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Änderungskündigung – soziale Rechtfertigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 9 Sa 627/11

Urteil vom 02.03.2012


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 11.10.2011, Az.: 6 Ca 590/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 20.06.2011 zum 31.08.2011.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Der Kläger ist bei ihr auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.02.2005 (Bl. 5 ff. d. A.) seit dem 15.11.2004 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Er ist bei der Firma X eingesetzt und nimmt dort Inkassotätigkeiten, Recherche, Ablesetätigkeiten betreffend Strom- und Gasverbrauch vor.

Ziffer 1 des Arbeitsvertrages sieht u. a. vor:

„…Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge….“

Mit Datum vom 26.04.2010 haben die Parteien eine Zusatzvereinbarung zum geltenden Arbeitsvertrag geschlossen (Bl. 82 d. A.), die folgenden Inhalt hat:

„Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit, dass ab dem 01.01.2010 (bei späterem Eintritt ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) auf das bestehende Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Diese bestehen derzeit aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV). Der Tarifvertragspartner CGB tritt somit an die Stelle der unter Ziffer 1. des geschlossenen Arbeitsvertrages genannten Tarifvertragspartei Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP).“

Unter dem 03.06.2011 richtete die Beklagte ferner ein Schreiben an den Kläger (Bl. 51 d. A.), in dem es heißt:

„Sehr geehrter Herr …..,

hiermit teilen wir Ihnen mit, dass ab dem 01.05.2011 auf unser bestehendes Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. (BZA) und der DGB Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (DGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Diese bestehen derzeit aus dem Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag sowie dem Entgelttarifvertrag. Ein auf diese Tarifverträge bezugnehmender Arbeitsvertrag liegt Ihnen bereits vor. Die entsprechenden Regelungen entfalten ab dem 01.05.2011 Wirkung auf unser Arbeitsverhältnis.

Unter Berücksichtigung Ihres derzeitigen Tätigkeitsprofils erfolgt eine Eingruppierung gemäß o. g. Entgeltrahmentarifvertrags in die Entgeltgruppe E 4.

Diesen Tarifwechsel nehmen wir unter Bezugnahme auf die Tarifwechselklausel gem. Punkt 1 unseres gemeinsamen Arbeitsvertrages vor.“

Schließlich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20.06.2011 zum 31.08.2011 (Bl. 26 d. A.). Gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Insoweit heißt es im genannten Kündigungsschreiben:

„Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Hierbei finden künftig durch einzelvertragliche Inbezugnahme die zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (DGB) geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) und Entgelttarifvertrag (ETV) Anwendung auf unser Arbeitsverhältnis. Hierbei erfolgt eine Eingruppierung nach Maßgabe des Entgeltrahmentarifvertrages in die Entgeltgruppe E 4. Zur Wahrung des sozialen Besitzstands wird eine etwaige Differenz zu Ihrem bisherigen Lohn über die Zahlung einer Zulage ausgeglichen.

Diese Änderungskündigung erklären wir vorsorglich, gleichwohl wir die Auffassung vertreten, dass unser Vertragsverhältnis durch unser Schreiben vom 03.06.2011 bereits wirksam auf die geänderten Bedingungen umgestellt wurde.

Sollten Sie mit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter den geänderten Bedingungen einverstanden sein, so erklären Sie bitte Ihre Zustimmung bis zum 15.07.2011. Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Erklärungsfrist endet das Arbeitsverhältnis zu o. g. Datum.“

Der Kläger hat das Vertragsänderungsangebot unter dem Vorbehalt sozialer Rechtfertigung i. S. d. § 2 KSchG angenommen und mit seiner am 05.07.2011 beim Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – eingegangenen Klage, Änderungskündigungsschutzklage erhoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie der wechselseitigen Behauptungen und Rechtsansichten der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 11.10.2011, AZ: 6 Ca 590/11 (Bl. 87 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Änderungskündigung der Beklagten vom 20.06.2011 die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht verändert hat. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt:

Die Änderungskündigung der Beklagten sei mangels sozialer Rechtfertigung rechtsunwirksam. Die Beklagte sei nicht berechtigt, durch einseitige Erklärung die tariflichen Bestimmungen, zu denen das Arbeitsverhältnis abgewickelt wird, durch einseitige Erklärung auszutauschen. Die entsprechende vertragliche Regelung verstoße gegen § 308 Nr. 4 BGB.

Allein die gesetzliche Möglichkeit, durch Einbeziehung von Tarifverträgen in den Arbeitsvertrag eine Vergütung unterhalb des „Equal-Pay-Grundsatzes“ zu vereinbaren, eröffne noch nicht die Möglichkeit, im Falle des Verbandsbeitritts des Verleihers eine Änderung des zuvor mit diesem vereinbarten Entgelt durch Änderungskündigung herbeizuführen. Vielmehr sei stets zu prüfen, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sei. Die soziale Rechtfertigung folge nicht aus dem Wunsch der Beklagten, die Arbeitsbedingungen zu vereinheitlichen. Soweit die Beklagte behaupte, die Agentur für Arbeit habe die Aufrechterhaltung der Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung von der Geltung eines einheitlichen Tarifwerks im Unternehmen abhängig gemacht, sehe das AÜG eine derartige Einschränkung weder vor, noch erlaube es diese. Ein derartiges Verhalten der Agentur für Arbeit wäre grob rechtswidrig. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung entfalle auch nicht deshalb, weil die Beklagte auch nach der Änderungskündigung das alte Gehalt durch Gewährung einer Zulage weiter zu zahlen beabsichtige.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 17. Oktober 2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 08.11.2011 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Am Montag, dem 19.12.2011 hat die Beklagte per Telefax versucht, dem Landesarbeitsgericht einen Antrag auf Fristverlängerung von zwei Wochen zur Einreichung der Berufungsbegründung zu übermitteln. Das Telefaxgerät des Landesarbeitsgerichts war an diesem Tag gestört, sodass eine erfolgreiche Übermittlung nicht möglich war. Mit Schriftsatz vom 20.12.2011 hat die Beklagte wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und ihre Berufung mit Schriftsatz vom 02.01.2012, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages macht die Beklagte geltend, aufgrund der Störung des Empfangsgerätes beim Landesarbeitsgericht habe sie ihren Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht vor Ablauf der selben anbringen können. Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes vom 02.01.2012, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 144 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend:

Mit der Änderungskündigung seien keinerlei Nachteile für den Kläger verbunden. Eine etwaige Lohndifferenz aufgrund unterschiedlicher Eingruppierung werde durch eine Zulage ausgeglichen. Der Kläger erlange im Gegenteil zusätzliche Zahlung, bspw. in Form des Weihnachts- und Urlaubsgeldes. Wenn ein nachteiliger Eingriff in die Lohnbestandteile nicht gegeben sei, so müsse für die Beklagte die Möglichkeit zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Wege der Änderungskündigung gegeben sein. Von den ca. 1300 Mitarbeitern hätten 99% ihr Einverständnis zu der Umstellung des Tarifwerks auf das Tarifwerk BZA erklärt.

Im Übrigen sei eine rechtswirksame Einbeziehung des Tarifwerkes BZA bereits durch das Schreiben vom 03.06.2011 erfolgt. Ziffer 1 des Arbeitsvertrages ermögliche einen solchen Tarifwechsel. § 308 Nr. 4 BGB sei nicht einschlägig. Zu einer einseitigen nachteiligen Veränderung der Vergütung komme es gerade nicht. Möglichkeit und Zulässigkeit von Tarifwechselklauseln seien durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt. Der Kläger habe sich auch zu keinem Zeitpunkt gegen das Anschreiben vom 03.06.2011 gewandt.

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Die Agentur für Arbeit habe die Aufrechterhaltung der Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung von der Geltung eines einheitlichen Tarifwerkes unternehmensweit abhängig gemacht. Es sei ihr nicht zumutbar, etwaige jahrelange Auseinandersetzungen mit der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Zulassung zu führen. Rechtsbehelfe hätten keine aufschiebende Wirkung. Der Entzug der Erlaubnis würde zur Existenzvernichtung führen. Schon die Gefährdung der Aufrechterhaltung der Zulassung würde es gebieten, die Arbeitsbedingungen wie geschehen zu vereinheitlichen.

Die Beklagte beantragt,

ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 11.10.2011, AZ: 6 Ca 590/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 31.01.2012, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 169 ff. d. A.), als zutreffend.

Der Arbeitsvertrag ermögliche wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB keine einseitige Austauschung der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei nicht zumutbar, da der Kläger tatsächlich erheblich schlechter gestellt wäre. Die Zusatzvereinbarung vom 26.04.2010 sei unwirksam. Diese Vereinbarung sei ebenso unwirksam, wie der Vertrag insgesamt, so weit es die Tariffähigkeit der genannten Gewerkschaften betreffe. Soweit die Beklagte auf eine Forderung der Agentur für Arbeit abstelle, sei diese zu bestreiten. Selbst wenn eine solche gestellt worden sei, sei sie unwirksam. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und – auch inhaltlich ausreichend – begründet.

Der Beklagten war gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden gehindert war, diese zu wahren, § 233 ZPO. Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass sie am 19.12.2011 als dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist mehrfach erfolglos versucht hat, bei Gericht einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist per Telefax zu übermitteln. Gerichtsbekannt war das Telefaxgerät des Landesarbeitsgerichts an diesem Tag gestört. Wäre der Antrag noch am 19.12.2011 eingegangen, wäre dem Verlängerungsantrag entsprochen worden, da erhebliche Gründe geltend gemacht wurden. Die Beklagte hat sodann innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO formgerecht und mit ausreichender Begründung und Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) die Wiedereinsetzung beantragt und die versäumte Prozesshandlung nachgeholt.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 20.6.2011 ist mangels sozialer Rechtfertigung im Sinne der § 2, § 1 Abs. 2 KSchG rechtsunwirksam.

1. Die Änderungsschutzklage des Klägers ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil zum Kündigungstermin die mit ihr beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits zu geänderten Arbeitsbedingungen bestand.

Eine Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG ist unbegründet, wenn zum Kündigungstermin die dem Arbeitnehmer angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen bereits auf Grund anderer Umstände, eingetreten war („Überflüssige Änderungskündigung“, BAG 21.9.2006 -2 AZR 120/06- EzA § 2 KSchG Nr. 61; BAG 24.8.2004 – 1 AZR 419/03 – EzA § 2 KSchG Nr 51) .

a) Eine bereits vollzogene Änderung der Arbeitsbedingungen ergibt sich nicht in Anwendung der früheren Rechtsprechung des BAG zu so genannten Gleichstellungsabreden, wobei nur Bezugnahmeklauseln, die vor dem 1.1.2002 vereinbart wurden, Vertrauensschutz genießen (vgl. etwa BAG 19.10.2011 -4 AZR 811/09- juris). Im Arbeitsvertrag, der im Jahre 2005 abgeschlossen wurde, werden zunächst genau bezeichnete Tarifverträge in Bezug genommen, wobei nicht ersichtlich ist, dass die in Nordrhein-Westfalen ansässige Beklagte jemals kraft Verbandszugehörigkeit an die genannten Tarifverträge gebunden gewesen wäre. Ebenso wenig lässt sich dem nachfolgenden Absatz des Arbeitsvertrags entnehmen, dass hiermit eine Einbeziehung der jeweiligen Tarifverträge beabsichtigt war, an die die Beklagte kraft Verbandszugehörigkeit jeweils gebunden ist. Der fragliche Passus spricht vielmehr ausdrücklich von einem „Tarifwechsel kraft Inbezugnahme“ und räumt der Beklagten das Recht ein, durch einseitige Erklärung die zuvor genannten Tarifverträge durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden. Es wurde damit gerade nicht geregelt, dass die Beklagte auch Mitglied eines solchen Arbeitgeberverbandes sein müsse, sondern nur auf die fachliche Zuständigkeit eines solchen Verbandes abgestellt. Für eine solche Verbandszugehörigkeit ist im Übrigen auch nichts vorgetragen oder ersichtlich.

b) Eine Änderung der Arbeitsbedingungen dahingehend, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (DGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, wie dies mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung beabsichtigt ist, wurde auch nicht bereits durch das ebenfalls hierauf gerichtete Schreiben der Beklagten vom 3.6.2011 (Bl. 51 d.A.) in Verbindung mit Ziff. 1 Absätze 4 und 5 des Arbeitsvertrags herbeigeführt.

aa) Es kann dahinstehen, ob nicht bereits die vertragliche Zusatzvereinbarung vom 26.4.2010 (Bl. 82 d. A.) dazu führt, dass der Änderungsvorbehalt der genannten Bestimmungen des Arbeitsvertrags vertraglich aufgehoben wurde. Hierfür spricht allerdings, dass die Parteien gerade eine vertragliche Zusatzvereinbarung abgeschlossen haben, die nach dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung gerade auf eine Änderung des Arbeitsvertrages abzielte. Dies ergibt sich daraus, dass es in der Zusatzvereinbarung heißt „Alle übrigen getroffenen Regelungen des Arbeitsvertrages gelten fort und bleiben von dieser Zusatzvereinbarung unberührt“. Nach dem Regelungsgegenstand der Zusatzvereinbarung bezieht diese sich gerade auf die im Arbeitsvertrag zunächst getroffene Verweisung auf tarifvertragliche Vorschriften, aber zumindest aus Sicht eines redlichen Vertragspartners auch auf den Vorbehalt im nachfolgenden Absatz des Arbeitsvertrages, demzufolge die Beklagte berechtigt sein soll, durch einseitige schriftliche Erklärung eine Änderung hinsichtlich der für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge herbeizuführen. Wenn die Beklagte sich ursprünglich diese einseitige Änderungsmöglichkeit vorbehalten hatte und dann in der Zusatzvereinbarung vertraglich bindend die Geltung anderer Tarifverträge vereinbart, kann dies nur dahingehend verstanden werden, dass die Geltung dieser Tarifverträge nunmehr vertraglich bindend und nicht mehr einseitig abänderbar vereinbart werden soll.

bb) Jedenfalls berechtigte Ziff. 1 Abs. 5 des Arbeitsvertrages die Beklagte nicht dazu, durch einseitige schriftliche Erklärung die für das Arbeitsverhältnis maßgeblich in Bezug genommen Tarifverträge auszuwechseln. Die vertragliche Bestimmung ist nicht rechtswirksam.

(1) Der Arbeitsvertrag enthält allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Hierfür spricht das äußere Erscheinungsbild des Vertrags und die Tatsache, dass der Vertragstext ersichtlich für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert ist und lediglich einzelne auf den individuellen Sachverhalt zugeschnittene Eintragungen enthält. Hiervon gehen auch die Parteien aus.

(2) Die fragliche Klausel ist nach § 308 Nr. 4 BGB rechtsunwirksam.

Die fragliche Klausel ist nicht nach § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB entzogen.

Im Gegensatz zu Klauseln, die sich darauf beschränken, lediglich auf ein anderes Regelungswerk zu verweisen, dem Arbeitgeber damit auch kein einseitiges Recht zur Leistungsbestimmung einräumen und deshalb nach § 307 Abs. 3 BGB keinen kontrollfähigen Inhalt aufweisen (vgl. BAG 10.12.2008 -4 AZR 802/07- juris), räumt die vorliegende Klausel der Beklagten das Recht ein, das Objekt der zuvor geregelten Bezugnahmeklausel einseitig auszutauschen. Damit liegt zugleich eine Abweichung von Rechtsvorschriften vor.

Zunächst vertraglich „versprochen“ sind Leistungen nach den im Arbeitsvertrag zunächst genannten Tarifverträgen, auf die der Arbeitsvertrag an mehreren Stellen, so auch bei Regelung der Vergütung Bezug nimmt. Das Leistungsbestimmungsrecht ermächtigt die Beklagte, die individualvertraglich inkorporierten Arbeitsbedingungen einseitig zu ändern. Diese Klauselformulierung würde der Beklagten das uneingegrenzte Recht zu einem Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis vorbehalten, da es ihr freisteht, zwischen den Regelungen ggf. mehrerer für sie fachlich zuständiger Arbeitgeberverbände zu wählen. § 308 Nr. 4 BGB erfasst auch Klauseln, die nur mittelbar zu einer Leistungsänderung führen (vgl. etwa PWW/Berger, BGB 6. Aufl., § 308 BGB Rz. 31).

Hierin liegt zum einen die notwendige Abweichung von Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB, da durch diese Vertragsgestaltung nicht nur vom Grundsatz „pacta sunt servanda“, sondern auch vom Inhaltsschutz nach § 2, § 1 KSchG abgewichen wird. Zum anderen liegt hierin auch eine Vereinbarung im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB, da durch die Möglichkeit der freien Auswahl der in Bezug genommenen Tarifverträge die Möglichkeit einer einseitigen Leistungsänderung, auch hinsichtlich von Hauptpflichten (unterschiedliche Eingruppierung und Vergütungshöhe) herbeigeführt werden kann (vgl. auch Preis/Greiner, NZA 2007, 1073, 1076).

Der Änderungsvorbehalt ist dem Kläger auch nicht im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB zumutbar. Dies folgt schon daraus, dass die Klausel Voraussetzungen und Umfang der Leistungsänderung nicht konkretisiert, sondern beides völlig unbestimmt lässt und auch ohne Grund zulässt (vgl. BAG 11.10.2006 -5 AZR 721/05- EzA § 308 BGB 2002 Nr 6).

2. Die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung ist mangels sozialer Rechtfertigung im Sinne der § 2, § 1 Abs. 1, 2 KSchG rechtsunwirksam.

Nach den genannten Bestimmungen des KSchG setzt die Wirksamkeit einer Änderungskündigung voraus, dass die angetragenen Änderungen durch Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, also durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bedingt und damit sozial gerechtfertigt sind.

a) Soweit die Beklagte darauf verweist, der Kläger erleide keine finanziellen Nachteile, verkennt sie, dass eine Änderungskündigung nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt ist. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die geänderten Arbeitsbedingungen ungünstiger sind, ist rechtlich erst nach Prüfung, ob überhaupt ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt, von Relevanz. Liegt ein Grund vor, ist erst dann zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.

b) Der Hinweis der Beklagten darauf, dass 99 % ihrer Mitarbeiter mit einer Umstellung der Tarifverträge einverstanden gewesen ist, kann die Änderungskündigung sozial nicht rechtfertigen. Ein Interesse an der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen reicht nicht aus, um ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung darzulegen (BAG 12.1.2006 -2 AZR 126/05- EzA § 2 KSchG Nr. 56).

c) Soweit die Beklagte geltend macht, die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 1 AÜG zuständige Regionaldirektion der Agentur für Arbeit in X. habe die Erteilung bzw. Aufrechterhaltung der Genehmigung davon abhängig gemacht, dass unternehmensweit ein einheitliches Tarifwerk gelte, ergibt sich nichts anderes.

Auch eine Drucksituation, also eine Situation, in der der Arbeitgeber erhebliche Nachteile befürchten muss, wenn er den Arbeitnehmer zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt, kann unter bestimmten Voraussetzungen geeignet sein, eine Änderung von Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen (vgl. BAG 31.01.1996 -2 AZR 158/95- EzA § 626 BGB Druckkündigung Nr. 3; 19.06.1986 -2 AZR 563/85- EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr 39).

Liegen aber weder in der Person noch im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Gründe für diese Drucksituation vor, darf der Arbeitgeber einem von Dritter Seite ausgeübtem Druck nicht ohne weiteres nachgeben, sondern muss zunächst versuchen, auf den oder die Druck Ausübenden einzuwirken (BAG 19.6.1986 aaO.).

Vorliegend fehlt es schon an einem substantiierten Sachvortrag zu den näheren Einzelheiten dazu, wann und in welcher Form die Regionaldirektion X. einen Widerruf oder eine Rücknahme der Erlaubnis in Aussicht gestellt hat.

Ein Widerruf oder eine Rücknahme der Erlaubnis mit einer derartigen Begründung wäre zudem offensichtlich rechtswidrig. Beide Tatbestände setzen voraus, dass der Antragsteller einen der in § 3 AÜG genannten Versagungsgründe erfüllt – die Nicht-Geltung eines einheitlichen Tarifvertrags im Unternehmen gehört offensichtlich nicht dazu. Sollte die Regionaldirektion tatsächlich eine derartige Forderung erhoben haben, müsste die Beklagte angesichts der offensichtlichen Rechtswidrigkeit einer solchen Forderung zunächst ggf. auch durch eine entsprechende Beschwerde bei der Bundesagentur versuchen, diese dazu zu bewegen, von dieser Forderung Abstand zu nehmen. Dass dies geschehen ist, ist nicht ersichtlich.

III. Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.

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