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Alkoholfahrt und Drogenfahrt auf Parkplatz

Kammergericht Berlin

Az: 2 Ss 330/08 – 3 Ws (B) 419/08

Beschluss vom 18.11.2008


In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 18. November 2008 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 30. Juli 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 24a Abs. 1 bis 3 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 250,– Euro verurteilt, gegen ihn nach § 25 StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Bestimmung über das Wirksamwerden desselben getroffen. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.

Das Amtsgericht hat Folgendes festgestellt:
„Der Betroffene befuhr am 20. Oktober 2007 gegen 22.10 Uhr in 10247 Berlin bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,82 o/oo und unter der Wirkung von Cannabiskonsum mit 7,1 ng/ml THC stehend mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen……., das Parkplatzgelände an der K…… Dieses Parkplatzgelände ist wie folgt zu beschreiben:

Die K……, die dem allgemeinen Straßenverkehr zur Verfügung steht, führt an ihrem Ende auf einen Parkplatz. Vor diesem Parkplatz ist eine Schrankenanlage aufgestellt, die man passieren muss, um auf den Parkplatz zu gelangen oder diesen zu verlassen. Eine andere Möglichkeit des Befahrens oder Verlassens des Parkplatzes gibt es nicht. Das Parkplatzgelände besteht aus mehreren Parkbuchten. Diese sind weder durch eine Nummerierung noch durch bestimmte Kennzeichenschilder bestimmten Personen bzw. Nutzern zugeordnet. Vor dem Parkplatz und der Schranke stehen drei Verkehrsschilder mit folgender Aufschrift: „Unberechtigt parkende Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt; Privatgrundstück, Parken verboten; Feuerwehrzufahrt freihalten“. Die Schranke besteht aus einem umklappbaren Schrankenbaum. Wenn dieser Baum zum Schließen/ Sperren des Parkplatzes umgelegt wird, kommt er mit dem Ende in eine Schrankenauflage, die mit einem losen, an einer Kette befestigten Sicherheitsschloss ausgestattet ist. Dieses Schloss muss aufgeschlossen, die Vertiefung der mit einem Riegel abgedeckten Halterung, die zum Einlegen des Baumes vorgesehen ist, damit frei gemacht werden, die Schranke sodann in die Vertiefung der Auflage hineingelegt und dann der Riegel über der Schranke mit dem Schloss gesichert werden. Das Gegengewicht des Baumes auf der anderen Seite ist bei geöffneter Schranke ebenfalls mit einem hier allerdings eingebauten Sicherheitsschloss gesichert. Um den Schrankenbaum zu schließen, muss das Schloss betätigt und die vorhandene mechanische Sicherung gelöst werden. Hierzu gibt es am Träger der Schranke eine Bedienungsanleitung mit Piktogrammen, die mehrere, nachfolgende Bedienungsschritte aufzeigen.

Der Betroffene wollte, nachdem er mit einer weiteren Person in den Pkw eingestiegen und losgefahren war, den Parkplatz verlassen. Die Schranke war zu diesem Zeitpunkt geöffnet, wurde vom Betroffenen jedoch nicht passiert. Er wurde noch auf dem Parkplatzgelände von der Polizei angehalten“ (UA S. 2).

Der Betroffene hat das Fahren unter Alkohol- und Betäubungsmitteleinfluss eingeräumt, sich jedoch dahingehend verteidigt, bei dem Parkplatz habe es sich um kein öffentlich zugängliches und damit dem öffentlichen Verkehr dienendes Gelände, sondern ausschließlich um ein privates Gelände gehandelt, weshalb die Vorschriften des StVG nicht anwendbar seien (UA S. 3). Dem ist das Amtsgericht indes nicht gefolgt, hat vielmehr den Parkplatz als öffentlichen Verkehrsraum angesehen. Dies ist rechtsfehlerhaft.
Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne des StVG, der StVO, der StVZO und des StGB bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch benutzt wird. Umfasst werden nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen werden. Für die Beurteilung, ob eine Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen ist, kommt den äußeren Gegebenheiten, die einen Rückschluss auf das Vorhandensein und den Umfang der Gestattung bzw. Duldung des allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten zulassen, maßgebliche Bedeutung zu. So kann sich etwa aus einer entsprechenden Beschilderung als „Privat-/Werksgelände“, einer Einfriedung des Geländes und einer Zugangsbeschränkung ergeben, dass der Verfügungsberechtigte die Allgemeinheit von der Benutzung des Geländes ausschließen will. Soweit aufgrund solcher Maßnahmen nur einem beschränkten Personenkreis Zutritt zu dem Gelände gewährt wird, handelt es sich um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche, denn in diesem Fall ist der Kreis der Berechtigten so eng umschrieben, dass er deutlich aus einer unbestimmten Vielheit möglicher Benutzer ausgesondert ist. Ist hingegen das Gelände der Allgemeinheit, das heißt einem nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis, zugänglich, sind die darauf befindlichen Verkehrsflächen öffentlicher Verkehrsraum (vgl. BGHSt 49, 128; OLG Köln VRS 99, 363; OLG Hamm VRS 114, 273; OLG Rostock, Urteil vom 28. November 2003 – 1 Ss 131/03 I 79/03 – [JURIS], s. SVR 2004, 234). Für die Abgrenzung der Frage, ob eine private Fläche als öffentlicher oder nicht öffentlicher Verkehrsraum anzusehen ist, kommt es nicht nur auf die von dem Verfügungsberechtigten getroffene Zweckbestimmung an, sondern auch darauf, ob eine solche auch tatsächlich beachtet wird, also gegebenenfalls die Allgemeinheit tatsächlich von der Benutzung eines Parkplatzes ausgeschlossen wird. Ist dies der Fall, ist die gelegentliche Nutzung des Parkplatzes durch Unbefugte unschädlich (vgl. OLG Rostock a.a.O.; s. auch OLG Köln a.a.O.). Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig öffentlich, zu anderen Zeiten nichtöffentlich sein (vgl. Geppert in LK, StGB 11. Aufl., § 142 Rdn. 14; BayObLG VRS 41, 42; OLG Hamburg VRS 37, 278; OLG Stuttgart VRS 57, 418). Um Nichtöffentlichkeit anzunehmen, muss der Verfügungsberechtigte tatsächlich verhindern, dass ein Grundstück von Unbefugten zu Verkehrszwecken benutzt und sein Beschränkungswille durch eine entgegengesetzte länger dauernde Übung missachtet wird (vgl. KGVRS 60, 130).

Die Frage, ob ein Benutzerkreis in dem hier erörtern Sinn geschlossen ist, kann nur aufgrund entsprechender ausreichender Feststellungen entschieden werden. Maßgebend sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Um dem Rechtsbeschwerdegericht insoweit eine Nachprüfung zu ermöglichen, sind ausreichende Feststellungen zu treffen und darzulegen (vgl. OLG Rostock a.a.O.). Daran fehlt es hier.

Die Darlegungen des Amtsgerichts belegen nicht in ausreichendem Maße das Vorliegen öffentlichen Straßenverkehrs. In der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bezeichnet es das Gericht als eine Tatsache, dass die Schranke abends geschlossen sei (UA S. 4), ausgehend von der Einlassung des Betroffenen, flankiert von einer in diese Richtung gehende Erklärung des Verteidigers (UA S. 3). Wenn das Gericht der Überzeugung war, die Schranke sei abends geschlossen, sprechen die Gesamtumstände für die Annahme nicht öffentlichen Verkehrs auf dem Parkplatz zur Tatzeit um 22.10 Uhr. Soweit das Gericht meint, zumindest tagsüber werde „durch die geöffnete Schranke“ gerade auch die Benutzung durch die Allgemeinheit geduldet, und die rechtliche Einordnung einer Verkehrsfläche als öffentlicher oder privater Verkehrsraum lasse sich nur einheitlich beurteilen, nicht hingegen in Abhängigkeit von bestimmten oder unbestimmten Zeiten, ist dies aus den oben genannten Gründen rechtlich unzutreffend. Abgesehen davon ist die Beweiswürdigung lückenhaft bzw. denkgesetzlich rechtsfehlerhaft, soweit das Gericht davon ausgeht, die Schranke sei tagsüber geöffnet. Das Urteil stellt insoweit unter anderem darauf ab, der Vorsitzende habe einen Tag vor der Hauptverhandlung gegen 15.30 Uhr bei einer Ortsbegehung die Schranke in geöffneter Position vorgefunden. Dabei seien drei Fahrzeuge auf den Parkplatz gefahren und zwei hätten ihn verlassen. Keiner dieser Fahrzeugführer habe sich nach dem Befahren oder Verlassen des Parkplatzes um die Betätigung der Schranke gekümmert (UA S. 2/3). Abgesehen davon, dass das so erlangte Wissen des Vorsitzenden als solches nicht verwendet werden durfte (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 261 Rdn. 24; Schoreit in KK, StPO 6. Aufl., § 261 Rdn. 9 f.), – die Verfahrensrüge ist allerdings, wie bereits ausgeführt, nicht erhoben – nimmt das Urteil nicht Bedacht darauf, dass der Vorfall gut neun Monate zurücklag, sich die Verhältnisse insoweit geändert haben können. Soweit das Gericht zusätzlich darauf abstellt, der Polizeibeamte R., der den Betroffenen bei der Fahrt auf dem Parkplatz angetroffen und überprüft habe, habe in den vergangenen eineinhalb Jahren, in denen er ungefähr 50 bis 70 Mal die Örtlichkeit aufgesucht habe, die Schranke immer in geöffnetem Zustand angetroffen und noch nie geschlossen vorgefunden (UA S. 3, 4), fehlt es bereits an der Mitteilung, ob sich dies am Tage oder in den Abendstunden bzw. zur Nachtzeit so verhielt.

Der Senat hebt nach alledem das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.

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