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Altpapiertonnen – Aufstellung durch privates Entsorgungsunternehmen

Verwaltungsgericht Aachen

Az.: 6 L 252/08

Beschluss vom 17.06.2008


1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführten Klage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 wird insoweit wiederhergestellt, als der Antragsgegner der Antragstellerin untersagt, Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum der Stadt H. vor Grundstücken, deren Eigentümer diese Tonnen bei der Antragstellerin zuvor bestellt haben, zum Zweck der Anlieferung abzustellen.

Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführten Klage gegen die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 enthaltene Androhung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Beschluss:

1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführten Klage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 wird insoweit wiederhergestellt, als der Antragsgegner der Antragstellerin untersagt, Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum der Stadt H. vor Grundstücken, deren Eigentümer diese Tonnen bei der Antragstellerin zuvor bestellt haben, zum Zweck der Anlieferung abzustellen.

Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführten Klage gegen die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 enthaltene Androhung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein Entsorgungsunternehmen. Sie beabsichtigt, im Gebiet der Stadt H. eine gewerbliche Sammlung von Papier, Pappe und Kartonagen durchzuführen. Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 teilte sie dem Antragsgegner mit, dass die Erfassung und Sammlung durch sie am 19. Mai 2008 beginnen werde.

Die Erfassung werde im Wege eines Holsystems durchgeführt. Dabei würden Behältergrößen von 240 l eingesetzt, die auf den betroffenen Grundstücken platziert würden. Dies werde in einem angemessenen Umfang im Stadtgebiet bekannt gemacht. Die eingesammelten Abfälle würden in eine der Papierverwertungsanlagen der Antragstellerin gefahren und dort der Verwertung zugeführt. In der diesbezüglich von der Antragstellerin verbreiteten Informationsbroschüre heißt es, die Antragstellerin bringe die Papier-Tonne direkt vors Haus. Die Papier-Tonne sei für die Haushalte komplett kostenlos. Alle vier Wochen werde sie geleert.

Am 20. Mai 2008 verteilte die Antragstellerin auch ohne ausdrückliche Bestellung Papier-Tonnen im Gebiet der Stadt H. , indem sie vor jedem Haushalt eine solche aufstellte.

Mit Ordnungsverfügung vom 20. Mai 2008 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin ab sofort und für die Zukunft, die öffentlichen Verkehrsflächen im Stadtgebiet der Stadt H. zum Abstellen der Altpapiertonne zu benutzen. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung drohte er der Antragstellerin das Zwangsmittel der Ersatzvornahme an, „d. h. dass (der Antragsgegner) die Tonnen auf Kosten der Antragstellerin entfernen lassen werde“. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, Ermächtigungsgrundlage für seine Verfügung sei § 22 StrWG NRW. Soweit die Antragstellerin am heutigen Nachmittag damit beginne bzw. bereits damit begonnen habe, unaufgefordert Altpapiertonnen auf den Straßen und Gehwegen abzustellen, um die Einwohner dazu zu animieren, diese Tonne auf ihr Grundstück zu nehmen und künftig das Altpapier durch die Antragstellerin abfahren zu lassen, stelle dies eine ungenehmigte Sondernutzung dar. Die Verfügung sei geeignet, erforderlich und angemessen, die Antragstellerin von ihrem Vorhaben abzuhalten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erfolgt, weil die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels zu dem unerträglichen Ergebnis führen würde, dass die Altpapiertonnen in den öffentlichen Verkehrsraum gestellt und eine ungenehmigte Sondernutzung stattfinden würde.

Ebenfalls am 20. Mai 2008 sammelte die Antragstellerin die von ihr im Gebiet der Stadt H. aufgestellten Papier-Tonnen mit Blick auf die Ordnungsverfügung wieder ein.

Am 2. Juni 2008 hat die Antragstellerin um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Am 3. Juni 2008 erhob die Antragstellerin Klage. Diese wird unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführt.

Zur Begründung ihres Eilantrags trägt die Antragstellerin vor, Einwohner, die an der gewerblichen Sammlung hätten teilnehmen wollen, hätten das Abfallgefäß auf ihr Grundstück verbringen können. Geplant sei weiterhin gewesen, am Folgetag, also am 21. Mai 2008, diejenigen Abfallgefäße wieder einzusammeln, die nicht durch Bürger oder Einwohner auf Grundstücke verbracht worden seien. Aufgrund der angefochtenen Ordnungsverfügung sei sie, die Antragstellerin, daran gehindert, die zwischenzeitlich von ca. 150 Einwohnern der Stadt H. bestellten Abfallgefäße auszuliefern. Erfahrungsgemäß werde es nicht möglich sein, die auszuliefernden Papier-Tonnen ohne Ausnahme auf das jeweilige Privatgrundstück zu verbringen. Die Grundstücke seien häufig nicht vom öffentlichen Straßenverkehrsraum aus zugänglich. Für die Antragstellerin sei es mit empfindlichen wirtschaftlichen Folgen verbunden, wenn sie sich darauf verweisen lassen müsse, die Abfallgefäße sukzessive auszuliefern, indem nach und nach Termine mit den einzelnen Kunden abgesprochen werden müssten, um eine Anlieferung des jeweiligen Abfallgefäßes zu ermöglichen. Die eingetretenen Verzögerungen führten bereits jetzt dazu, dass Kunden ihre getätigten Bestellungen widerriefen. In rechtlicher Hinsicht überdehne der Antragsgegner mit seiner Untersagungsverfügung den Rahmen des § 22 StrWG NRW. Zum einen decke diese Ermächtigungsgrundlage eine in die Zukunft gerichtete Untersagungsverfügung nicht ab. Zum anderen untersage sie die Nutzung des öffentlichen Straßenraums auch dort, wo in Wirklichkeit keine Sondernutzung stattfinde. Das Abstellen von Altpapiertonnen auf öffentlichen Verkehrsflächen der Stadt H. durch die Antragstellerin sei nicht stets und ausnahmslos Sondernutzung.

Das Abstellen bestellter Abfallgefäße im öffentlichen Straßenraum sei vielmehr vom Anliegergebrauch umfasst. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1099/08 geführten Klage gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, das Abstellen von – ca. 13.000, wenn die Antragstellerin jedem Haushalt eine Tonne zur Verfügung stellen wolle – Altpapiertonnen auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Stadt H. sei der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung untersagt worden, weil das Abstellen der Tonnen eine unerlaubte Sondernutzung darstelle. Im gesamten Stadtgebiet benötigten die Anlieger für die ordnungsgemäße Benutzbarkeit ihrer Grundstücke keine private Altpapiertonne, da sämtliche Haushalte auch hinsichtlich des Altpapiers an die kommunale Entsorgung angeschlossen seien. Eine Sondernutzung liege ungeachtet des Umstands vor, ob die jeweilige Papier-Tonne bestellt worden sei. Die bereits begonnene Aufstellung von ca. 13.000 Altpapiertonnen habe gedroht, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs massiv zu gefährden und den Fußgängern den Raum zur Benutzung der Gehwege zu nehmen. Dass die Sondernutzung auch für die Zukunft untersagt worden sei, treffe nicht zu. Vielmehr dienten die die Zukunft betreffenden Ausführungen dazu, die rechtliche Situation darzustellen und darüber zu informieren, dass eine solche Nutzung des öffentlichen Straßenraumes ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis auch zukünftig rechtswidrig sei. Die Verfügung sei somit keineswegs eine präventive Maßnahme, da die Störung schon eingetreten sei und der Antragsgegner insbesondere gegen die bereits begonnene ungenehmigte Sondernutzung (durch das unaufgeforderte Aufstellen der Tonnen) vorgegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von dem Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen. Bezug genommen wird außerdem auf den Inhalt der Gerichtsakte 6 K 1099/08.

II.

Der Antrag ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der im Streit befindlichen Untersagungsverfügung ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.

Insbesondere entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, demzufolge das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist.

Erforderlich ist dabei eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 80 Rn. 85.

Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner genügt. Er hat mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels zu dem unerträglichen Ergebnis führen würde, dass die Altpapiertonnen der Antragstellerin in den öffentlichen Verkehrsraum gestellt würden und eine ungenehmigte Sondernutzung stattfände.

Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt sodann teilweise zugunsten der Antragstellerin aus, soweit der Antragsgegner ihr auch das Abstellen von Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum der Stadt H. vor Grundstücken, deren Eigentümer diese Tonnen bei der Antragstellerin zuvor bestellt haben, zum Zweck der Anlieferung untersagt. Soweit die Untersagung das Aufstellen von nicht bestellten Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor Grundstücken betrifft, um deren Eigentümer als Kunden der Antragstellerin zu gewinnen, fällt die Interessenabwägung hingegen zuungunsten der Antragstellerin aus. Ebenfalls überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin schließlich hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung vom 20. Mai 2008 enthaltenen Androhung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme.

Maßgebliches Kriterium innerhalb der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.

Gemessen an diesem Maßstab überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse in dem oben genannten Umfang.

Im Übrigen überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

Klargestellt sei, dass die streitgegenständliche Untersagungsverfügung entgegen der in seiner Antragserwiderung vom 4. Juni 2008 geäußerten Auffassung des Antragsgegners nach ihrem unter entsprechender Heranziehung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden objektiven Erklärungswert das Aufstellen von Altpapiertonnen durch die Antragstellerin im Stadtgebiet der Stadt H. auch für die Zukunft untersagt. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Tenors („ab sofort und für die Zukunft“) der Verfügung. Dieser lässt sich nicht als eine bloße Darstellung der rechtlichen Situation bzw. als rechtlicher Hinweis ansehen.

Darüber hinaus betrifft die Untersagung nach dem Entscheidungsausspruch der Verfügung und der Antragserwiderung jegliches Aufstellen von Altpapiertonnen durch die Antragstellerin auf öffentlichen Verkehrsflächen im Gebiet der Stadt H. .

Untersagt ist damit sowohl das Aufstellen von nicht bestellten Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor Grundstücken, um deren Eigentümer als Kunden der Antragstellerin zu gewinnen, als auch das Abstellen von Altpapiertonnen vor Grundstücken, deren Eigentümer diese bei der Antragstellerin zuvor bestellt haben, zum Zweck der Anlieferung.

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Mit diesem Inhalt ist die Untersagungsverfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit insoweit rechtswidrig, als der Antragstellerin auch das Abstellen von Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor Grundstücken, deren Eigentümer diese bei der Antragstellerin zuvor bestellt haben – also zum Zweck der Anlieferung -, untersagt wird.

Als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung kommt allein § 22 Satz 1 StrWG NRW in Betracht.

Nach dieser Vorschrift kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist Sondernutzung die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus unbeschadet des § 14 a Abs. 1 StrWG NRW. Was Gemeingebrauch ist, definiert § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW, was Straßenanliegergebrauch ist, § 14 a Abs. 1 StrWG NRW: Gemeingebrauch ist der jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattete Gebrauch der öffentlichen Straße. Im Rahmen des Straßenanliegergebrauchs dürfen Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind, innerhalb der geschlossenen Ortslage die an die Grundstücke angrenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift.

Daran anschließend liegt eine Sondernutzung vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen – etwa gewerblichen – Zwecken benutzt wird.

Vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Auflage 1999, Kapitel 24 Rn. 21.4 und Rn. 95 ff.; Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 585.

Das gilt auch dann, wenn die Beanspruchung des Straßenraums zur gewerblichen Betätigung möglicherweise nur wenig Platz und nur wenige Minuten in Anspruch genommen hat. Auch die kurzfristige gewerbliche Tätigkeit im Straßenraum nur auf einer kleinen Fläche stellt eine den Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzung dar.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Juni 1997 – 23 A 3171/95 -, juris Rn. 19 f. und Beschluss vom 21. Oktober 1996 – 23 B 2966/95 -, juris Rn. 16.

So ist z. B. das Aufstellen von Altkleidersammelcontainern auf und an öffentlichen Straßen eine straßenrechtliche Sondernutzung.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Juli 1999 – 23 B 334/99 -, NWVBl. 2000 = NVwZ-RR 2000, 429 = juris Rn. 11 ff. und vom 30. Oktober 1996 – 23 B 2398/96 -, NWVBl. 1997, 269 = NVwZ- RR 1997, 384 = juris Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 – 8 B 03.3360 -, UPR 2006, 317 = juris Rn. 19.

Nicht dem Bereich der Sondernutzung, sondern demjenigen des Anliegergebrauchs im Sinne des § 14 a Abs. 1 StrWG NRW zuzuordnen ist demgegenüber das Aufstellen von Abfallbehältern auf dem Gehweg vor dem Grundstück zum Zwecke des Einsammelns der Abfälle, wenn dazu eine abfallrechtliche Verpflichtung besteht. Die sich hieraus kurzfristig ergebenden Behinderungen für den Fußgänger– bzw. Radfahrverkehr sind hinzunehmen.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 8. April 1992 – 4 B 88.933 -, NVwZ 1993, 392 = juris Rn. 13; VG München, Urteil vom 16. Dezember 2004 – M 10 K 04.3430 -, juris Rn. 25; Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 620.

Gleichfalls als Anliegergebrauch zu betrachten ist die vorübergehende Inanspruchnahme des Straßengrundstücks zum Lagern von angelieferten Waren.

Dieses ist keine Mitbenutzung der Straße, sondern ein Vorgang im Zusammenhang von Zufahrt und Zugang; denn zu diesen gehört nicht nur das Überqueren der Grenze zum Anliegergrundstück durch Personen oder Fahrzeuge, sondern auch das Verbringen von Gegenständen im Rahmen des Üblichen.

Vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1956 – V ZR 181/55 -, NJW 1957, 457, 458; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Auflage 1999, Kapitel 25 Rn. 96 und Rn. 104.

Werden allerdings Waren im Straßenraum zum Verkauf oder zur Werbung ausgestellt, handelt es sich dabei wiederum um Sondernutzung.

Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 1989, § 14 a Rn. 14 f. und § 18 Rn. 40; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Auflage 1999, Kapitel 24 Rn. 96.2.

Innerhalb dieses Rahmens ist das Abstellen zuvor bestellter Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor den Grundstücken der Besteller zum Zweck der Anlieferung als erlaubnisfreier Anliegergebrauch und noch nicht als gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW erlaubnispflichtige Sondernutzung zu qualifizieren, weshalb die Voraussetzungen des § 22 Satz 1 StrWG NRW diesbezüglich nicht erfüllt sind. Es handelt sich dabei um eine nur vorübergehende, kurzzeitige Inanspruchnahme der öffentlichen Straße, die sich von dem Bereitstellen von Abfallbehältern auf dem Gehweg zwecks deren Entleerung – zu dem auch in der Stadt H. gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt H. vom 13. Dezember 2000 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 12. Dezember 2002, vom 7. Mai 2003 und vom 1. August 2006 eine Pflicht besteht und das ohne Weiteres als Anliegerbrauch einzuordnen ist – nicht unterscheidet. Dass zuvor bestellte und sodann angelieferte Abfallgefäße ohne ausdrückliche Terminabsprache auf der Straße vor dem Grundstück des Bestellers abgestellt werden, der diese dann auf sein Grundstück verbringt, dürfte im Übrigen auch losgelöst von dem zu entscheidenden Fall gängige Praxis sein.

Im Unterschied dazu ist die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 allerdings voraussichtlich rechtmäßig, soweit der Antragstellerin untersagt wird, nicht bestellte Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum der Stadt H. vor Grundstücken aufzustellen, um deren Eigentümer als Kunden zu gewinnen.

Die Voraussetzungen des § 22 Satz 1 StrWG NRW sind in dieser Hinsicht gegeben, weil dieses – nicht von einer Erlaubnis gedeckte – Aufstellen die Begriffsmerkmale einer Sondernutzung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG erfüllt. Die Antragstellerin benutzt die Straße dabei in erheblichem Umfang zu Werbe- und nicht zu Verkehrszwecken, ohne dass insoweit ein Anliegergebrauch als gegeben angesehen werden könnte.

Der gerade in Rede stehende Teil der Untersagung lässt sich auch auf der Rechtsfolgenseite auf § 22 Satz 1 StrWG NRW stützen.

Der Antragsgegner überdehnt den Anwendungsbereich dieser Anordnungsbefugnis nicht, indem er auf ihrer Grundlage eine drohende unerlaubte Sondernutzung – bei objektiver Betrachtung – auch für die Zukunft unterbinden will.

Die Ermächtigung des § 22 Satz 1 StrWG NRW umfasst auch das Recht der Straßenbaubehörde, die rechtswidrige Nutzung der Straße zu untersagen. Dieses Recht zur Untersagung illegaler Straßenbenutzung schließt nach dem Sinn und Zweck der Norm – mag auch ihr Wortlaut eine andere Lesart als möglich erscheinen lassen – die Befugnis zum – wie hier – Erlass von Unterlassungsverfügungen ein. Denn auch dann, wenn eine unerlaubte Sondernutzung nicht fortlaufend, sondern in unregelmäßigen Zeitabständen und jeweils nur kurzfristig, aber jedenfalls wiederholt ausgeübt wird und wenn eine Fortsetzung der unerlaubten Tätigkeit zu erwarten ist, besteht für die Straßenbaubehörde das Bedürfnis, zur Verhinderung einer weiteren illegalen Sondernutzung geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Da die Behörde nicht ununterbrochen das gesamte öffentliche Straßennetz ihres Zuständigkeitsbereichs auf nur kurzfristige Ausübungen der Sondernutzung kontrollieren kann, um dagegen jeweils aktuell mit der Anordnung, die gerade ausgeübte Sondernutzung zu beenden, einschreiten zu können, ist sie berechtigt, mit einer zwangsmittelbewehrten Unterlassungsverfügung gegen eine mit Sicherheit zu erwartende weitere illegale Sondernutzung vorzugehen. Anders wäre in diesen Fällen keine effektive „Beendigung“ unerlaubter Sondernutzungen möglich.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 1996 – 23 B 2966/95 -, juris Rn. 23; VGH B.-W., Urteil vom 31. Januar 2002 – 5 S 3057/99 -, NVwZ-RR 2003, 238 = juris; Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 747; anderer Ansicht wohl BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 – 8 B 03.3360 -, UPR 2006, 317 = juris Rn. 15 ff. zu der allerdings etwas anders als § 22 Satz 1 StrWG NRW formulierten Eingriffsgrundlage des § 18 a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, was zur Anwendung der ordnungsbehördlichen Generalklausel führte.

Die Untersagungsverfügung leidet, soweit sie das Abstellen nicht bestellter Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor Grundstücken, um deren Eigentümer als Kunden der Antragstellerin zu gewinnen, untersagt, nicht an einem Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO.

Die Ermessensentscheidung ist allein schon mit dem Hinweis auf die formelle Illegalität der Tätigkeit ohne die dafür erforderliche Sondernutzungserlaubnis, rechtmäßig, wenn der Sondernutzer keinen offensichtlichen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis hat, der die Berufung des Antragsgegners auf das Fehlen dieser Erlaubnis ausschließen könnte. Die Straßenbaubehörde ist aufgrund der im Vordergrund stehenden formellen Illegalität des Verhaltens des Sondernutzers im Regelfall nicht zu weiteren Darlegungen verpflichtet.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 – 23 B 2398/96 -, NWVBl. 1997, 269 = NVwZ-RR 1997, 384 = juris Rn. 16 und vom 21. Oktober 1996 – 23 B 2966/95 -, juris Rn. 27.

Davon ausgehend ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich, weil das Abstellen nicht bestellter Altpapiertonnen im öffentlichen Straßenraum vor Grundstücken, um deren Eigentümer als Kunden der Antragstellerin zu gewinnen, – wie dargelegt – derzeit formell illegal ist und nicht erkennbar ist, dass die Antragstellerin einen diesbezüglichen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aus § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW haben könnte.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2006 – 11 A 2642/04 -, NWVBl. 2007, 64 = juris Rn. 21; VG Aachen, Beschluss vom 30. April 2008 – 6 L 176/08 -, juris Rn. 22 ff.

Der gerade in Rede stehende Teil der Untersagung ist überdies erforderlich, weil die Antragstellerin es sich augenscheinlich vorbehält, gegebenenfalls erneut durch das Aufstellen von Altpapiertonnen auf den öffentlichen Straßen der Stadt H. um Kunden zu werben.

Angemerkt sei, dass auch eine allgemeine Interessenabwägung schon wegen der formellen Illegalität der Tätigkeit der Antragstellerin ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der streitigen Ordnungsverfügung ergäbe, soweit sie das Aufstellen von Altpapiertonnen auf der öffentlichen Straße zur Kundenwerbung anbetrifft. Denn von der Antragstellerin wird insofern lediglich die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen – keine Ausübung einer unerlaubten Sondernutzung – verlangt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 – 23 B 2398/96 -, NWVBl. 1997, 269 = NVwZ-RR 1997, 384 = juris Rn. 20 und vom 21. Oktober 1996 – 23 B 2966/95 -, juris Rn. 31.

Der teilweisen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 steht nicht entgegen, dass der von der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung umfasste Verfügungsteil im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW zu unbestimmt wäre.

Ein Verwaltungsakt muss hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein. Der Entscheidungsinhalt muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und den Adressaten in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 37 Rn. 12.

Dies ist hier der Fall. Denn die Antragstellerin weiß, welche bestellten Altpapiertonnen zum Zwecke der Anlieferung auf der Straße abgestellt werden und welche Altpapiertonnen dort zum Zwecke der Kundenwerbung abgestellt werden.

Dass es sich um eine angelieferte bestellte Tonne handelt, kann die Antragstellerin etwa durch die Anbringung eines gut sichtbaren Aufklebers auf der Tonne, der zugleich der Vermeidung einer Verwechslung der einem bestimmten Grundstück zugeordneten Altpapiertonnen dient, kenntlich machen.

Schließlich ist die Androhung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Mai 2008 voraussichtlich rechtswidrig, weil es sich bei der Ersatzvornahme in der vorliegenden Fallgestaltung um ein untunliches Zwangsmittel handelt.

Die Androhung einer Ersatzvornahme im Sinne des § 59 Abs. 1 VwVG NRW kommt nur zur Durchsetzung der Verpflichtung in Betracht, eine Handlung – also ein positives Tun – vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung). Dulden und Unterlassen sind dagegen stets unvertretbare Handlungen.

Vgl. Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 4. Auflage 1996, § 10 VwVG Anm. 2.

Vorliegend gibt der Antragsgegner der Antragstellerin jedoch nicht auf, eine Handlung vorzunehmen, sondern er fordert sie mit der Untersagung, die öffentlichen Verkehrsflächen im Stadtgebiet der Stadt H. zum Abstellen von Altpapiertonnen zu benutzen, zu einem Unterlassen auf. Dass die Antragstellerin im öffentlichen Straßenraum befindliche Altpapiertonnen entfernen soll, hat der Antragsgegner nicht angeordnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Sie berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG, von dem mangels Angaben der Antragstellerin zur wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für sie derzeit auszugehen ist, regelmäßig lediglich zur Hälfte angesetzt wird.

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