemeinschaft Eigentümer dieses Grundstücks geworden.

Auf dem 3.932 qm großen Abfindungsgrundstück befinden sich ein 1968 gebauter ursprünglich als Mischwasser- und später als Schmutzwasserkanal genutzter Kanal sowie ein 2003/2004 zur Ableitung des Niederschlagswassers des damals geplanten Bebauungsgebiets Dienäcker verlegter Kanal. Unter Gliederungspunkt I der Verhandlungsniederschrift vom 24.11.2004 heißt es, die Lage der Kanäle sei dem Kläger zu 2) bekannt, sie würden geduldet. Die Beklagte habe aufgrund der Forderung des Klägers zu 2) darauf verzichtet, das Abfindungsgrundstück mit einem Kanalrecht zu belasten. Ausweislich Gliederungspunkt II der Verhandlungsniederschrift war bezüglich des 3.376 qm großen Abfindungsgrundstücks, das von dem damaligen Mischwasserkanal durchquert wird, vereinbart, es in Abteilung 2 des Grundbuchs mit einem Kanalrecht zu belasten.

Die Beklagte beauftragte im Juli 2005 zwecks Entlastung der Kläranlage ein Planungsbüro mit der Planung eines naturnahen Teilausbaus eines als „Bonnerbach“ bezeichneten Gewässers, das damals etwa 170 m oberhalb der Martinstraße in den vom Oberdorf kommenden und in der Tallage durch die vorgenannten Abfindungsgrundstücke verlaufenden Mischwasserkanal eingeleitet wurde.

Auf den sodann erarbeiteten Antrag vom 4.11.2005 wurde der Beklagten durch Plangenehmigungsbescheid vom 23.1.2006 die wasserrechtliche Erlaubnis zum Ausbau des Bonnerbachs und zur Anlegung eines Rückhaltebeckens in der Hanglage erteilt. In der Bescheidbegründung ist einleitend ausgeführt, die Beklagte beabsichtige, das Wasser bislang in den Mischwasserkanal fließender Quellen und von Teilen des Außengebiets künftig der schon früher gebauten Bonnerbachverrohrung zuzuführen; zur Pufferung der Hochwasserspitze solle ein Rückhaltebecken angelegt werden. In ihren Antragsunterlagen hatte die Beklagte dargelegt, dass dem seit 2003/2004 vorhandenen durch die Grundstücke der Kläger verlaufenden Regenwasserkanal aus dem Baugebiet Dienäcker (Projekt 2003) maximal 531,97 l/s zufließen und diesem Kanal in Gestalt des einzuleitenden Gewässers maximal weitere 900 l/s zugeführt werden könnten. Den Berechnungen zufolge würden dem renaturierten Gewässer (und demgemäß dem geplanten Einlaufbauwerk TÜN R5.1) bei einem 50-jährigen Regenereignis aus dem Einzugsgebiet II 809 l/s und aus dem Rückhaltebecken nach dortiger Drosselung weitere 90 l/s, zusammen also 899 l/s, zufließen (Erläuterungsbericht S. 2 bis 4). In dem Lageplan Hydraulik betreffend die Erschließung des Baugebiets Dienäcker 2. bis 4. Bauabschnitt vom 19.3.2018 ist in Bezug auf das fragliche Einlaufbauwerk TÜN R 5.1 EL die Einleitungsmenge gemäß wasserrechtlicher Genehmigung mit 275 l/s beziffert (Gerichtsakte Bl. 291).

Eine Einigung über die Inanspruchnahme der Grundstücke der Kläger zur Errichtung des Einlaufbauwerks und der Verlegung eines Kanalrohrs DN 600 von diesem zu dem Kanalbauwerk TÜN R5 kam in der Folgezeit nicht zustande. Schließlich verwirklichte die Beklagte ihr Vorhaben 2007 ohne vorherigen Abschluss einer Gestattungsvereinbarung.

Unter dem 19.2.2013 ordnete das Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz gegenüber der Beklagten die Umsetzung einer weiteren Fremdwasserentflechtungsmaßnahme „Entflechtung der Quellen Jacobi, Kronimus und Franz-Altmeyer-Straße sowie der Außengebiete A 3.3 und 3.4 in den Bonnerbach“ an. In der Begründung heißt es, anlässlich der Fremdwasserentflechtungsmaßnahme des Jahres 2007 seien zwar bereits Außengebiete mit einer Größe von ca. 45 ha von der Mischwasserkanalisation abgetrennt worden, dies reiche aber zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Kläranlage nicht aus.

Am 18.6.2013 beantragte die Beklagte die zur Durchführung der ihr auferlegten Fremdwasserentflechtung notwendige wasserrechtliche Erlaubnis.

Abwasserdurchleitung – Duldungspflicht des Grundstückseigentümers
(Symbolfoto: Eduard Goricev/Shutterstock.com)

Nach dem hieraufhin am 10.12.2013 erteilten Erlaubnisbescheid ist die maximale Wassermenge, die der unterhalb der L 170 im Bereich befindlichen Einleitstelle in den Bonnerbach bei Trockenwetter aus Brunnen zugeführt wird, mit 12 l/s und die maximale Wassermenge, die dort bei Regenwasser von befestigten Flächen kommend eingeleitet wird, mit 570 l/s beziffert. Das an der Einleitstelle zusammengeführte Wasser wird im offenen Verlauf zunächst dem Rückhaltebecken und über dessen auf 90 l/s gedrosselten Ablauf und das 2007 angelegte Gewässerbett dem Einlaufbauwerk TÜN R 5.1 zugeleitet.

Am 2.4.2014 wandte sich der Kläger zu 2) an die Beklagte, weil er dem Amtsblatt der Gemeinde entnommen hatte, dass die Bauarbeiten für die vorbezeichnete Fremdwasserentflechtung beauftragt werden sollten. Da der bestehende durch seine Grundstücke verlaufende Kanal bei starken Regenfällen bereits an seine Belastungsgrenze stoße, bitte er um Erläuterung des Bauvorhabens. An der nachfolgenden Korrespondenz mit der Beklagten beteiligte sich ab dem 22.5.2014 auch der Kläger zu 1); er äußerte Bedenken, sein Wohnhaus könne bei Starkregen gefährdet werden, wenn die neuen Planungen verwirklicht würden. Unter anderem verwiesen die Kläger darauf, durch die Duldung der beiden Kanäle bereits einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl geleistet zu haben, legten die Sorge einer drohenden Überlastung des Kanalsystems dar und beanstandeten die Funktionsfähigkeit des Regenrückhaltebeckens.

Die Entflechtungsmaßnahme wurde im Jahr 2014 abgeschlossen.

Unter dem 27.4.2015 wurde im Auftrag der Beklagten ein geotechnischer Bericht zur hydrogeologischen Situation im Bereich des Regenrückhaltebeckens erstellt, in dem es abschließend heißt, es hätten sich keine Hinweise auf Undichtigkeiten des Regenrückhaltebeckens ergeben. Aufgrund der sehr gering durchlässigen Tonböden könnten oberflächlich anfallende Niederschlagswassermengen kaum bis gar nicht im Untergrund versickern und flössen daher hauptsächlich oberflächlich ab. Das Rückhaltebecken stelle einen „Puffer“ dar, der nicht mehr Wasser abgeben könne, als oberflächlich über den Bach in das Becken hineinfließe. Eine Stilllegung des Beckens würde das Problem der oberflächlich abfließenden Wässer nicht lösen, sondern verschärfen.

Nach weiterem Schriftverkehr haben die Kläger am 12.5.2016 die verfahrensgegenständliche Klage erhoben und im Einzelnen vorgetragen, es sei bereits zu Überschwemmungen ihrer Grundstücke gekommen und eine zunehmende Vernässung der Grundstücke sei zu beobachten. Das Verhalten der Beklagten widerspreche ihrer Zusage im Schreiben vom 30.7.2003, wonach die damals geplanten Kanalarbeiten auf dem (damaligen) Grundstück Parz.-Nr. 1634/6 auch in Hinblick auf weitere künftig erforderliche Maßnahmen endgültigen Charakter haben sollten und versichert worden sei, dass das Grundstück letztmalig in Anspruch genommen werde.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Oberflächen- und Quellwasser im Rahmen der Bebauungsmaßnahmen des Bebauungsgebietes Dienäcker über die Grundstücke der Kläger, Gemarkung T… , Flur 3, Flurstücknummer 126 (Kläger zu 1), Flur 3, Flurstücknummern 124, 125 und 127 (Kläger zu 2 und 3) abzuleiten;

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2. die Beklagte zu verurteilen, eine Ableitung von Oberflächen- und Quellwasser über den im Eigentum der Beklagten stehenden öffentlichen Weg, Flur 3, Flurstücknummer 21 vorzunehmen;

3. die Beklagte zu verurteilen, eine fachgerechte Absicherung des auf dem Grundstück der Beklagten, Flur 3 Nr. 32, eingerichteten Regenrückhaltebeckens in der Art und Weise herzustellen, dass eine Beeinträchtigung und Gefährdung des im Eigentum der Kläger 2) und 3) stehenden Grundstücks Flur 3, Flurstücknummer 33 ausgeschlossen ist;

4. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen der Erweiterung des Baugebiets Dienäcker sowie auch weiterer geplanter Bau- und Erschließungsmaßnahmen ihre Grundstücke in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Zulässigkeit der Klage in Zweifel gezogen und es als ausgeschlossen erachtet, dass die durchgeführten Maßnahmen zu einer Verschlechterung der Situation auf den Grundstücken der Kläger geführt haben könnten. Die Funktionsfähigkeit des Regenrückhaltebeckens sei sachverständig geprüft und bejaht worden und aus den hydraulischen Berechnungen zur Kapazität des Regenwasserkanals und den jeweiligen Einleitmengen ergebe sich, dass ein schadloser Abfluss eines dreijährigen Bemessungsregens gewährleistet sei. Insoweit ist eine Berechnung für den 2. bis 4. Bauabschnitt des Baugebiets Dienäcker vorgelegt worden, in der die Größe des Einzugsgebiets mit 8,67 ha angegeben und der Regenwasseranfall bei einem einjährigen 15minütigen Regen mit 111 l/s/ha beziffert ist.

Das Verwaltungsgericht hat die Örtlichkeit am 20.9.2017 besichtigt und die Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.11.2018 ergangenes Urteil, den Klägern zugestellt am 8.1.2019, hinsichtlich des Klageantrags zu 2) als unzulässig – weder aus dem Wasserrecht noch aus Art. 14 GG könne ein Anspruch darauf abgeleitet werden, die Beseitigung von Oberflächenwasser über bestimmte Grundstücke vorzunehmen – und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte sei im Interesse des Gemeinwohls kraft wasserrechtlicher Vorgaben zur ordnungsgemäßen Beseitigung des Niederschlagswassers bzw. kraft Anordnung des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz zur Fremdwasserentflechtung verpflichtet gewesen. Zudem sei bereits zweifelhaft, ob die vorgetragene Vernässung der Grundstücke einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstelle. Es sei noch zu keinem Überschwemmungsereignis gekommen, aufgrund dessen ein konkreter Schaden an den Grundstücken der Kläger eingetreten sei. Selbst bei Unterstellung eines Eingriffs in das Eigentumsrecht der Kläger sei dieser nicht als rechtswidrig zu bewerten. Eine Rechtswidrigkeit folge nicht aus einer vermeintlichen „Fehlplatzierung“ des Kanals oder einer etwaig zu geringen Dimensionierung. Die Auslegung des Kanals auf ein dreijähriges Regenereignis entspreche dem Stand der Technik. Soweit die Kläger im Zuge der Baugebietserschließung erteilte Genehmigungen beanstandeten, hätten sie diese direkt angreifen müssen. Die fehlende grundbuchrechtliche Absicherung des Kanals auf den Grundstücken der Kläger führe nicht zum Erfolg der Klage, da sich aus der Niederschrift vom 24.11.2004 Duldungspflichten ergäben. Der Antrag zu 3) sei unbegründet, da eine Rechtsverletzung durch die Unterhaltung des Regenrückhaltebeckens ausweislich des Gutachtens vom 27.4.2015 nicht festgestellt werden könne.

Auf den am 4.2.2019 eingereichten und am 4.3.2019 begründeten Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 22.10.2019, den Klägern zugestellt am 23.10.2019, hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 4) zugelassen und das Zulassungsbegehren im Übrigen zurückgewiesen.

Nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist haben die Kläger ihre Berufung am 27.12.2019 begründet. Sie bekräftigen ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere bezüglich der Behauptung zunehmender Vernässung ihrer Grundstücke und der in der Ortslage von Unter T… befindlichen Quelle des Bonnerbachs, betonen ihr Eigentumsgrundrecht und meinen, es sei ihnen nicht zuzumuten, den Eintritt eines konkreten Schadens an ihren Grundstücken abzuwarten. Weder resultiere aus der Nichtanfechtung der wasserbehördlichen Bescheide bzw. des Bebauungsplans Dienäcker eine Pflicht zur Duldung der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke noch sei der Beklagten ein entsprechendes Zwangsrecht erteilt.

Die Kläger beantragen, unter entsprechender Änderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2018 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes 5 K 638/18:

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Oberflächen- und Quellwasser im Rahmen der Verwirklichung des 4. Bauabschnitts des Bebauungsgebiets Dienäcker über ihre Grundstücke Gemarkung T… , Flur 3, Flurstücknummer 126 (Kläger zu 1), Flur 3, Flurstücknummern 124, 125 und 127 (Kläger zu 2 u. 3) abzuleiten,

2. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen der Erweiterung des Baugebiets D… sowie auch weiterer geplanter Bau- und Erschließungsmaßnahmen ihre Grundstücke in Anspruch zu nehmen,

3. der Beklagten zu untersagen, das aus dem Rückhaltebecken abfließende Wasser und das in dem auf der Grundlage des wasserrechtlichen Plangenehmigungsbescheids der Unteren Wasserbehörde vom 23.1.2006 als Gewässerbett angelegten Muldengraben geführte Wasser in das Einlaufbauwerk TÜN R5.1 EL einzuleiten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie äußert hinsichtlich der Zulässigkeit der Klageanträge zu 2) und 3) Bedenken und vertieft ihr Vorbringen zur Sache. Ein auf die Maßnahmen der Jahre 2007 bzw. 2014 zurückgehender Schaden an den Grundstücken der Kläger sei bisher weder eingetreten noch künftig zu erwarten. Die Grundstücke seien in einer Talsenke gelegen, was den natürlichen Zulauf von Wasser bedinge. In der Hanglage befänden sich Tonböden mit geringer Durchlässigkeit. Diese natürlichen Gegebenheiten seien durch die Maßnahmen nicht verschlechtert, sondern die Situation sei durch den geordneten und gedrosselten Ablauf über das Regenrückhaltebecken im Interesse der Kläger verbessert worden. Deren Duldungspflicht ergebe sich aus der Niederschrift vom 24.11.2004 und dem Umstand, dass sie die wasserrechtlichen Genehmigungen und den Bebauungsplan D… nicht angegriffen hätten. Zudem habe der Kläger zu 2) nach der Regulierung eines infolge der Bauarbeiten 2007 entstandenen Schadens (Beseitigung einer Zaunanlage) 2010 erklärt, sämtliche Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche aus der Kanalbaumaßnahme seien erfüllt und es würden keine weitergehenden Ansprüche mehr gegen die Beklagte geltend gemacht werden. Im Übrigen habe die Beklagte auf der Grundlage ihrer Verpflichtung zur Fremdwasserentflechtung lediglich den natürlichen Gewässerzustand wiederhergestellt, was von den Klägern hinzunehmen sei. Der Bonnerbach sei in den Gewässerkarten der Jahre 1974 und 2012 verzeichnet. Nach der einschlägigen Rechtsprechung habe er seine Gewässereigenschaft nicht infolge der jahrelangen Einleitung in den Mischwasserkanal verloren, sondern stehe ungeachtet streckenweiser Verrohrung unter dem Schutz des Wasserhaushaltsgesetzes und des Saarländischen Wassergesetzes. Eine Wasserführung sei erst dann aus dem wasserrechtlichen Regime zu entlassen, wenn mit dem Wegfall des Gewässerbettes eine Absonderung vom natürlichen Wasserhaushalt einhergehe. Die Maßnahme widerspreche auch nicht ihrem Schreiben vom 30.7.2003; dieses beziehe sich allein auf die Parzelle 1634/6, die in der Folgezeit nicht weiter in Anspruch genommen worden sei. Im Übrigen sei durch die zur Akte gereichten hydraulischen Berechnungen belegt, dass das Fassungsvermögen des Kanals für die Aufnahme aller derzeitigen Einleitungen ausreiche. Etwaig dennoch bestehende Ansprüche der Kläger seien – wie unter Würdigung diesbezüglich ergangener Rechtsprechung argumentiert wird – verjährt, jedenfalls aber verwirkt. Für einen Rückbau des Muldengrabens sei eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich, die nicht erteilt würde. Eine Verlegung der Gewässerverrohrung, etwa in den gemeindeeigenen Weg vom Rückhaltebecken zur Ortslage, sei mit ihrer Höhe nach unzumutbaren Kosten verbunden.

Zur Aufklärung des streiterheblichen Sachverhalts bzw. zur Auslotung einer etwaig bestehenden Einigungsmöglichkeit hat der Senat unter dem 18.11.2020, dem 24.2.2021, dem 30.3.2021 und dem 9.8.2021 prozessleitende Verfügungen erlassen, am 26.2.2021 eine Ortsbesichtigung und am 26.3.2021 einen Erörterungstermin durchgeführt.

Wegen des Ergebnisses der Sachaufklärung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Hinsichtlich der Klägerin zu 3) war das Verfahren mit der Rechtsfolge aus den §§ 173 Satz 1 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzustellen, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger ihre Klage im Erörterungstermin vom 26.3.2021 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat. Die Klägerin zu 3) ist verstorben. Sie war nicht Miteigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke1 und hat auf keinem der Grundstücke gewohnt. Ansprüche aus Eigentums- bzw. Besitzstörung konnten ihr nicht zustehen.

Die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) sind zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht deren Klagen, soweit diese zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind, abgewiesen. Den Klägern zu 1) und 2) stehen die im Berufungsverfahren weiterverfolgten Unterlassungsansprüche zu, so dass das erstinstanzliche Urteil insoweit der Abänderung unterliegt.

I. Die im Erörterungstermin vom 26.3.2021 formulierten Anträge beinhalten keine Klageänderung und sind auch im Übrigen zulässig.

1. Die Anträge zu 1) und zu 2) betreffen die Inanspruchnahme der im Antrag zu 1) bezeichneten Grundstücke der Kläger zur unterirdischen Durchführung von Oberflächen- und Quellwasser aus dem 4. Bauabschnitt des Bebauungsgebiets D… sowie aus etwaigen künftigen Erschließungsmaßnahmen. Da sich dies aus dem Sachzusammenhang ergibt, verfängt der Einwand der Beklagten, es sei offen, auf welche Grundstücke sich der Antrag zu 2) beziehe, nicht. Dass die Grundstücke Parz.-Nrn. 124 und 127 selbst nicht von den streitgegenständlichen Verrohrungen durchzogen sind, rechtfertigt die Annahme einer teilweisen Unzulässigkeit der Klage nicht. Sie sind aus den in der Niederschrift vom 24.11.2004 unter Gliederungspunkt I aufgeführten straßennahen Abfindungsgrundstücken entstanden und werden – nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung grundstücksübergreifend – als Wohn- und Gartenland genutzt; zudem bezieht sich der Antrag zu 2) auch auf künftige Bau- und Erschließungsmaßnahmen. Mittels der Anträge zu 1) und 2) wollen die Kläger insbesondere Sicherheit erlangen, dass über den in ihren Grundstücken verlegten Regenwasserkanal allenfalls die versiegelten Flächen der Bauabschnitte 1-3 des Baugebiets D… entwässert werden. Eine Entwässerung zusätzlicher Erschließungsflächen und die Ableitung weiterer Quellgewässer über ihre Grundstücke sollen dauerhaft unterbunden werden. Dieses Rechtsschutzziel der Kläger ist gerade auch vor dem Hintergrund der im Jahr 2007 praktizierten Handhabung – Inanspruchnahme privaten Grundeigentums trotz Verweigerung des Einverständnisses – zulässig.

Mittels der Anträge zu 1) und 2) wollen die Kläger insbesondere Sicherheit erlangen, dass über den in ihren Grundstücken verlegten Regenwasserkanal allenfalls die versiegelten Flächen der Bauabschnitte 1-3 des Baugebiets D… entwässert werden. Eine Entwässerung zusätzlicher Erschließungsflächen und die Ableitung weiterer Quellgewässer über ihre Grundstücke sollen dauerhaft unterbunden werden.

2. Der Antrag zu 3), den die Kläger im Erörterungstermin vom 26.3.2021 formuliert haben, zielt auf die Unterbindung der Einleitung eines 2006/2007 ausgebauten Gewässers dritter Ordnung in das Einleitbauwerk TÜN R5.1 EL und im weiteren Verlauf in den 2003/2004 durch ihre Grundstücke verlegten Kanal.

2.1. Das dem Antrag zu 3), den die Kläger im Erörterungstermin mit dem Ziel, den Streitgegenstand klarstellend zu fixieren, formuliert haben, zugrunde liegende Begehren war seit Klageerhebung Streitgegenstand.

Der Umfang der Rechtshängigkeit wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der durch die Klage anhängig gemacht wurde. Streitgegenstand im Verwaltungsprozess ist ebenso wie im Zivilprozess entsprechend der dort herrschenden Auffassung der prozessuale Anspruch, d.h. das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren um Rechtsschutz durch Erlass eines Urteils mit einem bestimmten Inhalt.2 Bei der allgemeinen Leistungsklage bzw. Unterlassungsklage ist Streitgegenstand der Anspruch des Klägers auf Vornahme der begehrten Leistung bzw. auf Unterlassen eines bestimmten Handelns.3

Nach § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden und nach § 86 Abs. 3 VwGO hat es darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden.

Dies und den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Lebenssachverhalt berücksichtigend hat der Senat den Klägern im Erörterungstermin in Wahrnehmung seiner durch § 86 Abs. 3 VwGO vorgegebenen Pflichten zum Zweck der klarstellenden Fixierung des Streitgegenstands empfohlen, den ihr zentrales Anliegen umschreibenden Antrag zu 3) zu stellen. Eine den Einschränkungen des § 91 VwGO unterliegende Klageänderung ist hiermit nicht verbunden.

Vorliegend ergibt sich aus der Klageschrift vom 9.5.2016, insbesondere Seite 6 f., ebenso wie bereits aus der vorgerichtlichen Korrespondenz (vgl. z.B. die Schreiben vom 22.5.2014 bzw. vom 16.7.2014) ohne Weiteres, dass es von Anfang an ein Ziel der Klage war, die Einleitung des im Rahmen des Gewässerausbaus über das Regenrückhaltebecken und den nachfolgend angelegten Graben geführten Oberflächen- und Quellwassers in den durch ihre Grundstücke verlaufenden Regenwasserkanal zu unterbinden. Ausweislich der Klageerwiderung unterliegt keinem Zweifel, dass auch die Beklagte das im Klageweg verfolgte Anliegen der Kläger dahin verstanden hat, dass die Klage unter anderem darauf zielt, dass das Oberflächen- und Quellwasser, das seit dem Gewässerausbau des Jahres 2007 und der Fremdwasserentflechtungsmaßnahmen 2013/2014 in den durch ihre Grundstücke verlaufenden Regenwasserkanal eingeleitet wird, ohne Inanspruchnahme ihrer Grundstücke anderweitig durch die Ortslage geführt wird. Die Frage, ob die Kläger dies beanspruchen können oder nicht, wird dem entsprechend nicht nur erstinstanzlich sowie im Zulassungs- und Berufungsverfahren kontrovers diskutiert, sondern war ebenso Gegenstand der – wenngleich inhaltlich eher unscharfen – verwaltungsgerichtlichen Prüfung.

2.2. Dass der Senat die Berufung durch Beschluss vom 22.10.2019 nur teilweise zugelassen und den Zulassungsantrag im Übrigen zurückgewiesen hat, ändert an alldem nichts. Das Begehren, die Durchleitung von Oberflächen- und Quellwasser, das infolge des Gewässerausbaus und der Fremdwasserentflechtungsmaßnahme nicht mehr durch den ehemaligen Mischwasserkanal und heutigen Schmutzwasserkanal, sondern stattdessen durch den in den Grundstücken der Kläger befindlichen Regenwasserkanal geleitet wird, zu unterbinden, ist Streitgegenstand geblieben.

Der Zulassungsantrag wurde nur insoweit zurückgewiesen, als mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2) beantragt war, die Beklagte zu verurteilen, das in Rede stehende Oberflächen- und Quellwasser über eine ganz bestimmte im Eigentum der Beklagten stehende Wegeparzelle abzuleiten, bzw. als die Kläger mit ihrem ursprünglichen Klageantrag zu 3) eine fachgerechte Absicherung des Regenrückhaltebeckens begehrt hatten. Hinsichtlich des Streitgegenstands im Übrigen wurde die Berufung zugelassen. In deren Rahmen kommt dem neu formulierten Antrag zu 3) – wie ausgeführt – nur die Bedeutung einer klarstellenden Konkretisierung zu.

3. Die Kläger haben ihren zu 1) angekündigten Antrag im Erörterungstermin dahin präzisiert, dass sie die Einleitung von Oberflächen- und Quellwasser unterbinden wollen, soweit es sich nicht um Niederschlagswasser aus den ersten drei Bauabschnitten des Bebauungsgebiets D… handelt; zur Duldung dieser Einleitung seien sie weiterhin bereit. Dass diese Klarstellung zur Unzulässigkeit des Antrags führen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Bürgermeister der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf entsprechende Nachfrage bestätigt, dass die ersten drei Bauabschnitte an die Niederschlagsentwässerung angeschlossen sind und die Erschließung des vierten Bauabschnitts noch aussteht.

II. Die Berufungsanträge zu 1) bis 3) sind begründet.

Der Sachverhalt ist, soweit er entscheidungserheblich ist, geklärt. Er zeichnet sich durch eine diffuse Gemengelage aus.

Der zwischen TÜN R7 und TÜN R4 durch die Grundstücke der Kläger verlegte Kanal wird seitens der Beklagten aus zwei verschiedenen Teilgebieten der Gemeinde mit Quell- bzw. Oberflächenwasser eingespeist. Der Kanal wurde 2003/2004 verlegt, um das Niederschlagswasser des damals geplanten Bebauungsgebiets D… abzuführen. Demgemäß speist die Beklagte in besagten Kanal das Oberflächenwasser dieses Neubaugebiets ein. Zudem leitet die Beklagte seit 2007 das Wasser des damals aufgrund der Plangenehmigung vom 23.1.2006 ausgebauten Gewässers ein, dem gemäß der wasserbehördlichen Anordnung vom 19.2.2013 und der Einleiterlaubnis vom 10.12.2013 Quellwasser und Oberflächenwasser von der L 170 sowie aus dem Oberdorf zugeführt werden.

Im Erörterungstermin vom 26.3.2021 haben die Kläger klargestellt, dass ihre Anträge „zu verurteilen, es zu unterlassen, … über ihre Grundstücke … abzuleiten“ bzw. „zu verurteilen, es zu unterlassen, … ihre Grundstücke in Anspruch zu nehmen“ oder „zu untersagen, … einzuleiten“ dahin zu verstehen sind, dass sie eine Beseitigung der durch ihre Grundstücke verlaufenden Kanalrohre nicht anstreben, um die damit verbundenen umfänglichen Tiefbauarbeiten, die die unbebauten Teile der Grundstücke, insbesondere auch in unmittelbarer Nähe von Haus und Garage, fast vollständig beträfen, zu vermeiden. Es sei Ziel der Klage, zum einen den noch ausstehenden Anschluss der Niederschlagsentwässerung des 4. Bauabschnitts des Bebauungsgebiets D… bzw. etwaiger weiterer Gebiete an das durch ihre Grundstücke verlaufende Kanalrohr zu verhindern und zum anderen die Durchleitung des ausgebauten Gewässers durch dieses Kanalrohr zu unterbinden. Die Kläger haben dem entsprechend im Erörterungstermin erklärt, mit einer ausschließlichen Nutzung des Kanals zur Entwässerung des 1. bis 3. Bauabschnittes D… einverstanden und insoweit zu einer Duldung der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke bereit zu sein.

Diese Gemengelage – Nutzung des Kanals zur Abwasserbeseitigung und zur unterirdischen Durchleitung eines Gewässers – bedingt die Notwendigkeit einer zwischen den beiden Arten der Einspeisung in das Kanalrohr differenzierenden Betrachtung. Nach der vorgerichtlichen Korrespondenz und dem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren richten sich die Beanstandungen der Kläger in ihrem Schwerpunkt gegen die Durchleitung des Gewässers durch ihre Grundstücke.

Im Ergebnis haben die Kläger sowohl in Bezug auf die erstrebte Unterlassung der Einleitung des Oberflächenwassers des 4. Bauabschnitts des Bebauungsgebiets D… bzw. weiterer Baugebiete (1) als auch hinsichtlich der Durchleitung des verrohrten Gewässers durch ihre Grundstücke (2) einen aus der Vorschrift des § 1004 BGB herzuleitenden Anspruch auf Unterlassung.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 und Abs. 2 BGB liegen hinsichtlich des 4. Bauabschnitts D… bzw. etwaiger künftiger Bau- und Erschließungsmaßnahmen vor.

1.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Absatzes 1 der Vorschrift sind erfüllt. Die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke zur Ableitung auf befestigten Flächen gesammelten Niederschlagswassers im Rahmen der gemeindlichen Abwasserbeseitigungsaufgabe beeinträchtigt das Eigentum der Kläger im Sinn des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes. Durchzieht eine unterirdische Entwässerungsleitung mit den dazu gehörigen Schachtbauwerken ein Privatgrundstück, so bedingt dies, dass an der Erdoberfläche ein Schutzstreifen von Bebauung und Bepflanzung freizuhalten und dem Träger der Entwässerungseinrichtung jederzeit zum Zweck der Wartung Zutritt auf das Grundstück zu gewähren ist. Im Falle einer Überlastung des Entwässerungssystems kann es zu einem unvermittelten Austritt von Abwasser aus den Schachtbauwerken kommen. Demzufolge bedingt das Vorhandensein der Entwässerungsleitung eine ständig präsente Störung in der Nutzung des Grundeigentums und das Durchleiten von Abwasser birgt – etwa bei Überlastung oder Beschädigung des Rohrsystems – latente Risiken in sich.

Die Beklagte will die in den Grundstücken der Kläger verlegte Kanalleitung auch in Zukunft als Teil ihrer Entwässerungseinrichtung nutzen, so dass im Sinn des Satzes 2 der Vorschrift „weitere Beeinträchtigungen“ zu besorgen sind.

1.2. Eine ihren Unterlassungsanspruch nach Maßgabe des § 1004 Abs. 2 BGB ausschließende Duldungspflicht der Kläger besteht nicht.

Dass der Beklagten kraft Gesetzes (§ 50a SWG) hinsichtlich ihres Gemeindegebiets die Aufgabe der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung obliegt, berechtigt sie nicht, zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht private Grundstücke in Anspruch zu nehmen.4 Vielmehr gilt aus dem Blickwinkel des einschlägigen Fachrechts, dass ein Ver- oder Entsorgungsträger eine Ver- oder Entsorgungsleitung auf einem in privatem Eigentum stehenden Grundstück nur verlegen, in seine öffentliche Ver- oder Entsorgungseinrichtung einbinden und zur Erfüllung seiner Ver- oder Entsorgungsaufgabe (hier: Abwasserbeseitigungspflicht gemäß § 50a Abs. 1 Satz 1 SWG) benutzen darf, wenn er im Verhältnis zu dem Grundstückseigentümer eine Rechtsstellung innehat, aufgrund derer dieser verpflichtet ist, die Leitung und ihre Einbindung in die öffentliche Einrichtung hinzunehmen.

Eine solche Duldungspflicht besteht in Bezug auf Entwässerungsanlagen nach der Gesetzeslage nur dann, wenn ein dinglich gesichertes Leitungsrecht bestellt oder ein wasserrechtliches Zwangsrecht erteilt ist oder wenn und solange der Grundstückseigentümer die Verlegung bzw. Nutzung der Entwässerungsleitung durch Gestattungsvertrag wirksam erlaubt hat.5 Einer so begründeten Duldungspflicht in Bezug auf den in Rede stehenden Regenwasserkanal unterliegen die Kläger nicht.

Eine Duldungspflicht der Kläger leitet sich insbesondere nicht aus den in der im Flurbereinigungsverfahren gefertigten Verhandlungsniederschrift vom 24.11.2004 protokollierten Erklärungen des Klägers zu 2) her.

Die Klageanträge beziehen sich auf die Grundstücke mit den Flurstücknummern 124, 125, 126 und 127. Die Grundstücke 124, 125 und 126 sind durch Teilung aus dem im Flurbereinigungsverfahren zugeteilten 3.932 qm großen Abfindungsgrundstück hervorgegangen; bei dem Grundstück 127 handelt es sich um das 104 qm große Abfindungsgrundstück. Beide Abfindungsgrundstücke sind dem Kläger zu 2) nach Maßgabe der unter Gliederungspunkt I. der Verhandlungsniederschrift vom 24.11.2004 getroffenen Regelungen zugeteilt worden. Es heißt dort:

„Auf dem 3.932 qm großen Abfindungsgrundstück befinden sich zwei unterirdische Abwasserkanäle mit Revisionsschächten, deren Lage dem Erschienenen bekannt sind. Die Kanäle und die Revisionsschächte sind in der beigefügten Zuteilungskarte M 1:1000 rot bzw. blau dargestellt und werden geduldet.

Die Gemeinde A-Stadt hat aufgrund der Forderung des Erschienenen darauf verzichtet, das Abfindungsgrundstück mit einem Kanalrecht zu belasten.“

Ausweislich Gliederungspunkt II. der Verhandlungsniederschrift vom 24.11.2004 ist dem Kläger zu 2) damals ein weiteres 3.376 qm großes Abfindungsgrundstück zugeteilt worden, das heute in die Flurstücke 19/1 und 19/2 sowie die Gewässerparzelle Flurstück-Nr. 18 unterteilt ist. Durch dieses Abfindungsgrundstück, und zwar durch die heutige Parzelle 19/1, verläuft nur der frühere Mischwasser- und heutige Schmutzwasserkanal. Insoweit heißt es in der Verhandlungsniederschrift, das Abfindungsgrundstück werde in Abteilung II des Grundbuchs mit einem – nachfolgend im Einzelnen vorformulierten – Kanalrecht belastet. Es trifft mithin nicht zu, dass der Kläger zu 2) sich hinsichtlich des fallbezogen allein in Rede stehenden Niederschlagswasserkanals zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit verpflichtet hätte.

Soweit der Kläger zu 2) damals erklärt hat, er werde den in dem erstgenannten 3.932 qm großen Abfindungsgrundstück befindlichen Niederschlagswasserkanal dulden, waren der Abschluss eines schuldrechtlichen Gestattungsvertrags oder die Bestellung eines dinglich gesicherten Rechts nicht zugesagt.

Selbst wenn man annähme, über die damals erklärte – als solche nicht per se dauerhaft verbindliche – Bereitschaft zur Duldung des Kanals hinaus sei infolge der Erklärung anlässlich des Flurbereinigungsverfahrens zwischen dem Kläger zu 2) und der Beklagten ein (Leih-) Vertrag über den unentgeltlichen Gebrauch des Grundstücks für die Dauer des Bestehens dieses Kanals zum Zweck der Niederschlagsentwässerung zustande gekommen6, wäre ein hierdurch begründetes Nutzungsrecht der Beklagten im Nachhinein mangels einer auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Last in Wegfall geraten, falls die Vertragsgrundlage entfallen, der Vertrag wirksam aufgekündigt oder das Grundeigentum auf einen Dritten übergegangen wäre. Wenngleich unter dieser Prämisse davon auszugehen wäre, dass der Kläger zu 2) sich unter gleichbleibenden Umständen nicht nach Belieben von einer seinerseits – dann vertraglich – zugesagten Duldungsbereitschaft lossagen konnte, ist unter den fallrelevanten Umständen zu sehen, dass er sich mit Blick auf die spätere Entwicklung auch von einer etwaig vertraglich zugesagten Duldungsbereitschaft hätte lösen dürfen und gelöst hat. So erfolgte im Jahr 2007 die zusätzliche Anbindung eines Kanalrohrs DN 600 an das zwischen TÜN R5 und TÜN R4 befindliche Rohr DN 700 zwecks zusätzlicher Einleitung des ausgebauten Gewässers und 2014 erfolgte die Anbindung weiterer Quell- und Oberflächenwässer an dieses Gewässer. Als der Kläger sich 2004 zur Duldung der Durchleitung des Niederschlagswassers aus dem Neubaugebiet bereit erklärt hatte, konnte er davon ausgehen, dass die Kapazität des Kanals auf diese Aufgabe ausgelegt war, und er hatte keinerlei Veranlassung zur Annahme, dass die Beklagte den Regenwasserkanal später zur zusätzlichen Durchleitung eines Gewässers würde nutzen wollen. Die spätere Entwicklung ließ die ursprüngliche Geschäftsgrundlage entfallen. Der Kläger durfte dies zum Anlass nehmen, sich von einer auf die Entwässerung des Bebauungsgebietes D… bezogenen Duldungsbereitschaft loszusagen.

Hinsichtlich des Klägers zu 1) steht außer Zweifel, dass ihn die Erklärung des Klägers zu 2) anlässlich der Verhandlung im Flurbereinigungsverfahren nicht bindet. Er ist gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn Eigentümer des Grundstücks mit der Parzellen-Nr. 126, das der Kläger zu 2) zeitlich nach der Verhandlung vom 24.11.2004 seiner später verstorbenen Tochter, der Ehefrau des Klägers zu 1), im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen hatte. Mangels dinglicher Belastung des Grundstücks war weder die Tochter noch ist der Kläger zu 1) an die 2004 vom Voreigentümer, dem Kläger zu 2), erklärte Bereitschaft zur Duldung des Kanals gebunden.

Im Übrigen beeinträchtigt die Ausgestaltung der Kanalleitung, die unmittelbar in dem engen Bereich zwischen dem Wohnhaus des Klägers zu 1) und der auf der Parzelle 127 befindlichen Garage mit einem Einlaufbauwerk (TÜN R4) versehen ist, diesen nicht nur durch ihre Lage im Grundstück, sondern auch durch Geräuschimmissionen. Genau im Bereich des Einlaufbauwerks knickt die Kanalführung in etwa rechtwinklig ab. Die Wasserführung erfolgt – durch einen Gitterrost gut einsehbar und auch akustisch wahrnehmbar – nicht weit unter der Erdoberfläche; infolge des Abknickens kommt es, wie anlässlich der Ortsbesichtigung festzustellen war, zu geräuschintensiven Verwirbelungen. Diesbezüglich hat der Kläger zu 1) nachvollziehbar geschildert, dass diese Geräusche bei stärkerem Regen noch sehr viel lauter seien und dann gerade zu Nachtzeiten erheblich störten.

1.3. Den Unterlassungsansprüchen der Kläger zu 1) und 2) stehen unter den fallrelevanten Umständen der Einwand der Verjährung und der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen.

1.3.1. Die Einrede der Verjährung verfängt nicht.

Nach ständiger, wenngleich vielfach kritisierter7, Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs8 ist der Beseitigungsanspruch des Eigentümers aus § 1004 BGB kein Anspruch aus einem (im Grundbuch) eingetragenen Recht im Sinne der Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Unverjährbarkeit von Ansprüchen aus im Grundbuch eingetragenen Rechten vorgibt. Der Beseitigungsanspruch unterliegt nach dieser Rechtsprechung – ebenso wie der Unterlassungsanspruch des Eigentümers9 – der Verjährung.

Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 verjähren die in § 1004 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB geregelten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wegen Beeinträchtigungen des Eigentums – anders als gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Herausgabeansprüche aus Eigentum, die nach wie vor in 30 Jahren verjähren – nach Ablauf der in § 195 BGB vorgesehenen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Dabei ist der Gesetzgeber in Bezug auf Unterlassungsansprüche ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts10 davon ausgegangen, dass kein praktisches Bedürfnis besteht, die Verjährungsfrist bei 30 Jahren zu belassen, weil Unterlassungsansprüche bei jeder Zuwiderhandlung neu entstehen.11

Auch der Senat hat bereits entschieden, dass das unberechtigte Durchleiten von Abwasser durch ein fremdes Grundstück ein Dauerverhalten darstellt, durch das das durch § 1004 BGB geschützte Eigentumsrecht ohne zeitliche Zäsur fortdauernd verletzt wird.12

Dies vorausgeschickt ist fallbezogen festzustellen, dass die Kläger ausschließlich Unterlassungsansprüche geltend machen, also nicht die Verurteilung der Beklagten zur Beseitigung der Kanalleitung beantragen. Ihre Unterlassungsansprüche sind daher nach Vorgesagtem nicht verjährt.

Mit Blick auf die umfängliche Argumentation der Beklagten zum Eintritt von Verjährung sei ergänzend darauf hingewiesen, dass der Einwand, die Verjährungsfrist von drei Jahren sei vor Klageerhebung verstrichen gewesen, auch in Bezug auf ein etwaiges Beseitigungsverlangen nach Überzeugung des Senats keinen Erfolg hätte haben können. Denn in tatsächlicher Hinsicht ist festzustellen, dass der Kläger zu 2) die ihm ausweislich des vorgerichtlichen Schriftverkehrs 2014 bekannt gewordene neuerliche Entwicklung (Fremdwasserentflechtung in erheblichem Umfang, vgl. Schreiben des LUA vom 23.8.2013) – wie bereits ausgeführt – zum Anlass genommen hat, von seiner bis dahin praktizierten Duldungsbereitschaft abzurücken. Gemeinsam mit dem Kläger zu 1) hat er fortan die Unterlassung einer weiteren Inanspruchnahme der Grundstücke gefordert und 2016, also vor Ablauf einer dreijährigen Verjährung, die verfahrensgegenständliche Klage erhoben.

Zudem stünde einer Erheblichkeit des Verjährungseinwands in rechtlicher Hinsicht entgegen, dass die spezifisch wasserrechtlichen Regelungen bei Geltung einer dreijährigen – und im Ergebnis ebenso bei Geltung einer dreißigjährigen – Verjährungsfrist ihrer Sinnhaftigkeit beraubt würden. Insoweit muss das einschlägige Fachrecht Vorrang genießen.

Wenn nämlich zwischen dem Betreiber einer Abwasserbeseitigungseinrichtung und einem privaten Grundstückseigentümer, durch dessen Grundstück eine Abwasserleitung verlegt werden soll oder bereits verlegt ist, kein Einvernehmen bezüglich der Inanspruchnahme des Grundstücks zur Durchleitung des Abwassers erzielt werden kann, weil der Grundstückseigentümer nicht – oder inzwischen nicht mehr bzw. ein Rechtsnachfolger im Grundeigentum13 nicht – mit der Inanspruchnahme des Grundstücks einverstanden und daher nicht zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit oder zum Abschluss eines schuldrechtlichen Gestattungsvertrags bereit ist, regelt das Wasserrecht (seit dem 1.3.2010 in den §§ 93, 92 Satz 2 WHG, zuvor in den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften, im Saarland in den §§ 93, 91 Abs. 2 SWG a.F.) die Rechtsbeziehungen zwischen dem Betreiber der Abwassereinrichtung und dem privaten Grundstückseigentümer dergestalt, dass letzterer zwangsweise, gegebenenfalls gegen Leistung einer Entschädigung (§ 95 WHG) zur Duldung des Durchleitens des Abwassers verpflichtet werden kann. Ein nach Maßgabe dieser Vorschriften erteiltes Zwangsrecht begründet eine öffentliche Last für das betroffene Grundstück. Da eine auf der Grundlage des gesetzlich normierten Zwangsrechts erfolgende Durchleitung von Abwasser durch private Grundstücke nur den Ausnahmefall und nicht die Regel darstellt, wird dieses Durchleitungsrecht auch als eine Art „wasserrechtliches Notwegerecht“ bezeichnet.14 Eine entsprechende Duldungsverfügung kann eine erst geplante Abwasserleitung zum Gegenstand haben oder einen mangels eines Gestattungsvertrags von Anfang an formell rechtswidrigen Zustand nachträglich legalisieren bzw. einen infolge einer Veräußerung des Grundstücks bei mangelnder dinglicher Absicherung rechtswidrig gewordenen Zustand legalisieren. In solchen Konstellationen wird häufig auch nach Ablauf von mehr als 30 Jahren seit der Verlegung des Kanals zur künftigen Absicherung der Inanspruchnahme des Grundstücks auf das Rechtsinstitut des Zwangsrechts zurückgegriffen.

In solchen Fällen bedürfte es keiner gesetzlichen Regelung des Rechtsinstituts eines Zwangsrechts, wenn der Betreiber der Abwassereinrichtung einem Beseitigungsverlangen des Grundeigentümers wegen einer mehr als dreijährigen Duldungsphase den Einwand der Verjährung entgegenhalten könnte. Hinzu tritt, dass das zentrale Argument des Bundesgerichtshofs, die Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB führe nicht dazu, dass die fremde Leitung rechtmäßig werde, sondern habe lediglich zur Folge, dass der Grundstückseigentümer die Störung, wenn er dies wolle, selbst und auf eigene Kosten beseitigen müsse, in diesen Fällen nicht greifen kann. Denn ein privater Grundstückseigentümer wäre weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, den durch sein Grundstück verlaufenden Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung eigenmächtig außer Betrieb zu setzen bzw. zu entfernen. Zwar hat ein Eigentümer, dessen aus einer Eigentumsstörung erwachsenen Ansprüche verjährt sind, auch gegenüber einem hoheitlichen Störer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass dieser im Wege der Selbsthilfe ergriffene Maßnahmen des Eigentümers zur Störungsbeseitigung duldet16, dies hilft aber, wie aufgezeigt, im Verhältnis zu dem Träger einer Entwässerungseinrichtung nicht weiter. Dennoch sind die diesbezüglichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in vorzitierter Entscheidung, wonach der gegen den hoheitlichen Störer gerichtete Anspruch auf Duldung der Selbsthilfe kraft der grundgesetzlichen Gewährleistung des Eigentums nicht der Verjährung unterliegt, nach der Überzeugung des Senats auch im fallrelevanten Zusammenhang richtungsweisend.

1.3.2. Die Kläger haben ihre Unterlassungsansprüche weder verwirkt noch setzen sie sich mit ihrem Unterlassungsverlangen treuwidrig zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten in Widerspruch.

1.3.2.1. Zunächst gilt zwar, dass der Grundsatz von Treu und Glauben – wie allgemein anerkannt ist – für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat; dies darf aber nicht zur Folge haben, dass fachgesetzliche Regelungen gegenstandslos werden. Der Vorrang des Fachrechts, hier der Geltungsanspruch der wasserrechtlichen Regelungen betreffend die Erteilung eines Zwangsrechts, bleibt zu beachten, was bedingt, dass eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben jedenfalls nicht bewirken darf, dass das Fachrecht faktisch inhaltslos wird.

Insoweit ist die Argumentation des 3. Senats des erkennenden Gerichts, die Verwirkung als Rechtsinstitut werde, da sie nur eine verteidigungsweise Wirkung zwischen denselben Beteiligten habe, durch das wasserrechtliche Regime nicht verdrängt, durchaus kritisch zu sehen. Jedenfalls erscheint zur Vermeidung von der Gesetzeslage widerstreitenden Ergebnissen eine restriktive Handhabung geboten.

1.3.2.2. Ungeachtet dessen besteht unter den fallrelevanten Umständen kein Anlass, Verwirkung oder ein sonst treuwidriges Verhalten der Kläger ernstlich in Betracht zu ziehen.

Der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht anwendbar. Für die Annahme der Verwirkung genügt, anders als für den Eintritt der Verjährung, nicht der bloße Zeitablauf. Sie setzt zusätzlich ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten voraus, das geeignet ist, beim anderen Teil die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden. Zusätzlich ist eine Verletzung oder Gefährdung berechtigter Interessen des anderen Teils erforderlich, etwa weil dieser sich auf die vom Berechtigten erweckte Erwartung, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, einrichten durfte und eingerichtet hat.20 Der Verpflichtete muss tatsächlich darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.21 Umstände der vorbezeichneten Art sind nicht ersichtlich.

Der Niederschlagswasserkanal, der durch die dem Kläger zu 2) im damaligen Flurbereinigungsverfahren zugeteilten Grundstücke verläuft, war zur Zeit der am 24.11.2004 protokollierten Erklärung des Klägers zu 2), er werde diesen Kanal dulden, ausweislich der gefertigten Verhandlungsniederschrift bereits verlegt. Die Beklagte hatte ihre vorausgegangenen Investitionen in den Kanalbau mithin nicht getätigt, weil sie nach einer längeren Zeit der Nichtgeltendmachung von Unterlassungsansprüchen darauf vertraut hätte, dass es hierbei verbliebe, sondern ihren Plan, den Kanal durch privates Grundeigentum zu verlegen, in Kenntnis des Umstands, dass weder eine schuldrechtliche Gestattungsvereinbarung abgeschlossen noch eine dauerhafte dingliche Sicherung bestellt oder zugesagt war, mithin auf eigenes Risiko, verwirklicht.

Dass der Kläger zu 2) sich treuwidrig zu seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten in Widerspruch gesetzt haben könnte, ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht ersichtlich.

Der Sachverhalt unterscheidet sich von der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.2.200522 zugrundeliegenden Konstellation maßgeblich. Die dortige Gemeinde hatte bei Durchführung der Arbeiten zur Tieferlegung des den Bau der Garage behindernden Kanals im Interesse der dortigen Kläger investiert und durfte deren Verhalten dahin verstehen, dass sie unter der Prämisse der Ermöglichung ihres Bauvorhabens künftig keine Einwände gegen den Verbleib des erst anlässlich ihres Bauvorhabens entdeckten Kanals in ihrem Grundstück haben würden. Fallbezogen waren die Investitionen der Beklagten zur Verlegung des zur Niederschlagsentwässerung des Bebauungsgebiets D… vorgesehenen Kanals durch die streitgegenständlichen Grundstücke hingegen nicht getätigt worden, um – zumindest auch – einem Interesse des Klägers zu 2) gerecht zu werden, sondern die Kanalverlegung widersprach von Anfang an dessen Interesse an einer ungestörten (Aus-) Nutzung seines Grundeigentums. Dass er sich dennoch – und ausdrücklich nur – zur Duldung bereit fand, vermag die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens nicht zu tragen. Vielmehr wohnte dieser Haltung erkennbar inne, dass er sich nicht dauerhaft und unabänderbar zur Duldung verpflichten wollte.

Hinsichtlich des Klägers zu 1) scheidet eine Verwirkung der Ansprüche oder ein sonst treuwidriges Verhalten schon deshalb aus, weil er erst zu einem Zeitpunkt Eigentum erworben hat, zu dem die Investitionen in den Kanalbau seit langem getätigt waren, zumal die anfängliche Duldungsbereitschaft des Klägers zu 2) ihn mangels dinglicher Sicherung ohnehin nicht zu binden vermochte.

1.4. Dem Begehren der Kläger, der Beklagten die Ableitung des im 4. Bauabschnitt des Bebauungsgebiets D… anfallenden Niederschlagswassers durch ihre Grundstücke zu untersagen, steht schließlich nicht entgegen, dass sie nicht die Beseitigung der die streitgegenständlichen Grundstücke querenden Kanalleitung zwischen dem Schachtbauwerk TÜN R7 und dem Einlaufbauwerk TÜN R4 verlangen und sogar bereit sind, die Ableitung des in den ersten drei Bauabschnitten anfallenden Niederschlagswassers durch diese Kanalleitung weiterhin zu dulden.

Nach Maßgabe der §§ 94 und 95 BGB wird ein Kanalrohr nicht zum wesentlichen Bestandteil der Grundstücke, durch die es verlegt ist. Die seitens der Beklagten verlegte Kanalleitung steht demzufolge in deren Eigentum und stört das Grundeigentum der Kläger allein aufgrund ihrer Lage in deren Grundstücken. Dies bedingt, dass die Kläger, da sie – wie ausgeführt – zur Duldung der Verrohrung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet sind, gegenüber der Beklagten einen aus § 1004 BGB resultierenden Anspruch auf Entfernung von deren Kanalrohren aus ihren Grundstücken haben.

Dass die Kläger nicht diesen Beseitigungsanspruch geltend machen, sondern sich darauf beschränken, sich gegen die Nutzung der Verrohrung zur Ableitung von Abwasser zu wenden, liegt im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis, ohne dass es entscheidend darauf ankäme, dass sie dies ihrem Vorbringen zufolge aus dem nachvollziehbaren Grund, erneute zum Teil wohnhausnahe, die Gartenanlage zerstörende und auch die Grundstücksnutzung im Übrigen beeinträchtigende Tiefbauarbeiten zu vermeiden, tun.

Ein mit der Inanspruchnahme seines Grundstücks zur Durchleitung von Abwasser nicht einverstandener Grundstückseigentümer kann sein Begehren im Wege einer im Vergleich zu einem Beseitigungsverlangen schonenderen Rechtsausübung auf die Forderung beschränken, die Abwasserleitung an der Grenze seines Grundstücks zu kappen.23

Zur Frage eines Anspruchs auf Untersagung der Nutzung einer gemeindlichen Entwässerungsleitung mit Ausnahme eines einzelnen Anwesens – im praktischen Ergebnis ein Nutzungsausschluss der Allgemeinheit – hat der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 8.6.2004, auf die die Beklagte verweist, argumentiert, ein solches Begehren weiche zwar wesentlich von einem Entfernungsanspruch ab, könne aber zugunsten der (damaligen) Kläger statt als aliud als Minus betrachtet werden. Indes könne die Herkunft des Abwassers von einer bestimmten Straße – da sie keine eigenständige Störungsquelle sei – nicht mit einem selbständigen Störungsanspruch bekämpft werden. Selbständiger Eigentumsstörungsanspruch sei allein der Anspruch auf Entfernung des Kanalrohrs als Sache, nur dazu stelle sich die Verwirkungsproblematik und die Kenntnisfrage. Mithin könne ein herkunftsbezogenes Nutzungsverbot als Minus zum Beseitigungsanspruch nur ausgesprochen werden, wenn der tragende Entfernungsanspruch noch bestehe und nicht ausgeschlossen sei.

Würde man dieser Argumentation des 3. Senats, bezüglich der das Bundesverwaltungsgericht in seiner nachfolgenden Entscheidung24 in mehrfacher Hinsicht Zweifel geäußert hat, folgen, so könnte dem erstrebten herkunftsbezogenen Nutzungsverbot nach Vorgesagtem jedenfalls nicht entgegen gehalten werden, dass der „tragende Entfernungsanspruch“ nicht mehr bestünde.

Ungeachtet dessen ist zu würdigen, dass die Inanspruchnahme der Grundstücke der Kläger nicht nur durch die Einbringung der Kanalrohre und der zugehörigen Schächte in den Grund und Boden, sondern auch dadurch erfolgt, dass durch diese Rohre Abwasser (und zwar in wetterabhängiger Menge) abgeleitet wird. Beides erfolgt derzeit rechtswidrig und dem könnte die Beklagte nach dem derzeitigen einer Einigung offensichtlich nicht zugänglichen Sach- und Streitstand nur abhelfen, indem sie die Inanspruchnahme aufgibt oder versucht, sie durch Beantragung eines wasserrechtlichen Zwangsrechts zu legalisieren.

In einem auf die Verpflichtung der Kläger, die Durchleitung von Abwasser durch ihre Grundstücke zielenden Zwangsrechtsverfahren wäre zunächst zu klären, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zwangsweisen Verpflichtung zur Duldung nach Maßgabe der §§ 93 Satz 1 und 92 Satz 2 WHG überhaupt vorliegen. Solange dies nicht feststeht25, gibt es keine rechtlich vertretbare Handhabe, den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch mit der Begründung abzuweisen, die Kläger dürften sich gegen die derzeitige rechtswidrige Inanspruchnahme ihrer Grundstücke nur in Gänze, nicht aber – wie vorliegend beantragt – beschränkt auf eine künftig anstehende, ihrer Einschätzung nach die vorhandene Kapazität des Systems überschreitende Durchleitung von Abwasser zur Wehr setzen.

Fehl geht auch der Vortrag der Beklagten, die Kläger wären zur Wahrung ihrer Interessen gehalten gewesen, den Bebauungsplan D… anzugreifen. Die Kläger wollten und wollen – anders als die Kläger in dem vom 3. Senat entschiedenen Fall – weder direkt noch indirekt die Bebauung dieses Gebiets verhindern, so dass sie zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens keinerlei Veranlassung hatten.

Ganz abgesehen von alldem sei angemerkt, dass sich bei einer überschlägigen Auswertung des zur Akte gereichten Zahlenmaterials zur Frage einer hinreichenden Dimensionierung des Systems nicht aufdrängt, dass die insgesamt für beide Einspeisungen notwendige Aufnahmekapazität des Kanals sichergestellt wäre. Die Berechnungen sind teils unabhängig voneinander erstellt, da sie aus verschiedenen Phasen der Erweiterung der Einleitung in das System stammen. Sie führen zu Ergebnissen, die nicht unbedingt miteinander harmonieren. Dass das Zahlenmaterial Zweifel daran aufkommen lässt, ob alle nach aktueller Planung bei Regenereignissen gleichzeitig aufzunehmenden Wassermengen ausgehend von den einschlägigen Regelwerken schadlos abgeführt werden können, wurde im Erörterungstermin besprochen. Insbesondere erhellt sich nicht, wieso in den Antragsunterlagen zum Plangenehmigungsbescheid vom 23.1.2006 hinsichtlich des Zuflusses in das Einleitbauwerk TÜN R5.1EL eine Aufnahmekapazität von 899 l/s als notwendig erachtet wurde, während ausweislich der Eintragungen in dem 2018 zur Auslastung des Kanals anlässlich der Berechnungen zur Entwässerung des 2.-4. Bauabschnitts D… gefertigten „Lageplan Hydraulik“ (Bl. 291 d.A.) ohne diesbezügliche Erläuterung von einer für das Einleitbauwerk TÜN R5.1EL wasserrechtlich genehmigten Einleitmenge von 275 l/s ausgegangen wird. Da sich die insoweit offenen Fragen nach Vorgesagtem in vorliegendem Zusammenhang nicht als entscheidungsrelevant darstellen, bedarf es einer diesbezüglichen Sachaufklärung nicht.

2. Den Klägern steht derzeit und solange sie nicht im Wege eines wasserrechtlichen Zwangsrechtsverfahrens unanfechtbar zur Duldung der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke verpflichtet worden sind26, der mit dem Klageantrag zu 3) verfolgte Anspruch darauf zu, dass die Beklagte es unterlässt, das 2007 ausgebaute Gewässer durch ihre Grundstücke Parz.-Nrn. 125 (Kläger zu 2) und 126 (Kläger zu 1) zu leiten.

Die Durchleitung des Gewässers durch die Grundstücke der Kläger erfolgt mittels des auf dem ehemaligen 3.376 qm großen Abfindungsgrundstück errichteten Einlaufbauwerks TÜN R5.1EL27, des von diesem durch das Grundstück Parz.-Nr. 125 führenden Kanalrohrs DN 600, das über das ebenfalls auf diesem Grundstück befindliche Kanalbauwerk TÜN R5 an den vom Bebauungsgebiet D… kommenden Niederschlagswasserkanal DN 700 angeschlossen ist, und ab dem Bauwerk TÜN R5 mittels des durch die Grundstücke Parz.-Nrn. 125 und 126 bis zum Bauwerk TÜN R4 verlegten Kanals DN 700.

2.1. Vorausgeschickt sei, dass die kontrovers geführte Diskussion, ob der Bonnerbach nahe der L 170 oder in der Ortslage von Unter T… entspringt, nach der Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung einerseits nicht eindeutig zu beantworten, andererseits aber nicht ergebnisrelevant ist.

2.1.1. Zwar sprechen die in der Akte befindlichen Gewässerkarten des Saarlandes mit Gewicht dafür, dass der Bonnerbach in der Nähe der L 170 in dem Bereich entspringt, den die Beklagte anlässlich der Ortsbesichtigung als Quellbereich bezeichnet hat. In diese Richtung weisen auch die Ausführungen unter Punkt 8.3.2. des Erläuterungsberichts vom 4.11.2005 zu dem Antrag der Beklagten auf Genehmigung des Gewässerausbaus, wo es zur damaligen Situation heißt, der Bonnerbach werde im Bereich der Schächte M6 und M7 in das bestehende Mischwassersystem eingeleitet.

Dem gegenüber weisen alle in den Verwaltungsunterlagen befindlichen bzw. zur Gerichtsakte gereichten Katasterauszüge im Bereich der Ortslage von Unter T… nur eine einzige Gewässerparzelle aus, die in der Tallage beginnt28 und jedenfalls in ihrem weiteren Verlauf etwa ab dem Bereich des N.s den Namen „Bonnerbach“ trägt. Der Kläger zu 2) hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Quelle A. habe den Bonnerbach bis etwa 1960 eingespeist; danach sei sie zunächst mittels des in unmittelbarer Nähe befindlichen Pumphäuschens der Trinkwassernutzung zugeführt und später infolge unzureichender Wasserqualität in den durch seine Grundstücke verlaufenden Mischwasserkanal eingeleitet worden. Ein weiteres Gewässer habe im Bereich seiner Grundstücke nie existiert.

Indes wird die Darstellung der Kläger, der Bonnerbach entspringe in der Ortslage durch die ihrerseits in Bezug genommene Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 23.8.2013 nicht notwendig gestützt. Diese ist für die Streitfrage nur eingeschränkt aussagekräftig, da dort mit der Formulierung „Die Wassermenge ist zwar gegenüber dem MNQ29 sehr hoch, aber dies wäre ohnehin nur das Wasser was dem Bonnerbach ursprünglich zulaufen würde und somit wird dies der Beginn des Gewässers.“ keine präzise Aussage getroffen ist. Unter Berücksichtigung des Inhalts der damaligen Antragsunterlagen könnte – und dürfte – sich der Aussagegehalt der fraglichen Passage in der Feststellung erschöpfen, dass die Eigenschüttung des Bonnerbachs mit 0,0004 ³/s sehr gering und die Menge an Quell-, Brunnen- und Niederschlagswasser, die nach dem Wasserrechtsantrag nahe der L 170 durch ein Rohr DN 500 kommend zusätzlich anfällt, mit maximal 559 l/s zwar sehr groß ist, dies aber letztlich unbedenklich erscheint, da das zugeleitete Wasser im Fall eines „wilden Abflusses“ infolge der topografischen Gegebenheiten ohnehin dem – geplanten – Gewässerbett zufließen würde.

2.1.2. Allerdings ist für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs der Kläger rechtlich irrelevant, ob Gegenstand des unter dem 23.1.2006 genehmigten Gewässerausbaus die Wiederherstellung eines bis dahin etwa 170 m oberhalb der Martinstraße in den damaligen Mischwasserkanal eingeleiteten natürlichen Gewässers namens Bonnerbach war (so die Beklagte) oder ob der Bonnerbach erst in der Ortslage von Unter T… entspringt (so die Kläger). Letzteres würde zwar bedingen, dass der Gewässerausbau die Anlegung eines künstlichen überwiegend aus Niederschlagswasser gespeisten Gewässers zum Gegenstand gehabt hätte; aber auch ein künstlich angelegtes Gewässer würde gemäß § 3 Abs. 1 SWG i.V.m. § 3 Nrn. 1 und 4 WHG den Regelungen des Wasserrechts unterfallen und die Kläger sind unter den fallrelevanten Gegebenheiten – solange sie hierzu nicht durch ein Zwangsrecht angehalten werden – weder verpflichtet, die Durchleitung eines natürlichen noch eines künstlichen Gewässers durch ihre Grundstücke hinzunehmen.

2.2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB liegen vor.

Die Durchleitung des Gewässers mittels der 2003/2004 bzw. 2006/2007 durch die Grundstücke verlegten Rohre und der zugehörigen Schacht- bzw. Einlaufbauwerke beeinträchtigt das Eigentum der Kläger im Sinn des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes. Auf die entsprechenden Ausführungen unter Gliederungspunkt II. 1.1. dieses Urteils wird Bezug genommen; gerade das unterirdische Durchleiten eines Gewässers ist wegen der spezifischen Hochwasserrisiken bei Starkregenereignissen in besonderer Weise risikobehaftet.30 Die Beklagte will die in den Grundstücken der Kläger verlegte Verrohrung auch in Zukunft zur Durchleitung des Gewässers nutzen, so dass weitere Beeinträchtigungen im Sinn des Satzes 2 der Vorschrift zu besorgen sind.

Die Sichtweise des Verwaltungsgerichts, solange es noch zu keinem Überschwemmungsereignis gekommen sei, aufgrund dessen ein konkreter Schaden an den klägerischen Grundstücken entstanden sei, fehle es an einer Eigentumsbeeinträchtigung, ist in Anbetracht der verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsgarantie und deren einfachgesetzlicher Ausgestaltung durch § 903 BGB nicht nachzuvollziehen. Nach letztgenannter Vorschrift kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

2.3. Eine ihre Ansprüche nach § 1004 Abs. 2 BGB ausschließende Duldungspflicht der Kläger besteht nicht.

2.3.1. Das Argument, der Kläger zu 2) müsse die 2007 durchgeführte Teilverrohrung zwischen dem Einlaufbauwerk TÜN R5.1EL und TÜN R5 als genehmigten Gewässerausbau dulden, verfängt nicht.

Der die Gewässerverrohrung genehmigende Bescheid vom 23.1.2006 enthält bereits einleitend32 und mit Blick auf die vorerwähnte Vorschrift des § 903 BGB sowie den eingeschränkten Rechtswirkungen einer Plangenehmigung33 geschuldet der Sache nach zutreffend unter der Überschrift „Inhalt der Plangenehmigung“ den Hinweis, dass die Plangenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird; die Genehmigung berechtige insbesondere nicht zur Durchführung von Maßnahmen auf fremden Grundstücken, zu denen es entsprechender Gestattungsvereinbarungen etc. mit den jeweiligen Grundstückseigentümern bedürfe. Dass die Kläger die Plangenehmigung vom 4.1.2006 nicht angefochten haben, bewirkt demgemäß keinen Verlust ihres Rechts, einer Inanspruchnahme ihrer Grundstücke zur Durchleitung eines Gewässers entgegenzutreten.34

2.3.2. Ebensowenig vermögen der Erlaubnisbescheid vom 13.12.2013 betreffend die Einleitung von Quell- und Oberflächenwasser nahe der L 170 und die vorausgegangene Anordnung des Landesamtes für Umwelt und Arbeitsschutz vom 19.2.2013, durch die der Beklagten die Durchführung von Fremdwasserentflechtungsmaßnahmen auferlegt worden war, bezüglich der Durchleitung des Gewässers als solcher Duldungspflicht der Kläger zu begründen.

Die diesbezügliche Argumentation der Beklagten lässt außer Acht, dass die Durchleitung des Gewässers durch die privaten Grundstücke bereits seit 2007 erfolgt und daher nicht unter Hinweis auf die Anordnung vom 19.2.2013 gerechtfertigt werden kann. Dass auch dem Gewässerausbau des Jahres 2007 eine wasserbehördliche Anordnung zur Fremdwasserentflechtung vorangegangen wäre, ist weder behauptet noch aktenkundig noch wäre dies entscheidungserheblich. Denn auch eine solche Anordnung könnte die Beklagte nicht berechtigen, zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen fremden Grund und Boden gegen den Willen der Privateigentümer in Anspruch zu nehmen.

2.3.3. Eine Gestattungsvereinbarung betreffend die Verlegung des Kanalteilstücks vom Einlaufbauwerk TÜN R5.1EL zu dem damals bereits vorhandenen Kanalbauwerk TÜN R5 und die Nutzung dieses Kanalteilstücks und des vorhandenen Niederschlagswasserkanals zur Durchleitung eines Gewässers dritter Ordnung durch die Grundstücke der Kläger ist seitens der Beteiligten nicht zustande gekommen.

Unstreitig fanden im Vorfeld der Errichtung des Einleitbauwerks TÜN R5.1EL und der Verlegung des Rohres DN 600 zu dem Kanalbauwerk TÜN R5 durch das Grundstück Parz.-Nr. 125 des Klägers zu 2) Gespräche zwischen Vertretern der Beklagten und dem Kläger zu 2) statt, die indes mangels Einverständnisses des Klägers zu 2) mit der Maßnahme nicht zu einem Gestattungsvertrag geführt haben.

2.3.4. Dass der Kläger zu 2) 2010 nach Regulierung seiner Schadensersatzansprüche wegen Beseitigung einer Zaunanlage anlässlich der Bauarbeiten 2007 im Rahmen des diesbezüglich abgeschlossenen Vergleichs erklärt hat, keine weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, beinhaltet, ohne dass dies näherer Darlegung bedürfte, keinen streitgegenständlich relevanten Verzicht.

2.3.5. Ebensowenig bedarf der Vertiefung, dass der Vortrag der Beklagten, ihr – klägerseits angeführtes – Schreiben vom 30.7.2003 mit der Zusage, das Grundstück des Klägers zu 2) letztmalig in Gestalt der Verlegung des Niederschlagswasserkanals D… in Anspruch zu nehmen, habe sich nur auf das dort bezeichnete und von den Kanalverlegungsmaßnahmen 2007 nicht betroffene Grundstück mit der ehemaligen Parzellen-Nr. 1634/6 bezogen, zur Begründung einer Duldungspflicht der Kläger nicht geeignet erscheint.

2.3.6. Ohne Erfolg versucht die Beklagte eine Duldungspflicht der Kläger daraus herleiten, dass ihre Grundstücke sich in einer Talsenke befinden, das in der Hanglage niederkommende Regenwasser ohnehin hangabwärts fließt und infolge der geringen Durchlässigkeit der in der Hanglage vorzufindenden Tonböden kaum Wasser versickert. Wenngleich diese Umstände zutreffen, bedingen sie nicht, dass die Kläger einen auf ihren Grundstücken selbst erfolgenden Gewässerausbau in Gestalt der Herstellung eines – verrohrten – Gewässerbetts hinzunehmen hätten.

2.3.7. Eine Duldungspflicht der Kläger lässt sich auch nicht damit begründen, dass der natürliche Verlauf des ausgebauten Gewässers durch die Grundstücke der Kläger geführt habe und durch den Gewässerausbau lediglich dieser natürliche Verlauf, wenn auch zum Teil mittels der durch ihre Grundstücke verlegten Verrohrung, wiederhergestellt worden sei.

Die Kläger bestreiten die Behauptung, ein aus der Hanglage kommendes Gewässer sei jedenfalls bis zu der 1968 erfolgten Verlegung des Mischwasserkanals durch die nunmehr in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke geflossen.

Im Ergebnis stellt sich dieser Sachvortrag der Beklagten als nicht entscheidungserheblich dar. Zudem fehlt es an verlässlichen Anknüpfungspunkten für die Richtigkeit dieses Sachvortrags, was bei unterstellter Streiterheblichkeit zu Lasten der Beklagten gehen müsste, da diese nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für etwaig anspruchsvernichtenden Sachvortrag trägt.

Ist der Eigentümer eines oberirdischen Gewässers bzw. der Eigentümer eines Grundstücks, dessen Inanspruchnahme für die Veränderung eines oberirdischen Gewässers erforderlich ist, mit der Veränderung des Gewässers nicht einverstanden, so gibt seit dem 1.3.2010 § 92 WHG – zur Zeit der verfahrensgegenständlichen Maßnahme galt inhaltsgleich § 91 SWG i.d.F. vom 30.7.2004 – vor, unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer zur Duldung verpflichtet werden kann. Nach diesen Vorschriften können zur Durchführung von Gewässerveränderungen auch Grundstücke in Anspruch genommen werden, die nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Gewässer stehen, etwa indem über sie im Zuge einer Gewässerverlegung erstmals ein Gewässer geführt wird35. Demnach war und ist ein Träger öffentlicher Gewalt, der es im Zuge einer beabsichtigten Gewässerrenaturierung für erforderlich hält, ein offengelegtes Gewässerbett – vorliegend im fraglichen Bereich wiederum verrohrt – durch ein Privatgrundstück zu verlegen, nach der Gesetzeslage gehalten, das – auch bei Vorliegen einer Plangenehmigung notwendig bleibende – Einverständnis des Privateigentümers einzuholen. Wird dieses verweigert, muss er entweder seine Planung ändern oder, falls er die gesetzlichen Voraussetzungen als gegeben erachtet, die Erteilung eines wasserrechtlichen Zwangsrechts beantragen.

Da diese wasserrechtlichen Vorgaben nach Vorgesagtem sowohl bei Vertiefungen und Verbreiterungen eines vorhandenen Gewässerbetts als auch bei der Verlegung/Neuanlegung eines Gewässerbetts Geltung beanspruchen, regeln sie diese beiden Konstellationen hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine auf die Inanspruchnahme seines Grundeigentums bezogene Duldungspflicht des Eigentümers verfügt werden kann, spezialgesetzlich.

Hiernach könnte eine Duldungspflicht entgegen der Vorstellung der Beklagten nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der Bonnerbach – träfe dies in der Sache zu – vor geraumer Zeit die Grundstücke der Kläger durchflossen hätte. Vielmehr könnte ein Umstand dieser Art nach der Konzeption des § 92 Satz 2 WHG bzw. des § 91 Abs. 2 SWG nur im Rahmen der Prüfung, ob „der von dem Vorhaben zu erwartende Nutzen erheblich größer als der Nachteil des Betroffenen ist“, insoweit bei der Ausfüllung des Begriffs „Nachteil des Betroffenen“ bzw. unter der früheren Geltung des Saarländischen Wassergesetzes bei der Ausfüllung des Begriffs „Schaden des Betroffenen“, Bedeutung erlangen.

Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der im Schriftsatz der Beklagten vom 28.10.2021 zitierten Rechtsprechung zum Fortbestand bzw. Entfallen der Gewässereigenschaft eines teilweise verrohrten Gewässers. Hiernach ist eine Wasserführung erst dann aus dem wasserrechtlichen Regelungsregime zu entlassen, wenn mit dem Wegfall des Gewässerbettes eine Absonderung vom natürlichen Wasserhaushalt einhergeht. Die Gewässereigenschaft endet, wenn der Wasserlauf vollständig in eine Abwasseranlage einbezogen wird.

Insoweit ist der Aktenlage nur zu entnehmen, dass es im Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke der Kläger zumindest seit der vor geraumer Zeit37 in ca. 170 m Entfernung von der Martinstraße erfolgten Einleitung des „Bonnerbachs“ in den 1968 gebauten Mischwasserkanal kein aus der Hanglage kommendes fließendes Gewässer gab. Fest steht allein, dass das 170 m oberhalb der Martinstraße in den Mischwasserkanal eingeleitete Gewässer die Tal- bzw. Ortslage zuvor irgendwo gekreuzt haben muss. Dass dies im Bereich der Grundstücke der Kläger geschehen sein müsste, erschließt sich aus den Eintragungen in dem zur Akte gereichten Karten- und Planmaterial, das im fraglichen Bereich keine Gewässerparzelle ausweist, nicht.

Aus den vorliegenden Plänen und Skizzen ergibt sich lediglich, dass die am Rande der Grundstücke der Kläger befindliche Quelle A. früher – bis ihr Wasser nach dem insoweit unstreitigen Sachvortrag zeitweise, nach Angaben des Klägers zu 2) seit 1960, zur Trinkwasseraufbereitung genutzt bzw. ebenfalls in den (1968 hergestellten) Mischwasserkanal eingeleitet wurde – durch eine die streitgegenständlichen Grundstücke querende Bachparzelle, nach Anlegung der Martinstraße durch ein unter dieser durchführendes Rohr, in Richtung N. abgeflossen ist und der weitere Verlauf dieser Bachparzelle mit dem in den Karten als Bett des Bonnerbachs bezeichneten Bachbett identisch ist. Der Kläger zu 2) hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, das früher im Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke durch die Quelle A. eingespeiste Bachbett sei seit der Nutzung zur Gewinnung von Trinkwasser trockengefallen.

Weitere als Gewässerparzelle oder zumindest als Bachbett identifizierbare Eintragungen existieren, wie bereits im Erörterungstermin vom 26.3.2021 besprochen wurde, auf den zur Akte gereichten Karten nicht. Dem korrespondiert der Vortrag des Klägers zu 2), das Gelände seit 70 Jahren zu kennen; ein aus der Hanglage kommendes Gewässer sei nie durch seine Grundstücke geflossen.

Die seitens der Beklagten nachgereichten Stellungnahmen des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 13.7.2021 und des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 28.7.2021 erlauben keine ihr günstigen Schlussfolgerungen. In ersterer heißt es in tatsächlicher Hinsicht, der vor der Fremdwasserentflechtung etwa 170 m oberhalb der Martinstraße in den ehemaligen Mischwasserkanal eingeleitete Bonnerbach sei ab der Mühlenstraße wieder offen verlaufen. Diese Darstellung erstaunt, soweit es um den offenen Verlauf geht, angesichts der Tatsache, dass dann das gesamte Abwasser des Mischwasserkanals offen als Gewässer geführt worden sein müsste; der Bürgermeister der Beklagten konnte diese Vermutung auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung weder bestätigen noch widerlegen. Unabhängig hiervon bedingt auch die Darstellung im Schreiben vom 13.7.2021 nicht, dass der Bonnerbach ursprünglich – in seinem natürlichen Verlauf – durch die Grundstücke der Kläger geflossen sein muss. Die abstrakt-rechtlichen Ausführungen im Schreiben vom 28.7.2021, wonach ein Gewässer seine Gewässereigenschaft nicht verliert, wenn es streckenweise verrohrt wird, treffen zwar zu, besagen aber ebenfalls nicht, dass das natürliche Bachbett des Bonnerbachs die Grundstücke der Kläger gequert haben muss.

Die Behauptung, das natürliche Bett des Bonnerbachs habe vor Jahrzehnten die Grundstücke der Kläger gekreuzt, wird auch nicht durch die Formulierungen der Beklagten in ihrem im Zuge des beabsichtigten Gewässerausbaus gestellten Antrag vom 4.11.2005 gestützt. Insbesondere ist dort an keiner Stelle ausgeführt, der Bonnerbach habe in seinem früheren natürlichen Verlauf die Grundstücke der Kläger gequert.

Soweit es auf Seite 1 des Erläuterungsberichts zum geplanten Teilausbau des „Bonnerbachs“ heißt, das Amt für Landentwicklung Lebach habe mit den Anliegern Einigung über den Verlauf des neuen Bachlaufes erzielt, intendiert dies sogar, dass die Beklagte in der Planungsphase selbst davon ausging, ein „neues“ Bachbett anzulegen, was aber andererseits nicht unbedingt verlässlich erscheint, da die weitere Aussage, mit den Anliegern sei eine entsprechende Einigung erzielt worden, nach dem Stand des vorliegenden Verfahrens, in dem beklagtenseits eingeräumt wird, dass der Kläger zu 2) mit der Führung des verrohrten Bachlaufs durch sein Grundstück nie einverstanden war, nicht zutreffen kann.

Auf Seite 2 des Erläuterungsberichts steht sodann, der Bach werde in den vorhandenen Oberflächenwasserkanal DN 700 eingeleitet. In Ziffer 8.2.8.3 des Landschaftspflegerischen Planungsbeitrags ist die Rede von einer Laufveränderung und Begradigung des Bonnerbachs im Umfeld der geplanten Maßnahmen. Unter Ziffer 8.3.2 ist ausgeführt, das Wasser des Bonnerbachs werde vom Einlaufbauwerk (gemeint ist: TÜN R5.1EL) zum bestehenden Regenwasserkanal weitergeleitet, der die Ortslage quere und wieder in den Bachlauf des Bonnerbachs eingeleitet werde.

Hiernach wurde beklagtenseits im Vorfeld der Plangenehmigung nicht behauptet, ein altes Gewässerbett renaturieren zu wollen, und es wird deutlich, dass der Beklagten im Planungsstadium durchaus bewusst war, dass die seit 2004 in den Grundstücken der Kläger befindlichen Rohre als Regenwasserkanal und nicht als Gewässerverrohrung eingebaut worden sind. Angesichts letzterem ist nicht nachvollziehbar, dass die Untere Wasserbehörde in der Begründung des nachfolgend ergangenen Plangenehmigungsbescheids vom 23.1.2006 ausgeführt hat, die Gemeinde plane, die bislang im Mischwasserkanal fließenden Quellen und Teile des Außengebietes der schon früher gebauten Bonnerbach-Verrohrung zuzuführen. Diese Sichtweise der Wasserbehörde widerspricht der Aktenlage, nach der es zur Zeit der Herstellung des Regenwasserkanals, also 2003/2004 im Bereich der Grundstücke der Kläger keinen Bachlauf gab, den man hätte verrohren können.

Aus den gleichen Gründen ist in Bezug auf den bereits 2004 errichteten Kanalabschnitt nicht nachzuvollziehen, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 15.7.2021 unter Hinweis auf die beigefügte Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 13.7.2021 vorträgt, bei dem über die streitgegenständlichen Grundstücke verlaufenden Kanalteilstück handele es sich um eine Gewässerverrohrung. 2004 gab es im fraglichen Bereich – wie dargelegt – weder ein „verrohrungsfähiges“ Gewässer noch fand nach der Aktenlage, wie der Beklagten bekannt sein muss und worauf der Senat in seinem Schreiben vom 9.8.2021 hingewiesen hat, ein wasserrechtliches Plangenehmigungs- bzw. Plan-feststellungsverfahren, das für einen Gewässerausbau rechtlich notwendig gewesen wäre, statt. Bezogen auf das Teilstück zwischen dem Einlaufbauwerk TÜN R5.1EL und TÜN R5 handelt es sich zwar um ein 2006/2007 „als Gewässerverrohrung“ verlegtes Rohr, das der Kläger zu 2) indes, wie im Genehmigungsbescheid ausdrücklich klargestellt, nicht per se infolge der Plangenehmigung zu dulden verpflichtet ist.

Ist demnach weder erwiesen noch auch nur naheliegend, dass das natürliche Bachbett des Bonnerbachs bzw. ein etwaig in der Hanglage durch wild abfließendes Quell-, Brunnen- und Niederschlagswasser entstandener Graben in früherer Zeit durch die Grundstücke der Kläger verlief, so spricht unter diesem Gesichtspunkt derzeit nichts für eine Pflicht der Kläger, die nunmehrige unterirdische Durchleitung zu dulden. Eine in einem eventuellen künftigen Zwangsrechtsverfahren zur Fixierung des Sachverhalts (Wiederherstellung eines alten Gewässerbetts oder Verlegung/Neuanlegung eines Gewässerbetts bzw. zur Ausfüllung des Begriffs „Nachteil des Betroffenen“) möglicherweise notwendige Sachaufklärung ist diesem Verfahren vorbehalten.

2.3.8. Schließlich leitet sich eine Duldungspflicht der Kläger nicht daraus her, dass die zuständige Wasserbehörde sich nach Bekunden der Beklagten dahin geäußert habe, sie werde eine Verlegung des Gewässers nicht genehmigen. Die Klärung sich möglicherweise bezüglich der Umsetzung der vorliegenden Entscheidung stellender Fragen ist einem künftigen wasserrechtlichen Verfahren vorbehalten.

3. Der demzufolge nach § 1004 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB bestehende Anspruch der Kläger, die Beklagte zur Unterlassung der weiteren Durchleitung des Bonnerbachs durch ihre Grundstücke zu verurteilen, ist weder verjährt – insoweit gelten die obigen Ausführungen unter Gliederungspunkt 1.3.1. entsprechend – noch verwirkt noch ist seine Geltendmachung aus sonstigen Gründen treuwidrig.

3.1. Dass der Kläger zu 2) 2006/2007 davon abgesehen hat, zur Unterbindung der im Jahr 2007 durchgeführten Bauarbeiten auf seinem Grundstück Parz.-Nr. 125 um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, bewirkt keine konkludente Gestattung und führt nicht zum Rechtsverlust.

In diesem Zusammenhang ist zunächst nicht entscheidungserheblich, ob die trotz der Verweigerung seines Einverständnisses durchgeführten Bauarbeiten zu einem Zeitpunkt begonnen wurden, als der Kläger zu 2) sich in Urlaub befand. Indes greift die Argumentation der Beklagten, die Arbeiten, die mit erheblichen Erdbewegungen verbunden gewesen seien und sich über mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen erstreckt hätten38, hätten dem Kläger zu 2) nach einer etwaigen Urlaubsrückkehr nicht verborgen bleiben können, so dass dessen damaliges Absehen von der Geltendmachung von Abwehransprüchen die Verwirkung etwaiger Ansprüche bedinge, zu kurz.

Unstreitig ist, dass der Kläger zu 2) mit den Bauarbeiten nicht einverstanden und dies der Beklagten bekannt war. Zudem gilt – wie ausgeführt – auch hinsichtlich der Veränderung oder Neuanlegung eines Gewässerbettes, dass das Wasserrecht als einschlägiges Fachrecht Sonderregelungen in Gestalt der wasserrechtlichen Zwangsrechte zur Konfliktlösung vorhält. Deren Regelungsanspruch darf nicht durch ein undifferenziertes Zurückgreifen auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze zur vollständigen Gegenstandslosigkeit geführt werden.

Nach der zum 1.3.2010 in Kraft getretenen Vorschrift des § 92 WHG können die Eigentümer von Grundstücken unter den dort aufgeführten Voraussetzungen verpflichtet werden, Gewässerveränderungen zu dulden. Hiernach können auch Grundstücke in Anspruch genommen werden, die nicht in unmittelbarer Verbindung mit einem Gewässer stehen, etwa solche, über die im Zuge einer Gewässerverlegung erstmals ein Gewässer geführt wird. Zur Zeit der in Rede stehenden Baumaßnahmen war das Verändern oberirdischer Gewässer im Saarland in § 91 SWG in der Fassung vom 30.7.2004 inhaltsgleich geregelt.

Der Grundsatz von Treu und Glauben bedingt unter den fallrelevanten Umständen nicht, dass die etwaige Notwendigkeit eines wasserrechtlichen Zwangsverfahrens dauerhaft hinfällig wird, wenn der Grundstückseigentümer den Bauarbeiten nur widerspricht, ohne um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.

Der Eintritt von Verwirkung als einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben scheitert bereits daran, dass die Beklagte ihre Investitionen zu einem Zeitpunkt getätigt hatte, dem keine vertrauensbildende Phase der Nichtgeltendmachung der Rechte aus Eigentum vorangegangen war.

3.2. Durch das streitgegenständliche Unterlassungsverlangen setzt der Kläger zu 2) sich auch nicht treuwidrig in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten. Insbesondere ist die vorliegende Konstellation derjenigen eines nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses, das bedingen kann, dass gegen ein als rechtswidrig erachtetes Bauvorhaben des Nachbarn binnen eines nach einzelfallbezogenen Kriterien bemessenen Zeitraums um Rechtsschutz nachzusuchen ist, nicht vergleichbar.

Die Beklagte hat die Baumaßnahme 2007 in Kenntnis des mangelnden Einverständnisses des Grundstückseigentümers eigenmächtig unter Inanspruchnahme des privaten Grundeigentums verwirklicht, mithin unter Inkaufnahme eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung gehandelt. Dies ließ sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, dass die Wasserbehörde den Gewässerausbau genehmigt hatte; hierauf war in der Plangenehmigung vom 23.1.2006 – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich hingewiesen. Bei dieser Konstellation gab es, anders als bei jemanden, der auf seinem eigenen Grundstück ein Bauvorhaben verwirklicht und bei einem Untätigbleiben des Nachbarn unter bestimmten Umständen nach Treu und Glauben darauf vertrauen darf, dass der Nachbar keine Einwände erheben wird, keinen Anknüpfungspunkt für ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten, der Kläger zu 2) werde den eigenmächtig durch sein Grundeigentum verlegten Kanal und die Einleitung eines Gewässers in diesen Kanal trotz der Verweigerung seines Einverständnisses und dem demzufolge rechtswidrigen Eingriff in sein Eigentumsrecht dauerhaft dulden.

Es dürfte den Klägern vielmehr schon mit Blick auf die Beteuerungen der Beklagten, die Maßnahme würde sich hinsichtlich der Nutzbarkeit des Grundstücks vorteilhaft auswirken, unbenommen gewesen sein, zunächst eine abwartende Haltung einzunehmen. Ebenso war es ihnen unbenommen, die durch die zweite Fremdwasserentflechtungsmaßnahme 2013/2014 bewirkte zusätzliche Zuführung von Quell-, Brunnen- und Oberflächenwasser in den Bonnerbach zum Anlass zu nehmen, zunächst eine außergerichtliche Klärung und später eine gerichtliche Klärung anzustreben.

3.3. Auch der Verweis der Beklagten auf die spätere Korrespondenz in den Jahren 2009/2010 wegen anlässlich der Kanalverlegungsarbeiten entstandener Schäden an der Zaunanlage und deren Regulierung vermag ein treuwidriges Verhalten der Kläger nicht zu belegen. Insoweit handelte es sich um einen anderen Streitstoff, namentlich die Regulierung eines dem Kläger zu 2) anlässlich der Bauarbeiten 2007 zugefügten Schadens. Zudem hat die Beklagte ihre Investitionen für die Verlegung der Verrohrung durch das private Grundstück nicht im Vertrauen auf den Bestand der späteren vergleichsweisen Einigung getätigt.

3.4. Leitet sich der dem Antrag zu 3) zugrundeliegende Unterlassungsanspruch nach alldem aus der unberechtigten Inanspruchnahme der Grundstücke der Kläger zur Durchleitung eines Gewässers her und ist dieser Anspruch weder verjährt noch verwirkt, so ist die weitere von den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage, ob der Gewässerausbau 2006/2007 und/oder die Fremdwasserentflechtungsmaßnahme des Jahres 2014 eine zunehmende Vernässung der Grundstücke bewirkt haben, nicht entscheidungsrelevant, so dass der insoweit in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag der Beklagten ohne Erfolg bleiben musste. Es bedarf in vorliegendem Verfahren keiner Klärung, ob der nach Maßgabe der Planunterlagen erfolgte Gewässerausbau43 im Bereich der Hanglage hinsichtlich wild abfließendem Oberflächenwasser eine Sogwirkung entfaltet, demzufolge eine gewisse Kanalisierung bewirkt und damit ungeachtet der drosselnden – allerdings ohnehin auf seinen Einzugsbereich beschränkten – Wirkung des Regenrückhaltebeckens auf den Grundstücken der Kläger das natürliche Vernässungspotential erhöht hat.

Nach alldem ist der Berufung der Kläger zu 1) und 2) stattzugeben.

Der auf das erstinstanzliche Urteil bezogene Kostenausspruch beruht hinsichtlich der Klägerin zu 3) auf § 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt in Anwendung des § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2) deren anteiliges Unterliegen infolge der teilweisen Erfolglosigkeit ihres Zulassungsantrags.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 155 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO und berücksichtigt Ziff. 5124 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat hat die die mündliche Verhandlung abschließende Bitte der Beklagten, die Revision zuzulassen, umfänglich erwogen, sieht hierfür aber keinen Anknüpfungspunkt.

Das staatliche Handeln, dessen Unterlassung die Kläger beanspruchen, ist dem irrevisiblen Landesrecht zuzuordnen. Hinsichtlich der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke zur Abwasserbeseitigung ergibt sich dies daraus, dass die Beklagte in Wahrnehmung ihrer landesrechtlich in § 50a SWG geregelten Pflicht, Grundstücke zu entwässern und die dazu erforderlichen Anlagen herzustellen und zu betreiben, handelt. Hinsichtlich der Durchleitung des ausgebauten Gewässers stützt die Beklagte ihr Tätigwerden auf die Notwendigkeit einer Fremdwasserentflechtung zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Kläranlage, so dass ihr Handeln auch insoweit in einem engen und untrennbaren Bezug zu ihrer landesrechtlich geregelten Abwasserbeseitigungspflicht und deren effektiven Erfüllung steht.

Hinsichtlich beider Arten der Inanspruchnahme der Grundstücke gilt, dass die Voraussetzungen etwaiger Duldungspflichten der Kläger zur Zeit der „weichenstellenden“ Verlegung der entsprechenden Rohranlagen landesrechtlich in den §§ 91 bzw. 93 SWG geregelt waren. Zwar beanspruchen diese Vorschriften infolge des Inkrafttretens der §§ 92 und 93 WHG zum 1.3.2010 inzwischen keine Geltung mehr, indes ändert dies nichts daran, dass die streitauslösenden und streiterhaltenden Umstände nach wie vor landesrechtlicher Natur sind. Es geht der Beklagten darum, ihrer Abwasserbeseitigungspflicht auch künftig ohne erneute Investitionen in ihr Entwässerungsnetz nachkommen zu können. Soweit der Senat den Vorrang des inzwischen bundesrechtlich geregelten Fachrechts hervorhebt, sind die jeweiligen Erwägungen nicht entscheidungstragend.

Sind demgemäß die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche dem Landesrecht zuzuordnen, so gilt dies auch für die Frage, ob der Grundsatz von Treu und Glauben dem Unterlassungsbegehren entgegensteht.

B E S C H L U S S

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die diesbezüglichen Ausführungen im Zulassungsbeschluss des Senats vom 22.10.2019 auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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