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Allgemeine Geschäftsbedingungen – Anforderungen an Aushandeln anderer Klauseln

LG Essen – Az.: 43 O 85/18 – Urteil vom 21.02.2019

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 58.305,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seitdem 01.08.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Zwischen den Parteien bestand eine mehrjährige geschäftliche Beziehung, innerhalb der die Klägerin im Auftrag der Beklagten Musikgeräte unter dem Markennamen „A.“ produzierte und an die Beklagte lieferte.

Außerdem belieferte die Klägerin die von dem Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten geführte A., nunmehr firmierend unter S. i.L. Im Zuge wirtschaftlicher Schwierigkeiten dieses Unternehmens wurde dessen Produktion im Jahre 2015 nach … zur Klägerin verlagert, die auch die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter übernahm. Die Klägerin übernahm Vorräte aus dem Vermögen der S. und bezahlte dafür an die Beklagte 80.032,44 €.

Nachdem es im März/April 2017 zu Differenzen zwischen den Parteien gekommen war, traten die Parteien in Verhandlungen über die Bedingungen für eine Weiterführung bzw. Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung ein.

Die Klägerin übermittelte der Beklagten am 03.05.2017 einen ersten Vertragsentwurf, der verschiedene Regelungen zum Ausschluss von Aufrechnungsmöglichkeiten enthielt (Anl. K 1 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.01.2019, Bl. 131ff. sowie E-Mail Anl. RSW 4 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20.12.2018, Bl. 121 ff.).

Nachdem die Geschäftsführerin der Beklagten sich mit diesem Entwurf nicht einverstanden gezeigt hatte, erarbeitete die Klägerin eine Entwurfsfassung mit einem kürzeren Text zum Aufrechnungsverbot (Anl. K 2 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 134f.).

Die Geschäftsführerin der Beklagten übermittelte daraufhin mit E-Mail vom 04.05.2017 einen abweichenden Vorschlag, in dem das Aufrechnungsverbot komplett gestrichen war. Stattdessen war eine „Versicherung“ der Beklagten aufgenommen, dass ein Anteil von 30 % der Zahlungsbeträge nicht mit möglichen Gegenforderungen zwischen den Parteien verrechnet werde (Anl. K 3, K 4 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 136ff.).

Seitens der Klägerin wurde daraufhin erneut die bereits vorgelegte Fassung unter Einschluss des Aufrechnungsverbotes vorgelegt (vgl. Anl. K 5 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 139).

Von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde dabei an die Klägerin kommuniziert, dass es sich um einen Mindestinhalt handele, von dem nicht abgewichen werden dürfe (Anl. RSW 4 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20.12.2018, Bl. 117).

Die Klägerin übermittelte diesen Vorschlag an die Beklagte am 05.05.2017 (Anl. 4 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2018, Bl. 104 = Anl. RSW 4 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20.12.2018, Bl. 117).

Die Beklagte erhob dagegen mit E-Mail vom selben Tage Einwendungen, die unter anderem die Gestaltung des Aufrechnungsausschlusses betrafen (Anl. K 6 zur Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 141 = Anl. 3 zum Schriftsatz vom 21.11.2018, Bl. 102).

Die Beklagte legte sodann mit E-Mail vom 08.05.2017 eine geänderte Fassung des Vereinbarungsentwurfs vor, in dem Änderungen der Regelung des Aufrechnungsausschlusses vorgenommen waren.

Allgemeine Geschäftsbedingungen - Anforderungen an Aushandeln anderer Klauseln
(Symbolfoto: Torbz/Shutterstock.com)

Insbesondere wurde dort nunmehr aufgeführt, dass nur gegen Forderungen der Klägerin aus dem Zeitraum ab dem 20.04.2017 nicht aufgerechnet werden könne. Ferner wurden die Formulierungen zum Zurückbehaltungsrecht sowie zum Ausschluss einer Aufrechnung mit von Dritten abgetretenen Gegenansprüchen gestrichen (Anl. K 7, K 8 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 144 ff. = Anl. 2 zum Schriftsatz vom 21.11.2018, Bl. 101).

Die Klägerin nahm daraufhin nochmals eine Änderung der Formulierung vor (Anl. K 9 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 147), in der das Datum des 20.04.2017 enthalten war sowie die ein Aufrechnungsverbot für abgetretene Ansprüche Dritter nicht aufgeführt war. Das Zurückbehaltungsrecht wurde wieder in den Text aufgenommen.

Daraufhin ließ die Beklagte über ihre Prozessbevollmächtigten nochmals Änderungen vornehmen, welche sie unter dem 09.05.2017 an die Klägerin übermittelte (Anl. K 10, K 11 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 149ff.). Insbesondere wurde eine Ausnahme vom Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts im Falle einer Mangel- oder Minderlieferung aufgenommen.

Die Klägerin akzeptierte diese Änderungen, so dass die Parteien schließlich unter dem 09.05.2017 die Vereinbarung mit dem zuletzt von. der Beklagten übermittelten. Inhalt des Aufrechnungsverbotes abschlossen (Anl. 1 zur Klageschrift, Bl. 6f.).

In der Vereinbarung legten die Parteien als Zahlungsbedingung für Rechnungen der Klägerin fest, dass 70 % des jeweiligen Rechnungsbetrages Zug um Zug gegen Abholung der gesamten Ware zu zahlen seien, die restlichen 30 % nach 60 Tagen ab Auslieferung.

Ferner heißt es unter Ziff. 2.) der Vereinbarung:

„Die Auftraggeberin kann gegen Forderungen der …, die aus Lieferverträgen ab dem 20.04.2017 (Rechnungsdatum) entstanden sind, nicht aufrechnen.

Das gleiche gilt für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, mit Ausnahme einer Mangel- oder Minderlieferung.“

Über ihre erbrachten Leistungen stellte die Klägerin der Beklagten im Zeitraum vom 10.05.2017 bis zum 18.10.2017 insgesamt 21 Rechnungen aus (Anl. 3 bis Anl. 23 zur Klageschrift, Bl. 9ff.). Der Gesamtbetrag der Rechnungen beläuft sich auf 178.305,96 €.

Die Beklagte zahlte zumeist jeweils 70 % der Rechnungsbeträge, einige Rechnungen jedoch nicht. Der Restbetrag der ausstehenden Zahlungen beträgt 58.305,88, € (vgl. Aufstellung Anl. 2 zur Klageschrift, Bl. 8) und ist Gegenstand der Klage.

Die Geschäftsbeziehung der Parteien wurde im Oktober 2017 beendet.

Die Klägerin behauptet, die Parteien hätten die Bedingungen der Zahlungsvereinbarung individuell ausgehandelt, so dass es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Der Entwurf der Vereinbarung stamme von Frau Rechtsanwältin … aus dem Büro der Prozessbevollmächtigten der Beklagten.

Im Übrigen zeigten schon die gewechselten Entwürfe (Anl. zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2018, Bl. 100ff.), dass die Parteien gerade über die streitige Aufrechnungsklausel verhandelt und eine individuelle Vereinbarung getroffen hätten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 58.305,88 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von 103.952,16 €.

Hierzu behauptet sie, die Klägerin habe im Jahr 2015 das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen der S. i.L. übernommen. Im Rahmen der Übernahme habe die Klägerin von diesem Unternehmen diverse Hauptbauteile für die Produktion erhalten.

Hierüber habe die S. i.L. – unstreitig – eine Rechnung vom 31.03.2017 (Anl. RSW 1, Bl. 64ff.) über 103.952,16 € ausgestellt.

Die S. i.L. habe diese Forderung am 24.09.2018 an die Beklagte abgetreten (Anl. RSW 2, Bl. 71).

Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, der vertraglich vereinbarte Aufrechnungsausschluss sei als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 309 Nr. 3 BGB unwirksam. Die Vereinbarung habe pauschal jedem Auftrag zugrunde liegen sollen. Es handele sich um eine Rahmenvereinbarung im Sinne des § 305 Abs. 3 BGB.

Ein Ausschluss der Aufrechnung für Fälle der mangelhaften oder unvollständigen Leistung sei unwirksam.

Schließlich könne sich die Klägerin schon deshalb nicht mehr auf das Aufrechnungsverbot stützen, weil sie selbst mit Schreiben vom 12.07.2017 (Anl. RSW 3 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 19.12.2018, Bl. 113) – unstreitig – die Kündigung der Zahlungsvereinbarung aus wichtigem Grund erklärt habe.

Die Klägerin behauptet zu der Aufrechnung, die Gegenforderung sei – wie weitere in diesem Zusammenhang gestellte Rechnungen der S. i.L. – frei erfunden und bestehe in Wirklichkeit nicht. Auch habe die Klägerin das Vermögen der S. i.L. nicht in Gänze übernommen. Forderungen Wegen der Entnahme von Vermögensgegenständen habe die Klägerin bereits vollständig ausgeglichen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird im Übrigen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Zahlungsansprüche gemäß den §§ 433 Abs. 2, 650 S. 1 BGB in der tenorierten Höhe zu.

1. Dass der Klägerin aus zwischen den Parteien abgeschlossenen Werklieferungs- bzw. Kaufverträge fällige Ansprüche in Höhe von noch 58.305,88 € zustehen, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

2. Die Beklagte kann sich auf die von ihr erklärte Primäraufrechnung nicht berufen, da die Parteien ein Aufrechnungsausverbot wirksam vereinbart haben.

a) Nach Ziff. 2.) der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung kann die Beklagte gegen Forderungen der Klägerin aus Rechnungen ab dem 20.04.2017 nicht aufrechnen. Da die unstreitigen Rechnungen der Klägerin aus dem Zeitraum nach dem 20.04.2017 stammen, greift das vertragliche Aufrechnungsverbot ein.

b) Das Aufrechnungsverbot ist wirksam.

Zwar ist gemäß § 309 Nr. 3 BGB, der über die §§ 310 Abs. 1 S. 1, S. 2, 307 BGB auch im Rechtsverkehr zwischen. Unternehmern gilt (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 309, Rn. 21), in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig anerkannten Forderung aufzurechnen.

Außerdem liegt eine unzulässige Benachteiligung des Geschäftspartners des Verwenders vor, wenn der formularmäßige Aufrechnungsausschluss auch in Fällen gilt, in denen dem Besteller einer Werkleistung Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen können. Die synallagmatische Verknüpfung der Werklohnforderung mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages findet zunächst ihren Ausdruck in einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers im Falle einer mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung, § 320 Abs. 1 BGB. Der Besteller kann sich im Prozess mit dem Leistungsverweigerungsrecht verteidigen mit der Folge, dass die Werklohnforderung ganz oder teilweise nicht durchsetzbar ist. Dies kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 2 a) BGB). Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn nunmehr durchsetzbar ist (BGH NJW 2011, 1729ff., Rn. 16f. – VII ZR 209/07; s. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 309, Rn. 20).

Jedoch greifen diese Regelungen vorliegend nicht ein, da die Parteien das Aufrechnungsverbot zur Überzeugung der Kammer individuell ausgehandelt haben, § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Daher handelt es sich insoweit nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung.

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.

Diesbezüglich liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Gegner des Verwenders. Prima facie sind Allgemeine Geschäftsbedingungen aber anzunehmen, wenn ein gedruckter oder sonst vervielfältigter Text der Gegenseite verwendet wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 305, Rn. 23; BGHZ 118, 238ff., Rn. 29ff. – VII ZR 204/90) oder wenn sich aus den Klauseln die Absicht der Mehrverwendung ergibt. Wenn das Vertragswerk umfassend aus der Sicht des Verwenders formuliert ist und Klauseln enthält, die für den anderen Teil nachteilig sind, erzeugt dies den Anschein, dass die Bedingungen durch die Verwenderin gestellt worden sind (BGH NJW 2014, 1725ff., Rn. 24 – VII ZR 248/13).

Wendet der Verwender in diesem Fall ein, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien im konkreten Fall nicht bloß einbezogen, sondern ausgehandelt worden (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB), so trifft ihn die Beweislast (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 305, Rn. 23).

Unter diesen Voraussetzungen besteht vorliegend der Anschein, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin handelt. Es handelt sich um eine Rahmenvereinbarung im Sinne des § 305 Abs. 3 BGB, die bereits aus diesem Grund für die mehrfache Verwendung vorformuliert ist. Die Vereinbarung enthält zudem für die Beklagte negative Klauseln. Aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergibt sich ferner, dass die Klägerin die erste Version der Vereinbarung entworfen und der Beklagten vorgelegt hat.

bb) Diesen Anschein des Vorliegens einer Allgemeinen Geschäftsbedingung hat die Klägerin jedoch durch den Nachweis einer Individualvereinbarung (Aushandeln) entkräftet.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erfordert ein „Aushandeln“ im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche. Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH NJW 2003, 1805ff., Rn. 47 – VII ZR 210/01; BGH NJW 2014, 1725ff., Rn. 27 – VII ZR 248/13). In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder (BGH NJW 2003, 1805ff., Rn. 47 – VII ZR 210/01; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. § 305, Rn. 20). Nachträgliche Änderungen in einem vorformulierten Text können sogar ein Indiz dafür begründen, dass eine Individualvereinbarung vorliegt (BGH NJW 1992, 2283ff., Rn. 23 – XII ZR 129/90).

Eine allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt hingegen nicht, auch nicht ein ausdrückliches Einverständnis des anderen Teils, nachdem er auf die belastende Klausel hingewiesen worden ist (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1040ff., Rn. 13 – VII ZR 56/04; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 305, Rn. 20).

Ein Aushandeln einzelner Vertragsbedingungen ändert nichts daran, dass die übrigen Allgemeine Geschäftsbedingungen bleiben (vgl. BGH NJW 1986, 1803ff., Rn. 21 – III ZR 195/84; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 305, Rn. 18; s. auch BGH NJW-RR 2005, 1040ff., Rn. 13 – VII ZR 56/04; BGH NJW 2014, 1725ff., Rn. 47 – VII ZR 248/13, die jeweils auf das Aushandeln der konkreten Klausel abstellen).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen haben die Parteien die hier vereinbarte Aufrechnungsklausel individuell ausgehandelt:

Aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr nebst Vereinbarungsentwürfen geht hervor, dass die Parteien gerade über die Formulierung des Aufrechnungsausschlusses verhandelt haben. Die Klägerin war dabei zu weitgehenden Änderungen gegenüber ihrem ursprünglichen Vorschlag bereit.

Dabei übersieht, die Kammer nicht, dass der erste Vertragsentwurf Anl. K 1 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.01.2019, Bl. 131 ff.) von der Klägerin stammte.

Jedoch ist es zunächst – auf Intervention der Beklagten, wie die Anhörung der Parteien in der öffentlichen Sitzung vom 21.02.2019 ergeben hat – zu einer weitgehenden Streichung der vorgeschlagenen Regelungen (inklusive einer zunächst aufgeführten Vertragsstrafenregelung für Verstöße gegen das Aufrechnungsverbot) gekommen (Anl. K 2 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 134f.).

Dass die gesamte Klausel nach ihrem Kerngehalt zur Disposition der Verhandlungen der Parteien stand, ergibt sich des Weiteren daraus, dass der nächste Entwurfsvorschlag der Beklagten eine vollständige Streichung des Aufrechnungsverbotes enthielt (Anl. K 3, K 4 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 136ff.).

Die Kammer berücksichtigt bei ihrer Bewertung, dass die Klägerin im nächsten Entwurf (Anl. K 5 zum Schriftsatz vom 29.01.20.19, Bl. 139f.) sodann erneut das Aufrechnungsverbot eingefügt hat und dass zwischen der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten kommuniziert wurde, dass ein Mindestgehalt der Vereinbarung nunmehr nicht mehr zur Disposition stehe.

Dies ändert jedoch nichts an der Beurteilung, da die Klägerin an dieser Haltung im weiteren Verlauf gerade nicht festgehalten hat.

In der E-Mail vom 05.05.2017 erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser nämlich auch, dass nicht auf die ausdrückliche Erwähnung der von dritter Seite abgetretenen Ansprüche verzichtet werden könne.

Gerade diese Formulierung, die auch in der E-Mail der Geschäftsführerin der Beklagten vom 05.05.2017 (Anl. 3 zum Schriftsatz vom 21.11.2018, Bl. 102 = Anl. K 6 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 141f.) aufgeführt war, wurde jedoch in der Folge aus dem Vereinbarungstext herausgenommen.

Außerdem wurde dieser Entwurf auf erneute Intervention der Beklagten noch anderweitig mehrfach abgeändert (vgl. Anl. K 8 bis K 10 zum Schriftsatz vom 29.01.2019, Bl. 146ff.). Insbesondere wurden die zeitliche Beschränkung des Aufrechnungsverbotes für Hauptforderungen aus dem Zeitraum ab dem 20.04.2017 sowie die Rückausnahme vom Verbot der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts für Mangel- oder Minderlieferungen eingefügt.

Aus dem dargestellten Hergang ergibt sich, dass die Beklagte eine reale Möglichkeit hatte, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zur Wahrung ihrer Interessen zu beeinflussen. Dies hat sich auch in Änderungen des vorformulierten Textes niedergeschlagen, was indiziell ebenfalls für ein Aushandeln spricht.

c) Der Klägerin ist eine Berufung auf das Aufrechnungsverbot trotz der am 12.07.2017 erklärten Kündigung der Rahmenvereinbarung aus wichtigem Grund möglich, da die Parteien ihre Geschäftsbeziehung unter Anwendung der Vereinbarung fortgesetzt haben. Hieraus ergibt sich – ungeachtet der Frage der Wirksamkeit der klägerischen Kündigungserklärung – jedenfalls die konkludente Neuvereinbarung der Bedingungen der Vereinbarung vom 09.05.2017.

Nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin hat nämlich die Beklagte der Kündigung widersprochen, woraufhin die Klägerin die Geschäftsbeziehung unverändert fortgesetzt hat. Die Klägerin hat unstreitig weiter vertragliche Leistungen erbracht; die Beklagte hat in Anwendung der Zahlungsvereinbarung vom 09.05.2017 Teilzahlungen von jeweils 70 % der Einzelforderungen geleistet. Diese Teilzahlungen der Beklagten – und deren Annahme durch die Klägerin – wären nicht verständlich, wenn die Parteien nicht übereinstimmend weiterhin die Bedingungen der Zahlungsvereinbarung hätten anwenden wollen.

3. Unabhängig von den obigen Ausführungen ist der Beklagten eine Aufrechnung mit der angeblichen Gegenforderung auch deshalb verwehrt, weil sie trotz Bestreitens der Klägerin nicht dargelegt und unter Beweis gestellt hat, aus welchem Grund die Beklagte trotz der klägerseits geleisteten Zahlungen in Höhe von 80.032,44 € berechtigt sein soll, weitere Rechnungsbeträge verlangen zu können. Hierzu wäre – angesichts der ausführlichen Darlegung der klägerischen Einwendungen im Schriftsatz vom 21.11.2018 – eine nähere Darlegung der von der Klägerin übernommenen Gegenstände und der weiteren Umstände erforderlich gewesen.

II. Der Zinsanspruch hat seine Grundlage in den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Zwar ist keine Postzustellungsurkunde bezüglich der Zustellung der Klage zur Akte zurückgelangt. Da jedoch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.08.2018 die Verteidigungsbereitschaft der Beklagten angezeigt haben, steht die Rechtshängigkeit jedenfalls zu diesem Zeitpunkt fest.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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