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Alltagsmaske in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ ein Medizinprodukt?

OLG Hamm – Az.: 4 W 116/20 – Beschluss vom 15.12.2020

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 06.11.2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen des Vertriebs der in der Anlage F1 (Blatt 9-10 der Gerichtsakte) abgebildeten, zur Bedeckung von Mund und Nase geeigneten „Stoffmaske“ und der in der Anlage F2 (Blatt 11-13 der Gerichtsakte) abgebildeten „Mund- und Nasenmaske“ geltend. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, soweit dieser auf den Vertrieb der in der Anlage F2 abgebildeten „Mund- und Nasenmaske“ gestützt ist, stattgegeben, wobei es sich bei der sprachlichen Fassung des Unterlassungsgebotes in Anwendung des § 938 Abs. 1 ZPO einer von dem diesbezüglich in der Antragsschrift gestellten Verfügungsantrag abweichenden Formulierung bedient hat. Im Übrigen, d.h. soweit das Verfahren die in der Anlage F1 abgebildete „Stoffmaske“ betrifft, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen den den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Teil des landgerichtlichen Beschlusses.

II.

Die – form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige – sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, soweit er auf den Vertrieb der in der Anlage F1 abgebildeten „Stoffmaske“ gestützt ist, unbegründet. Es fehlt insoweit an einem Verfügungsanspruch.

1. Der Antragstellerin stehen gegen die Antragsgegnerin keine Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit den Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes (MPG) zu. Bei der verfahrensgegenständlichen „Stoffmaske“ handelt es sich nicht um ein „Medizinprodukt“ im Sinne des MPG. Als Grundlage für die Qualifizierung der hier in Rede stehenden Maske als „Medizinprodukt“ kommt allein die Regelung in § 3 Nr. 1 MPG in Betracht. Hiernach sind „Medizinprodukte“

„alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

Alltagsmaske in Form einer "textilen Mund-Nasen-Bedeckung" ein Medizinprodukt?
(Symbolfoto: Von Nong4/Shutterstock.com)

a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,

b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,

c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder

d) der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.“

Für die Beurteilung, ob ein Produkt – wie für die Einordnung als Medizinprodukt erforderlich – einem medizinischen Zweck dient, kommt es auf die subjektive Bestimmung des Herstellers an, wie sie sich aus den Angaben ergibt, die der angesprochene Verkehr der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder der Werbung entnimmt (BGH, Urteil vom 18.04.2013 – I ZR 53/09 – [Messgerät II] <juris>, Rdnr. 12). Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der hier in Rede stehenden „Stoffmaske“ nicht um ein „Medizinprodukt“ im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG. Die Maske selbst ist nicht mit einem Hinweis auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken versehen. Auch ihre Gestaltung und Aufmachung weisen nicht auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken hin: Die Maske ist mit einer – im Stile einer Comic-Zeichnung gehaltenen – Zeichnung eines geöffneten Mundes mit lückenhaftem Gebiss auf grünem Hintergrund bedruckt, die der angesprochene Verkehr nicht mit einer Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken in Verbindung bringt. Die Verpackung der Maske enthält ebenfalls keinerlei – ausdrückliche oder auch nur konkludente – Hinweise auf eine Verwendbarkeit zu medizinischen Zwecken. Dass die Maske im Einzelhandel möglicherweise zusammen mit medizinisch anmutenden Gesichtsmasken ausgestellt wurde, ist weder dem Hersteller oder Importeur noch der Antragsgegnerin als Großhändlerin zuzurechnen. Im Sprachgebrauch der derzeit geltenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 handelt sich bei der in Rede stehenden Maske um nicht mehr als um eine sogenannte „Alltagsmaske“ in Form einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ (vgl. § 3 Abs. 1 der aktuell geltenden nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung). Dass einer solchen „Alltagsmaske“ nach Auffassung der Wissenschaft, des infektionsschutzrechtlichen Verordnungsgebers und des angesprochenen Verkehrs eine Schutzwirkung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 beigemessen wird – und auf nichts anderes hat die Antragsgegnerin in der vorgerichtlichen Korrespondenz mit der Antragstellerin hingewiesen -, ändert nichts daran, dass sie nach der subjektiven Bestimmung des Herstellers, die nach den oben dargestellten normativen Kriterien zu ermitteln ist, keinem medizinischen Zweck dient. Auch Wasser und Seife werden nicht deshalb zu „Medizinprodukten“, weil regelmäßiges Händewaschen nach allgemeiner Auffassung und Empfehlung der zuständigen Behörden eine Schutzwirkung vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hat. Dass es sich bei „Alltagsmasken“ in Form „textiler Mund-Nasen-Bedeckungen“ nicht um „Medizinprodukte“ handelt, entspricht im Übrigen auch der Auffassung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (vgl. „Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP1, FFP2 und FFP3)“, abgerufen von der Internetseite

https://www.bfarm.de/DE/Service/Presse/Themendossiers/Coronavirus/_node.html“ am 09.12.2020).

2. Der Antragstellerin stehen auch keine Unterlassungsansprüche unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a, § 5, § 5a UWG, § 3 HWG zu. Es bedurfte bei dem Vertrieb der hier in Rede stehenden Stoffmaske insbesondere keiner ausdrücklichen Klarstellung, dass es sich nicht um ein „Medizinprodukt“ oder um ein Produkt einer sonstigen besonders geregelten Produktkategorie handelt. Es ist nicht ersichtlich, wenn nicht sogar abwegig, dass der angesprochene Verkehr die hier konkret in Rede stehende „Alltagsmaske in Form einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ einer unter Verbraucherschutz-, Infektionsschutz-, Gesundheitsschutz- oder Sicherheitsaspekten gesetzlich besonders geregelten Produktkategorie zurechnet. Dementsprechend bedarf es auch keines aufklärenden Hinweises, dass diese Maske keiner derartigen Produktkategorie angehört.

3. Schließlich bestehen auch keine Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit den Bestimmungen des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG). Da bei der Verwendung der Maske zu nicht-medizinischen Zwecken – und nur hierauf kann es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ankommen – keine besonderen Regeln zu beachten sind, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, besteht keine Verpflichtung nach § 3 Abs. 4 ProdSG zur Mitlieferung einer Gebrauchsanleitung. Aufgrund entsprechender Erwägungen ist hier auch die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ProdSG nicht einschlägig.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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