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Alleinsorge – Antrag auf Übertragung – Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge

Brandenburgisches Oberlandesgericht

Az.: 10 WF 73/07

Beschluss vom 02.04.2007

Vorinstanz: Amtsgericht Nauen, Az.: 24 F 275/06


In der Familiensache hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 7. März 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 16. Februar 2007 am 2. April 2007 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden.

1.

Dem Begehren der Antragstellerin kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO, nicht abgesprochen werden.

Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf den antragenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Mit der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942 ff.) hat der Gesetzgeber, wie auch das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 8.3.2007 ausgeführt hat, zwar kein Regel-Ausnahme-Verhältnis im den Sinne geschaffen, dass ein Vorrang zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio, als letzte Möglichkeit, in Betracht kommt (BGH, FamRZ 1999, 1646, 1647; KG, FamRZ 2000, 502 f.; FamRZ 2000, 504). Er ist aber davon ausgegangen, dass es für das Wohl der Kinder am Besten ist, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und/oder Scheidung einvernehmlich um sie kümmern (vgl. BT-Drucksache 13/4899, S. 63) und sie in dem Gefühl aufwachsen, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte bringen (KG, FamRZ 2000, 502, 503). Ob dies möglich ist, hängt von der entsprechenden Einsicht der Eltern und ihrer Fähigkeit, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, ab, entscheidend sind also die objektive Kooperationsfähigkeit und die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern (Senat, FamRZ 1998, 1047, 1048; FamRZ 2003, 1952; KG, FamRZ 2000, 504; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1671, Rz. 36). Eingeschränkte Kommunikation unter den Eltern rechtfertigt noch nicht ohne weiteres die Annahme der Einigungsunfähigkeit.

Vielmehr können sie, so lange ihnen die Konsensfindung, dies ist die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, zum Wohl des Kindes zumutbar ist, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden (Senat, FamRZ 2003, 1952; Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1671, Rz. 17). Ebenso führen erhebliche Streitigkeiten zwischen den Eltern nicht notwendig zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Einigungsunfähigkeit muss gerade in Bezug auf das Kind vorliegen, d. h., die Eltern dürfen in grundsätzlichen Erziehungsfragen bzw. in allen Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung zu einer einvernehmlichen Regelung nicht in der Lage sein (KG, FamRZ 2000, 504; Palandt/Diederichsen, a.a.O.). Bei der Entscheidung darüber, ob die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, kann auch von Bedeutung sein, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind (Senat, FamRZ 2003, 1952; OLG Brandenburg – 3. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2002, 567 f.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann dem Antrag der Mutter, ihr die elterliche Sorge für die Tochter C… allein zu übertragen, die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Dies bedeutet zugleich, dass Prozesskostenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, FamRZ 2005, 1893; Senat, FamRZ 2006, 1775).

Im vorliegenden Fall bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern nicht in der Lage sind, sachlich miteinander zu kommunizieren. Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 26.1.2007 zusammenfassend mitgeteilt, zwischen den Eltern beständen erhebliche Kommunikationsstörungen und Verletztheiten, die nicht abschließend bearbeitet worden seien. Hinsichtlich der Telefongespräche zwischen den Eltern hat das Jugendamt mitgeteilt, bei diesen könnten keine Absprachen erzielt werden, da jedes Telefonat im Streit ende. Auch die vorgelegte E-Mail des Vaters vom 5.11.2006, in der er erhebliche Vorwürfe an die Mutter richtet, sind ein Indiz dafür, dass die Eltern nicht problemlos miteinander kommunizieren.

Schon mit Rücksicht darauf, dass es bei den telefonischen Absprachen offensichtlich auch um die Belange der Kinder geht, ist die Annahme, dass Kooperationsfähigkeit und/oder –bereitschaft erheblich eingeschränkt sind und sich dies auf das Kindeswohl auswirkt, nicht fern liegend. Nähere Feststellungen hierzu wird das Amtsgericht im Hauptverfahren bei Anhörung beider Elternteile und aller Kinder treffen. Eine Entscheidung zu Lasten der Mutter bereits im Prozesskostenhilfeverfahren, sodass es ihr mangels ausreichender finanzieller Mittel gar nicht möglich ist, den Sachverhalt abschließend gerichtlich überprüfen zu lassen, scheidet demnach aus.

2.

Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine zumindest hinsichtlich der Wohnkosten nicht vollständig ausgefüllte Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.11.2006 vor. Das Amtsgericht wird die Antragstellerin auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen und dabei sämtliche Fragen im Formular zu beantworten. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass es der ständigen Praxis des Senats entspricht, Angaben zu allen Fragen des Formulars, insbesondere also auch zu den Feldern E bis J, zu verlangen, wenn der Antragsteller Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bezieht. Auf der Grundlage der ergänzenden Angaben der Antragstellerin wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag entscheiden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

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