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Was ist ein „anderer Straßenteil“ im Sinne der StVO?


Anfahren 

Zusammenfassung:

§ 10 StVO sieht vor, dass sich derjenige, der von einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn einfahren will, sich so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Frage, was ein „anderer Straßenteil“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung ist, beantwortet das OLG Saarbrücken im anliegenden Beschluss.


Oberlandesgericht Saarbrücken

Az: 4 U 21/14

Urteil vom 27.11.2014


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.10.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (4 O 356/12) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

„1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.651,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 273,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner jeweils zu 50 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 04.05.2012 in S. ereignete und an dem die Klägerin mit ihrem Pkw Nissan (amtl. Kennz: …-…-…) sowie die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw BMW (amtl. Kennz.: …-X-…) beteiligt waren.

Gestützt auf die Lichtbilder (Bl. 5 d. BA des Landesverwaltungsamts Az.: 320003889) hat die Klägerin die Meinung vertreten, dass die Beklagte zu 1) das sich aus der Regel „rechts vor links“ ergebende Vorfahrtsrecht der Klägerin verletzt habe. Die von der Klägerin benutzte Einmündung, die zu den Anwesen N. 1 und 2 führe, sei gewidmet und sei auch straßenmäßig ausgebaut, so dass es sich nicht um eine Grundstücksausfahrt, sondern um eine ausgebaute Straße handle. Auch die Straßenverkehrsbehörde sei davon ausgegangen, dass der Klägerin das Vorfahrtsrecht zugestanden habe.

Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, habe sie, die Klägerin, alles getan, um einen Unfall zu vermeiden. Sie sei vorsichtig an die Einmündung herangefahren und habe sich in die Fahrbahn hineingetastet. Da ihre Sicht nach links durch eine damals nicht zurückgeschnittene Hecke behindert gewesen sei, sei sie, die Klägerin, schrittweise in die kreuzende Fahrbahn hineingefahren, während die Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit an die Unfallstelle herangefahren sei. Zudem habe die Beklagte zu 1) an der Unfallstelle eingeräumt, dass sie noch beschleunigt habe. Die Beklagte zu 1) habe sich auch nicht auf ein ihr vermeintlich zustehendes Vorfahrtsrecht verlassen dürfen.

Ihr, der Klägerin, seien folgende Schäden entstanden:

Reparaturkosten netto laut Gutachten: 4.451,42 Euro

Sachverständigenkosten laut Rechnung (Bl. 25 d. A.): 825,27 Euro

Unkostenpauschale: 26,00 Euro

Summe: 5.302,69 Euro

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.302,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2012 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Klägerin sei aus einer Grundstücksausfahrt in die N.-straße eingefahren, weshalb die Klägerin auch das Vorfahrtsrecht der Beklagten zu 1) hätte beachten müssen. Der von der Klägerin befahrene Weg ermögliche keinen Durchgangsverkehr, die geteerte Fläche führe lediglich zu 2 Gebäuden und zugehörigen Parkplätzen. Der Bereich sei nicht als Straße gewidmet und führe denselben Namen wie die von der Beklagten zu 1) befahrene Straße. Auch die Gestaltung des Einmündungsbereichs widerspreche der Bejahung des Charakters einer Straße.

Die Klägerin sei auch nicht vorsichtig in den Einmündungsbereich hineingefahren, sondern sei, ohne anzuhalten, aus dem Einfahrtsbereich in die Straße eingefahren. Dort habe die Klägerin das Fahrzeug der Beklagten zu 1) im Bereich der linken hinteren Tür in deren Übergang zum Radkasten getroffen.

Die Sachverständigenkosten seien hinsichtlich der abgerechneten Nebenkosten überhöht. Auch die Üblichkeit des abgerechneten Grundhonorars werde bestritten.

Mit dem am 31.10.2013 verkündeten Urteil (Bl. 181 d. A.) hat das Landgericht – nach Beweisaufnahme durch Einnahme des Augenscheins von der Unfallörtlichkeit (Bl. 115 d. A.) sowie Einholung eines schriftlichen verkehrstechnischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. P. vom 11.06.2013 (Bl. 133 d. A.) nebst ergänzender mündlicher Anhörung vom 30.09.2013 (Bl. 177 d. A.) – die Klage abgewiesen.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin in dem Umfang Berufung eingelegt, in dem ihr PKH bewilligt wurde (Bl. 229 d. A.).

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche mindestens zur Hälfte zu (Bl. 245 d. A.).

Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass an der Unfallstelle zu Gunsten der Klägerin nicht „rechts vor links“ gegolten habe (Bl. 245 d. A.). Selbst wenn man hiervon ausgehe, so sei, worauf im PKH-Beschluss des Senats hingewiesen worden sei, eine vollständige Klageabweisung nicht nachvollziehbar (Bl. 246 d. A.).

Zum Unfallzeitpunkt sei die Sicht für die Klägerin durch eine Hecke an der Unfallstelle erheblich eingeschränkt gewesen. Sie, die Klägerin, habe das ihr Mögliche getan, um eine Kollision zu verhindern. Sie habe sich insbesondere auf Grund der beschränkten Sicht ganz vorsichtig und behutsam in die Kreuzung hineingetastet, bis sie freien Blick in die Straße gehabt habe (Bl. 246 d. A.).

Der Sachverständige Dr. P. habe bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bestätigt, dass die Klägerin etwas weiter habe vorfahren müssen, um überhaupt einen Einblick in die Straße zu bekommen. Das Sachverständigengutachten attestiere der Klägerin eine Geschwindigkeit von 7 – 11 km/h. Daher könne nicht mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit einer deutlich über der Schrittgeschwindigkeit liegenden Geschwindigkeit von mindestens 7 km/h gefahren sei. Die Schrittgeschwindigkeit sei zwar nicht allgemein definiert, sie liege aber nach der Rechtsprechung bei 4 – 7 km/h (Bl. 246 d. A.).

Sie, die Klägerin, sei daher mit oder mit annähernder Schrittgeschwindigkeit an die Unfallstelle herangefahren. Sie sei nicht einfach aus der Straße herausgefahren, sondern habe sich mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit in die Straße hineingetastet, was wegen der Sichtbehinderung durch die Hecke erfolgt sei (Bl. 246 d. A.).

Darüber hinaus habe das Fahrzeug der Klägerin nur wenige Zentimeter in die Fahrspur der Beklagten hineingeragt (Bl. 247 d. A.).

Die Beklagte zu 1) treffe ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall, da sie als Vorfahrtsberechtigte habe davon ausgehen müssen, dass ihr Vorfahrtsrecht auf Grund der örtlichen Gegebenheiten möglicherweise nicht erkannt werde. Sie sei daher zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet gewesen und habe ihre Fahrweise auf eine mögliche Missachtung ihres Vorfahrtsrechts ausrichten müssen. Die Beklagte zu 1) habe auf Grund der auch für sie deutlich erkennbaren Hecke an der Einmündung davon ausgehen müssen, dass ein aus der Straße herausfahrender Verkehrsteilnehmer habe etwas weiter in die eigene Fahrspur hineinfahren müssen, um überhaupt einen einigermaßen freien Blick in die von der Beklagten zu 1) befahrene Straße zu bekommen und abschätzen zu können, ob ein Einfahren in die Kreuzung gefahrlos möglich sei (Bl. 247 d. A.).

Die Beklagte zu 1) sei jedoch mit ungeminderter Geschwindigkeit von 30 km/h laut Gutachten und eigenen Angaben auf die Einmündung zugefahren (Bl. 247 d. A.).

Es sei auch durch die vorgelegten Lichtbilder widerlegt, dass die Beklagte zu 1) mittig auf der Straße gefahren sei, denn das klägerische Fahrzeug habe lediglich wenige Zentimeter in die Fahrspur der Beklagten zu 1) hineingeragt (Bl. 247 d. A.).

Sämtliche Anwohner im streitgegenständlichen Gebiet sowie die zuständige Straßenverkehrsbehörde seien davon ausgegangen, dass an der vorliegenden Kreuzung „rechts vor links“ gelte. Selbst die Polizei sei über die vor Ort geltende Vorfahrtregelung uneins. Daher hätte die Beklagte zu 1) auf Grund der örtlichen Gegebenheiten zumindest Zweifel an ihrer vermeintlichen Bevorrechtigung haben müssen (Bl. 247 d. A.).

Nach der Rechtsprechung des Senats dürfe der Vorfahrtberechtigte bei einer unklaren oder zumindest zweifelhaften Vorfahrtregelung nicht auf seine Vorfahrt um jeden Preis vertrauen (Bl. 248 d. A.). Dies gelte gerade dann, wenn man davon ausgehe, dass die Beklagte zu 1) die Klägerin erst ca. 1,00 m bis 1,50 m vor dem Erreichen der Rinne habe sehen können (Bl. 279 d. A.). Da sie in diesem Fall vor dem Erreichen dieser Stelle auch nicht habe erkennen können, ob es sich um eine Grundstücksausfahrt oder eine vorfahrtberechtigte Seitenstraße handle, hätte sie nicht mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfahren oder, wie sie selbst ausgeführt habe, sogar die Geschwindigkeit erhöhen dürfen (Bl. 280 d. A.).

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Bei der von der Klägerin zum Unfallzeitpunkt befahrenen Verkehrsfläche habe es sich nicht um eine Grundstücksausfahrt oder einen „anderen Straßenteil“ i. S. d. § 10 StVO gehandelt, sondern um eine gewöhnliche Straße, bei der die Regelung „rechts vor links“ gelte. Dabei komme es auf äußere, jedem erkennbare Merkmale an, die vorliegend eindeutig für eine normale Straße sprächen. Zu berücksichtigen sei zum einen, dass an der Unfallstelle kein abgesenkter Bordstein gegeben sei, was die Nichteinordnung als Grundstücksein- und -ausfahrt annehmen lasse. Links und rechts von der Einmündung befinde sich ein Bürgersteig mit normalem Bordstein, der auf der gesamten Länge der Einmündung unterbrochen sei. Zum anderen könne man aus Sicht der Beklagten zu 1) das am Beginn der Straße stehende Straßenschild erkennen, bevor man den dort vermerkten Straßennamen sehe. Die Straße, aus der die Klägerin herausgefahren sei, sei auch als öffentliche Straße gewidmet, was das dort seitens der Straßenverkehrsbehörde aufgestellte Sackgassenschild belege, das für sich nähernde Verkehrsteilnehmer bereits einige Meter vor der Einmündung deutlich erkennbar sei (Bl. 248 f d. A.).

Daher stelle sich der streitgegenständliche Bereich aus der Sicht eines diesen befahrenden objektiven Verkehrsteilnehmers als ganz normale Straße dar, wie sie in einem reinen Wohngebiet zu erwarten sei. Sowohl die Straßenverkehrsbehörde als auch sämtliche Anwohner seien von einer Einordnung als normale Straße ausgegangen. So habe der Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde, Herr H., der Sachbearbeiterin der klägerischen Haftpflichtversicherung bestätigt, dass an der Unfallstelle die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ gelte (Bl. 249 d. A.).

Somit sei die Beklagte zu 1) an der Unfallstelle wartepflichtig gewesen, habe jedoch die Vorfahrt der Klägerin nicht beachtet (Bl. 249 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.651,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.07.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 273,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise:

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin sei im Kreuzungsbereich gemäß § 10 StVO wartepflichtig gewesen (Bl. 256 u. 274 d. A.). Es handle sich nicht um eine Kreuzung, sondern um eine Einfahrt aus einem Grundstück in den fließenden Verkehr. Unstreitig sei die Grundstücksausfahrt durch den zum Unfallzeitpunkt vorhandenen umfangreichen Bewuchs, der auch durch Lichtbilder in der Ermittlungsakte nachgewiesen sei, versperrt, so dass die Beklagte zu 1) bereits deshalb das Fahrzeug der Klägerin nicht habe rechtzeitig wahrnehmen und rechtzeitig reagieren können, obwohl sie die dort vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten habe (Bl. 256 u. 275 d. A.).

Umgekehrt habe die Klägerin den Bewuchs, den die Klägerin einräume, ebenfalls erkennen müssen und deshalb nicht in einem Zug aus der Grundstückseinfahrt herausfahren dürfen, so dass es zu einer Kollision mit einer Geschwindigkeit von mindestens 7 km/h gekommen sei. Die Klägerin habe sich nicht ganz vorsichtig und behutsam in die Kreuzung bzw. Straße hineingetastet, bis sie freien Blick auf die Straße gehabt habe. Der Sachverständige Dr. P. habe eine Kollisionsgeschwindigkeit von 7 – 11 km/h festgestellt, die ausschließlich auf die grob fahrlässige Unaufmerksamkeit der Klägerin selbst zurückzuführen sei. Bei dieser Geschwindigkeit sei es der Beklagten zu 1) schlechterdings nicht möglich gewesen, die Kollision zu vermeiden, obwohl sie noch versucht habe, auszuweichen. Die Klägerin sei einfach in die vorfahrtberechtigte Fahrbahn hinein weitergefahren. Bl. 275 d. A.).

Es komme nicht auf die Definition der Schrittgeschwindigkeit an, denn die Klägerin hätte so fahren müssen, dass sie jederzeit hätte anhalten können, was sie nicht getan habe (Bl. 275 d. A.).

Die Klägerin sei nach den sachverständigen Feststellungen mit einer deutlich über der Schrittgeschwindigkeit liegenden Geschwindigkeit von mindestens 7 km/h in den fließenden Verkehr aus der Grundstückseinfahrt eingefahren, obwohl sie durch den Pflanzenbewuchs eingeschränkte Sicht in Richtung des vorfahrtsberechtigten Verkehrs gehabt habe (Bl. 257 u. 274 f d. A.).

Es sei ferner nicht auf Grund der Sichtbehinderung erforderlich gewesen, leicht in die Straße hinein zu fahren (Bl. 276 d. A.).

Die Beklagte zu 1) habe außerdem auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht damit rechnen müssen, dass ihr Vorfahrtsrecht möglicherweise nicht erkannt werden würde (Bl. 256 d. A.).

Im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG könne ein Mitverschulden der Beklagten zu 1) nicht angenommen werden, denn diese habe gerade nicht davon ausgehen müssen, dass ein Fahrzeug von einer Grundstücksausfahrt kommend in einem Zug in ihren vorfahrtberechtigten Pkw hineinfahren würde. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Kollision mit dem Pkw der Beklagten zu 1) seitlich erfolgt sei, was sich aus dem Gutachten Dr. P. ergebe (Bl. 276 d. A.).

Die Beklagte zu 1) habe nicht damit rechnen müssen, dass die Klägerin in ihre Fahrspur hineinfahren würde, sondern habe auf ihr Vorfahrtrecht vertrauen dürfen, sowie darauf, dass sich die Klägerin angesichts der örtlichen Sichtverhältnisse notfalls einweisen lassen würde. Dies stelle – anders als die Geschwindigkeit der Klägerin von 7 – 11 km/h – keinen nachgewiesenen, für den Unfall mitursächlichen Umstand dar (Bl. 276 d. A.).

Aus den Lichtbildern der Unfallendstellung ergebe sich weiter nicht, dass die Beklagte zu 1) mittig auf der Straße gefahren sei. Nach den vom Sachverständigen Dr. P. auf Seite 23 seines Gutachtens eingezeichneten denkbaren Kollisionsstellungen ergebe sich nur die Richtigkeit der Behauptung, dass die Beklagte zu 1) „eher“ mittig auf der Straße gefahren sei. Der Sachverständige habe jedoch ausdrücklich klargestellt, dass eine eindeutige Rekonstruktion nicht möglich sei (Bl. 276 d. A.). Auf Grund des Bewuchses habe der Sachverständige Dr. P. auf Seite 24 seines Gutachtens festgestellt, dass das klägerische Fahrzeug erst etwa 1,0 bis 1,5 Meter vor Erreichen der Rinne erkennbar gewesen sei. Der Erstkollisionspunkt habe daher um 1,5 m weiter vorne am Fahrzeug der Beklagten zu 1), also etwa in Höhe der A-Säule, gelegen (Seite 25 des Gutachtens). Dies belege, dass die Klägerin ungebremst in einem Zug in das Fahrzeug der Beklagten zu 1) gefahren sei (Bl. 277 d. A.).

Nach den sachverständigen Feststellungen seien mehrheitlich Versionen der Unvermeidbarkeit für die Beklagte zu 1) auch bei einer Verzögerung aus 40 km/h denkbar, jedoch sei auch insoweit ein eindeutiger Nachweis nicht möglich (Bl. 277 d. A.).

Es seien nicht sämtliche Anwohner davon ausgegangen, dass am Unfallort „rechts vor links“ gelte, so dass das Landgericht zutreffend § 10 StVO angewandt habe. Auf die rechtliche Einschätzung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde und ihrer Mitarbeiter komme es nicht an (Bl. 277 u. 278 d. A.). Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Unfallörtlichkeit handle es sich um eine Ausfahrt, so dass die Beklagte zu 1) habe darauf vertrauen dürfen, dass vom Grundstück Ausfahrende ihr Vorfahrtsrecht respektieren würden, und keine Veranlassung gehabt habe, anzunehmen, dass die Klägerin in einem Zug aus der Grundstücksausfahrt herausfahren würde (Bl. 277 d. A.).

Dies ergebe sich auch aus der vom Landgericht durchgeführten Ortsbesichtigung. Entscheidend komme es nicht darauf an, ob ein dort stehendes Straßenschild mit dem Straßennamen zu erkennen gewesen sei. Der Straßenname werde fortlaufend wiederholt und es handle sich offensichtlich um die Kennzeichnung der vor der Ausfahrt liegenden Straße (Bl. 277 d. A.).

Aus dem Sackgassenschild ergebe sich gerade, dass es sich nicht um eine weiterführende Straße handle. Das Schild habe nur die Funktion, ortsunkundigen Verkehr darauf hinzuweisen, dass dort nicht durchgefahren werden könne. Es handle sich daher gerade nicht um eine normale Straße, zumal dort lediglich ein Häuserblock vorhanden sei.

§ 10 StVO statuiere Sorgfaltsanforderungen dergestalt, dass eine Gefährdung des fließenden Verkehrs ausgeschlossen sein müsse. Hiergegen habe die Klägerin grob verstoßen. Sie hätte sich nämlich auf Grund der schlechten Sicht nach links in die vorfahrtberechtigte Straße einweisen lassen müssen. Daher trete hinter diesem Verschulden der Klägerin ein eventueller Mitverursachungsbeitrag der Beklagten zu 1) gänzlich zurück. Für die Beklagte zu 1) sei das Fahrzeug der Klägerin erst ganz kurz vor der Einfahrt objektiv erkennbar gewesen (Bl. 278 d. A.).

Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 14.02.2014 (4 UH 2/13 – Bl. 121 d. A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, ratenfreie Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Durchführung eines Berufungsverfahrens unter Beiordnung des Rechtsanwalts pp. gewährt, soweit die Klägerin in der Hauptsache auf Zahlung eines Betrages von 2.651,34 € anträgt, und den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 15.11.2013 im Übrigen zurückgewiesen.

Der Senat hat der Klägerin ferner mit Beschluss vom 25.03.2014 (Bl. 260 d. A.), auf dessen Gründe ebenfalls Bezug genommen wird, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist und der Frist zur Begründung der Berufung gewährt.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. P. vom 11.06.2013 (Bl. 133 d. A.), die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 27.02.2013 (Bl. 114 d. A.), vom 30.09.2013 (Bl. 176 d. A.) und des Senats vom 06.11.2014 (Bl. 288 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 31.10.2013 (Bl. 181 d. A.) und die Beiakte 320003889 des Landesverwaltungsamts Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, und begründet.

1.

Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht die Versäumung der Berufungsfrist gem. § 517 ZPO und der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen. Zwar hat die Klägerin die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt, jedoch hat der Senat der Klägerin bezüglich beider Fristen mit Beschluss vom 25.03.2014 (Bl. 260 d. A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, gem. §§ 233, 236 Abs. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich beider Fristen gewährt, da der Klägerin mit Beschluss des Senats vom 14.02.2014 (Bl. 221 d. A. – zugestellt am 20.02.2014 (Bl. 226 d. A.)) für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe gewährt und die Klägerin sowohl das Rechtsmittel der Berufung als auch die Berufungsbegründung am 21.03.2014 und am 12.03.2014 innerhalb der Antragsfrist nachgeholt hat.

2.

Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG dem Grunde nach sind gegeben, da die Beklagte zu 1) als Halterin und Fahrerin des Fahrzeugs BMW (amtl. Kennz.: …-X-…) den streitgegenständlichen Unfall vom 04.05.2012 in S. mit verursacht hat und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG neben der Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin haftet.

3.

Gemäß §§ 17 Abs. 1 u. 2, 18 Abs. 3 StVG ist jedoch nicht wegen einer Alleinhaftung der Klägerin eine vollständige Klageabweisung gerechtfertigt, sondern es hat eine hälftige Haftungsteilung zu erfolgen.

a)

Gemäß §§ 17 Abs. 1 u. 2, 18 Abs. 3 StVG hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Unfallbeteiligten Halter oder Fahrer verursacht wurde. Das Landgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1) als Halterinnen und Fahrerinnen der unfallbeteiligten Fahrzeuge – und damit auch die Beklagte zu 2) – gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG haften, was bei der im Rahmen des § 17 StVG anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen ist.

Der Sache nach sind lediglich unstreitige oder bewiesene Umstände in die Abwägung einzubeziehen (vgl. BGH, NJW 2000, 3069; BGH, NZV 2005, 407; Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 17 StVG, Rdn. 31).

b)

Auf der Klägerseite ist zwar § 10 Satz 1 StVO zu berücksichtigen, wonach derjenige, der aus einem Grundstück heraus oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren will, sich so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

aa)

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 10 Satz 1 StVO ist, dass es sich bei der Fläche, die die Klägerin mit ihrem Pkw befahren hat, um ein Grundstück oder einen anderen Straßenteil handelt, aus dem die Klägerin auf die Fahrbahn eingefahren ist.

Unter Grundstücken versteht man private Grundflächen, auf denen kein öffentlicher Verkehr stattfindet (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage, § 10 StVO, Rdn. 3). Andere Straßenteile sind solche, auf denen zwar rechtlich und tatsächlich öffentlicher Verkehr stattfindet, die aber nicht für den Durchgangsverkehr bestimmt sind (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, aaO., § 10 StVO, Rdn. 4). Hierzu gehören insbesondere nur zur Anschließung einiger Grundstücke bestimmte Zufahrten (vgl. BayObLG, VRS 65, 223; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, aaO., § 10 StVO, Rdn. 4). Für eine Einfahrt spricht insbesondere das Vorhandensein eines abgesenkten Bordsteins (vgl. OLG Köln, DAR 1997, 79; DAR 1999, 314; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, aaO., § 10 StVO, Rdn. 4).

Für die Einordnung kommt es entscheidend auf das nach äußeren, jedem erkennbaren Merkmale zu beurteilende Gesamtbild an, für das die Verkehrsbedeutung der Verkehrsfläche maßgeblich ist (vgl. BGH, VersR 1977, 58; BGH, VersR 1987, 306; OLG Köln, VRS 85, 15; Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, aaO., § 10 StVO, Rdn. 3).

Der Gesetzgeber hat die rechtliche Einordnung des Verkehrswegs als Grundstücksausfahrt und die für die Vorfahrtregelung geknüpften Folgerungen nicht von dessen baulichem Zustand, sondern von seinem Zweck und seiner Bedeutung für den Verkehr abhängig gemacht. Es kommt dabei maßgeblich darauf an, ob der Verkehrsweg dem fließenden Verkehr dient oder nur dem Zugang zu einem Grundstück, also auf seine Bedeutung für den Verkehr, die nicht nur auf den Blickwinkel der Verkehrsfrequenz verkürzt werden darf. Ausbau und Gestaltung des Verkehrswegs können in enger Verbindung zu Zweck und Bedeutung des Weges für den Verkehr stehen und als äußere Kriterien für die Beurteilung der Verkehrsbedeutung mit heranzuziehen sein. Die Verkehrsbedeutung muss nach außen in Erscheinung treten, wenn an sie verkehrsrechtliche Gebote und Verbote geknüpft werden sollen. Jedoch darf dies nicht dahin verstanden werden, dass damit verbundene Vorfahrtrechte und Wartepflichten nur entstehen, wenn jeder Adressat die dafür maßgebenden Merkmale des Verkehrsweges auch erkennen kann. Schwierigkeiten bei der Erkennbarkeit der Regelung sind vielmehr im Rahmen der subjektiven Haftungsvoraussetzungen zu berücksichtigen. Den Verkehrsteilnehmer trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, wenn ihm mangels eindeutiger Kriterien Zweifel kommen müssen, ob ein Verkehrsweg zu der von ihm befahrenen Straße eine vorfahrtberechtigte Straßeneinmündung oder eine untergeordnete Grundstücksausfahrt ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.1987 – VI ZR 296/86, NJW-RR 1987, 1237 – 1238, juris Rdn. 12).

bb)

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Zuwegung, über die die Klägerin in die N.-straße eingefahren ist, nach diesen Kriterien einen „anderen Straßenteil“ i. S. d. § 10 StVO, nämlich eine Grundstückszufahrt darstellt. Dies ergibt sich sowohl aus den Feststellungen des Landgerichts beim Ortstermin am 02.07.2013 (Bl. 115 d. A.) als auch aus den bei der beigezogenen Ermittlungsakte befindlichen Lichtbildern Nr. 1 und 2 (Bl. 5 d. BA 320003889 des Landesverwaltungsamtes):

aaa)

Zwar ist die Zufahrt zu den Grundstücken N.-straße 2 und 3 asphaltiert und an der Einmündung mit dem Zeichen 357 (Sackgasse) gekennzeichnet. Jedoch ist die Einmündung mit einer Breite von ca. 3 Metern nicht in der Lage gleichzeitig zwei Pkw’s aufzunehmen. Zudem ist sie durch eine Rinne, die in Verlängerung der angrenzenden Bordsteine verläuft von der N.-straße selbst abgetrennt.

Der eigentliche Bordstein ist darüber hinaus abgesenkt, d. h. er ist auf der gesamten Einmündungslänge unterbrochen. Dies stellt – anders als die Klägerin meint – ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Grundstücksausfahrt dar.

bbb)

Die Verkehrsbedeutung der Zuwegung beschränkt sich auf die Erschließung der beiden Wohnhäuser N.-straße 2 und 3 mit insgesamt 8 Wohnungen, was insbesondere auch daran deutlich wird, dass die Zuwegung im Anschluss an das hintere der beiden Wohnhäuser endet und mittels eines quer zu Fahrtrichtung verlaufenden Jägerzauns von dem Nachbargrundstück abgegrenzt ist. Die Zuwegung dient daher gerade nicht der Erschließung der weiter hinten liegenden Grundstücke für den Durchgangsverkehr. Zudem sind beide Wohngrundstücke durch den angegebenen Straßennamen „N.-straße“ in die bevorrechtigte Verkehrsfläche einbezogen. Daraus, dass an der Unfallstelle ein Straßenschild mit Straßennamen zu sehen ist, folgt daher entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass es sich bei der Zuwegung nicht um eine Grundstücksausfahrt, sondern einen Teil der eigentlichen Straße handelt.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang ferner, ob die Zuwegung dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist oder nicht und dass das Sackgassenschild durch die Straßenverkehrsbehörde aufgestellt wurde. Entscheidend kommt es nämlich nicht auf die Widmung der Fläche, sondern auf ihre nach äußerlichen Merkmalen erkennbare Verkehrsbedeutung an.

ccc)

Hieraus hat das Landgericht zutreffend den Schluss gezogen, dass die örtliche Lage an der Unfallstelle nur den Schluss zulässt, dass es sich nicht um eine Straße, sondern um eine Grundstücksausfahrt, also einen „anderen Straßenteil“ handelt, so dass die Klägerin die besonderen Sorgfaltspflichten des § 10 StVO beachten musste.

ddd)

Zutreffend hat das Landgericht weiter ausgeführt, dass der Umstand, dass die Straßenverkehrsbehörde davon ausgeht, dass an der Unfallstelle „rechts vor links“ gilt, ohne Belang ist. Ebenso nicht von Bedeutung ist, ob Anwohner und Straßenverkehrsbehörde sowie Polizei uneins waren bezüglich der geltenden Vorfahrtregelung. Denn jedenfalls hätte die Klägerin nach dem oben Gesagten schon allein auf Grund der in diesem Fall nicht eindeutigen Rechtslage Anlass zur Anwendung gesteigerter Sorgfalt haben müssen. Aus diesem Grund ist eine Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen H. des Sachbearbeiters der Straßenverkehrsbehörde, nicht veranlasst.

eee)

Nach alledem war – entgegen der Auffassung der Klägerin – für einen objektiven Verkehrsteilnehmer die Grundstückszufahrt nicht als normale öffentliche Straße wahrzunehmen, sondern als Straßenteil, gegenüber dem der fließende Verkehr bevorrechtigt war (vgl. zum Zweck der Regelung Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Burmann, aaO., § 10 StVO, Rdn. 2).

Es kommt, wie bereits ausgeführt, darauf an, wie sich die Unfallstelle für den Verkehrsteilnehmer darstellt, auch wenn er nicht ohne Weiteres erkennen können muss, welche Rechte und Pflichten sich aus der örtlichen Lage ergeben. Danach kann nur davon ausgegangen werden, dass die Klägerin keine bevorrechtigte Straße benutzt hat.

cc)

Rechtsfolge des § 10 StVO ist, das den Einfahrenden gesteigerte Sorgfaltsanforderungen treffen, d. h. von ihm wird äußerste Sorgfalt gefordert (vgl. BGH, VersR 1985, 835; Hentschel-König, aaO., § 10 StVO, Rdn. 10 m. w. N.).

Gegen den Einfahrenden spricht ein Anscheinsbeweis, d. h. er trägt die volle Haftung, es sei denn der Fahrer des anderen, vorfahrtberechtigten, weil bereits auf der Straße fahrenden Fahrzeugs (vgl. BGH, VRS 56, 203; Hentschel-König, aaO., § 10 StVO, Rdn. 8 m. w. N.) ist im Einzelfall ebenfalls ein Sorgfaltsverstoß anzulasten, weil er unaufmerksam oder mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2003, 1536; OLG Köln, DAR 1996, 464; Hentschel-König, aaO., § 10 StVO, Rdn. 11 m. w. N.).

cc)

Rechtsfolge ist, dass gegenüber der Sorgfaltspflichtverletzung des in den Verkehr Einfahrenden die Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG zurücktritt (vgl. KG, DAR 2001, 34; Hentschel-König, aaO., § 17 StVG, Rdn. 18 m. w. N.). Der fließende Verkehr darf nämlich im Regelfall darauf vertrauen, dass sein Vorrang beachtet wird (vgl. BGH, VRS 56 (1979), 202 (203), juris Rdn. 8; KG, Urt. v. 07.02.1994 – 12 U 3844/92, juris Rdn. 19). Die gesteigerte Sorgfaltspflicht des vom Fahrbahnrand Anfahrenden führt daher dazu, dass bei einem Unfall i. d. R. von seiner Alleinhaftung auszugehen ist und die Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr Befindlichen regelmäßig zurücktritt (vgl. KG, Urt. v. 24.02.2000 – 12 U 6884/98, VRS 100, (2001), 286 – 289, juris Rdn. 6; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 11. Auflage, Rdn. 66; Geigel-Zieres, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, 25. Kap., Rdn. 326; Jagow/Janker/Burmann, 17. Auflage, § 10 StVO, Rdn. 8).

dd)

Im streitgegenständlichen Fall hat die Klägerin die sich aus § 10 StVO ergebenden Sorgfaltsanforderungen nicht gewahrt.

aaa)

Die Klägerin, der unstreitig die örtlichen Verhältnisse gut bekannt sind, hat sich nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. gerade nicht so verhalten, dass jede Gefährdung des bevorrechtigten Verkehrs auf der Straße ausgeschlossen war.

bbb)

Der Sachverständige hat festgestellt, dass das Fahrzeug der Klägerin mit dem etwa in der Fahrbahnmitte fahrenden Fahrzeug der Beklagten zu 1) (zur ungefähren Kollisionsstellung vgl. S. 22 des Gutachtens – Bl. 154 d. A.) mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von ca. 7 – 11 km/h kollidiert ist (Seite 23 des Gutachtens – Bl. 155 d. A.).

ccc)

Wie auf Grund der Lichtbilder in der Ermittlungsakte erkennbar ist und sich auch nach dem unstreitigen Parteivortrag ergibt, waren die Sichtverhältnisse für die Klägerin – ebenso wie für die Beklagte – durch die üppige Vegetation an der Unfallstelle eingeschränkt.

Bei Sichthindernissen durch Hecken, Zäune, Mauern, sonstige Vegetation oder andere Hindernisse ist der Einfahrende verpflichtet, sich ganz langsam und vorsichtig so weit in die Straße hineinzutasten, bis er freie Sicht auf den bevorrechtigten Verkehr hat (vgl. Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 10 StVO, Rdn. 13). Dies ist nicht zu verwechseln mit einem Fahren mit Schrittgeschwindigkeit, die nach der Rechtsprechung des Senats ca. 5 – 7 km/h beträgt (vgl. Senat, Urt. v. 09.10.2014 – 4 U 46/14, juris Rdn. 52).

Dagegen darf nach der Rechtsprechung des Senats der aus dem untergeordneten Fahrbahnteil Kommende nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtsberechtigten weder gefährdet noch behindert. Kann er das nicht übersehen, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so hat er sich vorsichtig in die Kreuzung und Einmündung hineinzutasten, bis er die Übersicht hat. Hierbei kann es geboten sein, lediglich zentimeterweise mit der Möglichkeit zum sofortigen Anhalten bis zum Übersichtspunkt vorzurollen. Gegebenenfalls ist dieser Vorgang mehrfach zu wiederholen (vgl. Senat, Urt. v. 12.10.2010 – 4 U 110/10 – 34 -, NJW-Spezial 2010, 746, juris Rdn. 42; BGH, Urt. v. 21.05.1985 – VI ZR 201/83, NJW 1985, 2757; KG, MDR 2010, 805; Hentschel/König/Dauer, aaO, § 8 StVO Rdnr. 58; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO, § 8 Rdnr. 50).

ddd)

Diesen Anforderungen hat die Klägerin nach den vorgenannten Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. nicht Genüge getan, sondern sie ist – wenn auch mit einer noch gerade als Schrittgeschwindigkeit anzusehenden Geschwindigkeit von 7 – 11 km/h in einem Zuge in die bevorrechtigte Fahrbahn eingefahren.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug der Klägerin bei der Kollision nur wenige Zentimeter in die Fahrspur der Beklagten zu 1) geragt hat. Vielmehr hat der Sachverständige festgestellt, dass sich die Kollision eindeutig im Bereich der Fahrbahn ereignet hat, auch wenn sich die exakte Kollisionsposition nicht mit letzter Sicherheit hat eingrenzen lassen (vgl. Bl. 154 und 155 d. A. mit Skizze). Jedenfalls hatte die Klägerin den Übersichtspunkt bei der Kollision bereits deutlich überschritten.

eee)

Somit kommt es nicht darauf an, ob sich die Klägerin, wie die Beklagten meinen, hätte in die Fahrbahn einweisen lassen müssen (vgl. hierzu Hentschel-König, aaO., § 10 StVO, Rdn. 13).

c)

Gleichwohl führt dies vorliegend – anders als das Landgericht dies entschieden hat – nicht zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung der Beklagten.

aa)

Wie der Senat in seinem Beschluss betreffend die Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren vom 14.02.2014 (Bl. 221 d. A.) bereits ausgeführt hat, war die Klägerin nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im Kreuzungsbereich zwar gemäß § 10 StVO wartepflichtig.

bb)

Jedoch ist die Folge hiervon im streitgegenständlichen Fall nicht, dass die Klägerin gemäß § 17 Abs. 1 StVG die alleinige Haftung trifft.

aaa)

Nach anerkannten Grundsätzen ist der Vorfahrtsberechtigte, der davon ausgehen muss, dass sein Vorfahrtsrecht auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht erkannt wird, zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet und muss seine Fahrweise auf eine mögliche Missachtung seines Vorfahrtsrechts ausrichten. In derartigen Fällen ist im Rahmen der Abwägung nicht stets davon auszugehen, dass der Verursachungsanteil desjenigen, der das Vorfahrtsrecht verletzt hat, denjenigen des Bevorrechtigten derart überwiegt, dass dessen Haftung vollständig zurücktritt. Ein Vorfahrtsberechtigter, der davon ausgehen muss, dass sein Vorfahrtsrecht von anderen Verkehrsteilnehmern auf Grund der örtlichen Gegebenheiten möglicherweise nicht erkannt wird, ist zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet; er muss damit rechnen, dass sein Vorfahrtsrecht missachtet wird, und muss seine Fahrweise darauf einstellen. Derartige Situationen sind angesichts der für die Verkehrsteilnehmer nicht immer eindeutigen Verkehrslage nicht auszuschließen und können deshalb Bedeutung für die haftungsrechtliche Abwägung gewinnen. (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1986 – VI ZR 139/85, VersR 1987, 306 (308); BGH, Urt. v. 20.11.2007 – VI ZR 8/07, NJW 2008, 1305 – 1307, juris Rdn. 16; BayObLG, NZV 1989, 121 f).

bbb)

Im vorliegenden Fall musste die Beklagte zu 1) als Vorfahrtsberechtigte davon ausgehen, dass ihr Vorfahrtsrecht auf Grund der örtlichen Gegebenheiten möglicherweise nicht erkannt werde. Auch dies folgt aus der bereits erwähnten, beide Unfallbeteiligte betreffenden dichten Vegetation, die dazu führte, dass die Klägerin ebenso wie umgekehrt die Beklagte zu 1) nur eine eingeschränkte Sicht auf den jeweils anderen Fahrbahnteil hatte. Somit musste die Beklagte zu 1) jedenfalls damit rechnen, dass die Klägerin ihr Vorfahrtsrecht – wie geschehen – nicht hinreichend beachten würde, indem sie sich nicht vorsichtig in die übergeordnete Fahrbahn hineingetastet hat.

Gleichwohl ist die Beklagte zu 1) nach ihren eigenen Angaben bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht (Bl. 115 d. A.) sowie den Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. (Bl. 156 f d. A.) mit unverminderter Geschwindigkeit von 30 km/h auf die Einmündung zugefahren. Dies hatte nach den Feststellungen des Sachverständigen zur Folge, dass die Beklagte zu 1) die Klägerin erst wenige Meter vor dem Erreichen der auf den Lichtbildern erkennbaren Rinne sehen konnte (Bl. 156 ff d. A.). Bei einer Geschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 30 km/h würde sich ein Anhalteweg von mindestens 10,20 m – 12,70 m ergeben (Bl. 157 f d. A.), wobei im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Anhalteweg von 4,1 m – 13,3 m nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. Varianten denkbar sind, bei denen der Unfall im Hinblick auf die gefahrene Geschwindigkeit und eine eventuelle weitere Beschleunigung durch die Beklagte zu 1) vermeidbar gewesen wäre (Bl. 158 d. A.).

Jedenfalls wäre die Beklagte zu 1) gehalten gewesen, bei dieser Sachlage zur sicheren Vermeidung einer Kollision bei nicht auszuschließender Missachtung ihres Vorfahrtsrechts ihre Geschwindigkeit deutlich herabzusetzen, wodurch der Unfall anders als bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h sicher vermieden worden wäre.

d)

Nach alledem ist eine hälftige Haftungsteilung gerechtfertigt. Dies wird den beiderseitigen Verursachungsbeiträgen hinreichend gerecht.

Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der die streitgegenständliche Einfahrt verdeckende Bewuchs ausweislich der zur Akte gereichten Fotos so stark war, dass die Beklagte zu 1) diesen und den Umstand, dass auch die Sicht des Führers eines aus der Einfahrt kommenden Fahrzeugs durch ihn stark eingeschränkt war, ohne Weiteres erkennen musste. Zum anderen war die Unfallstelle der Beklagten zu 1) unstreitig bekannt, da sie in dem Ortstermin vom 27.02.2013 selbst angegeben hat, dass sie an dieser Stelle Post ausgetragen habe und damals dienstlich mit ihrem Pkw unterwegs gewesen sei (Bl. 115 d. A.).

Daher ist im streitgegenständlichen Fall trotz der bestehenden Vorfahrt der Beklagten zu 1) nicht von einer überwiegenden Haftung der Klägerin auszugehen, sondern von einer hälftigen Haftungsteilung.

4.

Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens beträgt insgesamt 5.302,69 €.

a)

Unstreitig sind der Klägerin zum einen Reparaturkosten bezüglich ihres Fahrzeugs in Höhe von 4.451,42 € entstanden und auch gemäß § 249 BGB zu ersetzen und es ist ebenfalls unstreitig eine Unkostenpauschale in Höhe von 26,– € erstattungsfähig. Bezüglich deren Höhe haben die Beklagten keine Einwände erhoben, obgleich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats lediglich 25,– € zu erstatten sind.

b)

Darüber hinaus gehören zu dem erstattungsfähigen Schaden Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 825,27 €.

a)

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senat, Urt. v. 08.05.2014 – 4 U 61/13, Verkehrsrecht aktuell 2014, 148, juris Rdn. 123 ff), kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7 m. w. N.; BGH, Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 – 1143, juris Rdn.17 ff; BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544, juris Rdn. 26 und VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590, juris Rdn. 27; BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560, juris Rdn. 13).

Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7 m. w. N.; BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544, juris Rdn. 26 und VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590, juris Rdn. 27; BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560, juris Rdn. 13). Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7 m. w. N.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7 m. w. N.; BGHZ 115, 364 (369); BGHZ 154, 395 (398)). Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 Satz 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7; Steffen, NZV 1991, 1 (2); Steffen, NJW 1995, 2057 (2062)). Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 7 m. w. N.; BGHZ 115, 364 (369); BGHZ 115, 375 (378)).

Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

b)

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 8 m. w. N.; BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12, VersR 2013, 1544, juris Rdn. 26 und VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590, juris Rdn. 27; BGH; Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06, juris Rdn. 13). Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 8 m. w. N.; BGHZ 132, 373 (381)). Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 8 m. w. N.; BGH; Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12 und VI ZR 528/12, aaO.).

Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 8 m. w. N.; BGHZ 132, 373 (381 f)).

c)

Mit diesen Grundsätzen sind, auch im Rahmen der freieren Stellung des Tatrichters bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO, die Erwägungen nicht zu vereinbaren, mit denen ein Teil der Rechtsprechung – etwa die Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken und das Landgericht Saarbrücken im Rahmen der hier angefochtenen Entscheidung – hier zu einer Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten gelangt.

Insbesondere dürfen die dem Geschädigten vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten nicht allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes gekürzt werden. Vielmehr ist die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen zu berücksichtigen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW-Spezial 2014, 169, juris Rdn. 9 m. w. N.; BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12, juris Rdn. 19 m. w. N.)

d)

Nach diesen Grundsätzen sind sowohl das vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Grundhonorar in Höhe von netto 495,– € nicht zu beanstanden als auch die Höhe der Nebenkosten von netto 198,50 € jeweils zuzüglich MWSt. (vgl. Rechnung Anlage K 2 – Bl. 69 d. A.) und demgemäß ersatzfähig.

Diese Beträge wurden der Klägerin vom Sachverständigen ausweislich der zur Akte gereichten Rechnung berechnet und es ist nicht erkennbar, dass besondere Umstände gegeben und für die Klägerin erkennbar waren, wonach die Honorarsätze überhöht waren.

aa)

Was das Grundhonorar anlangt, haben die Beklagten insoweit lediglich vorgetragen, die Üblichkeit des Sachverständigenhonorars werde „auch bezüglich des Grundhonorars mit Nichtwissen bestritten“ (Bl. 52 d. A.).

Insoweit liegt also ein nach der vorgenannten Rechtsprechung nicht zu berücksichtigendes einfaches und völlig unsubstantiiertes Bestreiten vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Honorarsätze so weit außerhalb des üblichen Rahmens lägen, dass die Klägerin Anlass gehabt hätte, diese nicht zu zahlen. Dies deckt sich mit den Erfahrungen des Senats in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten auf Grund von Verkehrsunfällen.

bb)

Was die Nebenkosten anlangt, können die Beklagten nicht – im Anschluss an die Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2010 – 13 S 37/12, NJW 2012, 3658) – damit argumentieren, diese seien nicht zu ersetzen, weil sie den pauschalen Betrag von 100,– € überschritten.

Ob die geltend gemachten höheren Nebenkosten objektiv überhöht sind oder nicht, kann nach dem oben Gesagten vorliegend dahinstehen. Dass die Klägerin von vornherein hätte erkennen können, dass die Nebenkosten eventuell überhöht sind, ergibt sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch ist dies sonst ersichtlich. Auch die Nebenkosten halten sich im Rahmen der Erfahrungen des Senats.

Damit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

e)

Auf Grund der hälftigen Haftung der Beklagten hat die Klägerin daher – wie mit der Berufung lediglich noch weiterverfolgt – einen Anspruch in Höhe von 2.651,34 €.

5.

Zu ersetzen haben die Beklagen der Klägerin darüber hinaus die auf Grund des zuzusprechenden Hauptsachebetrags von 2.651,34 € anfallenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe der geltend gemachten 273,34 €. Eine 1,3 Geschäftsgebühr würde demnach 245,70 € betragen. Hinzu kämen noch eine Unkostenpauschale von 20,- € sowie Mehrwertsteuer von 19 %, so dass sich insgesamt also 316,18 € ergäben.

Die Klägerin hat mit ihrer Berufung indes lediglich 273,34 € geltend gemacht, so dass nur dieser Betrag zuzusprechen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt bezüglich des Rechtsstreits erster Instanz aus § 92 Abs. 1 ZPO. Da die Klägerin ursprünglich einen Schaden von insgesamt 5.302,69 € klageweise geltend gemacht und letztlich lediglich in Höhe von 2.651,34 € obsiegt hat, sind die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits hälftig zu teilen. In der Berufungsinstanz folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO, da die Klägerin mit ihrer Berufung voll obsiegt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren 2.651,34 €, mithin nicht mehr als 20.000,– € beträgt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).


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