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Änderungskündigung – Unwirksamkeit und Umdeutung


Landesarbeitsgericht Niedersachsen

Az: 5 Sa 1183/10

Urteil vom 02.12.2010


In dem Rechtsstreit hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2010 durch für Recht erkannt:

Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts …vom 14.06.2010 – 1 Ca 501/09 – werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Soweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist, wird die Revision zugelassen.

Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin in der Geschäftsstelle D-Stadt.

Die am …… geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.08.1993 bei der Beklagten zunächst als Sekretärin und seit dem 01.01.2008 als Vertriebskoordinatoren in der Geschäftsstelle …, Geschäftssparte Vertrieb, zu einer monatlichen Vergütung in Höhe von ca. …€ brutto beschäftigt gewesen und seit dem 12.04.2010 in …. tätig.

Die Zentrale der Beklagten befindet sich in Stadt. Sie unterhält mehrere Geschäftsstellen. Die Geschäftsstellen und Stadt werden beide disziplinarisch und fachlich vom selben Geschäftstellenleiter geführt und als Einheit betrachtet (im Folgenden: Geschäftsstelle -Stadt). Im Jahr 2008 beschäftigte die Beklagte in der Geschäftsstelle -Stadt acht Vertriebsaußendienstmitarbeiter, drei Vertriebskoordinatorinnen, eine Sekretärin und einen Geschäftsstellenleiter. Neben der Klägerin war als Vertriebskoordinatorin unter anderem Frau tätig, welche ledig und für ein minderjähriges, zum damaligen Zeitpunkt nicht schulpflichtiges Kind, zum Unterhalt verpflichtet ist. Sie ist ….. geboren und seit 1998 betriebszugehörig.

Im Mai 2009 reduzierte die Beteiligte die Anzahl der Vertriebsaußendienstmitarbeiter in der Geschäftsstelle D-Stadt von acht auf sechs und die Zahl der Vertriebskoordinatoren betrug zwei (Frau. und die Klägerin).

Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig. Es besteht ein Betriebsrat, der im Stammhaus A-Stadt angesiedelt ist. Ein örtlicher Betriebsrat für die Geschäftsstelle D-Stadt existiert nicht.

Seit Sommer 2009 erhielt die Klägerin keine Aufgaben einer Vertriebskoordinatorin mehr. Die Ursachen hierfür sind zwischen den Parteien streitig.

Nach Beteiligung und Widerspruch des Betriebsrates sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 26.08.2009 eine betriebsbedingte Kündigung zum 31.03.2010 aus, verbunden mit dem Angebot, sie ab 01.04.2010 als Vertriebskoordinatorin in der Geschäftsstelle A-Stadt innerhalb der Geschäftssparte Vertrieb einzusetzen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der geänderten Arbeitsbedingungen an.

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.08.2009 geltend gemacht und darüber hinaus die Weiterbeschäftigung in der Geschäftsstelle -Stadt über den 31.03.2010 hinaus begehrt. Sie hat die Änderungskündigung als sozial ungerechtfertigt gerügt und bestritten, ihr Arbeitsplatz sei weggefallen. Sie hat die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung in der Geschäftsstelle -Stadt zu haben, weil die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates zu der Versetzung nach -Stadt gemäß § 99 BetrVG nicht vorliege.

Sie hat beantragt, 1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 26.08.2009, zugegangen am 26.08.2009 rechtsunwirksam ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, sie auch über den 31.03.2010 hinaus als Vertriebskoordinatorin in der Geschäftsstelle D-Stadt innerhalb der Geschäftssparte Vertrieb zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, Ende 2008 habe die Geschäftsführung die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Geschäftssparte Vertrieb zum 01.01.2009 umzuorganisieren. Diese Organisationsänderung sei zum 01.01.2009 mit einem Wegfall von insgesamt 78 Arbeitsstunden pro Woche im Bereich der Vertriebskoordinatoren durchgeführt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, Bl. 2 – 6 derselben, Bl. 308 – 312 der Gerichtsakte, verwiesen.

Mit Urteil vom 14.06.2010 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 26.08.2009, zugegangen am 26.08.2009, rechtsunwirksam ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 6 – 13 desselben, Bl. 312 – 319 der Gerichtsakte verwiesen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 15. und der Beklagten am 16.07.2010 zugestellt worden. Mit einem am 29.07.2010 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte Berufung eingelegt und diese mit einem am 16.09.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet. Dieser Schriftsatz ist der Klägerin am 22.09.2010 zugestellt worden. Mit einem am 22.10.2010 eingegangenen Schriftsatz hat sie beantragt, die Frist für die Berufungserwiderung bis zum 05.11.2010 zu verlängern. Diesem Begehren hat das Landesarbeitsgericht entsprochen. Mit einem am 05.11.2010 eingegangenen Schriftsatz hat sie auf die Berufung erwidert und Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Hauptberufung das erstinstanzliche Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter und verteidigt in diesem Zusammenhang die Rechtmäßigkeit der von ihr ausgesprochenen Änderungskündigung. Sie meint, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass ihre unternehmerische Entscheidung nicht darauf abgezielt habe, Personal zu reduzieren, sondern darauf, die Arbeitsabläufe zu vereinheitlichen und zu straffen. Auch nachdem die Klägerin -Stadt verlassen habe und in A-Stadt tätig sei, laufe das Tagesgeschäft wie zuvor ohne Einbußen an Qualität, Terminverschiebungen oder sonstiger zusätzlicher Belastungen der in -Stadt verbliebenen Mitarbeiter. Im Übrigen müsse aufgrund der fehlenden Aufgabenzuweisung gegenüber der Klägerin während der Kündigungsfrist auf die unternehmerische Entscheidung geschlossen werden. Diese unternehmerische Entscheidung habe die Geschäftsführung in der Person des . … . nach einem Entscheidungstermin beim Vorsitzenden der Geschäftsführung Herrn Dr. . am 7. November 2008 gefällt. Über das Vorliegen dieser Entscheidung habe Herr … . den Betriebsrat informiert. Im Übrigen müsse die Änderungskündigung, sollte sie unwirksam sein, in eine Maßnahme des Direktionsrechts umgedeutet werden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14.06.2010, Geschäftszeichen 1 Ca 501/09, hinsichtlich des Tenors zu 1.) abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte unter Abänderung des am 14.06.2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hannover, Az.: 1 Ca 501/09, zu verurteilen, sie auch über den 31.03.2010 hinaus als Vertriebskoordinatorin in der Geschäftsstelle D-Stadt innerhalb der Geschäftssparte Vertrieb zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, insbesondere bestreitet sie das Vorhandensein eines nachvollziehbaren unternehmerischen Konzeptes. Sie wiederholt auch die bereits erstinstanzlich erhobene Rüge der sozialen Auswahl und nimmt auf den gesamten Sachvortrag des erstinstanzlichen Verfahrens Bezug. Zur Anschlussberufung meint sie, sie habe sowohl einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als auch einen solchen nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Diesem Weiterbeschäftigungsanspruch stehe auch nicht Tatsache entgegen, dass die Beklagte ein gerichtliches Verfahren gemäß § 100 BetrVG angesichts des Widerspruches des Betriebsrates auch zu ihrer Versetzung nach A-Stadt eingeleitet habe.

Die Beklagte hält die Anschlussberufung in Ermangelung einer ausreichenden Berufungsbegründung für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

Wegen sämtlicher weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 16.09., 05.11., 01.12.2010 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.12.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungen beider Parteien mussten erfolglos bleiben.

A. Beide Rechtsmittel sind zulässig. Sie sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520, 524 ZPO).

Insbesondere ist die Anschlussberufung innerhalb der vom Landesarbeitsgericht verlängerten Berufungserwiderungsfrist begründet worden (§ 524 Abs. 3 ZPO). Sie entspricht auch dem Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO. Anhand der Begründung dieses Rechtsmittels kann das Rechtsmittelgericht erkennen, aus welchem Grund die Klägerin das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft hält. Auf die Schlüssigkeit ihrer Ausführungen kommt es diesbezüglich nicht an.

B. Beide Rechtsmittel sind unbegründet.

I. Die Änderungskündigung vom 26.08.2009 ist wegen fehlender sozialer Rechtfertigung unwirksam gemäß §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Sie ist nicht aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, weil dringende betriebliche Erfordernisse für die ausgesprochene Änderungskündigung und die damit verbundene Vertragsänderung nicht vorliegen (1.), auch darf aus Rechtsgründen diese unwirksame Änderungskündigung nicht gemäß § 140 BGB in eine Maßnahme des Direktionsrechtes umgedeutet werden (2.).

Im Einzelnen:

1. Eine Änderungskündigung ist wirksam, wenn die angebotene Vertragsänderung sozial gerechtfertigt ist. Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse für die Vertragsänderung vorliegen. Ferner ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Voraussetzung, dass sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG Urteil, vom 15.03.1991, Az. 2 AZR 582/90 – EZA § 2 KSchG Nr. 16 m.w.N.).

a) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2, 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 07.12.1978, Az.: 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157; Urteil vom 29.03.1990, Az.: 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein (BAG, Urteil vom 17.06.1999, Az.: 2 AZR 456/98 – AP Nr. 103 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung). Der Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob durch eine innerbetriebliche Maßnahme oder durch einen außerbetrieblichen Anlass das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu verringern, ist wegen der Nähe zum bloßen Kündigungsentschluss nicht lediglich auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen. Der Arbeitgeber muss darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, das heißt, es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z. B. nur noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen. Er muss im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung des Auftragsvolumens auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht (BAG, Urteil vom 17.06.1999 aaO.; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.08.2007, Az.: 8 Sa 293/07 – juris). Soweit es um die Darlegungslast bezüglich der Darstellung eines dauerhaften Rückgangs des Beschäftigungsvolumens geht, müssen der Inhalt und die Substanz des Sachvortrages dem Umstand Rechnung tragen, dass die Einschätzung des zukünftigen – gesunkenen – Beschäftigungsbedarfs und -volumens prognostischen Charakter hat. Er muss deshalb den Rückgang des Beschäftigungsvolumens nachvollziehbar darstellen, beispielsweise durch eine Darstellung der Entwicklung und einen Vergleich des Auftrags- und Beschäftigungsvolumens in Referenzperioden (BAG, Urteil vom 18.05.2006, Az.: 2 AZR 412/05 – AP Nr. 7 zu § 9 AÜG m. w. N.).

Wenn auch die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigkeit oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist, dann obliegt es doch den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt (BAG, Urteil vom 17.06.1999, Az.: 2 AZR 522/98 – AP Nr. 102 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung). Dem Arbeitgeber obliegt es prozessual, diese Entscheidung substantiiert darzustellen, so dass sie einer Beweiserhebung zugänglich ist.

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b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht. Die Beklagte hat ihre unternehmerische Entscheidung nicht entsprechend den zuvor dargestellten Rechtsgrundsätzen für das Landesarbeitsgericht nachvollziehbar dargestellt.

Die zunächst in der Berufungsbegründung enthaltene Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen und die damit verbundene Klarstellung, wie diese unternehmerische Entscheidung zu verstehen sei, lässt im rein tatsächlichen unklar, welche Person seitens der Geschäftsleitung zu welchem Zeitpunkt in welcher Form und mit welchen Auswirkungen beschlossen hat, die Umverteilung der Aufgaben vorzunehmen bzw. einige Aufgaben in Fortfall geraten zu lassen. Der ergänzende Sachvortrag der Beklagten, die Geschäftsleitung habe die Entscheidung, jeden Standort nur noch mit einem Vertriebskoordinator auszustatten, am 07.11.2008 gefällt, rechtfertigt – als wahr unterstellt – nicht das Bedürfnis für die Änderungen der Arbeitsbedingungen der Klägerin, weil durch diesen Sachvortrag nicht das Beschäftigungsbedürfnis ihrerseits am Standort D-Stadt entfallen ist. Denn dieser pauschalen Behauptung ist nicht die konkrete Planung zu entnehmen, in welchen Einzelschritten sich die Reduzierung auf nur einen Vertriebskoordinator hat vollziehen sollen. Allein durch diese Entscheidung, die am 07.11.2008 getroffen sein soll, ist nicht erkennbar, welche einzelnen Aufgaben der Klägerin -sei es durch Umverteilung oder durch Wegfall- entfallen sein sollen. Diese Wertung wird durch die Anhörung der instruierten Vertreterin der Beklagten gemäß § 141 ZPO bestätigt. Konkrete Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Aufgaben weggefallen sein sollen, sodass der zeitliche Bezug zum Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung gegeben ist, sind nicht erkennbar.

In Ermangelung einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung fehlt es an einem dringenden betriebsbedingten Erfordernis, welches die streitgegenständliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermag.

c) Auf die Problematik, ob die Kündigung (auch) wegen fehlerhafter sozialer Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist und ob statt der Klägerin Frau M. richtigerweise Adressatin einer Änderungskündigung hätte sein müssen, nämlich weil man mit einem nicht schulpflichtigen Kleinkind leichter eine Ortsveränderung vornehmen kann als mit einem berufstätigen Ehemann – so die Argumentation der Klägerin – kommt es nicht mehr an.

2. Die Klage war nicht bereits deswegen abzuweisen, weil die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen ohnehin aufgrund einer in der streitgegenständlichen Änderungskündigung enthaltenen Weisung gelten.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. vom 24.08.2004, AZ: 1 AZR 419/03 – BAGE 111, 361; Urt. vom 26.08.2008, AZ: 1 AZR 353/07 – NZA-RR 2009; 300-303) muss eine Änderungsschutzklage nach § 2 KSchG abgewiesen werden, wenn die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen ohnehin gelten, sei es aufgrund einer Weisung oder sei es aufgrund eines Tarifvertrages. Denn die Frage, ob die im Änderungsangebot des Arbeitgebers enthaltenen Arbeitsbedingungen gerade in Folge der mit der Änderungskündigung angebotenen Vertragsänderungen gelten, ob es also zu einer Herbeiführung der Änderung der Änderungskündigung bedurfte oder ob die angebotenen Arbeitsbedingungen ohnehin Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind, sei nur als ein Element der Begründetheitsprüfung anzusehen mit der Folge, dass es einer sozialen Rechtfertigung nicht bedürfe, wenn die angebotenen Arbeitsbedingungen z. B. wegen einer wirksamen Weisung oder einer Änderung des Tarifvertrages bereits unabhängig davon eingetreten seien.

Ob dieser Rechtsprechung gefolgt wird, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Arbeitsbedingungen der Klägerin sind nicht bereits einseitig durch eine Maßnahme des Direktionsrechts gemäß § 106 GewO geändert worden. Die unwirksame Änderungskündigung darf nicht gemäß § 140 BGB in eine zulässige Maßnahme des Direktionsrechtes umgedeutet werden.

b) Gemäß § 140 BGB wird ein nichtiges Rechtsgeschäft im Wege der Umdeutung dann aufrecht erhalten, wenn es den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäftes entspricht und wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Ob eine solche Umdeutung einer unwirksamen Änderungskündigung in eine Maßnahme des Direktionsrechtes überhaupt in Betracht kommt, ist im Einzelnen höchst umstritten: teilweise wird diese Möglichkeit unter Hinweis darauf bejaht, dass das umgedeutete Rechtsgeschäft nicht als Minus in dem nichtigen Geschäft erhalten sein müsse, vielmehr auch ein sogenanntes „Aliud“ in Betracht komme, wenn nur hinsichtlich des Ersatzgeschäftes sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt seinen (Hromatka, in NZA, 2008, 1338, 1340; Hunold in NZA 2008, 860, 862; Staudinger-Roth, Buch 1, Teil 2, § 140 RdNr. 22; LAG B-Stadt, Urteil vom 29.11.1999, Az.: 9 Sa 1277/99 – LAGE § 2 KSchG Nr. 36). Dem steht eine starke Gegenmeinung gegenüber, welche die Zulässigkeit einer Umdeutung in einem solchen konkreten Anwendungsfall verneint (Hako-Pfeiffer, 3. Aufl., § 2 Änderungskündigung RdNr. 14; APS-Künzel, 3. Aufl., § 2 KSchG RdNr. 119; Berkowski in NZA 1999, 293; Löwisch in NZA 1988, 633; Benecke in NZA 2005, 1092, 1096). Der Rechtsauffassung der zuletzt zitierten Literaturmeinung folgt das Landesarbeitsgericht. Wenn es auch nicht darauf ankommt, dass das umgedeutete Rechtsgeschäft als Minus in dem nichtigen Rechtsgeschäft enthalten sein muss, so dürfen die Rechtswirkungen des umgedeuteten Rechtsgeschäftes nicht über die Wirkungen des nichtigen Rechtsgeschäftes hinausgehen. Dies ist im Verhältnis von Weisung und Änderungskündigung der Fall. Die Weisung Kraft Direktionsrecht gemäß § 106 GewO ist gegenüber der Änderungskündigung kein milderes Mittel. Denn durch sie wird der Vertrag konkretisiert, der Arbeitnehmer muss die Weisung befolgen, andernfalls ihm der Vorwurf einer (beharrlichen) Arbeitsverweigerung gemacht werden kann und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht. Demgegenüber hat ein Arbeitnehmer bei Ausspruch einer Änderungskündigung die drei bekannten Wahlmöglichkeiten der Ablehnung, der vorbehaltlosen Annahme und der Annahme unter Vorbehalt gemäß § 2 KSchG.

Die Ablehnung der Umdeutung einer unwirksamen Änderungskündigung in eine Maßnahme des Direktionsrechtes fügt sich im Übrigen schon deswegen harmonisch in unser Rechtssystem ein, weil nur diese Auffassung berücksichtigt, dass die Erkennbarkeit der Voraussetzungen des § 140 BGB bei Vornahme, d. h. bei Ausspruch der unwirksamen Änderungskündigung gegeben sein muss. So hat denn auch das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 12.05.2010, Az.: 2 AZR 845/08 – DB 2010, 2508 – 2509) bei der Problematik der Umdeutung einer gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung entscheidend darauf abgestellt, dass dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist.

Bei Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung konnten die Voraussetzungen der Umdeutung schon deswegen nicht beurteilt werden, weil der Klägerin die Überlegungsfrist des § 2 KSchG offen stand. Zu diesem Zeitpunkt war völlig ungewiss, ob die Problemlage des § 140 BGB zukünftig entstehen wird.

Scheidet generell die Möglichkeit aus, eine unwirksame Änderungskündigung gemäß § 140 BGB in eine Maßnahme des Direktionsrechtes umzudeuten, dann bedarf auch die Problematik, ob der hypothetische Wille der Beklagten zum Zeitpunkt der Vornahme des nichtigen Rechtsgeschäftes (auf diesen Zeitpunkt kommt es bei der Beurteilung des § 140 BGB an, vgl. Staudinger-Roth aaO. RdNr. 27) keiner Entscheidung. Hieran bestehen durchaus erhebliche Zweifel, hat doch die Beklagte ihrem Kündigungsschreiben ein Versetzungsschreiben beigefügt und die Wirksamkeit dieses Versetzungsschreibens erkennbar von dem Einverständnis und der Unterschriftsleistung der Klägerin abhängig gemacht (Anlage K 11 zur Klageschrift Bl. 40 und 41 der Gerichtsakte). Damit lässt sich möglicherweise der erkennbare (hypothetische) Wille, ersatzweise eine einseitige Maßnahme des Direktionsrechtes durchführen wollen, nicht vereinbaren.

III. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das angefochtene Urteil den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich zunächst einmal die diesen Streitgegenstand betreffenden Entscheidungsgründe zu eigen, verweist auf ihn und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Diese Bezugnahme betrifft die Ausführungen in den Entscheidungsgründen zu II, Bl. 11 und 12 des Urteils, Bl. 317 und 318 der Gerichtsakte. Die Ausführungen der Klägerin in der Anschlussberufungsbegründung veranlassen lediglich folgende ergänzende Ausführungen:

1. Der Rückgriff der Klägerin auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG GS, Beschluss vom 27.01.1985 – GS 1/84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigungspflicht) ist ihr mit der Annahme unter Vorbehalt versperrt. Nimmt ein Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung nicht sozial ungerechtfertigt ist, erklärt er sich damit bereit, zunächst zu den geänderten Bedingungen bis zur rechtskräftigen Klärung im Änderungskündigungsschutzprozess weiter zu arbeiten. Diese Verpflichtung eines Arbeitnehmers ist gewissermaßen der Preis für die Sicherheit, im Falle der Abweisung der Kündigungsschutzklage seinen Arbeitsplatz zu behalten (KR-Rost, § 2 KSchG, RdNr. 119, 9. Aufl.; ErfK-Oetker, 10. Aufl., § 2 KSchG RdNr. 38). Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch dann, wenn die Änderungskündigung aus anderen Gründen als wegen fehlender sozialer Rechtfertigung rechtsunwirksam ist. Denn nachdem § 4 S. 2 KSchG durch das Arbeitsmarktreformgesetz ab dem 01.01.2004 auf alle Fälle der Unwirksamkeit der Kündigung erweitert worden war, ist der Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG dahingehend auszulegen, dass er sich auf alle Unwirksamkeitsgründe bezieht (APS-Künzel, 3. Aufl. § 2 KSchG RdNr. 207; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.08.2005, Az.: 13 Sa 78/04 – juris).

2. Dieser allgemeine Grundsatz schließt auf den speziellen betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 aus, auch insoweit erklärt sich der Arbeitnehmer mit den geänderten Arbeitsbedingungen solange einverstanden, bis die Rechtswirksamkeit der Kündigung endgültig geklärt ist (APS, aaO. RdNr. 232).

3. Eine Ausnahme von dem vorstehenden Grundsatz wird lediglich dann gemacht, wenn die geänderten Arbeitsbedingungen wegen eines Widerspruches des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG nicht vollzogen werden können, es sei denn der Arbeitgeber nimmt eine Maßnahme nach § 100 BetrVG vor. Letztere Fallkonstellation (Gegenausnahme) ist im vorliegenden Streitfall gegeben, wie das angefochtene Urteil uneingeschränkt hervorgehoben hat.

C. Die Prozesskosten waren gemäß § 92 Abs. 2 ZPO verhältnismäßig entsprechend dem Ausmaß des Obsiegens und Unterliegens der Parteien zu quotieren. Legt man für den Feststellungsantrag wegen der damit verbundenen einschneidenden Änderungen drei Bruttomonatseinkommen der Klägerin zu Grunde und für ihren Weiterbeschäftigungsantrag eine Bruttomonatsvergütung, dann folgt daraus eine Kostenlast von 3/4 für die Beklagte und 1/4 für die Klägerin. Die erstinstanzliche Kostenquote war abzuändern.

Soweit die Beklagte unterlegen war, war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen. Im Übrigen war eine Revisionszulassung nicht veranlasst.

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