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Änderungskündigung – soziale Rechtfertigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 10 Sa 329/11

Urteil vom 10.11.2011


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 10. Mai 2011, Az.: 4 Ca 125/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 10.02. zum 30.09.2011.

Der Kläger (geb. am 23.04.1961, verheiratet) ist seit dem 01.02.2001 bei der Beklagten als Bankangestellter, zuletzt als Leiter des Standardgeschäfts Basiskunden zu einem Monatsgehalt nach Tarifgruppe TG 8 von € 3.970,00 brutto beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer.

Am Sonntag, dem 16.01.2011, sprach der Kläger an einer Tankstelle eine Dame mit den Worten „Kennen wir uns nicht? Sie kommen mir bekannt vor!“ an. Auf seine Nachfrage teilte ihm der Tankwart mit, dass es sich um Frau Z. handelt. Am 17.01.2011 brachte der Kläger in Erfahrung, dass Frau Z. eine Kundin der Beklagten ist, besorgte sich aus den Bankdaten ihre Handynummer und versandte ihr folgende SMS mit seiner privaten Telefonnummer:

„Dieser Blickkontakt hat mich beeindruckt. Sie besitzen eine große Ausstrahlung. Vielleicht ging es Ihnen ja wie mir gestern Morgen. Handy-Nr..“

Am 24.01.2011 hatte Frau Z. einen Termin mit ihrem Kundenbetreuer. Der Kläger folgte ihr von der Schalterhalle in ein Beratungszimmer und sprach sie dort erneut an. Die Kundin empfand die Ansprache an der Tankstelle, die SMS und das unerwünschte Gespräch im Beratungszimmer als ungehörige Anmache und beschwerte sich beim Vorstand über den Kläger.

Mit Schreiben vom 10.02.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrates wegen missbräuchlicher Verwendung von Bankdaten für offensichtlich private Zwecke sowie ruf- und geschäftsschädigenden Verhaltens zum 30.09.2011. Sie bot dem Kläger gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis in der Funktion eines Beraters im Standardgeschäft mit einer Vergütung nach Tarifgruppe TG 7 fortzusetzen. Die Vergütungsdifferenz beträgt € 300,00 monatlich.

Der Kläger, der das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat, erhob am 16.02.2011 vor dem Arbeitsgericht Änderungsschutzklage. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 10.05.2011 (dort Seite 3-6 = Bl. 62-65 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten im Schreiben vom 10.02.2011 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 30.09.2011 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter Standardgeschäft Basiskunden in der Tarifgruppe TG 8 fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10.05.2011 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hätte den Kläger vor Ausspruch der Änderungskündigung abmahnen müssen. Eine Abmahnung sei nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagte halte eine Änderung des Verhaltens des Klägers in Zukunft, was sie mit dem Ausspruch der Änderungskündigung selbst dokumentiert habe, für möglich. Eine schwere Pflichtverletzung liege nicht vor. Im Übrigen sei die ausgesprochene Änderungskündigung im Vergleich zur Abmahnung auch nicht besser geeignet, ein zukünftiges Fehlverhalten des Klägers zu verhindern bzw. eine Änderung seines Verhaltens zu bewirken. Schließlich habe der Kläger auch als Berater Zugriff auf private Kundendaten. Es lasse sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, wie der Datenmissbrauch in Zukunft verhindert bzw. wesentlich erschwert werden soll. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 7 bis 10 des erstinstanzlichen Urteils vom 10.05.2011 (Bl. 66-69 d.A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 19.05.2011 zugestellt worden. Sie hat mit am 15.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.08.2011 verlängerten Begründungsfrist am 18.08.2011 begründet.

Sie trägt vor, die Verfehlungen des Klägers seien so schwerwiegend, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen sei. Der Kläger habe insgesamt fünfmal Kontakt zu der Kundin Z. aufgenommen. Er habe gespeicherte Bankdaten verwendet und geschäftliche Vorsprachen ausgenutzt, um der Kundin eindeutige erotische Angebote zu machen. Den missbräuchlichen Umgang mit Kundendaten und die missbräuchliche Ausnutzung der Dienststellung könne sie nicht dulden. Hinzu komme, dass die Sache in A-Stadt bekannt geworden sei. Mehrere andere Kunden hätten massiv Anstoß genommen und sich deswegen auch an den Vorstand gewandt. Ihr könne nicht zugemutet werden, es bei einer Abmahnung zu belassen. Sie habe ohnehin mit der Änderungskündigung das sozial mildere Mittel gewählt und keine fristlose Kündigung ausgesprochen. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beklagten vom 18.08.2011 (Bl. 90-92 d.A.) sowie vom 04.11.2011 und 08.11.2011 (Bl. 101-102 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 10.05.2011, Az.: 4 Ca 125/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung bereits für unzulässig. Im Übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 12.09.2011 (Bl. 99-100 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in gerade noch ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die ordentliche Änderungskündigung der Beklagten vom 10.02. zum 30.09.2011 nicht im Sinne von §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Die Berufungskammer schließt sich den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Gründen des Arbeitsgerichts an und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ausreichende Gründe im Verhalten des Klägers für eine Änderungskündigung ohne vorangegangene Abmahnung liegen auch aus Sicht der Berufungskammer nicht vor. Im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles wäre der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich, aber auch ausreichend gewesen, um beim Kläger künftig ein vertragsgetreues Verhalten zu erreichen.

Nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der sich auch die Berufungskammer anschließt, setzt die Rechtswirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung – auch einer Änderungskündigung – grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten durch eine einschlägige Abmahnung gerügt hat. Dieser Grundsatz manifestiert sich nunmehr auch in der gesetzlichen Vorgabe des § 314 Abs. 2 BGB. Das heißt, der Ausspruch einer Abmahnung ist dann erforderlich, wenn es – wie hier – um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

Der Kläger hat mit seinem Verhalten gegen seine dienstlichen Pflichten verstoßen. Es war ihm nicht gestattet, die private Handynummer einer Kundin aus den bei der Beklagten gespeicherten Daten zu verwenden, um ihr eine private SMS zu senden. Der Inhalt der SMS ist eindeutig privater Natur. Der Erklärungsversuch des Klägers in seinem Aktenvermerk vom 01.02.2011, er habe die SMS verfasst, um den Kundenkontakt zu verbessern, jedoch den „geschäftspolitischen Hintergrund nicht gleich in den Vordergrund“ stellen wollen, ist wenig plausibel. Die Kundin fühlte sich vom Kläger auch dadurch belästigt, dass er sie in einem Beratungszimmer der Bank in ein Gespräch verwickelt hat, obwohl er nicht für ihre Betreuung zuständig war. Wenn die Berufung von „eindeutig erotischen Angeboten“ des Klägers spricht, lassen sich solche nicht ansatzweise erkennen. Das Verhalten des Klägers, der in seiner Stellung als Bereichsleiter Vorbildfunktion hat, gegenüber der Kundin Z. war nicht korrekt, so dass ein schlechter Eindruck entstanden ist, der auch auf die Beklagte zurückfällt.

Das Fehlverhalten des Klägers bietet keine ausreichende Grundlage für die Prognose, selbst im Falle einer Abmahnung sei ein tadelloses Verhalten des Klägers gegenüber Kundinnen in Zukunft nicht zu erwarten oder eine Wiederherstellung des Vertrauens in seine Zuverlässigkeit ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte selbst eine Änderung des Verhaltens des Klägers in Zukunft für möglich hält, was sie mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung dokumentiert hat. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Pflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich. Vielmehr ist die Erwartung berechtigt, dass sich der Kläger eine Warnung mit Kündigungsdrohung zu Herzen nehmen wird und das Arbeitsverhältnis vertragsgerecht fortgesetzt werden kann.

Der Hinweis der Berufung auf die Entscheidung des BAG vom 09.06.2011 (2 AZR 381/10 – NJW 2011, 2905) verfängt nicht. Dort hatte eine Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeiten vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Arbeitgeberin in der Zeiterfassung dokumentiert. Das Gericht hielt eine Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung für entbehrlich. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden – auch was die Schwere der Pflichtverletzung betrifft – nicht vergleichbar. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände war es der Beklagten zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

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III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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