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Alleinhaftung bei Fahrstreifenwechsel unter Mißachtung des Vorrangs des überholenden Fahrzeugs

KG Berlin, Az.: 12 U 4191/89, Urteil vom 07.06.1990

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. April 1989 verkündete Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 2.826,34 DM.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 19. Juni 1988 gegen 22.50 Uhr auf der nach B führenden Richtungsfahrbahn der Bundesautobahn A 2 bei Kilometer 133, 180 in der Gemarkung H ereignet hat.

Zu dem angegebenen Zeitpunkt befuhr der Kläger mit seinem … mit dem amtlichen Kennzeichen … den Normalfahrstreifen der Bundesautobahn in Richtung B. Dabei näherte er sich einem Sattelzug, der in Höhe des Kilometers 133,0 liegengeblieben war. Dieser Sattelzug war mit Hilfe der eingeschalteten Warnblinkanlage gesichert. Ungefähr 50 m vor ihm stand ein Polizeifahrzeug, das sowohl die Warnblinkanlage als auch blaues Rundumlicht eingeschaltet hatte. Der Kläger schaute in den linken Rückspiegel, betätigte den linken Fahrtrichtungsanzeiger und zog auf den Überholfahrstreifen hinüber. Auf diesem näherte sich ihm der Beklagte zu 1. mit dem bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflicht versicherten Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen … mit einer Geschwindigkeit von zuletzt 150 km/h. Der Beklagte zu 1. betätigte die Lichthupe und leitete eine Notbremsung ein. Er konnte jedoch nicht vermeiden, auf das Fahrzeug des Klägers aufzufahren, der noch versucht hatte, wieder nach rechts zu lenken.

Der Kläger hat vorgetragen: Als er zum Vorbeifahren an der Engstelle angesetzt habe, habe er bemerkt, daß das hinter ihm fahrende Fahrzeug trotz der erkennbaren Gefahrensituation seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Deshalb habe er versucht, mit seinem Fahrzeug zurück auf die Normalspur zu ziehen. Der Beklagte zu 1. habe nicht mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h auf die Gefahrenstelle zufahren dürfen, auf die er durch die eingeschalteten Warnblinkanlagen und das Blaulicht aufmerksam gemacht worden sei. Der Beklagte zu 1. hätte erkennen müssen, daß er, der Kläger, das Hindernis auf dem Normalstreifen habe umfahren müssen. Angesichts dieser Gefahrensituation habe der Beklagte zu 1. nicht überholen dürfen. Der Unfall sei deshalb allein auf das unverantwortliche Verhalten des Beklagten zu 1. zurückzuführen.

Der Kläger hat seinen Schaden wie folgt berechnet:

1. Wiederbeschaffungswert gemäß Gutachten des Kfz.-Sachverständigen Dr.-Ing 5.000,– DM

2. abzüglich Restwert 1.000,– DM

3. Umbaukosten Stereoanlage 150,– DM

4. Kosten für An- und Abmeldung 75,– DM

5. Auslagenpauschale 20,– DM

6. Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage 938,– DM a 67,– DM

7. Gutachterkosten 469,68 DM

———–

5.652,68 DM

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.652,68 DM nebst 4 % Zinsen aus 5.183,– DM seit dem 5. Juli 1988 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen: Der Kläger sei nach Einschätzung des Beklagten zu 1. ungefähr 70 km/h gefahren. Angesichts der geringen Geschwindigkeit des Klägers habe für den Beklagten zu 1. kein Handlungsbedarf bestanden. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei der liegengebliebene Lkw mindestens 500 m von der Unfallstelle entfernt gewesen. Für den Beklagten zu 1. sei kurz vor dem Unfall noch nicht ersichtlich gewesen, welche Verkehrs- bzw. Gefahrensituation durch das eingeschaltete Blaulicht der Polizei signalisiert werden solle. Er habe jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt seine Geschwindigkeit verringert und seine Bremsbereitschaft gesteigert. Der Fahrstreifenwechsel sei ungefähr in einer Entfernung von 20 m bis 30 m vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. erfolgt. (Zeugnis P L und H …). Der Kläger hätte sich vor dem Fahrstreifenwechsel vergewissern müssen, daß er damit nachfolgende Fahrzeuge nicht gefährde. Da der Kläger dies nicht getan habe, sei der Unfall allein durch ihn verursacht worden.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des am 4. April 1989 verkündeten Urteils sowie die darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.

Alleinhaftung bei Fahrstreifenwechsel unter Mißachtung des Vorrangs des überholenden Fahrzeugs
Symbolfoto: PramoteBigstock/Bigstock

Durch das vorgenannte Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Kläger treffe der Vorwurf eines grob fahrlässigen Verschuldens. Der Kläger habe vor dem sich mit hoher Geschwindigkeit nähernden Fahrzeug des Beklagten zu 1. nicht auf die linke Fahrspur hinüberwechseln dürfen. Es wäre ihm unschwer möglich gewesen, vor dem sichernden Polizeifahrzeug anzuhalten. Ein Mitverschulden des Beklagten zu 1. entfalle. Aus der Tatsache, daß er auf der Überholspur mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 160 km/h gefahren sei, könne ihm nicht der Vorwurf einer schuldhaften Mitverursachung des Unfalls gemacht werden. Das Verschulden des Klägers sei als ganz überwiegend anzusehen, hinter dem die erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurücktrete. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das ihm am 29. Mai 1989 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 27. Juni 1989 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.

Er trägt vor: Er verlange nur noch die Hälfte seines Schadens ersetzt. Der Beklagte zu 1. habe in einer völlig unklaren Verkehrssituation den Versuch unternommen, sein Fahrzeug zu überholen. Da Dunkelheit geherrscht habe und auf die Gefahrenstelle durch Warnblinkanlage und Blaulicht hingewiesen worden sei, habe der Beklagte zu 1. nicht davon ausgehen können, daß nicht auch die linke Fahrspur etwa infolge eines Unfalls mitbetroffen gewesen wäre. Der Beklagte zu 1. hätte damit rechnen müssen, daß sich infolge eines Unfalls Verletzte oder Unfallhelfer auf der Fahrbahn befunden hätten. Bei einer derart unklaren Situation habe der Beklagte zu 1. nicht mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h fahren dürfen. Er hätte auf jeden Fall darauf verzichten müssen, sein Fahrzeug zu überholen, oder zumindest die Geschwindigkeit verringern müssen, um jederzeit vor der Gefahrenstelle anhalten zu können. Er, der Kläger, habe sich sicherlich nicht richtig verhalten, als er nach Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers in den linken Fahrstreifen hinübergewechselt sei. Jedoch habe der Beklagte zu 1. sich seine Vorfahrt nicht erzwingen dürfen. Eine Mithaftungsquote von 1/2 sei deshalb gerechtfertigt.

Das Landgericht habe zu Recht angenommen, daß auch der Beklagte zu 1. als Überholer zu besonderer Sorgfalt verpflichtet gewesen sei und dieser Sorgfaltsmaßstab umso höher anzulegen sei, je höher die Geschwindigkeit des Überholers sei. Hieraus habe das Landgericht aber nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Dem Beklagten sei nicht nur ein erhebliches Abbremsen zumutbar gewesen. Vielmehr habe dieser noch ausreichend Zeit gehabt, um ihn mit der Lichthupe von dem Überholstreifen zu „verscheuchen“. Der Beklagte zu 1. habe die Gefahrenbremsung viel zu spät eingeleitet. Da nach dem eigenen Vortrag des Beklagten sich sein Fahrzeug noch mindestens 50 m vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. befunden habe, als er sich angeschickt habe, den Fahrstreifenwechsel vorzunehmen, wäre es dem Beklagten zu 1. jederzeit möglich gewesen, bei entsprechender Aufmerksamkeit sein Fahrzeug rechtzeitig abzubremsen und einen Zusammenprall zu zu vermeiden (Sachverständigen-Gutachten für Unfallrekonstruktion).

Der Kläger beantragt, die Beklagten unter teilweiser Änderung des erstinstanzlichen Urteils gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 2.826,34 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Juli 1988 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen sich die Begründung des Landgerichts zu eigen und treten den Ausführungen des Klägers entgegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 2. Juni, 4. Dezember 1989 und vom 25. April 1990 sowie der Beklagten vom 28. November 1989 und vom 20. April 1990 verwiesen.

Die Akten 101 Js 45586/88 der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht B sowie 209 C 588/88 des Amtsgerichts C lagen dem Senat zur Information war und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht entschieden, daß dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagten zusteht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, weil der Beklagte zu 1. etwa in einer unklaren Verkehrslage überholt hat. Ein solcher Vorwurf kann ihm nicht gemacht werden. Eine unklare Verkehrslage im Sinne der Vorschrift des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist gegeben, wenn der Fahrer des überholenden Fahrzeugs nach allen Umständen mit einem ungefährdenden Überholen nicht rechnen kann (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 5 Rdn. 34). Dies ist namentlich der Fall, wenn er nicht verläßlich beurteilen kann, was der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs sogleich tun werde (KG VerkMitt 1974, 75; Jagusch/Hentschel a.a.O.). Allein der Umstand, daß sich auf dem rechten Fahrstreifen ein Verkehrshindernis in Gestalt eines liegengebliebenen Sattelzuges befand, der den Kläger früher oder später dazu veranlassen würde, auf den Überholfahrstreifen hinüberzuwechseln, schuf für den auf dem Überholstreifen fahrenden Beklagten zu 1. noch keine unklare Verkehrslage. Denn dieses Verkehrshindernis brauchte den Beklagten zu 1. nicht zwangsläufig zu der Überlegung zu veranlassen, daß der Kläger noch vor ihm auf den Überholfahrstreifen hinüberwechseln würde. Der Beklagte zu 1. konnte darauf vertrauen, daß der Kläger sich an die für ihn maßgeblichen Verkehrsvorschriften halten und ihn notfalls vorbeifahren lassen würde, bevor er selbst auf den Überholfahrstreifen hinüber fahren würde. Da sich auf dem Fahrstreifen des Klägers ein Hindernis befand, fanden im Verhältnis zwischen beiden Fahrzeugen die in § 7 Abs. 4 StVO niedergelegten Regeln des „Reißverschlußverfahren“ Anwendung. Danach ist, wenn das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich ist, was anerkanntermaßen auch bei haltenden oder liegengebliebenen Fahrzeugen gilt (Senat, VerkMitt 1987, 70 m. w. N.), den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, daß sich diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können. Dies bedeutet, daß der „Reißverschluß“ auf dem durchgehenden Fahrstreifen beginnt. Das Fahrzeug, das sich auf dem durchgehenden Fahrstreifen befindet, genießt anerkanntermaßen den Vorrang vor demjenigen Fahrzeug, das sich auf dem blockierten Fahrstreifens dem Hindernis nähert (KG-22. Senat-DAR 1980, 186 = VRS 57, 321, 322 = VerkMitt 1980, 23; Senat Verk- Mitt 1984, 23; VRS 68, 339, 340; VerkMitt 1987, 70; Jagusch/- Hentschel, a.a.O. § 7 StVO Rdn. 20). Dies gilt allerdings nicht, wenn der auf dem blockierten Fahrstreifens vorausfahrende Kraftfahrer einen derartigen Abstand zu dem auf dem durchgehenden Fahrstreifen befindlichen Kraftfahrer hat, daß er noch gefahrlos in den freien Fahrstreifen hinüberwechseln kann. In diesem Falle braucht er dem auf dem nicht blockierten Fahrstreifen befindlichen Kraftfahrer nicht den Vorrang zu gewähren (KG-22. Senat-DAR 1980, 186; Senat VerkMitt 1987, 70).

Als sich der Beklagte zu 1. dem Kläger näherte, brauchte er nicht damit zu rechnen, daß dieser plötzlich in seinen Fahrstreifen hinüberwechseln würde. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger in einem Abstand von 50 m oder in einem Abstand von 20 bis 30 m zu dem sich nähernden Beklagten zu 1. den Fahrstreifenwechsel vorgenommen hat. Auf jeden Fall war der Kläger verpflichtet, den sich aus § 7 Abs. 4 StVO ergebenden Vorrang des Beklagten zu 1. zu beachten. Angesichts der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Fahrzeugen war es dem Kläger auch bei einem Abstand von 50 m nicht möglich, ohne eine erhebliche Gefährdung des sich mit einer Geschwindigkeit von zuletzt ungefähr 150 km/h nähernden Beklagten zu 1. in dessen Fahrstreifen hinüberwechseln. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h oder mit einer solchen von 80 bis 90 km/h fuhr. Ein gefahrloses Hinüberwechseln in den anderen Fahrstreifen wäre nur möglich gewesen, wenn sich der Beklagte zu 1. noch mehrere hundert Meter von dem Fahrzeug des Klägers entfernt befunden hätte.

Ein unzulässiges Überholen bei einer unklaren Verkehrslage ist auch nicht etwa darin zu sehen, daß der Beklagte zu 1. den Kläger überholt hatte, obwohl dieser den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte. Zwar ist eine unklare Verkehrslage anzunehmen, wenn ein rechts vorausfahrendes Fahrzeug den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, ohne sich links einzuordnen (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 5 StVO Rdn. 34 m. w. N.), da der Fahrer des überholenden Fahrzeugs damit rechnen muß, daß das überholte Fahrzeug unvermittelt nach links ausschert. Dieses Verbot kann des Fahrer des überholenden Fahrzeugs jedoch nicht mehr beachten, wenn der Fahrer des überholten Fahrzeugs in einem so späten Stadium den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, daß dem überholenden Fahrer ein angemessenes Reagieren nicht mehr möglich ist. Das genannte Verbot verpflichtet ihn nicht dazu, eine Gefahrenbremsung einzuleiten. Selbst wenn sich der Beklagte zu 1. noch in einem Abstand von 50 m zu dem Fahrzeug des Klägers befunden haben sollte, als dieser plötzlich den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigte und Anstalten machte, nach links herüberzuziehen, konnte der Beklagte zu 1. angesichts einer Differenzgeschwindigkeit von maximal 90 und minimal 70 km/h nicht mehr angemessen reagieren. Ihm blieb nur noch übrig, eine Gefahrenbremsung einzuleiten. Zu einer solchen Gefahrenbremsung war er aber zur Beachtung des Überholverbotes des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht verpflichtet.

Eine Haftung des Beklagten zu 1. aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB ist auch nicht etwa daraus herzuleiten, daß er unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO mit einer unangemessen hohen Geschwindigkeit gefahren ist. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, betrug die Geschwindigkeit des Beklagten zu 1. wenigstens 150 km/h. Eine solche Geschwindigkeit ist auf Autobahnen nichts ungewöhnliches. Daß sich auf dem rechten Fahrstreifen ein liegengebliebener Sattelzug befand, der sowohl durch eine eigene eingeschaltete Warnblinkanlage als auch durch ein davor stehendes ebenfalls mit einer eingeschalteten Warnblinkanlage und einem eingeschalteten blauen Rundumlicht versehenen Polizeifahrzeug gesichert war, zwang den Beklagten zu 1. nicht ohne weiteres zu einer Verringerung seiner Geschwindigkeit. Es ist zwar richtig, daß das OLG Köln (VRS 68, 354, 355) die Auffassung vertreten hat, daß eine eingeschaltete Warnblinkanlage den Hinweis auf Gefahren im Straßenbereich enthalten kann, die nicht von dem Fahrzeug ausgehen. In dem entschiedenen Fall lag eine Person auf der Fahrbahn. Mit diesem Fall ist der vorliegende nicht vergleichbar. Die Betätigung der Warnblinkanlage soll den nachfolgenden Verkehr nur auf das betreffende Fahrzeug sowie darauf aufmerksam machen, daß sich eventuell Personen oder andere Hindernisse auf der Fahrzeug befinden. Die Betätigung der Warnblinkanlage hat aber nicht die Funktion, nachfolgende Verkehrsteilnehmer darauf hinzuweisen, daß andere Verkehrsteilnehmer sich verkehrswidrig verhalten.

Eine Haftung des Beklagten zu 1. ergibt sich auch nicht aus § 7 StVG. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Unfall für den Beklagten um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG handelte. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. war sicherlich mit Rücksicht auf dessen hohe Geschwindigkeit erhöht. Dieser erhöhten Betriebsgefahr steht jedoch ein grob fahrlässiger Verkehrsverstoß des Klägers gegenüber. Wie oben ausgeführt worden ist, hat der Kläger den dem Beklagten zu 1. gemäß § 7 Abs. 4 StVO zustehenden Vorrang mißachtet. Der Kläger hat einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen, ohne in ausreichendem Maße auf das sich nähernde Fahrzeug des Beklagten zu 1. zu achten. Er behauptet zwar, in den Rückspiegel geschaut zu haben, um sich vergewissern, daß ein gefahrloses Hinüberwechseln auf die Überholspur möglich war. Daß der Kläger offenbar gemeint hat, noch gefahrlos vor dem Beklagten zu 1. auf den Überholstreifen hinüberwechseln zu können, entlastet ihn nicht. Die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt dazu, daß die – erhöhte – Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. völlig zurücktritt, weil der Unfall in ganz überwiegendem Maße von dem Kläger verursacht und verschuldet worden ist (vgl. Senat, VersR 1978, 1072).

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu anderen Entscheidungen, in denen er in vergleichbaren Fällen eine andere Haftungsverteilung vorgenommen hat. In der Entscheidung vom 29. September 1983 – 12 U 3546/82 – VerkMitt 1984, 23 hat der Senat dem Fahrer des auf dem durchgehenden Fahrstreifen befindlichen Fahrzeugs eine Mithaftung von 1/4 auferlegt, weil dieser auf den in seinen Fahrstreifen hinüberwechselnden Pkw durch ein Ausweichmanöver hätte reagieren können. Im vorliegenden Fall war eine solche Ausweichreaktion nicht möglich. In der Entscheidung vom 10. Januar 1985 (12 U 2227/84 – VRS 68, 339) hat der Senat sogar eine Schadensteilung vorgenommen, weil der bevorrechtigte Fahrer nicht erkannt hatte oder zumindest hätte erkennen können, daß sein Vorrang nicht beachtet wurde, und er deshalb seine Geschwindigkeit nicht vermindert und auf seinen Vorrang verzichtet hatte. Auch diese Fallkonstellation trifft hier nicht zu. In der Entscheidung vom 8. Januar 1987 (12 U 2618/87 – VerkMitt 1987, 70) hat der Senat dem bevorrechtigten Fahrer ebenfalls eine Mithaftung von 1/4 auferlegt, weil dieser eine einfache, sich im Großstadtverkehr ständig wiederholende Verkehrssituation infolge Gedankenlosigkeit nicht beherrscht hatte. Auch dieser Fall liegt hier nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer ergibt sich aus § 546 Abs. 2 ZPO.

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