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Branchenfremde „Aktionsware“ (Sonderangebote) muss mindestens 3 Tage vorrätig sein!

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

Az.: 20 U 130/01

Verkündet am 05.03.2002

Vorinstanz: LG Duisburg – 21 O 32/01


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):

Wirbt eine Lebensmittelkette mit „branchenfremden“ Waren (z.B. Bekleidung, Computer), müssen diese Produkte ab Verkaufsbeginn mindestens für weitere zwei Tage in allen Filialen zur Verfügung stehen.


In dem Rechtsstreit hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2002 für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 8. August 2001 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, für Dampfbügeleisen, Katzenfutterstationen und Computer-Monitore mit „Aktions“-Preisen, drucktechnisch herausgestellt, wie in der Formel des landgerichtlichen Urteils bildlich wiedergegeben, zu werben, wenn sie gemäß Werbung am ersten Geltungstag oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem ersten Geltungstag – mindestens zwei Tage später- nicht zur Verfügung stehen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, angedroht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Beklagte gehört zur Tengelmann-Gruppe, die verschiedene Lebensmittelketten betreibt. Sie ist mit ca. 2.700 Lebensmittelfilialen eines der führenden deutschen Einzelhandelsunternehmen. Das Lebensmittelsortiment der Beklagten umfasst 1.900 Artikel. Daneben hat sich die Beklagte wie andere Lebensmittelfilialisten darauf verlegt, als sogenannte „Aktionsware“ auch branchenfremde Artikel zu verkaufen, die etwa aus den Bereichen Bekleidung, Schuhe, Unterhaltungselektronik, Bücher, CD’s, Computer und Zubehör stammen. Diese Artikel werden einmalig in einer größeren Stückzahl eingekauft und nach dem Abverkauf nicht mehr angeboten. Eine Nachbestellung oder Nachlieferung erfolgt nicht. Der Gesamtbestellung wird eine bestimmte Absatzmenge pro Filiale zugrundegelegt, die dann nach dem durchschnittlichen Umsatz der Filialen, ihrer Verkaufsfläche und dem Kundendurchlauf auf die einzelnen Filialen verteilt wird. An diesem Handel mit „Aktionsware“ verdient die Beklagte im Verhältnis mehr als im eigentlichen Lebensmittelbereich, wo die Gewinnspannen gering sind.

In dem Monaten Juli und Oktober 2000 bewarb die Beklagte als „Aktionsware“ unter anderem einen Computer-Monitor, einen Dampfbügelautomat, eine Katzenfutterstation und Schuhspanner. Alle Aktionsartikel wurden in optisch auffälliger Weise mit einem großen Kreis und dem darin befindlichen orangefarbenen Wort „Aktion“ beworben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 3 bis K 6 und Seiten 3 bis 5 des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Werbung enthielt jeweils den Zusatz:

„Die Artikel, die unter der Bezeichnung „Aktion“ angeboten werden, sind nur vorübergehend im Verkauf. Sollten diese Artikel trotz sorgfältig geplanter Angebotsmengen allzuschnell ausverkauft sein, bitten wir um Ihr Verständnis“.

Nach dieser Aktion wandten sich die vom Landgericht vernommenen Zeugen Br., Bi. und Dr. E. mit der Beschwerde an den Kläger, dass sie den jeweils nachgesuchten Artikel schon an dem in der Werbung angekündigten ersten Verkaufstag in einer oder mehreren Filialen der Beklagten nicht mehr hätten erhalten können. Die genannten Filialen lagen in drei verschiedenen Bundesländern, nämlich in

Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Aufgrund dieser Beschwerden hat der Kläger behauptet:

Aufgrund einer Zeitungsanzeige vom 30. Oktober 2000 habe der Zeuge Br. seine Schwiegermutter am selben Tag beauftragt, den angebotenen Monitor in der Filiale in Sch./Schwarzwald zu erwerben. Ca. 35 Minuten nach Öffnung dieser Filiale habe die Schwiegermutter jedoch festgestellt, dass dort kein einziges der angebotenen Geräte erhältlich war. Telefonate zu den umliegenden Filialen in L. und W. a. Rh. hätten ergeben, dass auch dort diese Geräte nicht mehr vorrätig waren.

Die Zeugin Bi. habe auf die Werbung für den Dampfbügelautomaten, „gültig ab Montag, 10. Juli 2000″ versucht, diesen am 10. Juli sowohl in der Filiale der Beklagten in T./B. als auch in den Filialen Bad S. und W. zu erhalten. Dies sei weder am Montag, den 10. Juli, noch am darauf folgenden Tag möglich gewesen.

Der Zeuge Dr. E. habe auf einer Werbung in einer Zeitungsbeilage, gültig ab Montag, 10. Juli 2000, am 12. Juli 2000 versucht, die angebotenen Schuhspanner zu bekommen. Es habe aber nur noch wenige Größen für Herren gegeben, Damengrößen seien gar nicht mehr vorrätig gewesen.

Derselbe Zeuge habe die ab Montag, 24. Juli 2000 angebotene Katzenfutterstation bereits an diesem Tage in einer Filiale der Beklagten in M. nicht mehr erhalten.

Der Kläger sieht darin einen Verstoß der Beklagten gegen die §§ 1, 3 UWG. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs drucktechnisch herausgestellt – wie nachfolgend abgebildet – für Produkte mit „Aktions“-Preisen zu werben, wenn diese gemäß Werbung am ersten Geltungstag oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem ersten Geltungstag – mindestens zwei Tage später – nicht zur Verfügung stehen. (Wegen der „nachfolgenden Abbildungen“ wird auf die Formel des angefochtenen Urteils Bezug genommen.)

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Grundsätze der Rechtsprechung, wonach beworbene Ware in den Verkaufslokalen in ausreichender Menge vorrätig sein müsse, könnten zwar auf ihre Lebensmittelangebote angewendet werden, nicht aber auf die hier betroffenen „branchenfremden Aktionsartikel“. Hier erwarte der Verbraucher anders als bei Fachmärkten keine greifbare Ware. Der „durchschnittliche und unbefangene Schnäppchenjäger“ rechne aus eigener Erfahrung sowie aufgrund entsprechender Presseberichterstattung damit, dass diese Artikel teilweise bereits unmittelbar nach Kassenöffnung vergriffen seien. Der Beklagte hat behauptet, die betroffenen Artikel seien in ausreichender Anzahl disponiert und allen Filialen in ausreichender Stückzahl vorhanden gewesen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr Vorbringen, es fehle an einer Irreführung des Verkehrs, weil die angesprochenen Verkehrskreise nicht die Erwartung hätten, dass die von der Klägerin vorübergehend angebotenen branchenfremden Produkte zu dem angekündigten Zeitpunkt in einer solchen Menge vorhandenen seien, dass die übliche oder zu erwartende Nachfrage gedeckt sei. Zu Verfügungsengpässen in einzelnen Filialen könne es immer kommen, wenn die Nachfrage unerwartet hoch sei. Die Aktionsartikel stellten an sich einen Fremdkörper im Lebensmittelhandel dar. Die großen Lebensmittelfilialisten seien jedoch dem Beispiel einer Kaffeerösterei gefolgt und seien dazu übergegangen, ständig wechselnde Angebote aus anderen Bereichen vorzuhalten. Genau wie diese Kaffeerösterei könnten sie aufgrund ihrer besonderen Einkaufsmacht und ihres engen Vertriebsnetzes ein besonders gutes Preis/Leistungsverhältnis anbieten. Das sei den Verbrauchern bekannt, und dementsprechend sei die Nachfrage bei vielen dieser Produkte extrem hoch. Sie könne aufgrund der begrenzten Liefermengen und der beschränkten Lagerflächen häufig nicht befriedigt werden.

Das erwarte der Verbraucher aber auch nicht. Es entspreche diesen Verkehrserwartungen, wenn der Computer-Monitor schon ca. 35 Minuten nach Verkaufsbeginn nicht mehr erhältlich gewesen sei, denn die Verkehrsvorstellungen gingen dahin, dass von Lebensmittelfilialisten angebotene sehr hochwertige Artikel innerhalb von wenigen Minuten nach Angebotsbeginn nicht mehr zu haben seien. Aber auch mit der Verfügbarkeit der Katzenfutterstation habe am Abend des ersten Verkaufstages angesichts des bekannt großen Andrangs bei Aktionsartikeln nicht mehr gerechnet werden können. Auch bei dem Dampfbügeleisen habe angesichts des extrem günstigen Preis/Leistungsverhältnisses eine Verkehrsauffassung bestanden, dass es innerhalb kürzester Zeit ausverkauft sein würde.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass sie kein Verschulden treffe, und es an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz fehle, weil es fernliegend sei, dass ein Kunde sich verpflichtet fühlen könne, „anstandshalber“ Lebensmittel zu kaufen, wenn er den beworbenen Aktionsartikel nicht vorfinde.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, nach Hinweis des Senats hilfsweise mit der Maßgabe, dass sich das Verbot auf Werbung für Dampfbügeleisen, Katzenfutterstationen und Computer-Monitore als Aktionsware beziehen solle.

Er trägt vor, die Beklagte gehe nach ihrem Vortrag von vornherein davon aus, dass sie in einer Vielzahl von Verkaufsaktionen die Nachfrage nicht befriedigen könne. Sie mache sich diese Art des Abverkaufs offensichtlich zum Geschäftsprinzip, weil sie die gegenüber dem Lebensmittelbereich höheren Gewinnspannen im Auge habe. Der Kläger bestreitet, dass der Verbraucher hiermit rechne und die kalkulierte Verknappung „verkehrsbekannt“ sei. Der Verkehr unterscheide bei der Verfügbarkeit der Ware nicht zwischen dem „Kernsegment“ der Lebensmittelfilialisten und den ständig wechselnden „Aktions“-Angeboten, eben weil er an das Nebeneinander in den Filialen gewöhnt sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat zum Teil auch in der Sache Erfolg.

Die Unterlassungsklage kann nur nach dem vom Senat angeregten Hilfsantrag Erfolg haben. Der Hauptantrag ist (teilweise) unbegründet, weil er durch eine zu weite Verallgemeinerung über den bestehenden Anspruch hinausgeht, insbesondere Handlungen einbezieht, die nicht wettbewerbswidrig sind (vgl. etwa BGH NJW-RR 01, 329, 330 – Lieferstörung). Das Landgericht hat antragsgemäß die Werbung für alle Produkte mit „Aktions“-Preisen verboten, wobei dann folgerichtig auch nicht mehr ins Gewicht fiel, dass das Landgericht hinsichtlich der Schuhspanner (zutreffend, vgl. BGH NJW 85, 2333, 2334 – Tennisschuhe) einen Wettbewerbsverstoß bzw. eine Irreführung verneint hat. Solche Verallgemeinerungen sind zwar grundsätzlich zulässig, weil nach einer bestimmten Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermutet wird, sondern auch eine Vermutung für die Begehung leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet wird (BGH a.a.O.). Für eine Vermutung hinsichtlich aller „Aktions-Waren“ könnte hier sprechen, dass die Beklagte im Prozess mit verschiedenen Begründungen selbst davon ausgeht, dass sie hinsichtlich dieser Waren nicht in gleicher Weise zur Vorratshaltung verpflichtet ist wie bei ihrem Lebensmittelsortiment. Für branchenfremde Aktionsartikel – das ist der Kern ihrer Verteidigung – sollten andere Maßstäbe gelten. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es jedoch in Fällen wie dem vorliegenden immer wieder abgelehnt worden, eine irreführende Werbung unabhängig von den Besonderheiten der Ware und der Werbemaßnahme anzunehmen (a.a.O. und NJW 99, 1332, 1334 – Vorratslücken). Deshalb hat der Senat den Hilfsantrag angeregt.

Dieser Hilfsantrag, gerichtet auf die konkreten Verletzungsformen Dampfbügeleisen, Katzenfutterstation und Computer-Monitore ist auch begründet. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass eine Werbung als irreführend zu beurteilen ist, wenn beworbene Waren, die – wie hier – zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch bestimmt sind, entgegen der Verbrauchererwartung zu dem angekündigten Zeitpunkt, in der Regel also mit Erscheinen der Werbung, nicht vorrätig sind, und deshalb von den Interessenten im Verkaufslokal nicht erworben werden können (BGH NJW-RR 01, 329, 331 – Lieferstörung; NJW 00, 3001, 3002 – Computerwerbung). Der Verkehr erwartet diese sofortige Lieferbarkeit des Artikels jedenfalls zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung und für eine gewisse Zeit danach (BGH NJW-RR 00, 340, 341 – Werbebeilage). Bei der Werbung eines Filialunternehmens wie der Beklagten erwartet das Publikum, dass die angebotenen Ware in allen Filialen greifbar vorrätig ist. Der Werbende muss also dafür sorgen, dass sie dort zum Verkaufsbeginn in ausreichender Menge zur Verfügung steht (Gloy/ Helm, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 49, Rdnr. 192 m. N.).

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Von diesem Erfahrungssatz, dass die Verkehrserwartung bei uneingeschränkter Verkaufsankündigung regelmäßig eine sofortige Liefermöglichkeit und -bereitschaft annimmt (BGH NJW 96, 2729, 2730 – EDV-Geräte) geht auch die Beklagte aus. Die Konsequenz, dass eine Irreführung nach § 3 UWG vorliegt, wenn dieser Eindruck wie im Falle der vom Kläger benannten Zeugen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (vgl. BGH NJW 00, 3001, 3002 – Computerwerbung), will die Beklagte allerdings nicht ziehen. Sie meint, bei vorübergehend angebotenen branchenfremden Produkten erwarteten die angesprochenen Verkehrskreise nicht, etwa den Computer-Monitor, das Dampfbügeleisen und die Katzenfutterstation in der Filiale der Beklagten (noch) vorzufinden. Dem kann nicht gefolgt werden. Eine Verkehrserwartung, wonach ein Computer-Monitor schon 35 Minuten nach Verkaufsbeginn, ein Dampfbügeleisen schon 60 bis 90 Minuten nach Verkaufsbeginn und eine Katzenfutterstation schon am Abend des ersten Verkaufstages nicht mehr vorrätig ist, wird von der Beklagten weder dargelegt, noch kann sie festgestellt werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass gerade in Fällen wie dem vorliegenden der Senat die Verkehrsanschauungen selbst feststellen kann, weil seine Mitglieder selbst zu den von der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen gehöre (vgl. BGH a.a.O. 3003 – Computerwerbung).

Die Verkehrskreise dürfen nicht auf sogenannte „Schnäppchenjäger“ verengt werden, wie das die Beklagte in der Klageerwiderung getan hat. Es mag sein, dass es viele sogenannte Schnäppchenjäger gibt, die die ganze Sache „sportlich“ nehmen, sich schon Stunden vor Ladenöffnung anstellen und es wie einen Lotteriegewinn betrachten, wenn es ihnen gelingt, nach regelrechten „Kämpfen“ ein Stück der „Aktionsware“ zu ergattern. Das ist indes nur ein kleiner Teil des angesprochenen Verkehrs. Der Normalverbraucher hat entsprechend den oben angeführten Erfahrungssätzen immer noch andere Erwartungen. Insoweit hat der Kläger in erster Instanz zutreffend erwidert, dass die von der Beklagten geschilderten Vorfälle bei dem Wettbewerber Aldi sich gerade erst durch eine unzureichende Bevorratung ergäben, und diese Folgen dann zu deren Rechtfertigung herangezogen würden. Der Normalverbraucher geht von einer ausreichenden Bevorratung aus, sonst würde er sich gar nicht auf den Weg in die Verkaufsstellen machen.

Wenn die Beklagte mit der Berufung ihre Behauptung verallgemeinert und annimmt, der allgemeine Verkehr erwarte bei den Aktionswaren nicht die gleiche Verfügbarkeit wie im Lebensmittelbereich, dann trifft das nur sehr eingeschränkt zu. Der Verbraucher weiß inzwischen – vor allem durch das Beispiel der von der Berufung angesprochenen Kette einer Kaffeerösterei – dass im Lebensmittelbereich auch branchenfremde Artikel verkauft werden. Er mag auch noch damit rechnen, dass diese Artikel sich – anders als die Lebensmittel – nur zeitweise im Verkauf befinden und nach einem Ausverkauf nicht mehr zu haben sind. Dies bestätigt im Übrigen die Beklagte selbst, wenn sie in ihrer Werbung den Vorbehalt macht, die Aktionsartikel seien nur vorübergehend im Verkauf und könnten „alszuschnell“ ausverkauft sein. Dieser zurückhaltende Hinweis wird vom Verbraucher im Sinne seiner ohnehin bestehenden Erwartung interpretiert, dass bei branchenfremden Artikeln nicht die übliche Dauer der Lieferfähigkeit anzunehmen ist, sondern vielmehr damit gerechnet werden muss, dass die Ware möglicherweise schon nach drei Tagen ausverkauft ist. Das entspricht der Wertung des Klageantrags. Vorliegend wird nicht etwa der Vorbehalt gemacht, „solange Vorrat reicht“, was immer noch auf einen Warenvorrat jedenfalls für bemessene Zeit schließen lässt (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 3, Rdnr. 420), oder der begrenzte Warenvorrat ziffernmäßig genau bekannt gemacht (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG, Rdnr. 366 a). Der nichtssagende Hinweis der Beklagten kann keine ähnliche Wirkung haben und bestätigt letztlich die Verbrauchererwartung einer Vorratsmenge, die jedenfalls für drei Tage ausreicht.

Die Beklagte erklärt auch nicht, weshalb sich allein aufgrund der Vorfälle bei Aldi im Jahre 1999 schon im Jahr 2000 entgegen den bis dahin anerkannten Erfahrungssätzen bei branchenfremden Aktionsartikeln eine abweichende Verkehrsauffassung gebildet haben sollte. Die Ursache des vorliegenden Prozesses liegt gerade darin, dass die vom Landgericht vernommenen Verbraucher dies deutlich anders gesehen haben als die Beklagte und sich beim Kläger darüber beschwert haben, dass sie die beworbene Ware schon am ersten Verkaufstag nicht mehr bekommen konnten.

Vor allem bleibt zu beachten, dass es für eine Irreführung genügt, wenn die Werbung der Beklagten geeignet ist, einen nicht völlig unbeachtlichen Teil der Verkehrskreise irre zu führen (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 3 UWG Rdnr. 27). Die Beklagte müsste also darlegen, dass es keinen nennenswerten Teil der Verbraucher mehr gibt, der auch bei branchenfremden Aktionswaren noch mit einer Lieferfähigkeit rechnet, wie sie beim Kauf bei einem Branchenangehörigen erwartet würde. Das kann nach Auffassung des Senats nicht festgestellt werden. Die Berufung erweckt vielmehr den Eindruck, als ob die Beklagte die betrieblichen Erfordernisse des Verkaufs von Aktionswaren ohne weiteres als Verkehrserwartung in die Köpfe der Verbraucher projiziert. Deshalb „muss“ z. B. der Verkehr mit einem vollständigen Abverkauf der Ware innerhalb kürzester Zeit rechnen, wie bezeichnenderweise mehrfach argumentiert wird. In diesen Zusammenhang gehört auch das von der Berufungserwiderung hervorgehobene „Geschäftsprinzip“ der Beklagten, von dem eingangs die Rede war. Nach der Berufungsbegründung nimmt es die Beklagte offenbar in Kauf, dass sie mit dem Angebot von hochwertigen Produkten als Aktionsware eine „extrem hohe Nachfrage“ erzeugt, die „häufig nicht befriedigt werden“ kann. Die Beklagte reagiert also nicht auf die von ihr behauptete Verkehrserwartung, sondern sie will sie durch eine wettbewerbsrechtlich unzulässige, unzureichende Bevorratung erst erzeugen.

Dabei soll dann auch die auffällige Bewerbung der Aktionsware auf mangelnde Verfügbarkeit und nicht etwa auf besondere Verfügbarkeit hindeuten. Nach der Rechtsprechung kommt es auf Inhalt und Umstände der konkreten Werbung an, insbesondere die Art und den Preis der Ware, die Intensität der Werbung, die gebotenen Kaufvorteile und die Bedeutung des werbenden Unternehmens (Köhler/ Piper, a.a.O., § 3, Rdnr. 423 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung). Alle diese Kriterien mussten in diesem Fall sowohl aus der Sicht des Verbrauchers als auch aus der Sicht der Beklagten zu der von der Beklagten auch bezweckten „extrem hohen Nachfrage“ führen, der dann aber auch die Warenvorräte in den einzelnen Filialen hätten entsprechen müssen.

Angeboten wurden in der hier betroffenen Werbung der Beklagten nur 10 bis 20 Artikel, zu denen der fragliche Computermonitor, das Dampfbügeleisen und die Katzenfutterstation gehörten. Entscheidend ist die besondere Intensität der Werbung, die sich allen schon aus dem Hinweis „Aktion“ ergibt. Diese Aktion wird blickfangmäßig herausgestellt, was nach der Rechtsprechung gerade in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist (BGH NJW 00, 3001, 3003 – Computerwerbung). Weshalb es keinen Blickfang darstellen soll, wenn alle Aktionsartikel auch nach dem Vorbringen der Beklagten in optisch auffälliger Weise in einem großen Kreis mit dem darin befindlichen orangefarbenen Wort „Aktion“ beworben werden, ist nicht zu erkennen. Was die beworbenen Kaufvorteile und den Preis der Aktionsware angeht, so trägt die Beklagte selbst vor, dass sie außerordentlich günstig seien. Die Beklagte ist sich auch darüber im Klaren, dass sie gewissermaßen den Sog einer Sonderveranstaltung (vgl. § 7 Abs. 1 UWG) erzeugte. Von einem der größten Lebensmittelfilialisten in Deutschland erwartete der Normalverbraucher bei solcher Lage auch eine angemessene Bevorratung für mindestens drei Tage, zumal diese Erwartung durch den Hinweis auf „sorgfältig geplante Angebotsmengen“ nicht ausgeschlossen wurde. Auch der Computer-Monitor konnte bei der Lagerung nicht so viel Platz einnehmen, dass hier von vornherein nur mit ganz geringfügigen Lagerbeständen gerechnet werden konnte.

Wenn die Waren gleichwohl nicht vorrätig waren, dann kann sich die Beklagte dazu nicht auf mangelndes Verschulden berufen, weil sie ein solches nicht dargelegt hat (vgl. BGH NJW-RR 01, 329 – Lieferstörung). Soweit sich die Beklagte geltend macht, die Mengenschätzung bei den branchenfremden Aktionsartikeln sei sehr schwierig, sind diese Schwierigkeiten dieselben, die etwa auch ein Anbieter aus der Computerbranche beim Angebot eines entsprechenden Computermonitors hätte. Auch er müsste bei einem Aktionsverkauf den Monitor vorrätig haben. Der Senat hält das für einen Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung. Wenn die Klägerin sich als Lebensmittelfilialistin auf das Feld der branchenfremden Artikel vorwagt, weil sie dort mehr verdienen und mit Hilfe ihrer Einkaufsmacht günstigere Preise bieten kann als die jeweiligen Branchenangehörigen, dann kann sie daraus nicht das Recht ableiten, gegenüber diesen Branchenangehörigen bevorzugt zu werden. Sie kann nicht erwarten, von den Anforderungen des § 3 UWG an die Vorratshaltung freigestellt zu werden, die von den jeweiligen Branchenangehörigen – bei gleichem Produkt, gleicher Werbung usw. – erfüllt werden müssen. Wenn die Klägerin auf ihre dem Verbraucher günstigere Preisgestaltung hinweist und diese bei Anwendung der für alle Anbieter geltenden Grundsätze bedroht sieht, dann ist hervorzuheben, dass auch preiswerte Ware nicht irreführend beworben werden darf (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 3 UWG, Rdnr. 90).

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber schon der vom Senat in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Gesichtspunkt, dass es am Vortrag der Beklagten zu der fortlaufenden Belieferung der einzelnen Filialen fehle. Es wurde bereits ausgeführt, dass bei einem Filialunternehmen wie der Beklagten die beworbene Ware in allen Filialen greifbar vorrätig sein muss. In den durch die Beweisaufnahme des Landgerichts bewiesenen Fällen war das schon am jeweils ersten Verkaufstag nicht der Fall, und zwar nach den Aussagen der Zeugen Br. und Bi. jeweils in drei Filialen der Beklagten. Allein die Tatsache, dass eine beworbene Ware schon am ersten Verkaufstag fehlt, lässt in der Regel auf einen unzureichenden Warenvorrat schließen, es sei denn, dass ungewöhnliche Umstände hinzukommen, die eine andere Ursache für das Ausgehen der Ware als denkbar erscheinen lassen (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 3 UWG, Rdnr. 363 c). Einen Versuch, sich hinsichtlich der Belieferung der einzelnen Filialen zu entlasten hat die Beklagte überhaupt nur hinsichtlich der Filiale in Schönau unternommen. Selbst damit sind jedoch keine Umstände dargelegt, die für die Unvorhersehbarkeit der Lieferstörung und für die Einhaltung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten sprechen (vgl. BGH NJW 01, 329, 331 – Lieferstörung). Dazu ist der Vortrag zu unsubstantiiert. Weshalb der Ausverkauf der Monitore in der Filiale Schönau schon nach 35 Minuten auf unverschuldeten Lieferschwierigkeiten beruhen soll, ist nicht zu erkennen. Dieser Vortrag steht zudem in gewissem Gegensatz zum Vortrag an anderer Stelle der Berufungsbegründung, an die Geschäftsstelle Schönau seien vier Monitore versandt worden. Ob und wann sie dort ankamen, oder ob alle vier nach 35 Minuten schon verkauft waren, ist dem nicht zu entnehmen.

Unbehelflich ist schließlich der Vortrag der Beklagten, es fehle vorliegend an der erforderlichen wettbewerblichen Relevanz der Irreführung. Schon die dafür gegebene Begründung, kein Verbraucher kaufe anstatt eines vergriffenen Computermonitors eine Dose Erbsen oder ein Pfund Mehl, greift zu kurz. Die von der Beklagten hauptsächlich angebotenen Lebensmittel sind Waren, die jeder Verbraucher zu jeder Zeit benötigt oder zumindest gebrauchen kann. Bei einem Angebot der Beklagten im Lebensmittelbereich von 1.900 Artikeln liegt es ausgesprochen nahe, dass ein Verbraucher, der die Aktionsware nicht mehr bekommt, gleichwohl seinen aktuellen Lebensmittelbedarf bei der Beklagten deckt, und zwar nicht „anstandshalber“ wie die Berufung meint, sondern allein deshalb, um sich nicht umsonst auf den Weg gemacht zu haben. Manche mögen aus Verärgerung von jedem weiteren Einkauf absehen; das gilt aber gerade nicht für den Normalverbraucher, der sich z. B. für die Aktionsware nur deshalb interessiert, weil sie so billig angeboten wurde. Hier gehen die Irreführungstatbestände der mangelnden Lieferbarkeit und der Lockvogelangebote ineinander über (vgl. Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., Seite 215 f.).

Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, kann die wettbewerbliche Relevanz der mangelnden Bevorratung aber auch darin gesehen werden, dass sich die Beklagte durch ihre darüber irreführende Werbung als potenter Anbieter darstellt. Schon das Anlocken durch irreführende Angaben, das dem Werbenden einen wettbewerblichen Vorsprung verschafft, ist unzulässig. Der Kaufentschluss selbst braucht durch die irreführende Angabe nicht maßgebend beeinflusst zu sein (Baumbach/Hefermehl a.a.O., § 3 UWG, Rdnr. 89 a). Ein relevanter Wettbewerbsvorsprung in diesem Sinne kann bekanntermaßen in einer Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition im Vergleich zur bisherigen liegen. Er kann auch in einer günstigeren Vertriebsart bestehen, die das Angebot attraktiver oder dem Verbraucher zugänglicher macht (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG, Rdnr. 655). Gerade die Sortimentserweiterung der Lebensmittelfilialisten auf branchenfremde Artikel hat eine solche Wirkung und soll sie nach dem Vortrag der Beklagten auch haben. Den Verbrauchern wird der Eindruck vermittelt, dass man bei der Beklagten branchenfremde Artikel nebenher und preiswerter erwerben kann. Das ist nicht nur ein relevanter Wettbewerbsvorsprung gegenüber den eigentlichen Branchenangehörigen, sondern auch geeignet, die eigene Wettbewerbsposition im Lebensmittelbereich zu verbessern.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die sich als irreführend darstellende Werbung der Beklagten nicht dadurch wettbewerbsrechtlich zulässig wird, dass nach ihrem Vorbringen andere Lebensmittelfilialisten in gleicher Weise vorgehen oder in der Vergangenheit in gleicher Weise vorgegangen sind (und dadurch angeblich eine entsprechende Verkehrsauffassung begründet haben). Der Einwand der Üblichkeit eines Verhaltens ist im Wettbewerbsrecht unbeachtlich (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 19, Rdnr. 4).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 2 ZPO. Wegen der Art der Sicherheit wird auf § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwiesen.

Eine Zulassung der Revision kommt im Komplex der hier betroffenen irreführenden Werbung in der Regel nicht in Frage. Das Verkehrsverständnis bleibt weitgehend Tatfrage, auch wenn bei bundesweiter Werbung ganz Deutschland bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses einbezogen werden muss (Pastor/Ahrens/ Bähr, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kapitel 34, Rdnr. 66). Das gilt gerade dann, wenn, wie eingangs ausgeführt, nach der Rechtsprechung die Irreführung bei mangelnder Bevorratung nicht unabhängig von den Besonderheiten der Ware und der Werbung festgestellt werden kann.

Berufungsstreitwert: 51.129,19 € (= 100.000,00 DM).

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