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Altersteilzeitvertrag – Insolvenz des Arbeitsgebers – Masseverbindlichkeit


BAG

Az: 10 AZR 602/03

Urteil vom 23.02.2005


In Sachen hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2005 für Recht erkannt:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. September 2003 – 4 Sa 683/03 – insoweit aufgehoben, als es die Klage im Hauptantrag für Januar 2003 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2003 abgewiesen hat.

2. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. September 2003 – 4 Sa 683/03 – insoweit aufgehoben, als es zum Hilfsantrag des Klägers Zinsen in Höhe von mehr als fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuerkannt hat.

3. Im Übrigen werden die Revisionen beider Parteien zurückgewiesen.

4. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 6. März 2003 – 1 Ca 2930/02 – dahin abgeändert, dass die Zinsen in Ziff. 5a und b des Tenors lediglich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen.

5. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

6. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu 1/6, der Beklagte hat sie zu 5/6 zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die insolvenzrechtliche Behandlung von Ansprüchen des Klägers aus einem zwischen ihm und der Schuldnerin vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Altersteilzeitvertrag.

Nach dem Altersteilzeitvertrag vom 14./21. Februar 2001 sollte der Kläger in der Zeit vom 1. März 2001 bis 28. Februar 2003 mit voller Arbeitszeit arbeiten und anschließend bis 28. Februar 2005 freigestellt werden. Die monatliche Vergütung und die Altersteilzeitleistungen waren vertragsgemäß unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend zu zahlen.

Der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter hat unter dem 26. August 2002 ein Gutachten erstattet und darin unter Hinweis auf § 208 InsO Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Am 1. September 2002 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und zunächst Eigenverwaltung mit dem Beklagten als Sachwalter angeordnet. Im Eröffnungsbeschluss wurde unter Hinweis auf §§ 208, 210, 285 InsO festgestellt, es liege bereits jetzt Masseunzulänglichkeit vor. Der Termin zur Gläubigerversammlung am 22. November 2002 wurde zugleich zum Anhörungstermin zur Verfahrenseinstellung gem. § 211 InsO bestimmt. Durch Beschluss vom 16. Mai 2003 wurde die Anordnung der Eigenverwaltung aufgehoben und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 2. September 2002 hatte die Schuldnerin dem Kläger mitgeteilt, der Altersteilzeitvertrag bleibe von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt, jedoch könnten die Ansprüche daraus nicht befriedigt werden. Der Kläger wurde freigestellt und hat nicht mehr gearbeitet. Eine Kündigung durch die Schuldnerin oder den Beklagten erfolgte nicht.

Der Kläger hat die Schuldnerin auf Zahlung der Vergütung und der Altersteilzeitleistungen für die Monate September 2002 bis Januar 2003 mit der Begründung in Anspruch genommen, es handle sich um Masseverbindlichkeiten. § 210 InsO stehe der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen, weil nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseunzulänglichkeit angezeigt worden sei und im Übrigen auch keine Massearmut vorliege. Bei den Ansprüchen für Januar 2003 handle es sich zudem um Neumasseverbindlichkeiten, weil die Schuldnerin nicht zum erstmöglichen Termin, dem 31. Dezember 2002, gekündigt habe.

Der Kläger hat beantragt,

a) den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Euro 11.701,75 brutto abzüglich eines auf den Nettobetrag anzurechnenden Arbeitslosengeldbetrages in Höhe von Euro 8.463,96 sowie abzüglich eines Pensionskassenbeitragarbeitnehmeranteils in Höhe von Euro 446,60 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002 zu zahlen,

b) den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Euro 3.617,75 netto (Aufstockungsleistung) nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem

1. Dezember 2002 zu zahlen,

c) den Beklagten zu verurteilen, den Beitrag für die Monate September 2002 bis Januar 2003 in Höhe von Euro 893,20 an die B Pensionskasse VVaG zu zahlen,

d) den Beklagten zu verurteilen, an die Einzugsstelle bzw. den Rentenversicherungsträger für die Monate September 2002 bis Januar 2003 den Aufstockungsbeitrag in Höhe von Euro 2.085,10 zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger gegen den Beklagten die Forderungen nach den Ziffern a – d des Hauptantrages als Masseansprüche zustehen.

Diese Ansprüche verfolgt er gegenüber dem Beklagten weiter. Die Schuldnerin und jetzt der Beklagte haben zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, bei den Forderungen des Klägers handle es sich um bloße Insolvenzforderungen, weil der Kläger keine Arbeitsleistung mehr erbracht habe. Jedenfalls hätten die Aufstockungsbeträge Abfindungscharakter und könnten deshalb nicht als Masseverbindlichkeiten eingeordnet werden. Im Übrigen sei im Fall etwaiger Masseverbindlichkeiten eine Zahlungsklage unzulässig, weil die Anzeige der Masseunzulänglichkeit wirksam erfolgt sei. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei de facto nicht möglich gewesen, weil der Kläger nach seinen Sozialdaten höchsten Sozialschutz genieße. Zumindest müsse ausreichend Zeit zur Prüfung der verschiedenen Handlungsoptionen eingeräumt werden. Wegen der nur eingeschränkten Möglichkeit, vor dem Prüfungstermin einen Betrieb stillzulegen, könne eine Kündigung zum 31. Dezember 2002 nicht verlangt werden. Da der Prüfungstermin am 24. April 2003 stattgefunden habe, seien auch die Ansprüche für Januar 2003 keinesfalls als Neumasseverbindlichkeiten einzuordnen.

Das Arbeitsgericht hat der Leistungsklage für Januar 2003 mit reduziertem Zinssatz stattgegeben, für die Monate September bis Dezember 2002 nach dem Hilfsantrag erkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und unter Zurückweisung des Leistungsantrages dem Hilfsantrag stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Hauptantrag weiter. Der Beklagte begehrt mit seiner Revision die weitergehende Abweisung der Klage, soweit das Landesarbeitsgericht Ansprüche gegen die Masse auf Aufstockungsleistungen und Aufstockungsbeiträge sowie auf Zinsen in einer fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz übersteigenden Höhe festgestellt hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Leistungsklage für Januar 2003 wendet, die des Beklagten, soweit das Berufungsgericht Zinsen in einer fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz übersteigenden Höhe zuerkannt hat. Hinsichtlich der Höhe der zuerkannten Zinsen ist auch die Berufung des Beklagten begründet. Im Übrigen sind die Rechtsmittel beider Parteien unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Ansprüche des Klägers seien Masseverbindlichkeiten, obgleich dessen Arbeitsleistung nicht entgegen genommen worden sei. Das gelte auch für die Aufstockungsbeträge, da diese zum Arbeitsentgelt gehörten. Allerdings greife das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO auch für die Ansprüche für Januar 2003. Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO könnten nach dem Gesetzeszweck nur angenommen werden, wenn auch die Gegenleistung zur Masse erbracht werde. Die Masseunzulänglichkeit sei ordnungsgemäß angezeigt worden. Der Beklagte habe sich die im Eröffnungsbeschluss festgestellte Masseunzulänglichkeit zu Eigen gemacht. Wollte man in einem solchen Fall eine erneute Anzeige verlangen, wäre dies eine durch nichts zu rechtfertigende Förmelei.

II. Dem folgt der Senat nur zum Teil.

1. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei den Altersteilzeitleistungen in der Arbeitsphase des Blockmodells nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens um Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelt. Nach § 108 Abs. 1 InsO bleibt das Arbeitsverhältnis auch nach der Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Masse bestehen. Wie sich aus der 2. Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO ergibt, genügt es, wenn der Vertrag nach den insolvenzrechtlichen Regeln mit Erfüllungsverpflichtung zugunsten der Masse erhalten bleibt, auch wenn der Insolvenzverwalter den Vertrag nicht für die Masse „aktiviert“, indem er im Sinn der 1. Alternative von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO „Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt“. In beiden Fällen ist die der Leistungspflicht des Gläubigers entsprechende Gegenleistung aus der Masse zu erbringen (vgl. BAG 19. Oktober 2004 – 9 AZR 645/03 – und – 9 AZR 647/03 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dies zieht im Grundsatz auch der Beklagte nicht mehr in Zweifel.

2. Entgegen der Ansicht des Beklagten gilt dies auch für die Aufstockungsleistungen und Aufstockungsbeiträge zur Rentenversicherung, die mit 3.617,75 Euro und 2.085,10 Euro beziffert sind. Auch diese sind Entgelt iSd. §§ 611 und 612 BGB. Die Aufstockungsbeträge orientieren sich allerdings der Höhe nach rechnerisch nicht allein an der Arbeitsleistung, sondern darüber hinaus auch an dem Ziel, den Lebensstandard des Arbeitnehmers zu sichern. Insofern handelt es sich nicht um Gegenleistungen für die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung. Das ist aber, wie der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits mehrfach entschieden hat (14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – AP ATG § 3 Nr. 9 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 11, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 16. März 2004 – 9 AZR 267/03 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 8; 19. Oktober 2004 – 9 AZR 645/03 – und – 9 AZR 647/03 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), lediglich eine Frage der konkreten Bemessung der Höhe des Entgelts, ändert jedoch nichts an dessen Rechtscharakter als Arbeitsentgelt. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

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3. Masseverbindlichkeiten können grundsätzlich im Wege der Leistungsklage eingefordert werden. Eine Leistungsklage scheidet jedoch dann aus, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) ein Vollstreckungsverbot iSd. § 210 InsO eintritt. Der Klage auf Leistung fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis (BAG 11. Dezember 2001 – 9 AZR 459/00 – AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; BGH 3. April 2003 – IX ZR 101/02 – BGHZ 154, 358; BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – AP InsO § 209 Nr. 3 = EzA InsO § 209 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Masseunzulänglichkeit hat gem. § 208 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter und im Fall angeordneter Eigenverwaltung gem. § 285 InsO der Sachwalter anzuzeigen. Die Anzeige bedarf keiner besonderen Form. Eine Anzeige vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den bloß vorläufigen Insolvenzverwalter kommt aber grundsätzlich nicht in Betracht (Kübler/Prütting/Pape InsO Stand November 2004 § 208 Rn. 2g; MünchKommInsO-Hefermehl § 208 Rn. 37). Auch besitzt das Insolvenzgericht keine Feststellungskompetenz, sondern ist ohne eigene Prüfungsmöglichkeit an die Anzeige des Insolvenzverwalters gebunden (Kübler/Prütting/Pape aaO Rn. 2f; MünchKomm- InsO-Hefermehl aaO Rn. 35). Allerdings wird häufig schon der vorläufige Insolvenzverwalter die Frage der Masseunzulänglichkeit beurteilen können. Dies gilt um so mehr, wenn er wie hier vom Insolvenzgericht mit der Erstattung eines Gutachtens gem. § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO beauftragt wurde. Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter dann bereits in seinem Gutachten Masseunzulänglichkeit iSv. § 208 InsO anzeigt, so kann das Insolvenzgericht für den Fall, dass es den vorläufigen Insolvenzverwalter auch zum Insolvenzverwalter oder Sachwalter bestellt, davon ausgehen, dass er an seiner verfrühten Anzeige auch nach der Eröffnung festhalten und sich diese in seiner nunmehrigen Funktion als Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter zu Eigen machen will. In diesem Ausnahmefall kann das Insolvenzgericht im Nachgang zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Ernennung des Insolvenzverwalters noch im Eröffnungsbeschluss und mit diesem die Anzeige gem. § 208 Abs. 2 InsO öffentlich bekannt machen. Die Anzeige wird dann „eine juristische Sekunde“ nach der Verfahrenseröffnung und der Ernennung mit der Folge des § 210 InsO wirksam. Unter diesen Umständen vom Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter eine nochmalige Anzeige zu verlangen, wäre in der Tat eine unter Berücksichtigung des Zwecks der §§ 208 ff. InsO nicht zu rechtfertigende bloße Förmelei (vgl. auch Mäusezahl ZVI 2003, 617, 618; Kübler/Prütting/Pape aaO Rn. 2f und 2g und – allerdings ohne Begründung – Sächsisches LAG 28. Oktober 2003 – 7 Sa 494/03 – ZInsO 2004, 223).

Ist demnach hier von einer wirksamen Anzeige der Masseunzulänglichkeit auszugehen, ist die Leistungsklage hinsichtlich der Ansprüche für September bis Dezember 2002 von den Vorinstanzen mit Recht als unzulässig abgewiesen worden. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um Masseverbindlichkeiten, die iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind. Vielmehr haben die Ansprüche des Klägers ihren Rechtsgrund bereits im Altersteilzeitvertrag. Auch hat die Schuldnerin (Verwalterin) nicht gem. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Arbeitsleistung des Klägers für die Insolvenzmasse in Anspruch genommen und unstreitig konnte die Schuldnerin dem Kläger frühestens zum 31. Dezember 2002 kündigen (§§ 113, 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Folglich stellen die Ansprüche des Klägers für September bis Dezember 2002 sogenannte Altmasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO dar, für die das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO greift.

4. Demgegenüber erfasst § 210 InsO nach seinem Wortlaut nicht auch sogenannte Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass diese grundsätzlich weiterhin mit der Zahlungsklage zu verfolgen sind (BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1 und 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – AP InsO § 209 Nr. 3 = EzA InsO § 209 Nr. 2, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Bei den Ansprüchen des Klägers für Januar 2003 handelt es sich im Gegensatz zu den Ansprüchen für September bis Dezember 2002 um Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie entstanden nämlich iSv. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte.

a) Sieht man von § 1 KSchG ab, war die Schuldnerin nicht gehindert, das Altersteilzeitverhältnis des Klägers gem. § 113 InsO zum 31. Dezember 2002 zu kündigen. Jedenfalls haben die Schuldnerin bzw. der jetzige Beklagte keine sonstigen rechtlichen Kündigungshindernisse wie §§ 111 ff. BetrVG oder § 85 SGB IX behauptet. Dass auch § 160 InsO nicht entgegensteht, ergibt sich aus § 164 InsO. Den Berichtstermin (§ 156 InsO) darf der Verwalter nicht abwarten. Unter Beachtung des § 158 InsO kann er sogar das Unternehmen insgesamt alsbald nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stilllegen, wenn er dies im Interesse der Erhaltung der Masse für geboten erachtet.

b) Wie der Senat bereits im Urteil vom 31. März 2004 (- 10 AZR 253/03 – AP InsO § 209 Nr. 3 = AP InsO § 209 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden und näher begründet hat, ist § 1 KSchG kein geeigneter Maßstab für den frühest möglichen Zeitpunkt einer Kündigung im massearmen Insolvenzverfahren (aA Adam SAE 2004, 307, 308 f.). Daran hält der Senat fest. Dafür, dass § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO keine Anwendung finden soll, wenn ein Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterfällt (erwogen von Adam aaO), besteht weder in § 209 InsO noch in anderen Vorschriften der InsO ein Anhaltspunkt. Falls der Verwalter sich zu einer Stilllegung des Betriebes entschließt, steht § 1 KSchG einer Kündigung der Arbeitsverhältnisse regelmäßig nicht entgegen. Für Altersteilzeitverhältnisse gilt nichts anderes, wenn diese während der Arbeitsphase beendet werden sollen (zur Freistellungsphase vgl. BAG 5. Dezember 2002 – 2 AZR 571/01 – BAGE 104, 131 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 125 mit Anmerkung Stück = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 125 mit Anmerkung Nicolai). Will der Verwalter einen Betrieb fortführen, kann er zwar gem. § 1 KSchG dort beschäftigten Arbeitnehmern nicht ohne weiteres kündigen. Dies ist aber nur die Folge seines Willens zur Betriebsfortführung und kein originär rechtliches Hindernis (vgl. auch Kübler/Prütting/Pape InsO Stand November 2004 § 209 Rn. 16a). Der Verwalter „kann“ auch dann iSv. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO kündigen, wenn er rechtliche Hindernisse der Kündigung beseitigen kann. Nur in der Zeit, die er für die Beseitigung rechtlicher Hindernisse, etwa die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes, benötigt, ist er an der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gehindert (vgl. BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – AP InsO § 209 Nr. 2 = EzA InsO § 209 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – aaO).

Entschließt sich der Verwalter zu einer eingeschränkten Betriebsfortführung, erwächst ihm in der Regel aus § 1 Abs. 3 KSchG ein Auswahlproblem. § 1 KSchG steht dann zwar einer Entlastung der Masse durch betriebsbedingte Kündigungen im Umfang der beabsichtigten Betriebseinschränkung nicht im Wege. Unter Umständen ist der Verwalter aber, soweit § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG oder § 125 Abs. 1 InsO keine Ausnahmen zulassen, gezwungen, sozial schutzwürdige Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, von denen er sich eigentlich trennen will, und dafür sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer zu entlassen. Andererseits belegt gerade § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass eine soziale Auswahl grundsätzlich auch bei Kündigungen in der Insolvenz stattfinden muss. Die Notwendigkeit der sozialen Auswahl wäre deshalb wohl selbst dann nicht als ein im Rahmen von § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO beachtliches Kündigungshindernis anzuerkennen, wenn sie im Einzelfall dazu führen würde, dass die Masse nicht ganz im selben Umfang entlastet werden könnte, wie wenn den sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gekündigt werden könnte, etwa weil diesen höhere Vergütungsansprüche als den sozial weniger schutzwürdigen vergleichbaren Arbeitnehmern zustehen bzw. weil letztere leistungsfähiger sind, ohne dass dieser Gesichtspunkt im konkreten Fall eine Abweichung von der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten rechtfertigen würde. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, denn der Beklagte hat einen solchen Sachverhalt nicht behauptet.

c) Im Fall des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO bestehen die Vergütungsansprüche für die Zeit nach dem ersten möglichen Kündigungstermin auch dann als Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn der Verwalter die Arbeitsleistung nicht in Anspruch nimmt, sondern die Arbeitnehmer freistellt. Durch die Freistellung erhalten die Vergütungsansprüche nicht den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, wie sich insbesondere aus der Gegenüberstellung von § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO mit § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO entnehmen lässt (vgl. BAG 31. März 2004 – 10 AZR 253/03 – AP InsO § 209 Nr. 3 = EzA InsO § 209 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und hM: Kübler/Prütting/Pape InsO Stand November 2004 § 209 Rn. 16, 16c; FK InsO/Kießner 3. Aufl. § 209 Rn. 36 und Braun/Kießner InsO 2. Aufl. § 209 Rn. 30; MünchKommInsO-Hefermehl § 209 Rn. 32; HK-InsO/Landfermann 3. Aufl. § 209 Rn. 9; Weis in Hess/Weis/Wienberg InsO 2. Aufl. § 209 Rn. 36; Nerlich/Römermann/Westphal InsO Stand Oktober 2004 § 209 Rn. 10; aA Adam SAE 2004, 307, 309 f.; Bertram/Berscheid Juris PraxisReport Arbeitsrecht 2004 Nr. 49 D Fallbeispiel 4.; Smid InsO 2. Aufl. § 209 Rn. 13; Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 209 Rn. 16). Entgegen Adam (aaO) hat dies mit dem sogenannten Arbeitnehmerschutzprinzip nichts zu tun. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO wäre überflüssig, wenn Neumasseverbindlichkeiten in einem Dauerschuldverhältnis nur entstehen sollten, soweit der Verwalter gem. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Gegenleistung in Anspruch nimmt. Die von Uhlenbruck (aaO und Rn. 14) vorgenommene Differenzierung zwischen Arbeitsverhältnissen und sonstigen Dauerschuldverhältnissen ist, wie auch Adam (aaO S. 309) erkennt, vom Wortlaut des § 209 InsO nicht gedeckt. Obgleich der Gesetzgeber an anderer Stelle, zB in §§ 109 ff. und §§ 125 ff. InsO, besondere Vorschriften für bestimmte Arten von Dauerschuldverhältnissen, darunter auch für Arbeitsverhältnisse, vorgesehen hat, hat er in § 209 InsO jegliche Differenzierung nach der Art des Dauerschuldverhältnisses unterlassen.

d) Da der Beklagte weder angezeigt noch geltend gemacht hat, die Masse reiche auch für die Befriedigung der Neumasseverbindlichkeiten iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht aus, bestehen gegen die Zulässigkeit des Leistungsantrages hinsichtlich der Ansprüche für Januar 2003 keine Bedenken.

5. Zinsen kann der Kläger nicht in Höhe von acht Prozentpunkten, sondern nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen. Insoweit kann offen bleiben, ob ein Arbeitnehmer im Hinblick auf seine Arbeitsvertrags- bzw. hier seine Altersteilzeitbeziehung zum Arbeitgeber als Verbraucher iSd. § 13 BGB anzusehen ist (vgl. zum Meinungsstreit ErfK/Preis 5. Aufl. § 611 BGB Rn. 208 mwN). Auch wenn dies zu verneinen wäre, wäre § 288 Abs. 2 BGB einschränkend dahin auszulegen, dass er Ansprüche aus einem Arbeits- bzw. aus einem Altersteilzeitverhältnis nicht erfasst. Mit § 288 BGB nF wollte der Gesetzgeber erklärtermaßen die EU-Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 (Abl. EG Nr. L 200 S. 35) umsetzen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 148). Der höhere Zinssatz sollte also nur bei Rechtsgeschäften im Geschäftsverkehr iSv. Art. 2 der Richtlinie zur Anwendung kommen, dh. bei Geschäftsvorgängen „zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“. Damit ist ein Arbeitsverhältnis bzw. ein Altersteilzeitverhältnis nicht als Rechtsgeschäft iSv. § 288 Abs. 2 BGB anzusehen (so zutreffend LAG Berlin 26. März 2004 – 8 Sa 262/04 – ZTR 2004, 379; für eine einschränkende Auslegung auch Bauer/Kock DB 2002, 42, 46; Bauer/Diller NJW 2002, 1609, 1610; Boemke BB 2002, 96; Berkowsky AuA 2002, 11, 15; Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 288 Rn. 9; Henssler RdA 2002, 129, 135; Joussen NZA 2001, 745, 749; Löwisch NZA 2001, 465, 466; Natzel NZA 2002, 595, 597; Reichold ZTR 2002, 202, 203; Richardi NZA 2002, 1004, 1009; Tschöpe/Pirscher RdA 2004, 358, 367). Der Zinsanspruch des Klägers folgt somit aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wobei die vom Kläger gewählte Berechnung nach einem mittleren Fälligkeitstermin wegen der gleichbleibenden Höhe der monatlichen Ansprüche unbedenklich ist, weil der Basiszinssatz gem. § 247 BGB unverändert blieb. Bei den Ansprüchen für September bis Dezember 2002 ist der mittlere Fälligkeitstermin der 16. November. Mit seiner Anschlussberufung und seiner Revision hat der Kläger allerdings Zinsen erst ab 1. Dezember 2002 verlangt, so dass es dabei zu bleiben hat (§ 528 Satz 2 ZPO).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

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