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Aktenversendungspauschale


Aktenversendungspauschale

Zusammenfassung:

Wann fällt eine so genannte Aktenversendungspauschale an? Wie hoch ist die Aktenversendungspauschale? Ist es relevant, ob die Akte durch einen privaten Dienstleister oder mittels eines Dienstwagens der Justiz an einen Rechtsanwaltspostfach übermittelt wird? Diese Fragen rund um das Thema der Akte und der Kosten ihrer Übermittlung an diverse Stellen thematisierte das Oberlandesgericht Celle im anliegenden Beschluss.


Oberlandesgericht Celle

Az: 2 W 32/16

Beschluss vom 16.02.2016


Tenor

Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin vom 29. Januar 2016 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 20. Januar 2016 aufgehoben.

Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 23. November 2016 gegen den Ansatz der Aktenversendungspauschale gemäß Nr. 9003 KV-GKG wird die Kostenrechnung der Geschäftsstelle der ersten Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 17. November 2015 aufgehoben.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.


Gründe

I.

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zulässig, weil das Landgericht sie in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich zugelassen hat. Der Umstand, dass das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat, ohne die Voraussetzungen der Zulassung zu prüfen, die offensichtlich gar nicht vorgelegen haben, ändert hieran nichts.

Das Landgericht hat die Beschwerde zugelassen, „weil die Kammer von der Entscheidung des OLG Koblenz, JurBüro 2014, 379 ff. abweicht.“ Nach der ausdrücklichen Regelung in § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG ist der Umstand, dass von der Ansicht eines anderen höheren Gerichts abgewichen werden soll, kein Grund, die Beschwerde zuzulassen. Vielmehr ist die Zulassung nur dann möglich, wenn sie „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage“ geboten erscheint. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH NJW 2003, 1943, 1944; BGHR ZPO (1.1.2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 „Bedeutung, grundsätzliche“ 1). Eine Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage (in Rechtsprechung und Literatur) tatsächlich umstritten ist (vgl. BGH, a. a. O.).

Im Streitfall fehlt es ersichtlich bereits an der Klärungsbedürftigkeit. Denn offene Rechtsfragen für Sachverhalte, die nach dem nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) am 1. August 2013 entstanden sind, gibt es im Hinblick auf die hier streitbefangene Aktenversendungspauschale gemäß Nr. 9003 KV-GKG ersichtlich nicht mehr. Nach gefestigter und einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung fällt die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht an, wenn die Akten zur Gewährung von Akteneinsicht mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. November 2015, 2 Ausl AR 16/15; OLG Köln, Beschluss vom 23. Januar 2015, 14 WF 163/14, NJW-RR 2015, 1342; OLG Köln 2. Strafsenat, Beschluss vom 16. Oktober 2014, 2 Ws 601/14, StraFo 2015, 40; OLG OLG Koblenz, Beschluss vom 20. März 2014 – 2 Ws 134/14 -, JurBüro 2014, 379; vgl. auch Burhoff, StRR 2015, 479). Hingegen fällt die Gebühr dann an, wenn die Aktenversendung mit einem privaten externen Dienstleister oder einem externen Postdienstleister erfolgt (vgl. Oberlandesgerichts Saarbrücken, Beschluss vom 14. Oktober 2015, 1 Ws 164/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2015, 4 Ws 117/15, AGS 2015, 572; OLG Bamberg, Beschluss vom 05. März 2015 – 1 Ws 87/15 -, AGS 2015, 278; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14. Oktober 2015, 1 Ws 164/15, JurBüro 2016, 31; OLG Köln 2. Strafsenat, Beschluss vom 07. Juli 2015, 2 Ws 394/15). Entscheidungen, in denen eine andere Auffassung vertreten würde, sind nicht bekannt, jedenfalls nicht veröffentlicht. Da die im Zusammenhang mit der Neuregelung der Nr. 9003 KV-GKG anfallenden Rechtsfragen damit offensichtlich geklärt sind, hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Ein Grund für die Zulassung bestand mithin nicht.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Streitfall kann die Landeskasse die Versendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht geltend machen. Sie hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen der Nr. 9003 KV-GKG vorliegen, also „bare Auslagen“ für Transport- und Verpackungskosten angefallen sind.

Nach der vor dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 geltenden Ziffer 9003 KV-GKG a.F. wurde die Pauschale „für die Versendung von Akten auf Antrag“ erhoben. Entsprechend dieser weiten Fassung war, wie der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 30. November 2015 mit Recht dargelegt hat, streitig, ob mit der Pauschale lediglich bare Sachaufwendungen der Justiz für Transport und Verpackung abgegolten werden sollte, oder ob auch der im Rahmen der Aktenversendung entstehende Serviceaufwand der Justizbehörden abgedeckt werden sollte. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat die Bundesregierung zu ihrem Gesetzesentwurf, nach dem statt der bisherigen Pauschale von 12 € eine solche von 15 € erhoben werden sollte, auf die Kostensteigerung abgestellt und darauf hingewiesen, dass die Pauschale neben den reinen Versandkosten auch die Personal- und Sachkosten der Gerichte mit abgelte (BT-Drucksache 17/11471 S. 314). Wörtlich heißt es dort:

„Mit der Änderung wird die Aktenversendungspauschale im Hinblick auf die tatsächlich mit der Versendung der Akten verbundenen und erheblich gestiegenen Kosten angehoben. Mit dieser Pauschale werden neben den reinen Versandkosten auch die Personal- und Sachkosten der Gerichte für die Prüfung des Einsichtsrechts, das Heraussuchen der Akte, die Versendung und die Rücklaufkontrolle sowie der Kosteneinzug mit abgegolten. Diese Kosten sind seit der letzten Erhöhung des Pauschalbetrags für die Aktenversendung im Jahre 2004 deutlich gestiegen. Er soll daher um 25 Prozent auf die Höhe der Mindestgebühr von 15 Euro angehoben werden.“

Insoweit heißt es im dortigen Entwurf Nr. 9003 des KV zum GKG weiterhin, dass die Pauschale für „die Versendung von Akten auf Antrag je Sendung“ erhoben werden sollte.

Diesem offenbar fiskalisch motivierten Ansinnen ist der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 12. Oktober 2012 (vgl. Drucksache 17/11471, S. 314) jedoch entgegengetreten. Er war es, der angeregt hat, den Gesetzestext dahin zu fassen, dass mit Nr. 9003 KV-GKG eine „Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen“ erhoben werden soll. (BT-Drucksache 17/13537, S. 191, 268). In der Begründung heißt es hierzu:

„Durch die Änderung der Formulierung soll – wie bei Artikel 1 (Teil 3 Hauptabschnitt 1 Nummer 31003 KV GNotKG E) – klarer zum Ausdruck kommen, dass mit der Pauschale der Ersatz barer Auslagen gemeint ist.“

Mit diesem Wortlaut ist das Gesetz verabschiedet worden, weshalb davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber das Gesetz auf der Grundlage der Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages verstanden wissen wollte. Danach sollte die Pauschale also nur dann erhoben werden können, wenn der Justiz „bare Auslagen“ entstanden sind.

Mit Recht hat das OLG Düsseldorf in seiner oben zitierten Entscheidung herausgearbeitet, dass die Intention des Rechtsausschusses, etwas „klarer“ zum Ausdruck zu bringen, was mit den Auslagen für Transport und Verpackung gemeint sei, durch die von ihm gewählte Formulierung „bare Auslagen“ in der Begründung eher zur Verwirrung beigetragen habe. Tatsächlich gehe es ersichtlich nicht darum, nur und ausschließlich diejenigen Kosten für Versendung und Verpackung zu erstatten, die von einem Justizbediensteten mit „Bargeld“ anlässlich der konkreten Versendung verauslagt wurden, denn auch der Justizbetrieb habe sich der Entwicklung auf dem Bankensektor angepasst und bediene sich überwiegend des viel sicheren bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Weil es sich bei dem Gesetzesentwurf um einen solchen zur Modernisierung des Kostenrechts handele, sei deshalb auszuschließen, dass die Justizbehörden vom Gesetzgeber dazu gezwungen werden sollten, ihren Anspruch auf Erstattung durch Festhalten an eher antiquierten Zahlungsmethoden zu sichern. Die Neuformulierung des Auslagetatbestandes, der keinen Hinweis auf „Bares“ enthalte, lasse folglich nur die Auslegung zu, dass die Absicht der Bundesregierung, durch die Pauschale andere Kosten als die reinen Versand- und Verpackungskosten, die in Form von eigenen Personal- und Sachkosten den Justizbehörden entstehen, abzudecken, verhindert werden sollte. Transportleistungen, die durch eigene Justizkräfte mit eigenen Sachmitteln erfolgen, würden deshalb von Nr. 9003 nicht erfasst.

Voraussetzung für eine Erstattung sei vielmehr eine zusätzliche – bare oder unbare – Geldleistung, die mit dem Aktentransport in Zusammenhang steht und deshalb „verauslagt“ sei (AGS 2015, 572 Rdnr. 13).

Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Soweit der Gesetzgeber ausdrücklich auf bare Aufwendungen abstellt, kann darunter nicht nur vom Wortlaut, sondern auch vom Verständnis des Anliegens im Gesetzgebungsverfahren her ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber gemeint haben könnte, die Pauschale solle rein justizinterne und ohnehin anfallende Kosten abdecken.

Für die Frage der Erhebung der Pauschale nach Nr. 9003 KV-GKG ist daher zwischen den justizinternen Personal- und Sachkosten einerseits und baren Auslagen, die die Justiz gesondert an Dritte zu erbringen hat, zu differenzieren. Fallen nur justizinterne Personal- und Sachkosten an, kann die Pauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht erhoben werden.

Gemessen daran hat die Landeskasse nicht dargetan, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Auslagenpauschale nach Nr. 9003 KV-GKG im Streitfall gegeben sind. Auf welcher tatsächlichen Grundlage das Landgericht gemeint hat, seiner Entscheidung zugrunde zu legen, durch die Übersendung der Akte von der Geschäftsstelle des Landgerichts Lüneburg an das Gerichtsfach des Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Amtsgericht Dannenberg seien dem Land Niedersachsen durch die Verpackung und durch den Transport der Akten tatsächlich bare Aufwendungen entstanden, erschließt sich nicht. Derartiges ergibt sich weder aus der Akte noch aus der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 30. November 2015. Dieser konnte selbst nicht angeben, wie die Akte zur Akteneinsicht an das Amtsgericht Dannenberg gelangt ist. Er geht davon aus, dass die Akte entweder mit dem Dienstwagen oder mit der Sammelpost versendet worden ist, wobei unklar und nicht dargetan ist, was unter einer „Sammelpost“ zu verstehen ist. Ist die Akte mit dem Dienstwagen im Rahmen täglicher Fahrten vom und zum Amtsgericht Dannenberg transportiert worden, wie dies jedenfalls der Fall war, als der Berichterstatter noch beim Landgericht Lüneburg tätig war, ist die Ansicht des Bezirksrevisors nicht nachvollziehbar, auch in diesem Fall seien „bare Aufwendungen entstanden, die aus dem Justizhaushalt bezahlt werden müssen“. Offen bleibt nämlich, welche das sein sollen. Wenn ein Justizbediensteter mit dem Dienstwagen täglich ohnehin die Strecke für die Post vom und zum Amtsgericht Dannenberg fährt, fallen überhaupt keine gesonderten Kosten dadurch an, dass diese Akte mit gefahren worden ist. Soweit der Bezirksrevisor pauschal behauptet, auch für die Verpackung seien bare Aufwendungen angefallen, erschließt sich auch das nicht. Üblicherweise werden solche Akten bei einer Versendung für ein Akteneinsichtsgesuch über das Fach eines Rechtsanwalts bei einem Amtsgericht durch die Justiz selbst nicht verpackt. Ein Grund dafür, warum dies im Streitfall anders gewesen sein sollte, ist weder dargetan noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.


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