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Allgemeinverfügung Stadt Mannheim – SARS-CoV-2 p- Gaststätten Sperrzeit 23.00 Uhr

VG Karlsruhe – Az.: 1 K 4274/20 – Beschluss vom 23.10.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 22.10.2020 gegen die Festsetzung einer Sperrzeit in der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2020 (Ziffer 2 lit. a), hat keinen Erfolg.

Die Antragstellerin hat ihren Antrag in zulässiger Weise geändert, nachdem sie zunächst die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 20.10.2020 gegen die Festsetzung einer Sperrzeit in der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 15.10.2020 (Ziffer 2 lit. b) begehrt hatte und die Antragstellerin sodann nach Erlass der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020, die nach ihrer Ziffer 4 jene vom 15.10.2020 ersetzt und am 23.10.2020, am Tag nach ihrer Verkündung, in Kraft getreten ist (vgl. https://www.mannheim.de/de/informationen-zu-corona/aktuelle-rechtsvorschriften [Abruf am 23.10.2020]), gegen diese am 22.10.2020 erneut Widerspruch eingelegt hat.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft.

Allgemeinverfügung Stadt Mannheim - SARS-CoV-2 p- Gaststätten Sperrzeit 23.00 Uhr
Symbolfoto: Von Rick Menapace/Shutterstock.com

Die Antragstellerin wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin gemäß Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020 ab dem Folgetag des Tages, an dem die sogenannte 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohnern für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin den Wert von 50 erreicht oder überschritten hat, auf 23.00 Uhr festgesetzte Sperrzeit. Die Sperrzeit ist auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG als Allgemeinverfügung und damit als Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 und 2 LVwVfG) festgesetzt worden. Die in Ziffer 3 lit. b der Allgemeinverfügung geregelte Wirksamkeitsvoraussetzung, wonach die in den Ziffern 2 bezeichneten Regelungen ab dem Folgetag des Tages gelten, an dem die sogenannte 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin den Wert von 50 erreicht oder überschritten hat, ist erfüllt, nachdem die Stadt Mannheim bereits am 15.10.2020 die 7-Tages-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern überschritten hatte (vgl. https://www.mannheim.de/de/presse/225-aktuelle-meldung-zu-corona-15-10-2020 [Abruf am 23.10.2020]) und eine Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020 entsprechende Anordnung bereits in Ziffer 2 lit. b der Allgemeinverfügung vom 15.10.2020 vorgesehen war. Derzeit beträgt die Inzidenzzahl 93,4 (https://www.mannheim.de/de/informationen-zu-corona/aktuelle-rechtsvorschriften/inzidenzzahl [Abruf am 23.10.2020]). Die Sperrzeit gilt nach Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020 für alle Gaststättenbetriebe (Schank- und Speisewirtschaften) und für öffentliche Vergnügungsstätten (einschließlich der Spielhallen, Spielbanken und Wettvermittlungsstellen) abweichend von § 9 der Verordnung der Landesregierung zur Ausführung des Gaststättengesetzes (Gaststättenverordnung).

Dem Widerspruch der Antragstellerin kommt nach §§ 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung zu.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO kann die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet werden, wenn das Interesse des Antragstellers, von den Wirkungen der Verfügung einstweilen verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das Gewicht der gegenläufigen Interessen wird vor allem durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, aber auch durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits bestimmt. Bei der Abwägung auf Grund summarischer Erfolgsprüfung hat das Suspensivinteresse umso stärkeres Gewicht, je größer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind. Dem Vollzugsinteresse ist hingegen umso größeres Gewicht beizumessen, je weniger Aussicht auf Erfolg der Rechtsbehelf hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 – 13 S 1132/96 –, juris Rn. 3). Lassen sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht abschätzen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 – 13 S 1132/96 –, juris Rn. 3; Sächs. OVG, Beschluss vom 17.09.2010 – 2 B 168/10 –, juris Rn. 11; VG Karlsruhe, Beschlüsse vom 18.04.2016 – 3 K 2926/15 – und vom 25.09.2017 – 9 K 11521/17 –). Dabei sind die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits zu gewichten (VG Stuttgart, Beschluss vom 14.03.2020 – 16 K 1466/20 –, juris Rn. 2).

b) Hier überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist voraussichtlich davon auszugehen, dass die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

aa) Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 1. HS IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde unter anderem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten (§ 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG). Letzteres beruht auf dem Gedanken, dass bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können (vgl. BR-Drs. 566/99, S. 169 f.; BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 26). Dabei lassen die von der baden-württembergischen Landesregierung erlassenen Regelungen das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu erlassen, unberührt (§ 20 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 [Corona-Verordnung – CoronaVO] vom 23.06.2020 [in der Fassung vom 19.10.2020]).

bb) Die Antragsgegnerin ist als Ortspolizeibehörde für die Festsetzung der streitgegenständlichen Sperrzeit zuständig (§ 54 Satz 1 IfSG i.V.m. § 1 Abs. 6 Satz 1 der baden-württembergischen Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz vom 19.07.2007 – IfSGZustV –, § 62 Abs. 4 Satz 1 PolG).

cc) Der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist erfüllt. Bei dem Virus SARS-CoV-2, das sich im Wege einer Pandemie weltweit verbreitet hat, handelt es sich um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG (s. im Einzelnen Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], Stand: 16.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html [Abruf am 10.04.2020]; Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am 23.10.2020]; vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 17). Im Stadtgebiet der Antragsgegnerin wurden bereits 1.727 mit dem Virus infizierte Personen festgestellt (Stand: 22.10.2020, https://www.mannheim.de/de/nachrichten/232-aktuelle-meldung-zu-corona-22-10-2020 [Abruf am 23.10.2020]). Es ist zudem davon auszugehen, dass weitere Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG vorhanden sind. Nach der aktuellen Risikobewertung des durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert Koch-Instituts ist im Hinblick auf Infektionsfälle mit dem Virus SARS-CoV-2 von einem bundesweit bestehenden Ansteckungsverdacht auszugehen (vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am 23.10.2020]; zum Maßstab s. allgemein BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 26; VG Freiburg, Beschluss vom 25.03.2020 – 4 K 1246/20 –, juris Rn. 18).

dd) Demzufolge war die Antragsgegnerin zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen – dem „Wie“ des Eingreifens – ist ihr durch § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG Ermessen eingeräumt. Die Festsetzung einer Sperrzeit durch die Antragsgegnerin ist als Verwaltungsakt eine mögliche Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, namentlich das Verbot einer Veranstaltung (§ 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG). Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG um notwendige Maßnahmen handeln muss, die zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind. Zugleich sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 23 f.; VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 – 14 L 422/20 –, juris Rn. 16).

Die Festsetzung der Sperrzeit für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin weist bei der Auswahl der Maßnahme aller Voraussicht nach keine Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO auf. Insbesondere beeinträchtigt sie die Antragstellerin voraussichtlich nicht unverhältnismäßig in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr durch Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2020 ist, da sie die jedenfalls teilweise Schließung von Gaststättenbetrieben zur Folge hat, als eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit anzusehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 09.04.2020 – 1 S 925/20 –, juris Rn. 44 f., vom 30.04.2020 – 1 S 1101/20 –, juris Rn. 41 f. und vom 20.08.2020 – 1 S 2347/20 –, juris Rn. 21). Insofern ist sie mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit, d. h. der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, noch gewahrt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.02.1986 – 1 BvR 1770/83 –, juris Rn. 18, vom 15.12.1987 – 1 BvR 563/85 –, juris Rn. 90 und vom 11.02.1992 – 1 BvR 1531/90 –, juris Rn. 59; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 S 925/20 –, juris Rn. 44 f.).

Diesen Anforderungen dürfte die von der Antragsgegnerin festgesetzte Sperrzeit genügen.

(1) Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin in Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020 dient einem legitimen Zweck. Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Maßnahme das Ziel, die Pandemie des Virus SARS-CoV-2 zum Schutze der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu bekämpfen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 26). Nach der Begründung der Allgemeinverfügung soll diese der Verzögerung der Ausbreitungsdynamik, der Unterbrechung von Infektionsketten, der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung für die Gesamtbevölkerung sowie dem Schutz vulnerabler Personengruppen dienen. Es gelte die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Ausbreitung des Infektionsgeschehens soweit wie möglich zu verlangsamen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems mit unter Umständen drastischen Folgen für Menschen mit schwerem Krankheitsverlauf zu verhindern, solange noch kein Impfstoff oder wirksame Medikamente existierten. Dies entspricht auch den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, wonach Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden könne, wenn die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich gehalten werde und Ausbrüche verhindert würden. Auch könnten hierdurch Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am 23.10.2020]).

(2) Die Festsetzung einer Sperrzeit ist zur Verhinderung der weiteren Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 geeignet.

Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1984 – 1 BvR 1494/78 –, juris Rn. 49 und Beschluss vom 09.03.1994 – 2 BvL 43/92 –, juris Rn. 122; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 28). Diese Anforderungen erfüllt die Festsetzung einer Sperrzeit durch Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 20.10.2020.

Die Festsetzung einer Sperrzeit trägt zur Minimierung der Sozialkontakte und damit zu einer Verlangsamung der Ausbreitung des Virus bei (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 28). Soweit gegen die Regelung vorgebracht wird, dass nicht ersichtlich sei, dass die Sperrzeit das Infektionsrisiko mindere bzw. einen Effekt auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens habe (Bay. VGH, Beschluss vom 19.06.2020 – VGH 20 NE 20.1127 –, juris Rn. 42), überzeugt dies nicht. Denn bereits durch die bloße Verkürzung der Öffnungszeiten von Gaststättenbetrieben und öffentlichen Vergnügungsstätten mindert sich die Zahl der Kontakte zwischen den Personen und damit das Risiko einer Ansteckung.

Nach der Risikobewertung zu COVID-19 des Robert Koch-Instituts ist das Virus SARS-CoV-2 grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Das Infektionsrisiko ist stark vom individuellen Verhalten (AHA-Regel: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken tragen), der regionalen Verbreitung und von den Lebensbedingungen (Verhältnissen) abhängig. Hierbei spielen Kontakte in Risikosituationen (wie z. B. langer face-to-face Kontakt) eine besondere Rolle. Die Aerosolausscheidung steigt bei lautem Sprechen, Singen oder Lachen stark an. In Innenräumen steigt hierdurch das Risiko einer Übertragung deutlich und besteht auch, wenn ein Abstand von mehr als 1,5 m eingehalten wurde. Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten wird, z. B. wenn Gruppen von Personen an einem Tisch sitzen, besteht ein erhöhtes Übertragungsrisiko (Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am: 23.10.2020]). Auch die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 28).

Die Sperrstunde vermindert die Ansteckungsgefahr somit bereits dadurch, dass sie die Anzahl sozialer Treffen und Zusammenkünfte in Gruppen verringert. Denn die längere Öffnung von Gastronomiebetrieben und Vergnügungsstätten ist ein Anreiz für Menschen, sich dort gemeinsam zu treffen. Die Antragsgegnerin hat insofern in der Begründung der Allgemeinverfügung nachvollziehbar ausgeführt, dass der Besuch solcher Betriebe regelmäßig durch eine Stimmung der Geselligkeit und Ausgelassenheit geprägt ist und gerade zum Zweck der Kontaktaufnahme bzw. zwischenmenschlichen Interaktion erfolgt. Dazu ist die Verweildauer typischerweise relativ hoch. Hinzu kommt, dass, wie die Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 20.10.2020 darlegt, der Konsum von Alkohol – welcher typischerweise eine enthemmende Wirkung hat und bei fortschreitendem Alkoholgenuss zu einer zunehmenden Missachtung der geltenden Corona-Regelungen führt – ein weiterer Faktor ist, der bei der zeitlichen Betriebsbeschränkung „auch eine, wenngleich nicht die zentrale Rolle“ spielt. Es kann auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Problematik einer möglichen „Enthemmung“ und damit verbundenen möglichen Nichteinhaltung bestehender Vorschriften aufgrund des Konsums alkoholischer Getränke bereits vollständig durch das in Ziffer 2 lit. b der Allgemeinverfügung vorgesehene Verbot des Verkaufs und der Abgabe von alkoholischen Getränken von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr begegnet wird, zumal dieses lediglich am Freitag und Samstag gilt (vgl. zu dieser Argumentation aber VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 – 14 L 422/20 –, juris Rn. 24).

Die Festlegung der Sperrzeit auf einen bestimmten Zeitpunkt, hier 23.00 Uhr, lässt die Geeignetheit der Regelung ebenfalls nicht entfallen, wenngleich eine Infektionsgefahr grundsätzlich nicht von der Uhrzeit abhängt. Denn nachdem die Gaststättenbetriebe gerade auch zu dieser Zeit eine Anreizwirkung entfalten, kann jedenfalls insoweit das Infektionsgeschehen eingedämmt werden. Sie kann auch nicht als willkürlich betrachtet werden. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung ihrer Allgemeinverfügung vielmehr als sachlichen Grund angeführt, dass nach den Erfahrungen aus entsprechenden Kontrollen in den vergangenen Monaten festzustellen sei, dass die Bereitschaft, sich an bestehende Hygiene- und Verhaltensvorschriften zu halten, besonders stark in den nächtlichen Stunden ab 23.00 Uhr abnehme.

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Einer Geeignetheit der streitgegenständlichen Anordnung steht auch nicht der Einwand entgegen, dass das Infektionsumfeld „Gaststätte“ gegenüber anderen Infektionsumfeldern wie dem privaten Haushalt, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und dem Arbeitsplatz lediglich eine untergeordnete Rolle spiele (VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 – 14 L 422/20 –, juris Rn. 21 mit Verweis auf Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 38/2020 vom 17.09.2020, S. 6 ff., https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/38/Art_01.html [Abruf am: 23.10.2020]). Zugleich liegt aber der Anteil von Fällen, die einem bekannten Ausbruch zuzuordnen sind, bereits bei Kindern nur bei rund 40 %, nimmt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab und erst bei der Altersgruppe der ab 80-Jährigen wieder zu (vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 38/2020 vom 17.09.2020, S. 5, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/38/Art_01.html [Abruf am: 23.10.2020]). Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts bleiben intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Um Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich so weit wie möglich zu vermeiden, ist eine Intensivierung der gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen nötig (Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am: 23.10.2020]). Dem trägt die festgesetzte Sperrzeit Rechnung, indem sie – neben vielen weiteren Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2, welche auf andere Lebensbereiche abzielen und in deren Zusammenschau die Regelung zu sehen ist – einen weiteren gesellschaftlichen Bereich erfasst, der weitere Infektionsquellen begründet.

(3) Ebenfalls ist die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin voraussichtlich erforderlich.

Ein Mittel ist erforderlich, wenn nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte gewählt werden können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.10.2020 – 1 S 2871/20 –, juris Rn. 41).

Die Sperrzeitregelung ist zur weiteren Eindämmung des Virus SARS-CoV-2 erforderlich, da mildere, gleich effektive Maßnahmen nicht bestehen. Sofern nach § 5 CoronaVO bereits Hygienekonzepte als mildere Mittel vorgeschrieben sind, von der Antragstellerin umgesetzt und auch als wirksame Maßnahme erachtet werden (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 42), sind solche Regelungen jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet, eine Ansteckungswahrscheinlichkeit zu verringern (a.A. VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 – 14 L 422/20 –, juris Rn. 20). Denn nach den obigen Ausführungen des Robert Koch-Instituts besteht eine Ansteckungsgefahr durch die Aerosolverbreitung in geschlossenen Räumen auch bei Einhaltung der Hygienevorschriften, sie wird durch diese lediglich minimiert. Die Sperrzeitregelung geht jedoch darüber hinaus, indem sie die Ansteckungsgefahr durch die Verringerung sozialer Kontakte weiter senkt. Gleiches gilt für das Verbot des Ausschenkens von Alkohol, welches ebenfalls als milderes, aber nicht gleich effektives Mittel anzusehen ist (a.A. VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 – 14 L 422/20 –, juris Rn. 20; als milderes Mittel auch genannt von Bay. VGH, Beschluss vom 19.06.2020 – VGH 20 NE 20.1127 –, juris Rn. 43; VG Würzburg, Beschluss vom 18.09.2020 – W 8 S 20.1337 –, juris Rn. 34 in Bezug auf die zeitliche Beschränkung der Abgabe von Getränken und Speisen in Gastronomiebetrieben).

Auch eine (alleinige) Beschränkung privater Zusammenkünfte anstelle der Festsetzung einer Sperrzeit kann die Infektionsgefahr nicht gleichermaßen effektiv eindämmen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob sich die Treffen in den öffentlichen – etwa wegen einer zeitgleichen Schließung einer Mehrzahl von Gaststätten und Bars – oder privaten Raum verlagern könnten, ohne dass die Möglichkeit der Nachverfolgung der Kontakte bestünde. Ein solches Ausweichverhalten mag zwar unter Umständen zu erwarten sein, die Kontakte insgesamt werden aber durch die Festsetzung der Sperrzeit jedenfalls reduziert, schon aus dem Grund, weil es sich bei Treffen im öffentlichen Raum – insbesondere vor dem Hintergrund sinkender Außentemperaturen – nicht um eine gleichwertige Alternative handelt. Zudem sind auch für private Zusammenkünfte Einschränkungen vorgesehen. Soweit die Allgemeinverfügung vom 15.10.2020 solche noch selbst enthielt (Ziffer 2 lit. a der Allgemeinverfügung: Teilnehmerbegrenzung für Privatveranstaltungen in geschlossenen Räumen auf insgesamt maximal zehn Personen, wobei die Teilnehmenden bei Veranstaltungen in privaten Räumen aus höchstens zwei unterschiedlichen Haushalten stammen dürfen), untersagt nunmehr bereits § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 3 Nr. 1 CoronaVO (in der ab dem 19.10.2020 gültigen Fassung) grundsätzlich private Ansammlungen von mehr als zehn Personen bzw. private Veranstaltungen mit über zehn Teilnehmenden. Darüber hinaus kann die Sperrzeit – mehr als dies die Einschränkung privater Treffen könnte – die Begegnungen unbekannter Personen bzw. solcher aus zahlreichen unterschiedlichen Hausständen verringern, mögen diese auch in Gaststätten und öffentlichen Vergnügungsstätten unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregelungen stattfinden – woran hier im Übrigen angesichts der Darlegung der Antragsgegnerin zu vorgenommenen Kontrollen gewisse Zweifel bestehen –, da letztere den Kontakt mit Aerosolausstößen nicht vollständig verhindern können.

(4) Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 – 1 S 3156/20 –, juris Rn. 32).

Die Regelung dient mit dem Schutz von Leben und Gesundheit einem hochrangigen Schutzgut, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Infektionslage ist zuletzt deutlich gestiegen (vgl. dazu auch VG Frankfurt, Beschluss vom 14.10.2020 – 2 L 2667/20.F – Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 14.10.2020) und mit einem weiteren Anstieg kann gerechnet werden. Soweit die Anzahl der neu übermittelten Fälle in Deutschland von etwa Mitte März bis Anfang Juli rückläufig war, werden seit Ende Juli wieder deutlich mehr Fälle übermittelt. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts aktuell ein kontinuierlicher Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Die Dynamik nimmt in fast allen Regionen zu. Es kommt bundesweit zu Ausbruchsgeschehen, darunter insbesondere bei Gruppenveranstaltungen (vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am 23.10.2020]). Für den 22.10.2020 wurden für die Bundesrepublik erneut 11.242 Neuinfektionen gemeldet, nachdem bereits am 21.10.2020 ein neuer Höchststand an 11.287 Neuinfektionen gemeldet worden war (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html [Abruf am 23.10.2020]; https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-robert-koch-institut-meldet-neuen-hoechstwert-von-11-287-infektionen-a-67fb7c58-2743-4b14-88a8-8c1ec9df4e4c [Abruf am 23.10.2020]). Diese Entwicklung des Infektionsgeschehens gilt in besonderem Maße für die Stadt Mannheim. Im Stadtgebiet der Antragsgegnerin wurden bis zum Nachmittag des 22.10.2020 weitere 85 Fälle einer Infektion gemeldet (https://www.mannheim.de/de/presse/231-aktuelle-meldung-zu-corona-21-10-2020). Die 7-Tages-Inzidenz an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern beträgt 93,4 (https://www.mannheim.de/de/informationen-zu-corona/aktuelle-rechtsvorschriften/inzidenzzahl [Abruf am 22.10.2020]).

Bei steigenden Infektionszahlen steht zu befürchten, dass die Gesundheitsämter mit einer Kontaktnachverfolgung nicht mehr nachkommen (andere Infektionslage etwa bei Bay. VGH, Beschluss vom 19.06.2020 – VGH 20 NE 20.1127 –, juris Rn. 42) und das Gesundheitssystem überlastet wird. Belastungsspitzen im Gesundheitswesen gilt es aber zu vermeiden. Zudem soll Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und Impfstoffen gewonnen werden. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am: 23.10.2020]).

Die steigenden Infektionszahlen gaben und geben mithin Anlass, über die bereits bestehenden Einschränkungen hinaus weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus SARS-CoV-2 in Form der streitgegenständlichen Sperrstundenfestsetzung zu ergreifen. Aufgrund des zunehmend diffusen Ausbreitungsgeschehens bedeutet dies, neben den bisher als hauptsächlich angeführten Infektionsquellen wie privaten Feiern oder Altenheimen auch Maßnahmen in weiteren Lebensbereichen zu ergreifen, um Zusammenkünfte von vielen Menschen generell zu beschränken. Durch das rechtzeitige Einführen örtlicher Beschränkungen soll ein Übergreifen der Infektionsdynamik auf ganz Deutschland und damit die Wiedereinführung deutschlandweiter und umfassender Beschränkungen verhindert werden.

Sofern die Anordnung zu diesem Zweck in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 Abs. 1 GG eingreift, steht dies nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen. Die Berufsfreiheit der Antragstellerin ist lediglich auf der Stufe der Berufsausübungsregelung betroffen. Eine Einschränkung der Berufsausübung kann durch jede vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein (siehe bereits oben). Die Beschränkung der Öffnungszeiten auf 23.00 Uhr erweist sich zudem als moderat im Vergleich zu einer vollständigen Schließung gastronomischer Betriebe und Vergnügungsstätten. Die Maßnahme ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach Ziffer 4 der Allgemeinverfügung bis zum 04.01.2021 befristet und damit im Ausgangspunkt auf geraume Zeit angelegt ist. Zudem wird die Sperrzeitregelung nach Ziffer 2 lit. a nach Ziffer 3 lit. b automatisch unwirksam, wenn die sogenannte 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohnern für Mannheim sieben Tage lang ununterbrochen unter dem Wert von 50 liegt. Damit ist eine zeitliche Überprüfung zur weiteren Notwendigkeit der Regelung bereits in der Allgemeinverfügung selbst angelegt.

Etwas anderes ist im konkreten Fall der Antragstellerin auch nicht deshalb anzunehmen, weil diese als reguläre Öffnungszeiten nur Freitag und Samstag von 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr vorgesehen hat. Dass sich die Sperrzeitfestsetzung daher in ihrem Fall wie eine zeitweise Betriebsuntersagung auswirkt, ist nicht in der Allgemeinverfügung selbst angelegt, sondern lediglich mittelbare Folge deren Anwendung auf den Betrieb der Antragstellerin. Dieser bleibt es unbenommen, die Öffnungszeiten an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen und so eine Öffnung ihres Betriebes zu ermöglichen. Soweit sie darauf abstellt, dass ihr Barbetrieb ausschließlich auf die Nacht-Gastronomie abziele, ergibt sich nichts anderes. Ihre Ausführungen, wonach sowohl ein After-Work-Betrieb ab 18.00 Uhr als auch frühere Öffnungszeiten ab 21.00 Uhr oder 22.00 Uhr von den Gästen nicht angenommen worden seien, bleiben pauschal und angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin, die ihren früheren Diskothekenbetrieb Mitte März 2020 eingestellt und erst ab dem 25.09.2020 – d. h. vor weniger als einem Monat – als Barbetrieb wiederaufgenommen hat, wenig aussagekräftig. Die genannten Versuche einer früheren Bewirtung müssen danach – wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Betriebskonzept für den Barbetrieb ergibt (Anlage 2 zum Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15.09.2020 betreffend die Änderung der Erlaubnis nach § 2 GastG vom 04.04.2016) – bereits vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie und als der Betrieb noch als Diskothek erfolgte, stattgefunden haben. In dem Betriebskonzept für den Barbetrieb führt die Antragstellerin aus, dass sie den Betrieb zunächst mit zwei Abenden beginnen wolle und, sofern absehbar sei, dass das Angebot auch unter der Woche angenommen werden könnte, die Öffnungstage gerne ausbauen wolle, z. B. auch als After-Work-Konzept unter der Woche mit einem früheren Start. Insofern bleibt unklar, ob die Gäste nicht auch in der aktuellen Situation und im reinen Barbetrieb eine Bewirtung vor 23.00 Uhr annehmen würden. Im Übrigen dürfte auch die zeitweise Schließung des Betriebs während der Geltung der streitgegenständlichen Sperrzeit dadurch gerechtfertigt sein, dass diese zeitlich durch Ziffer 3 lit. b der Allgemeinverfügung begrenzt nur gilt, solange die festgelegten hohen Inzidenzzahlen für die Antragsgegnerin erreicht werden.

c) Selbst wenn man annähme, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht abschließend beurteilt werden könnte, ob die Einschränkung der Antragstellerin in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG noch als verhältnismäßig anzusehen ist, würde bei der dann gebotenen Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 BvQ 29/20 –, juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.08.2020 – 1 S 2347/20 –, juris Rn. 21) jedenfalls das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegen.

Wenn die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht angeordnet würde, sich nach behördlicher Überprüfung der Festsetzung der Sperrzeit im Widerspruchsverfahren und gegebenenfalls gerichtlicher Überprüfung in einem Klageverfahren jedoch herausstellte, dass die Festsetzung der Sperrzeit wegen einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Antragstellerin in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtswidrig ist, wäre die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Würde demgegenüber die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet und sich später herausstellen, dass die Sperrzeit zurecht angeordnet worden ist, weil die Antragsgegnerin im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG annehmen durfte, dass den zu schützenden Grundrechten der übrigen Bevölkerung – Leben und körperliche Unversehrtheit – im vorliegenden Fall gegenüber der Berufsfreiheit der Antragstellerin der Vorrang zukommt, wären grundrechtlich geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 BvQ 29/20 –, juris Rn. 7 ff.). Bei der Gegenüberstellung dieser Folgen muss das Interesse der Antragstellerin zurücktreten. Denn entsprechend der obigen Ausführungen ist der zu beachtende Schutz der Gesundheit höher zu bewerten als das andererseits zu berücksichtigende gewerbliche Interesse der Antragstellerin (VG Gießen, Beschluss vom 16.10.2020 – 8 L 3558/20.GI –, Pressemitteilung vom 16.10.2020; dahingehend auch Hess. VGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 6 B 2515/20 –, juris Rn. 21).

Da mithin eine Folgenabwägung zum Nachteil der Antragstellerin ausginge, kommt auch aus diesem Grund die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorliegend nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG (in Anlehnung an Ziffer 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen). Im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache geht die Kammer vom vollen Streitwert aus (vgl. Beschluss der Kammer vom 08.02.2019 – 1 K 773/19 –).

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